Ursula Bittrich. Aphrodite und Eros in der antiken Tragödie

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1 Ursula Bittrich Aphrodite und Eros in der antiken Tragödie w DE G

2 Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Gustav-Adolf Lehmann, Heinz-Günther Nesselrath und Otto Zwierlein Band 75 Walter de Gruyter Berlin New York

3 Aphrodite und Eros in der antiken Tragödie Mit Ausblicken auf motivgeschichtlich verwandte Dichtungen von Ursula Bittrich Walter de Gruyter Berlin New York

4 Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. ISBN Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < abrufbar. Copyright 2005 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandentwurf: Christopher Schneider, Berlin Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen

5 Vorwort Dieses Buch ist die geringfügig veränderte Fassung meiner Dissertation, die der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Wintersemester 2004/5 zur Begutachtung vorlag. Das Thema geht zurück auf einen Vorschlag von Frau Dr. Athena Kavoulaki, der ich an dieser Stelle herzlich danken will. Finanzielle Unterstützung haben mir die Studienstiftung des deutschen Volkes, die Graduiertenförderung der Universität Bonn sowie die griechischen Stiftungen I.K.Y, und A.G. Leventis gewährt. Ihnen allen bin ich auf besondere Weise verpflichtet. Meine Familie und meine Eltern haben die Entstehung der Dissertation stets mit viel Anteilnahme und Engagement begleitet. Bei der Erstellung des Manuskripts für die Drucklegung hat mich Herr Hans Rieger kompetent beraten. Für Unterstützung und hilfreiche Hinweise in den verschiedenen Stadien der Arbeit möchte ich den Herren Professoren G.O. Hutchinson und R. Parker (Oxford), H. Neitzel (Bonn), sowie D.I. Iakob und A. Rengakos (Thessaloniki) meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Allen voran aber danke ich meinem Doktorvater Herrn Prof. O. Zwierlein, der es an konstruktiven Ratschlägen und aufmunterndem Zuspruch nie hat fehlen lassen. Thessaloniki, im Juni 2005 Ursula Bittrich

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7 Inhaltsverzeichnis I. Vor der Tragödie. Aphrodite und Eros im Spannungsfeld zwischen kosmischem und individuellem Wirken 1 I. 1. Aphrodite (Hesiod, Homer, V. Homerischer Hymnus, Kirke-Episode der Odyssee) 1 I. 2. Eros (Hesiod, Vorsokratiker, Orphik, Frühgriechische Lyrik) 12 I. 3. Interaktion und Gemeinsamkeiten der Liebesgottheiten; Vorgriff auf die Tragödie 14 II. Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros 17 II. 1. Aischylos, Danaidentetralogie 17 II. 2. Sophokles, Das Eroslied der Antigone; fr. 941; Trachinierinnen 30 II. 3. Euripides, Diktys; Hippolytos Stephanephoros; Troades 47 II. 4. Seneca, Phaedra 91 III. Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros 105 III. 1. Euripides, Hippolytos Stephanephoros; Medea; fr III. 2. Der zweifache Eros: Euripides, Stheneboia; fr. 388; Iphigenie in Aulis 121 III. 3. Die zwei Pfeile Cupidos in Ovid, met. 1, IV. Eros-Feindschaft - zürnende Göttin und deus ultor 131 IV. 1. Euripides, Hippolytos Stephanephoros 131 IV. 2. Der bezwungene Rebell 137 IV. 2. a) Theokrit, Idyll I 137

8 VIII Inhaltsverzeichnis IV. 2. b) Ovid, Metamorphosen 151 IV. 2. c) Nonnos, Dionysiaka 155 IV. 3. Versteinerungsgeschichten: Die Sage von der salaminischen Jungfrau bei Hermesianax und Ovid 167 IV. 4. Die Rache der unerhört Liebenden 176 IV. 4. a) Ovid, Metamorphosen 3, IV. 4. b) Anthologia Palatina XVI 251 und XII IV. 5. Der Gott der Gegenliebe bei Eunapius von Sardes, Meleager von Gadara und Themistius 181 IV. 6. Der Gott der Genugtuung bei Seneca, Tibull und Ovid 183 Conclusio 189 Literaturverzeichnis 194 Indices 205

9 I. Vor der Tragödie Aphrodite und Eros im Spannungsfeld zwischen kosmischem und individuellem Wirken 1 I. 1. Aphrodite (Hesiod, Homer, V. Homerischer Hymnus Kirke-Episode der Odyssee) In dieser Studie über Aphrodite und Eros soll am Beispiel der Tragödie und motivgeschichtlich verwandter Texte gezeigt werden, wie das Bild dieser beiden so facettenreichen Göttergestalten unter Wahrung bestimmter Konstanten, die in den Kapitelüberschriften festgehalten sind, sich tradiert und gewandelt hat. Gegenstand der Betrachtung wird dabei hauptsächlich die literarische Gestaltung und jeweils werkspezifische Gewichtung jener unveränderlichen Grundzüge sein, und nur am Rande werden wir uns die Frage stellen, ob und auf welche Weise vor- oder nebenliterarische Erscheinungen wie Mythos, Kult und philosophische Strömungen in die zu besprechenden Dichtungen mit eingeflossen sind. Nun findet sich gerade in der Tragödie eine solche Formenvielfalt im Auftreten der beiden Liebesgötter, daß der Interpret wohl kaum Gefahr läuft, in den Fesseln einer gattungsspezifischen Festlegung eine einseitig verkürzte Darstellung zu bieten. Aphrodite als Göttin mit kosmischer Ausfaltung hat bei den Tragikern ebenso ihren Platz wie die ausschließlich für Liebesdinge zuständige, mit stark anthropomorphen Zügen behaftete Bereichsgöttin des homerischen Epos. 1 Für die Literaturangaben wurde folgendes Verfahren gewählt: Alle Werke und Aufsätze der Sekundärliteratur werden bei erstmaliger Nennung vollständig zitiert, danach ohne Ort und Jahr und ggf. mit einer abgekürzten Titelbezeichnung. Die Kommentare sind mit allen Angaben im Literaturverzeichnis aufgeführt, im Text erscheint lediglich der Autorenname und das Jahr. Die jeweils zugrunde gelegten Textausgaben sind innerhalb des Literaturverzeichnisses mit einem Sternchen gekennzeichnet. Aufsätze, die nicht öfter als einmal zitiert werden und nur für einzelne Stellen relevant sind, wurden nicht in das Literaturverzeichnis aufgenommen.

