Übersicht gewerblicher Schutzrechte

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1 Übersicht gewerblicher Schutzrechte 2 Der Begriff Patent ist in der heutigen Zeit in aller Munde. Fast wöchentlich kann man neue Meldungen über geschützte Technologien, Patentverletzungen, Klagen und Gerichtsverfahren in den Nachrichten lesen. Dennoch werden die gewerblichen Schutzrechte in vielen Unternehmen noch stiefmütterlich behandelt. Beispielsweise ist ein systematisches Einbeziehen des Patentwesens in die Wettbewerbsstrategien in der Praxis insbesondere in kleinen Unternehmen noch selten anzutreffen. Bereits mit den Grundlagen von Patenten sind in vielen Unternehmen meist nur wenige bis kein Mitarbeiter vertraut. Doch selbst in den öffentlichen Medien mangelt es an Kenntnissen über die gewerblichen Schutzrechte. Die einzelnen Schutzrechtsarten werden in Berichterstattungen gerne durcheinander gebracht. So werden eingetragene Designs mit Patenten verwechselt oder es wird von patentierten Marken gesprochen. Dieses Kapitel soll Klarheit über die gewerblichen Schutzrechte schaffen, indem ein Überblick über die einzelnen Schutzrechtsarten und tangierende Rechtsbereiche gegeben wird. 2.1 Wesen und Relevanz gewerblicher Schutzrechte Nachahmungsfreiheit In Deutschland und den meisten anderen Ländern dieser Welt gilt das Prinzip der Nachahmungsfreiheit. Bestehen also keine besonderen Umstände (nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, Abschn ) oder Sonderschutzrechte in Form von einem gewerblichen Schutzrecht, wie bspw. einem Patent, so darf unter anderem ein Produkt, Verfahren oder eine Technologie nachgeahmt werden. Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 O. Offenburger, Patent und Patentrecherche, DOI / _2 5

2 6 2 Übersicht gewerblicher Schutzrechte Vorteil durch Nachahmung Nachahmer sparen sich die Entwicklungskosten und können Produkte daher günstiger anbieten. Bei Warenkennzeichnungen hängen sich gerne Trittbrettfahrer an den Erfolg von Unternehmen, indem sie ihre Firma oder Produkte/Dienstleistungen ähnlich benennen oder Bezeichnungen sogar böswillig kopieren. Zwischenzeitliche Monopolstellung Durch gewerbliche Schutzrechte lässt sich eine zwischenzeitliche Monopolstellung am Markt erwirken. So darf bspw. nur noch der Inhaber des Schutzrechtes bzw. der Lizenznehmer das geschützte Immaterialgut nutzen. Die gewerblichen Schutzrechte sichern so insbesondere Investitionen in die Forschung und Entwicklung, in die Qualität sowie in das Marketing. Verpflichtung zur Information Wer ein gewerbliches Schutzrecht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, ist dem Inhaber schadensersatzpflichtig. Demnach muss sich jeder Gewerbetreibende darüber informieren, ob bereits gewerbliche Schutzrechte Dritter bestehen und, falls ja, diese Schutzrechte entsprechend achten. Freier Stand der Technik Neben der Absicherung gegen eine Verletzung von Patenten kann die Informationsbeschaffung über bestehende gewerbliche Schutzrechte auch andere Vorteile bringen. Viele gewerbliche Schutzrechte sind abgelaufen und der Inhalt kann somit frei verwendet werden. Beispielsweise können Erfindungen, deren Schutz abgelaufen ist, frei gewerblich genutzt werden. So kann die Patentdatenbank auch zur Informationsbeschaffung für Forschung und Entwicklung dienen. Diese Erfindungen können auch weiterentwickelt und neu kombiniert werden. Der entstandene Überschuss ist dann möglicherweise erneut schutzfähig. Apple, Samsung, Google & Co. Das Beispiel des Patentstreits zwischen dem iphone-hersteller Apple und den Smartphoneherstellern, welche auf Android als Betriebssystem setzen, soll die strategische Relevanz der gewerblichen Schutzrechte in der heutigen Zeit verdeutlichen. Apple zog gegen den Konkurrenten Samsung vor Gericht, weil dieser einige Patente und Geschmacksmuster verletzte (Weber und Paukner 2012). Im Gegenzug startete Samsung eine Klageoffensive gegen Apple (Spiegel Online 2012). Apple gewann einen Patentstreit gegen Samsung und erreichte ein Verkaufsverbot von acht Samsung-Modellen sowie einen Schadensersatz in Milliardenhöhe (Langer 2012). Diese gerichtliche Entscheidung verursachte viel Unsicherheit bei anderen Android-Smartphoneherstellern, da diese befürchteten, auch in einen Patentstreit verwickelt zu werden. Dies zwang Google als Hersteller des Betriebssystems Android dazu, aktiv zu werden. Google besitzt durch seinen Erwerb der heutigen Tochter Motorola Mobility im Jahre 2012 einige Patente, wel-

