Tod eines Handlungsreisenden

Transkript

1 Begleitmaterial für Pädagogen zu Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller am Schauspiel Dortmund Spielzeit 2014/15 Premiere: 18. Oktober 2014 im Schauspielhaus Besetzung: Willy: Andreas Beck Linda/die Frau: Carolin Wirth Biff: Peer Oscar Musinowski Happy/ Howard: Sebastian Graf Onkel Ben/ Charly/ Stanley: Uwe Rohbeck Regie: Liesbeth Coltof Bühne: Guus van Geffen Kostüme: Carly Everaert Licht: Sibylle Stuck Dramaturgie: Dirk Baumann Regieassistenz: Laura Nathalie Junghanns Inhalt des Begleitmaterials: 1. Information zu Arthur Miller 2. Inhalt der Dortmunder Inszenierung 3. Textstellen 4. American Dream 5. Interview mit Arthur Miller

2 1. Information zu Arthur Miller Der amerikanische Schriftsteller Arthur Asher Miller wurde am 17. Oktober 1915 in New York City geboren. Er gilt als wichtiger gesellschaftskritischer Dramatiker der neuen Zeit. Seine sozial- und zeitkritischen Dramen wenden sich gegen den so genannten American Way of Life, bei dem der berufliche Erfolg im Mittelpunkt steht. Immer wieder stellte Miller die ethische Verpflichtung des Einzelnen in den Vordergrund. Der Tod eines Handlungsreisenden hat auch heute nichts von seiner Aktualität verloren. Das Werk, das neben dem Pulitzer-Preis 1949 den Tony Award erhielt, einen der begehrtesten US-Bühnenpreise, wurde 1999 erneut mit diesem Preis ausgezeichnet, dieses Mal als bestes Revival in einer Broadway-Saison. Millers Drama über den Niedergang der Ideale der US-amerikanischen Gesellschaft wurde 1985 unter der Regie von Volker Schlöndorff verfilmt. 2. Inhalt der Dortmunder Inszenierung Arthur Millers weltberühmte Familiendrama über Sehnsucht und zerplatzte Träume: Willy Loman ist Vertreter eines Textilienvertriebs. Mit Fleiß und Disziplin hat er sich und seiner Familie eine mittelständische Existenz aufgebaut. Doch mit den steigenden Anforderungen und ökonomischen Zwängen in der Firma und den Veränderungen in der eigenen Familie kann er irgendwann nicht mehr mithalten. Dass er für seinen Arbeitgeber mittlerweile wertlos geworden ist und seine beiden Söhne Biff und Happy längst erwachsen sind - ohne bislang viel zu Stande gebracht zu haben -, will Willy nicht wahrhaben: Denn scheitern gibt es im Hause Loman nicht! Vergeblich versuchen der Herumtreiber Biff und der einfache Büroangestellte Happy, den Erwartungen ihres Vaters zu entsprechen. Mehr und mehr flüchtet sich Willy in seinen ursprünglichen Glauben an Erfolg durch Leistung und in eine Vergangenheit voller Hoffnung, in der der Traum eines besseren Lebens noch zum Greifen nah schien. In der Gegenwart jedoch drohen Schulden die Familie endgültig zu erdrücken. Schließlich weiß Willy nur noch einen Ausweg In diesem Drama analysiert und entlarvt Arthur Miller präzise die Traumwelt des Protagonisten. Jene Traumwelt kann als Abbild der zeitgenössischen US-amerikanischen Gesellschaft aufgefasst werden, welche sowohl in der Bühnendarstellung als auch in der Realität nicht mehr entlang der Idealvorstellungen (American Dream) existiert, sondern lediglich als ein im Zusammenbruch begriffenes Überbleibsel von ersehnten Zuständen aufrechterhalten wird. Regie führt Lisbeth Coltof, Künstlerische Leiterin Toneelmakerij in Amsterdam. Für zahlreiche ihrer Arbeiten wurde sie ausgezeichnet, zuletzt 2013 mit dem niederländischen Theaterpreis Gouden Krekel. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet sie auch im Nahen Osten, u.a. in Gaza, Hebron, Ramallah und Dschenin. Im Schauspiel Dortmund inszenierte sie bereits Edward Albees Wer hat Angst vor Virgina Woolf? Und Wajdi Mouawads Verbrennungen.