10 2 Vor der Tragödie Einen wichtigen Ausgangspunkt für die beiden Vorstellungen von Aphrodite als einerseits urgewaltiger und naturbeherrschender, andererseits einem klar umrissenen Bereich zugeordneter Göttin bilden zwei genealogische Traditionen: In Hesiods Theogonie nimmt der Mythos von ihrer Entstehung seinen Anfang mit der Entmannung des Uranos durch seinen Sohn Kronos. Die Blutstropfen der Gewalttat zeugen im Schoß der Gaia die Erinyen, die chthonischen Gottheiten par excellence, die Giganten und die Eschennymphen". Aus dem Schaum, der sich um die ins Meer geworfene Scham gebildet hat, entsteigt an der Küste Zyperns Aphrodite. Sie ist also ein Sproß der Verbindung von Himmel und Meer, und zum Zeichen ihres fruchtbarkeitsspendenden Vermögens ergrünt unter den Tritten der eben ans Land Gestiegenen die Erde: Hesiod, Theogonie έκ δ' ϊβη αΐδοΐη καλή θεός, άμφΐ δέ ποίη ποσσίν υπό (ίαδινοΐσιν άέξετο.... Aus stieg die ehrsame, schöne Göttin, rings aber sproß das Gras unter schlanken Füßen empor... 2 In dieser genealogischen Tradition, die auch die Orphiker kennen, 3 wird Aphrodite unmittelbar in den Kreis der Elemente Himmel, Meer und Erde hineingestellt. Zusammen mit Kronos und Rheia gehört sie in die zweite Generation nach Uranos und Gaia, ist also im Stammbaum der Götter dem Kronos-Sohn Zeus eindeutig übergeordnet. Daß sie aus der Trennung von Himmel und Erde, der ersten kosmischen Differenzierung, entstanden ist, hat für ihr Wesen richtungweisende Bedeutung: Sie ist die Macht 2 3 Die Übersetzungen sind, wenn nicht anders gekennzeichnet, von der Verf. Vgl. auch Ap. Rh. I, 1142 f., wo als ein Zeichen für Kybeles Erhörung der ihr Opfer darbringenden Argonauten die Erde üppig Gras hervorsprießen läßt: άμφΐ δέ ποσσίν / αύτομάτη φύε γαία τερείνης δνθεα ποίης. Cf. Orphicorum Fragmente., ed. Ο. Kern, fr. 127 (Kapitel "Ιεροί λόγοι έν αψωιδίαις). Vgl. auch Orph. hymn., ed. W. Quandt, 55 (Εις Άφροδίτην), v. 5-7: γενναις δέ τα πάντα, / δσσα τ' έν ούρανώι έστι χαΐ έν γαίηι πολυκάρπωι / έν πόντου τε βυθώι. Freilich umfassen die auf verschiedenen Quellen beruhenden Rhapsodien auch die alternative genealogische Tradition, nach der Aphrodite Tochter des Zeus ist, doch entsteigt sie wie die Urania dem Meer, in das der Same des Zeus gefallen sein soll: fr. 183 (Kern). Siehe dazu M.L. West, The Orphic Poems, Oxford 1983, 71/

11 Aphrodite 3 der Vereinung, 4 ähnlich jener Göttin, die in der kosmologischen Spekulation des Parmenides durch Geburt" und Mischung" alles steuert. 5 Ganz anders bei Homer: Als Tochter des Zeus und der Dione verfügt Aphrodite nur über einen sehr eingeschränkten Einflußbereich, und das zeigt sich in besonders eindrücklicher Weise im fünften Buch der Ilias, als sie nach dem vergeblichen Versuch, es mit Diomedes aufzunehmen, wie ein unmündiges Kind in den Schoß der Mutter flieht und sich obendrein von Zeus väterlich darüber belehren lassen muß, daß es die εργα γάμοιο, die Werke der Hochzeit" seien, für die sie zuständig sei, die Angelegenheiten des Krieges aber Athene und Ares anheimfielen. 6 Geht es freilich um Liebesdinge, so waltet sie mit nahezu schrankenloser Macht, wie es ihr erfolgreicher Einsatz für Paris und ihre Autorität selbst gegenüber einer widerwilligen Helena am Ende des dritten Buches der Ilias beweisen. Eine Mittlerstellung zwischen der wirkungsmächtigen Uranostochter aus Hesiods Theogonie und der lediglich für Liebesdinge zuständigen Bereichsgöttin der Ilias nimmt die Aphrodite des V. Homerischen Hymnus ein. Wir werden im folgenden zu zeigen versuchen, daß das eigentümliche Schwanken in der Darstellung ihrer Kompetenzen in der Verbindung von epischen Elementen mit einer im Hintergrund stehenden asiatischen Kultlegende begründet liegt. Ferner wollen wir den Hymnus auf Motive befragen, die uns in der Tragödie und den Textbeispielen zum Topos der zürnenden Liebesgottheiten immer wieder begegnen werden. Wie in der Ilias, so ist sie auch hier die Tochter des Zeus, 7 der sie in ihre Schranken weist; doch während er ihr dort die Überschreitung ihres Kompetenzbereichs vorwirft, ist es hier ihre Gewohnheit, den Gott immer wieder in Liebe zu sterblichen Frauen entbrennen zu lassen, die ihn dazu bringt, ihr eine Lehre erteilen zu wollen. 8 Und so rückt ein Ereignis, der im Β der Ilias lediglich zwei Verse gewidmet sind - die Verbindung zwischen Aphrodite und Anchises auf ^ Zu dieser ihrer kosmogonischen Bedeutung s. W. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche (Die Religionen der Menschheit; Bd. 15), Stuttgart 1977, 241 und J. Rudhardt, Έρως και. Αφροδίτη στα κοσμογονικά συστήματα των αρχαίων ελλήνων. Μετάφραση: Ν.Κ. Πετρόπουλος, 2η έκδοση, Athen 1996 [Le röle d'eros et d'aphrodite dans les cosmogonies grecques, Paris 1968], Cf. D.-K. 28 Β Cf. II. 5, Cf. h. Ven. 81, Cf. h. Ven