3 2.2 Gewerbliche Schutzrechte und tangierende Rechte 7 che vermutlich von Apple verletzt wurden. So startete Google über Motorola Mobility eine Klage gegen Apple (Kessler 2012). Diese Pattsituation brachte die beiden Giganten Apple und Google an einen Verhandlungstisch, wo ein Versuch der außergerichtlichen Verhandlung unternommen wurde (Macmania 2012). Das Beispiel veranschaulicht, welche mächtigen Möglichkeiten die gewerblichen Schutzrechte in die Geschäftspolitik von Unternehmen bringen können. 2.2 Gewerbliche Schutzrechte und tangierende Rechte Sinn der Schutzrechte am Beispiel des Patents Vorab möchten wir am Beispiel des Patents betrachten, warum gewerbliche Schutzrechte gewährt werden. Grundsätzlich sind reine Monopolstellungen in der Marktwirtschaft eher unerwünscht. Wettbewerb zwingt zur Entwicklung und führt dadurch zu Fortschritt. Doch Forschung und Entwicklung sind mit hohen Kosten verbunden. Um das Risiko zu mindern und dadurch die Investition in Forschung und Entwicklung zu fördern, bietet der Staat als Belohnung für Innovationsgeist und die Investition in Innovationen die Möglichkeit der zwischenzeitlichen Monopolstellung durch gewerbliche Schutzrechte wie das Patent. Dies wiederum bringt dem Staat und der Wirtschaft Vorteile. Bei der Patentanmeldung veröffentlicht der Erfinder seine Erfindung und macht diese somit der Öffentlichkeit zugänglich. Der angemeldete Erfindungsgegenstand kann dann von jedem betrachtet und auch weiterentwickelt werden was wiederum zu weiteren Innovationen und Fortschritt führt. Als Gegenleistung für das Veröffentlichen der Erfindung bekommt der Erfinder das zwischenzeitliche Monopolrecht. Spätestens nach Ablauf der maximalen Schutzdauer ist die Erfindung freier Stand der Technik und kann dann frei verwertet werden. Das Patent dient also dazu, Sicherheit zu gewährleisten, einhergehend Forschung und Entwicklung voranzutreiben sowie Wissen zu teilen und somit die Basis für weiteren Fortschritt zu schaffen. Arten gewerblicher Schutzrechte Neben dem Patent gibt es die Marke, das Gebrauchsmuster sowie das Design als weitere Schutzrechte und weitere tangierende Rechte. Abbildung 2.1 zeigt eine Übersicht nach Ahlert und Schröder. Tangierende Gesetze Neben den gewerblichen Schutzrechten gibt es weitere Gesetze wie das Urheberrecht oder das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, welche für Unternehmen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Im weiteren Verlauf des Kapitels sollen die einzelnen Schutzrechte näher erläutert werden.