3 Liesbeth Coltof stellt in ihrer Inszenierung einen direkten Bezug zum Umfeld des Zuschauers her, indem sie den Amerikanischen Baseball durch den in Dortmund so präsenten Fußball ersetzt. Außerdem werden auf der Leinwand Alltagszenen der Dortmunder Fußgängerzone gezeigt. 3. Textstellen 2. Szene: Willy Loman kommt erschöpft von der Arbeit nach Hause und trifft auf seine Frau Linda Sind die Jungs da? Sie schlafen. Happy ist heut Abend mit Biff ausgegangen. Tatsächlich? Es war so schön, sie beide zusammen beim Rasieren vorm Spiegel zu sehen, und dann zusammen in die Stadt. Das ganze Haus riecht nach Rasierwasser. Da arbeitet man ein Leben lang, um ein Haus abzuzahlen. Schließlich gehört s dir, und keiner ist da, um drin zu leben. Ja, das Leben besteht aus Enttäuschungen. So geht es allen. Nein, nein, es gibt auch welche, die s zu was bringen. Hat Biff irgendwas gesagt, nachdem ich weg bin heute morgen? Du hättest ihn nicht kritisieren sollen, Willy, wo er doch gerade erst vom Zug kam. Du darfst nicht immer so ungehalten mit ihm sein. Wann zum Teufel war ich denn ungehalten? Ich hab ihn nur gefragt, ob er was verdient. Ist das ein Vorwurf? Wie soll er denn Geld verdienen? Er hat so eine Art an sich. Er ist richtig launisch geworden. Er war am Boden zerstört, Willy. Du weißt doch, wie sehr er dich bewundert. Ich glaube, wenn er erst mal zu sich findet, werdet ihr euch nicht mehr streiten. Wie kann er denn auf einem Bauernhof zu sich finden? Ist das ein Leben? Als Landarbeiter? Anfangs, als er noch jung war, dachte ich, na gut, ein junger Mensch soll ruhig herumreisen und alle möglichen Jobs annehmen. Aber das geht jetzt schon ewig so und er verdient keine 210 Mark die Woche! Er ist noch auf der Suche nach sich selbst! Mit achtundzwanzig noch nach sich suchen! Psst! Er ist faul, verdammt noch mal! Willy, bitte! Requiem: Linda betritt die leere Bühne in schwarzem Mantel. Es ist die letzte Szene des Stückes. Vergib mir, Lieber. Ich kann nicht weinen. Ich weiß nicht, was los ist, aber ich kann nicht weinen. Ich hab das Gefühl, du bist nur wieder unterwegs auf ner Reise, und ich warte noch auf dich. Willy, Lieber, ich kann nicht weinen. Ich suche und suche und kann es nicht verstehen. Ich hab heute die letzte Zahlung für das Haus gemacht. Heute, Liebster. Wir sind frei und ohne Schulden. Wir sind frei.

4 4. American Dream From rags to riches Die Werte individuelle Freiheit, Selbstständigkeit, Wettkampf, Chancengleichheit, sowie das Motto, dass jeder durch harte Arbeit zum Erfolg gelangen kann, können als Hauptelemente des American Dream bezeichnet werden. In vielen Bereichen äußern sich Künstler wie z.b Madonna im Song American life, Gabriele Muccino mit dem Film The Pursuit of Happyness und T.C Boyle mit seinem Werk The Tortilla Curtain sehr kritisch gegenüber diesem Thema und hinterfragen, wie Arthur Miller, die Werte und Vorstellungen des American Dream. American Life Madonna Der Song wurde 2003 veröffentlicht. Das dazugehörige Video wurde in den U.S.A verboten, da es ein brutales Kriegszenario mit verstümmelten Menschen und Kindern auf einem Laufsteg zeigt. Teile des Songtextes: Do I have to change my name? Will it get me far? Should I lose some weight? Am I gonna be a star? I tried to be a boy, I tried to be a girl I tried to be a mess, I tried to be the best I guess I did it wrong, That's why I wrote this song This type of modern life - Is it for me? This type of modern life - Is it for free? So, I went into a bar looking for sympathy A little company - I tried to find a friend It's more easily said it's always been the same This type of modern life -Is not for me? This type of modern life -Is not for free? Ohh, American life (american life) I live the american dream (american dream) You are the best thing I've seen, You are not just a dream (american life) I tried to stay ahead, I tried to stay on top I tried to play the part, But somehow I forgot Just what I did it for And why I wanted more This type of modern life - Is it for me? This type of modern life - Is it for free? Do I have to change my name? Will it get me far? Should I lose some weight? Am I gonna be a star? Ohh, American life (american life) I live the american dream (american dream) You are the best thing I've seen, You are not just a dream 5. Interview mit Arthur Miller Mit Colby H. Kullman Kullman: Death of a Salesman will soon be fifty years old. What are your thoughts at this time about your masterpiece? Miller: [ ] Since Salesman is involved so intimately with American civilization (it seems like the completely American play), how true is it that these cultures are all that different? Some of the etiquette is different. People don't address parents quite the way Americans do, and there is also a question of intimacy. Americans make a play at being very intimate very quickly, which seems disrespectful sometimes to people who aren't used to instant emotional closeness.[ ]