12 4 Vor der Tragödie dem phrygischen Ida-Gebirge - in unserem Hymnus in den Mittelpunkt der Betrachtung. 9 Aber obwohl Aphrodites Liebesvereinigung mit einem Sterblichen ihrer göttlichen Würde einen Stich versetzt, erinnert doch die Schilderung ihres allumfassenden Wirkens im einleitenden Musenanruf viel eher an ihr ursprünglich naturhaftes Eingebundensein in die Elemente Himmel, Meer und Erde im hesiodeischen Mythos von ihrer Geburt als an ihr einseitig festgelegtes Wesen in der Ilias: h. Veil. 1-6 Μοϋσά μοι ίννεπε εργα πολυχρύσου 'Αφροδίτης Κυπριδος, ή τε θεοϊσιν έπΐ γλυχύν ΐμερον ώρσε και τ' έδαμάσσατο φϋλα χαταθνητών άνθρώπων, οιωνούς τε διιπετέας xat θηρία πάντα, ήμέν δσ' ήπειρος πολλά τρέφει ήδ' δσα πόντος πδσιν δ' 6ργα μέμηλεν έυστεφάνου Κυθερείης. Μ use, sag mir die Werke der goldenen Aphrodite, Herrin auf Kypros; süßes Verlangen weckt sie den Göttern und überwältigt der sterblichen Menschen Geschlechter, die Vögel, 10 hoch in den Lüften kreisend, und sämtliche Tiere, soviel sie, reich an der Zahl, das Festland ernährt, soviel auch das Weltmeer: jedem liegt an den Werken der schön bekränzten Kythera. Hier wird der ganze Kosmos dem Bannkreis der Aphrodite einbezogen: Götter und Menschen sind ihrer Wirkkraft erlegen, ebenso die Luft-, Land- und Meerestiere. Im Einklang mit Hesiod, der seine Göttin noch vor ihrer Geburt an Kythera nahe herankommen und auf Zypern ans Land steigen läßt, 11 bringt auch der Hymnendichter Aphrodite mit diesen Inseln in enge Verbindung; doch während er im einen Falle lediglich das Adjektiv Κυθερείη metonymisch-formalhaft anstelle ihres Namens verwendet, 12 wird der Bezug zu Zypern im Erzählverlauf lebendig vor Augen geführt. Zur Vorbereitung ihrer Begegnung mit Anchises sehen wir Aphrodite in ihrem Heiligtum in Paphos ein Bad nehmen, sich mit unsterblichem Ol salben und ihre schönsten Gewänder anlegen - eine Detailschilderung, die trotz ihrer äußeren Ähnlichkeit mit der Schmückungsszene in Paphos nach dem Ehebruch mit Ares im 8. Buch der Odyssee von ihrer Funktion her 9 Cf. Horn. IL 2, Αίνείας, τόν ύπ' Άγχίση τέχε δΐ' 'Αφροδίτη, / "Ιδης έν χνημοϊσι θεά βροτώι εύνηθεΐσα. Siehe ferner Hes. Th ^ Übersetzung der vv. 1-3 von A. Weiher, Homerische Hymnen, 6. Aufl., München 1989, Cf. Hes. Th. 198, 193/ Cf. h. Ven. 6, 175.