4 8 2 Übersicht gewerblicher Schutzrechte Schutz geistig-gewerblichen Schaffens Rechtspol. Zielinhalte und Wertungsgedanken. Schutz der Freiheit des Wettbewerbs Schutz des Leistungswettbewerbes (Institutionenschutz) Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs Schutz individueller Geistesschöpfungen (Immaterialgüterrechtsschutz) Schutz geistig-gewerblicher Schöpfungen Schutz geistigkultureller Schöpfungen Normensysteme zur Erreichung der Ziele GWB UWG MarkenG PatG GebrMG Halbleiterschutzgesetz GeschmG UrheberG Schutzmedien zur Erreichung der Ziele Normierung von Schutz- und Verbotstatbeständen Zubilligung von Ausschließlichkeitsrechten Wettbewerbsrecht i.w.s. Technische Schutzrechte Normensystemübergreifende Begriffsdifferenzierungen Wettbewerbsrecht i.w.s. Gewerblicher Rechtsschutz Gewerbliche Schutzrechte Musterrchte Abb. 2.1 Zusammenhänge und Abgrenzung der Rechtsmaterie des gewerblichen Rechtsschutzes. (Nach Ahlert und Schröder 1996, S. 107; zitiert bei Ensthaler und Strübbe 2006, S. 9) Patente Das Patent schützt technische Erfindungen, wie bspw. Erzeugnisse oder Verfahren. Als gesetzliche Grundlage hierzu dient das Patentgesetz (kurz: PatG). Da das Patent von einem Patentprüfer auf seine Schützbarkeit hin untersucht wird, handelt es sich um ein sogenanntes geprüftes Schutzrecht. Diese Prüfung macht das Patent zu einem, salopp gesagt, stärkeren Schutzrecht als bspw. das Gebrauchsmuster. Als Kriterien zur Schützbarkeit spielen neben der Frage, ob die Erfindung die notwendige Technizität aufweist, unter anderem auch die Neuheit der Erfindung, die erfinderische Tätigkeit und die gewerbliche Anwendbarkeit eine Rolle. Zwar gewährt das Patent grundsätzlich einen ähnlichen Schutz wie das Gebrauchsmuster, doch aufgrund der vorherigen Prüfung kann ein erteiltes Patent als verlässlicher betrachtet werden. Dennoch bietet das Patent nicht automatisch eine vollständige Sicherheit für eine freie Nutzung der Erfindung (Abschn Freedom to Operate ). Auch gibt das Patentamt keine Garantie auf eine ganzheitliche Prüfung. Die Nutzungssicherheit der Erfindung sollte daher immer durch eine intensive Patentrecherche und eine genaue Analyse abgesichert werden. Die maximale Schutzdauer eines Patents beträgt 20 Jahre. Erlischt ein Patent, ist die zugrunde liegende Erfindung freier Stand der Technik Gebrauchsmuster Wie das Patent dient auch das Gebrauchsmuster zum Schutz von technischen Erfindungen. Im Gegensatz zum Patent wird das Gebrauchsmuster vor der Eintragung jedoch kei-

5 2.2 Gewerbliche Schutzrechte und tangierende Rechte 9 ner Schützbarkeitsprüfung unterzogen. Ob ein Gebrauchsmuster seinen Schutz hält, zeigt sich meist erst im Streitfall. Die Vorteile des Gebrauchsmusters liegen bei den niedrigeren Kosten sowie einer schnelleren Offenlegung. Das Gebrauchsmuster kann auch noch ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung einer Erfindung angemeldet werden. Im Vergleich zu der beim Patent geforderten erfinderischen Tätigkeit wird beim Gebrauchsmuster ein erfinderischer Schritt benötigt. Die aktuelle Rechtsprechung macht jedoch diesbezüglich keinen Unterschied mehr. Die Schutzdauer des Gebrauchsmusters umfasst maximal zehn Jahre. Als gesetzliche Grundlage dient das Gebrauchsmustergesetz (kurz: GebrMG) Design/Geschmacksmuster Das Design schützt die Formgebungen und Farben eines Erzeugnisses. So lässt sich ein bestimmtes Produktdesign oder ein besonderes Muster schützen. Das eingetragene Design nach dem Designgesetz (kurz: DesignG) hieß zuvor Geschmacksmuster und trat 2014 in Kraft. Die maximale Schutzdauer beträgt 25 Jahre Marken Die Marke dient zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen. Sie schützt die Investitionen in das Marketing sowie die kommunizierte Qualität von Produkten und Dienstleistungen. Geschützt werden können Wortmarken, Bildmarken, dreidimensionale Marken, Kennfadenmarken, Hörmarken sowie sonstige Markenformen (bspw. Farbmarken, Positionsmarken oder Geruchsmarken). Im Gegensatz zum Patent, Gebrauchsmuster oder Geschmacksmuster ist die Marke zeitlich unbegrenzt verlängerbar. Mit der Anmeldung einer Marke muss eine Angabe der zu schützenden Waren und/oder Dienstleistungen innerhalb der Markenklassifikation erfolgen. Dieselbe Marke kann von unterschiedlichen Anmeldern in unterschiedlichen Klassen beansprucht werden. Als gesetzliche Grundlage dient das Markengesetz (kurz: MarkenG) Urheberrecht Das Urheberrecht dient zum Schutz von geistig-kultureller Schöpfung. Es umfasst somit Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Geschützt werden hierdurch bspw. Werke der bildenden Kunst, Zeichnungen, Pläne, Kartenskizzen, Tabellen, plastische Darstellungen oder auch Computerprogramme, Musik, Filme und Werke der Tanzkunst. Die Anforderung ist jedoch, dass es sich um ein echtes Werk handelt. Es muss demnach eine schöpferische Höhe aufweisen. Geschützt wird jedoch lediglich die Art und Weise der individuellen Darstellung selbst. Diese kommt bspw. in der Formgestaltung zum Ausdruck. Ein wissenschaftlicher oder technischer Kern des Werks kann durch das Urheberrecht