5 Kullman: It is 1942 and then There is very little about the war in the play; and at this time the war must have been a major force in the lives of everyone. Miller: So it's already suspended in time, a little bit off the earth. It's not a documentary of a period and never tried to be. Consequently, it escaped a period feeling, I suppose, because I keep getting the same astonished report from people that it seems to have been written yesterday. Kullman: Many viewers feel that they see something of their fathers as well as some of themselves in the character of Willy Loman. Willy seems to be a universal type, and his fate continues to fascinate us. Miller: Of course, I think that if it is easy to understand why a play has endured, it won't endure. If you can explain it in two sentences, then it has the appearance of a rigid formula and falls apart. I think from the outset, from the day I wrote it, certainly from the day it was first performed, its temporal situation was already quite uncertain. It was to me anyway, and I think it was very quickly to a lot of people. The play ran a long time in New York, more than two years. The anti-communist tempest had begun. You wouldn't be writing such straightforward critical work about America after I don't recall a single play that analyzed American capitalism as severely. Kullman: Even your own? Miller: Well, I did A View from the Bridge, and that had a side to it that was critical, and of course The Crucible was a head-on confrontation but such critiques were diminishing because America, the country, was on the defensive. And part of the defense was aggression. We struck back after being criticized.[ ] Kullman: How bound by the text have various directors been? Miller: They haven't yet taken any license. They're waiting for me to die. As far as I am aware, they have been faithful to the text. Now, there was a film of Salesman made by Wim Wenders, a Swede. He eliminated the character of Ben, but he also did some other things that had nothing to do with the text. He made it very Swedish. And, I regard the play as having a lot of humor, which you couldn't tell from that performance. Kullman: I was surprised to read that when you wrote half of the play that first night you were laughing a lot of the time and speaking out loud to yourself. Miller: So much of what Willy thinks can lead you to laugh. Kullman: And teachers enjoy pointing out the many contradictions in Willy's thinking. Willy says one thing and then ten seconds later he says exactly the opposite. It works just as well today as it did then. What about the character of Linda Loman? Today we hear so much about co-dependency, a term that probably wasn't around in Do you think it applies to her? Miller: Well, yes. It takes two to tango. She regards Willy as being very brittle, very easily destroyed; and she's got to prop him up or he'll collapse. In a way it's like someone who is dealing with a sick person. She's trying to keep bad news away from him lest he be destroyed by it. Kullman: Much is made of a comment he makes earlier that he's going to be a partner at the Wagner company. Then Ben asks him to come to Alaska with him, and Linda reminds him of his future at the company; truth or lie, we're not sure. But she keeps him back, at home. She's afraid to be adventuresome herself.

6 Miller: At all costs she's got to shield him from the truth. She can insinuate the truth sometimes, but not too obviously. When he says, "You're my foundation and support," that has a double meaning. She's a kind of co-dependent and heroine at the same time. Kullman: How about the boys, Biff & Happy? Do you think there's a chance that Biff will come to terms with who he is and accept his father for the person he was? Miller: I think so, as long as he is no longer threatened by him. Then he could possibly accept him as he was without accepting his values, seeing him as a tragic character, and a loving one too. Kullman: One of the most powerful scenes in the play is the climactic scene in the restaurant. When Happy denies his father, people in the audience sometimes gasp in horror; is there any kind of explanation for his behavior that makes him less a culprit and more of a victim? Miller: I don't know if you can explain it. He intends to win and be like his father. The same tragedy awaits Happy. It's going to be repeated in him and in his children. Kullman: Willy's friend Charley is always there assisting the Lomans in spite of constant rebuffs by Willy. He knows that Willy is resentful and jealous of him. And yet Charley is always there helping. He loves Willy. How can you explain that? Miller: Charley would probably drop him someday. But Willy is exciting. Charley's really very boring. He can sit there quietly for a long time without saying anything, and Willy's mind is always rolling all over the place. And that is a very quality for a man like Charley whose mind goes direct to reality. Willy's personality is a counterpart to Charley's own personality. He often wishes he could be a little like Willy. All those contradictions that he recognizes in Willy while Charley knows they're destructive and tells Willy, "You'd better grow up" still there's something lovable in Willy because he is so vulnerable. Kullman: Is there anything you would like to say about why people should go to the theater today, or anything about politics and drama? Miller: Drama, any theater, is a manifestly, public art which exists in historical time. It prospers when the evolution of a society has reached a certain point. But we know politics is embedded in every work of significance. I don't understand why people try to separate these two elements. It's all one twine rope. You cannot separate them. I am not a Greek scholar, but I seem to recall that the Greeks referred to people who had no social sense as idiots, meaning the id was dominant in their thinking. That's what the word means. The Salesman is close to being the universal occupation of contemporary society,not only in America, but everywhere. Everybody is selling, everything is for sale. Erarbeitung des Materials: Sarah Jasinszczak, Theaterpädagogin Schauspiel Dortmund unter Mithilfe von Mia Katharine Reiss, FSKJ Schauspiel und Nadja Schürmann, studentische Praktikantin