13 Aphrodite 5 eher der Wappnung Heras vor dem Hieros Gamos mit Zeus im 14. Buch der Ilias an die Seite zu stellen ist. 13 Aphrodites Gang zu Anchises über das phrygische Ida-Gebirge ist von Geschehnissen begleitet, die sich in das Bild einer machtvoll waltenden Göttin ergänzend einfügen: h. Ven Ιδην δ' ΐκανεν πολυπίδακα, μητέρα θηρών βή δ' Ιθύς σταθμοΐο δι' οΰρεος' οί δέ μετ' αυτήν σαίνοντες πολιοί τε λύκοι χαροποί τε λέοντες άρκτοι παρδάλιές τε θοα'ι προκάδων άκόρητοι ήισαν. ή δ' όρόωσα μετά φρεσ'ι τέρπετο θυμόν και τοις έν στήθεσσι βάλ' ΐμερον. οί δ' &μα πάντες σύνδυο κοιμήσαντο κατά σκιόεντας έναύλους. Und sie gelangte zur quellreichen Ida, Mutter der Tiere, ging gradewegs zum Gehöft durchs Gebirge, nach ihr aber folgten wedelnd Wölfe mit grauem Fell, blitzäugige Löwen, Bären und schnelle, an Rehfleisch unersättliche Pardel. Als sie das sah, da freute sie sich in Herz und Sinnen, und sie warf ihnen in die Herzen Verlangen, die aber lagerten alle zugleich sich paarweis im schattigen Hofe. Die Verse, in denen wir alle Arten von wilden Tieren wedelnd", und das heißt zahm", der Aphrodite sich zugesellen sehen, sind zweifellos von der Figur der Tierbändigerin" oder einfach der Göttin mit Tieren" inspiriert, einer von ihrem Ursprung her polyvalenten, an keine der jüngeren Gottheiten eindeutig gebundenen Gestalt, 14 die ihre Wurzeln in der kretisch-mykenischen Kultur ebenso wie im Orient hat 15 und in der griechischen Literatur, ausgehend von Homer, der einmal Artemis ausdrücklich Siehe dazu L.H. Lenz, Der homerische Aphroditehymnus und die Aristie des Aineias in der Ilias, Diss. Bonn 1975, Cf. LIMC VIII, 1 s.v. Potnia, 1027: «La P. apparait done comme une deesse-mere polyvalente, deesse de la vegetation et de la raort qui regne sur le ciel, la terre, l'eau ou l'autre monde; chacun de ces aspects peut etre developpee par plusieurs divinites du pantheon grec.» Siehe ferner R. Laffineur, L'orfevrerie rhodienne orientalisante, Paris 1978, 34 Anm. «La potnia est une des manifestations de la Grande deesse, sa denomination a varie suivant les lieux (Orthia ä Sparte, Upis ä Ephese, Cybebe en Lydie, Cybele en Phrygie,...) et l'association ä Artemis ne s'est faite qu'a une epoque relativement recente. La potnia represente divers aspects de la Grande deesse, de la Terre-Mere, maitresse de la vegetation et de la fecondite en meme temps que du monde animal; son identification ä des deesses olympiennes (Artemis, Hera, Aphrodite) n'est qu'une manifestation du remplacement progressif des anciennes divinites par les divinites ouranienncs.s» Cf. LIMC VIII, 1 s.v. Potnia, 1027; s. auch Chr. Christou, Potnia Theron, Thessaloniki 1968, 84/ /35. Daß in der kretisch-mykenischen Kunst das Motiv der von Tieren begleiteten Göttin vorherrscht, während in den mesopotamischen und phönikisch-syrischen Darstellungen, wo die Göttin

14 6 Vor der Tragödie als πότνια θηρών bezeichnet, 16 insbesondere in ihrer Eigenschaft als Herrscherin über wilde Tiere traditionell mit dieser Göttin in Verbindung gebracht wurde. 17 Um so bemerkenswerter sind die Zeugnisse für eine Übertragung auf andere, wie zum Beispiel unser Hymnus. Als Aphrodite in ihrer strahlenden Erscheinung, getarnt freilich als junges Mädchen, sich Anchises präsentiert, begrüßt er sie mit den Worten Χαίρε ανασσ' (92); und wenn er damit eine Anrede verwendet, die in Palaepaphos bis zum Anfang des 3. Jh. v.chr. der offizielle Kultname der Großen Göttin von Zypern war, 18 so klingt das für den Leser fast so, als sollte ihre Ankunft aus Zypern bestätigt werden. 19 Trotz des Truges ahnt Anchises, daß er ein übermenschliches Wesen vor sich hat, und fragt nach ihrer göttlichen Identität, hält es aber immerhin auch für möglich, daß sie eine Nymphe ist. 20 Und eben dieses Entgegenkommen greift Aphrodite auf, wenn sie ihm vorgaukelt, sie sei von Hermes aus einem Kreis junger Mädchen und Nymphen, die sich um Artemis (!) versammelt hätten, gewaltsam entführt und als künftige Braut ihm zugeführt worden. 21 Der Personenkreis, der hier nur der Fiktion halber erwähnt wird, um ihre Glaubwürdigkeit zu unterstreichen und die von Anchises instinktiv empfundene göttliche Distanz zu überbrücken, gewinnt später eine reale Bedeutung, wenn Aphrodite ankündigt, sie werde den aus der Verbindung mit Anchises entsprungenen Aineias den Nymphen übergeben - jenen langlebigen, aber doch sterblichen Mittlerinnen zwiverschiedene Tiere an Hinter- oder Vorderbeinen faßt, der Ton eher auf der Herrschaft über das Tier liegt, hat Chr. Christou, ibid., 85 und 129 gezeigt. Cf. Horn. IL 21, : τόν δέ κασιγνήτη μάλα νείκεσε, πότνια θηρών, / "Αρτεμις άγροτέρη,... Siehe besonders Pindars neunte pythische Ode, in deren mythischem Teil Kyrene, die in Vers 6 wohl mit bewußtem Anklang an Homers "Αρτεμις άγροτέρη als παρθένος άγροτέρα bezeichnet wird, die Rolle einer leidenschaftlichen Jägerin zukommt, die von Apollon im Kampf mit einem Löwen erblickt wird (v. 20 ff.). Cf. F.G. Maier - V. Karageorghis, Paphos. History and Archeology, Nicosia 1984, 183: "The Paphian goddess is named Astarte not before the 3rd century B.C., in a Phoenician inscription found at Palaepaphos: Ί offered a lock to the Astarte of Paphos' (O. Masson - M. Sznycer, Recherches sur les Phenicicns ä Chypre, 1972, 81-6). At the same time, incidentally, 'Aphrodite Paphia' instead of the traditional 'Wanassa' appears on the Greek inscriptions." Vgl. auch Inni Omerici, a cura di F. Cässola, Mailand 1975, 242. Auch in der Schlußformel des Hymnendichters wird die Verbindung der von ihm besungenen Göttin mit Zypern noch einmal klar herausgestellt (292/93): Χαίρε θεά Κύπροιο έϋκτιμένης μεδέουσα - Leb' wohl, Göttin, Herrin auf Kypros, dem wohlgebauten!" Cf. h. Ven Cf. h. Ven