6 10 2 Übersicht gewerblicher Schutzrechte nicht geschützt werden. Dieser muss über das Patent oder Gebrauchsmuster geschützt werden, sofern die Schutzvoraussetzungen erfüllt werden. Der Schutz des Werkes durch das Urheberrecht beginnt bereits mit der Schöpfung. Es muss also hierfür kein gesonderter Antrag gestellt werden. Der Schutz durch das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Flankiert werden die oben genannten gewerblichen Schutzrechte durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (kurz: UWG) oder auch Wettbewerbsrecht genannt. Wie bereits erwähnt in Abschn. 2.1 Wesen und Relevanz gewerblicher Schutzrechte, gilt durch den Gesetzgeber der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit. Ausnahmen können jedoch gemacht werden, wenn Leistungsergebnisse eine wettbewerbliche Eigenart aufweisen. Hier kann die Nachahmungshandlung als unlauter eingestuft werden. Grundsätzlich dient das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dem Schutz der Mitbewerber und Verbraucher. Um hierüber einen Schutz zu erwirken, müssen die Parteien in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen und das Erzeugnis muss äußere Gestaltungsmerkmale aufweisen, welche dazu geeignet sind, auf eine betriebliche Herkunft, eine besondere Güte oder Qualität hinzuweisen. Beim Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb kommt insbesondere der Produkt- und Leistungsschutz nach der vermeidbaren Herkunftstäuschung 1 zum Tragen. Demnach handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er a. eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, b. die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder c. die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat. Literatur Ahlert, D., & Schröder, H. (1996). Rechtliche Grundlagen des Marketing. Stuttgart: Kohlhammer. Ensthaler, J., & Strübbe, K. (2006). Patentbewertung Ein Praxisleitfaden zum Patentmanagement. Heidelberg: Springer. Kessler. (2012). Neuer Patent-Streit Google Tochter Motorola verklagt Apple. Zugegriffen: 16. Okt Nr. 9 UWG.

7 Literatur 11 Langer. (2012). Patente Was Apples Sieg über Samsung für Verbraucher bedeutet. spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/patente-was-apples-sieg-ueber-samsung-fuer-verbraucherbedeutet-a html. Zugegriffen: 16. Okt Macmania. (2012). Patentstreit Apple und Google setzten sich an runden Tisch. Zugegriffen: 16. Okt Spiegel Online. (2012). Apple Samsung weitet Patentstreit auf iphone 5 aus. de/wirtschaft/unternehmen/apple-samsung-weitet-patentstreit-auf-iphone5-aus-a html. Zugegriffen: 16. Okt Weber & Paukner. (2012). Apple gegen Samsung Auswirkungen eines Patentstreits. sueddeutsche.de/digital/apple-gegen-samsung-auswirkungen-eines-patentkriegs Zugegriffen: 16. Okt. 2012

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