15 Aphrodite 7 sehen ewig und endlich, von denen es heißt, daß die Unsterblichen mit ihnen Reigen tanzen und Hermes mit ihnen sich liebend vereinigt. 22 Die Täuschung jedenfalls verfehlt nicht ihre Wirkung: Anchises nimmt den Schein-Antrag an, doch wird er von plötzlichem Verlangen überwältigt, und in Vorausdeutung auf den unglückseligen Ausgang der Episode verkündet er, daß er eine sofortige Vereinigung mit seiner künftigen Braut sogar mit dem Tode bezahlen würde: h. Ven βουλοίμην κεν έπειτα, γύναί είκυϊα θε^σι, σης εύνής έπιβάς δϋναι. δόμον "Αιδος εΐσω. Gerne wollt' ich, wenn - Frau, die den Göttern du gleichest - dein Lager erst ich bestiegen, dann im Hause des Hades versinken. Auch in diesem Fall gewinnt das scheinbar nur so Dahingesagte später eine reale Dimension. Als nämlich Anchises erkennt, daß die Göttergleiche", mit der er sein Lager geteilt hat, tatsächlich eine Göttin ist, bittet er sie voller Furcht darum, ihn für das weitere Leben nicht seiner Mannheit zu berauben: h. Ven άλλά σε πρός Ζηνδς γουνάζομαι αίγιόχοιο μή με ζώντ' άμενηνδν έν άνθρώποισιν έάστ ς ναίειν, άλλ' έλέαφ' An fleh ich dich auf den Knieen bei Zeus, dem Schwinger der Aigis, laß mich nicht lebend kraftlos 23 wohnen unter den Menschen, sondern erbarm dich! Diese Worte sind Ausdruck des urtümlichen Motivs von der Schädigung des Liebhabers", das seinen Ausgang vom Orient nimmt und von Wolfgang Helck anhand von zahlreichen Beispielen nachgezeichnet wurde: 24 So tötet im ugaritischen Aqht-Gedicht Anat ihren Liebhaber, und einen Cf. h. Ven Άμενηνόν ist hier wohl im Sinne des Verlusts der Manneskraft zu deuten. Siehe Ch. Picard, RA 1959, 97 f. Sehr vorsichtig drückt sich P. Smith, Nursling of Mortality. A Study of the Homeric Hymn to Aphrodite (Studien zur Klassischen Philologie, Bd. 3), Frankfurt/Main 1981, 125 Anm. 77) aus: "But it may be that Anchises' fear is like that which prompts part of Hermes' advice to Odysseus before his visit to Kirke: fear of being somehow 'unmanned' by a hostile nymph (herself something of a Mistress of Beasts) in whose power the exposure of sexual intercourse has put him." Cf. W. Helck, Betrachtungen zur Großen Göttin und den ihr verbundenen Gottheiten, München 1971, 75.

16 8 Vor der Tragödie ähnlichen Verlauf hat man auch für die lückenhaft überlieferte Erzählung von der Liebschaft der Göttin Inaras mit dem Sterblichen Hupasiya im hethitischen Ilujankas-Mythos zu rekonstruieren versucht. 25 Als später Ausläufer der gleichen mythologischen Tradition kann die bei Diodor 2, 13,4 überlieferte Erzählung von der legendären assyrischen Königin Semiramis betrachtet werden, deren Liebhaber nach der Vereinigung mit ihrer Herrin ihr Leben lassen müssen. 26 Eine ganz besonders spektakuläre Variante bildet freilich die kleinasiatische Gestalt des Attis, der sich die Schädigung" selbst zufügt und damit den Γάλλοι, den Priestern der Kybele, bei ihrer kultischen eviratio im Dienste der Göttin als Vorbild dient. Daß der Hymnendichter gerade hier, auf dem Hintergrund eines der Hauptsitze der phrygischen Bergmutter (auch μήτηρ Ίδαίη genannt), 27 eine solche Anspielung eingeflochten hat, läßt Behauptungen, nach denen seine Göttin mit der asiatischen Kybele gar nichts gemein habe, als fragwürdig erscheinen. 28 Viel näher liegt es, in der ungleichen Verbindung von Göttin und sterblichem Konsors den Reflex eines asiatischen Kultmythos zu sehen In dem ugaritischen Gedicht zieht der Jäger Aqht den Zorn der Göttin Anat auf sich, als er sich weigert, ihr seinen Bogen zu schenken. Im Zuge einer scheinbaren Versöhnung, während der sie ihn zur Liebesvereinigung verführt, vereinbart sie mit ihm einen Treffpunkt, wo sie ihn nach seinem Erscheinen von Raubvögeln grausam zurichten und töten läßt (B. Margalit, The Ugaritic Poem of Aqht, Text, Translation, Commentary, Berlin 1989, u ) Als hieros gamos mit anschließender Tötung des Liebhabers interpretiert die Inaras- Hupasiya-Handlung im JiujanJcas-Mythos V. Haas, Hethitische Berggötter und hurritische Steindämonen: Riten, Kulte und Mythen. Eine Einführung in die altkleinasiatischen religiösen Vorstellungen, Mainz Dazu kritisch Harry A. Hoffner, Hittite Myths, Atlanta 1990, 11. In abgemilderter Form begegnen wir dem Motiv auch bei Pindar, Pyth. 3, , wo erzählt wird, wie das Glück, das den Sterblichen Kadmos und Peleus ihr Ehebund mit den Göttinnen Harmonia und Thetis bedeutete, durch das frühzeitige und leidvolle Ende ihrer Kinder zunichte gemacht wurde. Cf. A.R. Arg. 1, In Rom war Idaea" der offizielle Beiname der Cybele. Siehe u.a. Cie. Ver. 5, 186; Lucr. 2, 611; Liv. 34, 3, 8. Cf. Allen-Halliday-Sikes (1936) 351: "To see in the hymn a contamination of the Greek Aphrodite and the Asiatic Cybele is unsound." Die Begründung, die für diese These gegeben wird, daß nämlich Aphrodite dem Hymnendichter ja als Tochter des Zeus (81) gelte, ist nicht stichhaltig. Wenn der Dichter die homerische Genealogie übernimmt, so verpflichtet ihn das keineswegs, seine Aphrodite-Gestalt von allen nicht-homerischen Elementen reinzuhalten. So schon U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Die Hi as und Homer, Berlin 1916, 83 Anm. 1:... Das ist das weit verbreitete Motiv, daß die Liebe einer Göttin dem Sterblichen übel bekommt. Hier dürfte es aber Umbildung des asiatischen Kultmythos sein, denn diese Aphrodite ist keine andere als Kybele, zu der Attis gehört." Vgl. auch M.P. Nilsson, Geschichte der griechischen Religion I (Handbuch der Altertumswissenschaft V 2, 1), 3. Aufl., München 1967, 523; W. Burkert,

17 Aphrodite 9 Das urtümliche Motiv von der Angst vor Schädigung durch die Göttin selbst wird allerdings im folgenden sichtlich abgewandelt, wenn Aphrodite Anchises droht, Zeus werde einen Blitz auf ihn schleudern, falls er sich seiner Verbindung mit einer Göttin rühmen werde. Hier klingt zum ersten Mal die Tradition von der Lähmung des Anchises durch den Blitzschlag des Zeus an, die - möglicherweise in Anknüpfung an die Iliupersis - in einem Fragment aus Sophokles' Laokoon klar formuliert ist. 30 Das hier angedeutete Detail von einer späteren Bestrafung des Anchises durch Zeus und die genealogische Pointe, die darin liegt, daß aus der Verbindung von Aphrodite und Anchises der Stammvater der Aeneaden hervorgeht, macht das individuelle Gepräge der Kernepisode des Hymnos aus und verleiht ihr eine Kontur, die sie vom Hintergrund des asiatischen Kultmythos deutlich abhebt. Eigenartig ist auch die Rahmenerzählung, die sich wie ein Ring um das Ida-Ereignis legt. Den nach dem Musenanruf eingeschobenen Katalog jener drei Göttinnen, die sich der Macht der Aphrodite entziehen konnten - Athene, Artemis und Hestia - 31, hat man symbolisch in dem Sinne zu deuten versucht, daß Aphrodite der Politik und den Angelegenheiten des Krieges, den Kreisen heranwachsender junger Mädchen, die noch unter dem Schutz der Artemis stehen, sowie der behüteten Sphäre der Familie und des Herdes - in diesem Falle als Wirkerin ehebrecherischer Liebschaften - fernzubleiben habe. 32 Mit seinen genauen Ausführungen über Hestias Standhaftigkeit gegenüber ihren Freiern präfiguriert er aber auch das Motiv der in der Folge meist auf Artemis sich stützenden jungfräulichen Weigerung, das wir im Rahmen dieser Arbeit über die Gattung der Tragödie hinaus in einem abschließenden Unterkapitel verfolgen werden. Der Aufzählung der drei jungfräulichen Göttinnen entsprechen nach der Epiphanie Aphrodites die Ausführungen über die Troer Ganymed und Tithonos, die - wie Anchises - die Liebe von Göttern auf sich zogen. 33 Die Feststellung, die diesen Exkurs programmatisch eröffnet, daß nämlich Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, 241; P. Smith, Nursling of Mortality, 8. Cf. fr. 344 Radt. Zum ganzen Komplex siehe L.H. Lenz, Der hornerische Aphroditehyrnnus und die Aristie des Aineias in der Ilias, Cf. h. Ven Cf. J. Rudhardt, «L'hymne homerique ä Aphrodite», 18: «Assujetti ä certaines regies, l'amour ne doit point interferer avec la politique; il ne doit perturber ni la croissancc ni l'education des enfants, des Alles en partieulier; il doit ne point nuire ä la famille.» Cf. h. Ven

18 10 Vor der Tragödie die Troer besonders gottnahe" seien, 34 wird uns bei der Interpretation von Euripides' Troades noch beschäftigen. 35 Eine ähnlich komplexe Gestalt wie die Aphrodite des Hymnus ist die Kirke aus der Odyssee. Ihr genügt man wohl nicht, wenn man sie als bloße aus der mündlichen Tradition des "folk-tale" herausgesponnene Zauberin betrachtet. 36 Vielmehr trägt sie, die zu Beginn und gegen Ende der ihr gewidmeten Episode im 10. Gesang der Odyssee ausdrücklich als θεά bezeichnet wird, 37 Züge einer mächtigen Göttin, die freilich von Odysseus mit Hilfe des Hermes überlistet wird. 38 Daß Odysseus bei seinem Gang zu Kirke dem Götterboten begegnet, ist eine spiegelverkehrte Präfigurierung jener fiktiven Szene aus dem Aphrodite-Hymnus, die von der Göttin selbst entworfen wird, als sie behauptet, Hermes habe sie zu Anchises geleitet. 39 Und auch hier steht die Gestalt der Πότνια Θηρών im Hintergrund, wenn es von den Behausungen der Kirke heißt, daß sie von Bergwölfen und Löwen umgeben seien, die, von ihrer Herrin bezaubert, den Gefährten des Odysseus sich zutraulich nähern. So weit geht ihre Gezähmtheit, daß sie in der Art, wie sie die Neuankömmlinge wedelnd begrüßen, mit Haushunden verglichen werden. 40 Wie bei der Aphrodite des Hymnus scheint auch in der Darstellung der Kirke-Gestalt der Reflex einer urtümlich-drastischen Weise der Machtentfaltung von Göttinnen vorzuliegen, wenn Hermes dem Odysseus nahelegt, er solle Kirke, bevor er sich mit ihr einlasse, folgenden Eid abverlangen Cf. h. Ven. 200/201: άγχίθεοι δέ μάλιστα καταθνητών άνθρώπων / αΐεί άφ' ϋμετέρης γενεής εϊδός τε φυήν τε. Cf. infra, 77. In diesem Sinne Α. Heubeck / A. Hoekstra, A Commentary on Homer's Odyssey, vol. II, Oxford 1989, Cf. 136 δεινή θεός αύδήεσσα und 399 θεά δ' έλέαιρε καΐ αύτη. 38 Neuerdings hat man sich vermehrt darum bemüht, die Herkunft der Kirke-Gestalt aus dem Orient zu zeigen. Burkert, (Structure and History in Greek Mythology and Ritual, Berkely and Los Angeles 1979, 10) weist darauf hin, daß der Name ihrer Insel Αίαίη νήσος, die Insel Aiaia", sie der babylonischen Göttin Aya, Gattin des Sonnengotts und Göttin der Morgenröte und sinnlichen Liebe, an die Seite stellt. Ihr Name Κίρκη wird gewöhnlich als die weibliche Form von κίρκος, Falke", erklärt. Kirke ist Tochter des Helios, und eine Verbindung des Falken mit der Sonne ist aus dem Orient belegt: Zu seiner Bedeutung als ikonographisches Element in Darstellungen des ägyptischen Sonnengottes sowie auf ägyptisierenden Kunstgegenständen der Phönizier s. M.L. West, The East Facc of Helicon. West Asiatic Elements in Greek Poetry and Myth, Oxford 1997, 408, der dort auch anmerkt, daß Falke auf Hebräisch ayyah heißt. 39 Cf. supra, Cf. Horn. Od. 10,

19 Aphrodite 11 Od. 10, μή τί τοι αύτω πήμα κακόν βουλευσέμεν δλλο, μή σ' άπογυμνωθέντα κακόν και άνήνορα θήτ). Daß sie dir nicht ein anderes Unheil werde erdenken, nicht den Entblößten untüchtig mache und bar der Mannheit. Daß mit dem anderen Unheil", das Kirke im Schilde führen könnte, nachdem der Versuch, Odysseus zu bezaubern", fehlgeschlagen sein wird, 41 nichts anderes als die Kastration gemeint ist, wird durch άπογυμνωθέντα in Verbindung mit άνήνορα unmißverständlich nahegelegt. Als ultima ratio" steht sie im Dienste der Bewahrung unumschränkter Macht und Überlegenheit. Bei den meisten der Besucher Kirkes genügt freilich schon das Mittel der Bezauberung", sie unter ihr Joch zu zwingen. Die Gefährten des Odysseus verwandelt sie in Schweine; aber damit ist noch nicht gesagt, daß θέλγειν grundsätzlich Verwandlung bedeutet. Charakteristisch für ihr Vorgehen ist auf jeden Fall das Element des Domestizierenden: Schweine sind als Haustiere wohlbekannt, und die Tiere im Hof der Kirke werden mit zutraulichen Hunden verglichen; dem Wilden oder in irgendeiner Weise Gefährlichen bricht sie gewissermaßen die Spitze ab und zieht es in ihren Bannkreis. Das erinnert zum einen an die Πότνια Θηρών, zum andern, wie man auch schon festgestellt hat, an die besonders im Orient verbreitete Vorstellung von der Krafteinbuße des Mannes durch den Umgang mit einer Frau. 42 So wird zum Beispiel im Gilgamesch-Epos erzählt, wie Enkidu nach mehreren Tagen und Nächten, die er mit einer Kurtisane in Uruk verbracht hat, seinem bisherigen Leben in der Wildnis entfremdet und der Zivilisation zugeführt wird. 43 Seine urwüchsige Kraft hat er damit verloren, und ähnliches fürchtet Gilgamesch, als sich ihm die Göttin Ischtar selbst anträgt. In einer langen Liste hält er ihr vor, wie sie ihre vergangenen Liebhaber bis aufs äußerste erniedrigt und zum Teil - und hier erscheint eine der Zauberkünste Kirkes möglicherweise in ihrem ursprünglichen Zusammenhang - in Tiere verwandelt habe. 44 Wenn also das Gemeinsame des fünften Homerischen Hymnus und der Kirke-Episode noch einmal zusammenfassend herausgestellt werden soll, so finden sich bei beiden Gestalten die Spuren einer machtvoll waltenden Vor der Bezauberung" wird ihn das von Hermes überreichte apotropäischc Kraut μώλυ schützen. Cf : άλλ' ούδ' ώς θέλξαι σε δυνήσεται οϋ γάρ έάσει / φάρμακον έσθλόν 8 τοι δώσω... Cf. G. Germain, Genese de 1 Odyssee, Paris 1954, Cf. Das Gilgamesch Epos. Eingeführt, rhythmisch übertragen und mit Anmerkungen versehen von H. Schmökel, 2. Aufl., Stuttgart 1971, Ibidem,

20 12 Vor der Tragödie Naturgöttin, wobei bei der Aphrodite des homerischen Hymnus der Ton auf ihrer liebeweckenden Kraft im ganzen Kosmos, bei Kirke eher auf ihrem Hang zur Unterjochung liegt. Diese unterschiedliche Akzentsetzung wird auch in der Schilderung der Tiere im Umkreis der Göttinnen offenbar: Gemeinsam ist ihnen in beiden Fällen das Wedeln"; 45 doch während es im Hymnus eher ein Ausdruck der Zutraulichkeit ist, die Aphrodite, von Freude erfüllt, sie zur Paarung treiben läßt, dient der gleiche Gestus bei den von Kirke bezauberten Tieren zur Veranschaulichung ihrer hündischen Gezähmtheit. Daß beide Göttinnen die Züge einer Πότνια Θηρών tragen, zeigt die Wandlungsfähigkeit dieser Gestalt, ihren, wie man gesagt hat, proteischen Charakter, der es ihr ermöglicht, mit vielen lokalen oder stärker konturierten Gottheiten sich identifizieren zu lassen. 46 Zugleich wird allerdings auch deutlich, daß die homerische Abgrenzung der olympischen Göttinnen nach ihren abgesteckten Zuständigkeitsbereichen eine Besonderheit war, die keinen normativen Charakter hatte; denn wie hätte sonst der Hymnendichter das kraftvolle Herrschen seiner Aphrodite über Natur- und Tierwelt - ein Bereich, der bei Homer der Jagdgöttin Artemis vorbehalten ist - so sehr betonen können? Im Genre der Tragödie tritt Aphrodite, wie wir noch sehen werden, in ihrem ganzen, hier vorgezeichneten Facettenreichtum auf. Wenn in Zeugnissen wie dem berühmten Fragment des Aischylos von der Vermählung von Himmel und Erde und den Chorliedern und Auftritten der Amme in Euripides' Hippolytos die Aphrodite der hesiodeischen Genealogie und des Hymnus in ihrer ganzen Machtentfaltung als Natur- und Fruchtbarkeitsgöttin begegnet, so ist die beispielsweise in den ΊYoer innen des Euripides hindurchscheinende Vorlage jene homerische, ausschließlich für Liebesdinge zuständige Göttin, die freilich als Folge dieser Verkürzung auch Gefahr läuft, in ihrer realen Existenz in Frage gestellt zu werden. I. 2. Eros (Hesiod, Vorsokratiker, Orphik, Frühgriechische Lyrik) Eine in ihren verschiedenen Ausprägungen der Aphrodite nicht unähnliche Gestalt ist der ihr erst allmählich in Kindschaft zugeordnete, ursprünglich ganz selbständig gedachte Gott Eros. Hesiod läßt ihn in seiner Theogonie nach dem Chaos, nach Gaia und Tartaros gleichsam aus sich selbst heraus entstehen: Cf. Horn. Od. 10, 215 περισσαίνοντες und h. Ven. 70 σαίνοντες. Cf. Christou, 173.

21 Eros 13 Hesiod, Th ήδ' Έρος, δς κάλλιστος έν άθανάτοισι θεοϊσι, λυσιμελής, πάντων τε θεών πάντων τ' άνθρώπων δάμναται έν στήθεσσι νόον καΐ έπίφρονα βουλήν. und Eros, der von den todfreien Göttern der schönste ist, der gliederlösende, aller Götter und Menschen Sinn bezwingt er in ihrer Brust und verständigen Plan. Seine primordiale Stellung im theogonischen Gefüge erweist Eros als lebenspendende Macht, aber auch sein individuelles Wirken wird hier schon richtungweisend beschrieben. Er beseligt, doch trägt er in sich auch den Keim zur Tyrannei als der Gliederlösende", der die Besinnung raubt. Λυσιμέλης nennt ihn später wieder Sappho in einem Verspaar, das für die Umschreibung des Eros als bittersüßes unwiderstehliches Tier" berühmt geworden ist: Έρος δηΰτέ μ' ό λυσιμέλης δόνει / γλυκύπικρον άμάχανον δρπετον (fr. 131 L.-P.). Die Idee des kosmischen" Eros ist besonders in jenen Schriften fortentwickelt worden, die mit Fragen der Weltentstehung sich beschäftigen. Sie im einzelnen aufzureihen, würde hier zu weit führen; 47 doch sei zumindest darauf hingewiesen, daß Eros in so einflußreichen philosophischen Systemen wie denen des Parmenides und Empedokles eine Schlüsselrolle zukommt: Im zweiten Teil seines hexametrischen Lehrgedichts Περ'ι φύσεως gibt Parmenides für die Welt, in der wir leben, die er im ersten Teil als Welt der δόξα vom absoluten ungewordenen und unwandelbaren Sein abgetrennt hatte, eine uns leider nur fragmentarisch überlieferte Kosmologie. Dabei läßt er die über alle Entstehung und Mischung der Elemente waltende Göttin als erstes den Eros hervorbringen. 48 Seine Funktion innerhalb der parmenideischen Weltentstehungslehre muß die eines Prinzips der Zusammenführung gewesen sein; denn Aristoteles zitiert in seiner Metaphysik (984 b 23) Hesiod und Parmenides als Beispiele für ein Zurückführen von Bewegung und Kombination im Seienden auf den Eros. In der Naturphilosophie ein origineller Nachfolger des Parmenides, hat Empedokles in seiner Kosmologie die bedeutende Stellung des Eros, freilich unter dem Namen der φιλία oder φιλότης, mutatis mutandis übernommen. 49 Nach seiner Lehre wurde die unter der Herrschaft der Φιλία bestehende uranfängliche Einheit des Weltenballs durch Νεϊκος, sobald Siehe die kurze Doxographie bei A. Lesky, Vom Eros der Hellenen, Göttingcn 1976, Cf. D.-K. 28 Β 13. In seinem Erotikos (756 D 13) bemerkt Plutarch, daß das, was Empedokles von der Philotes sagt, im Grunde von Eros gilt.

22 14 Vor der Tragödie es die Oberhand gewonnen hatte, aus ihrem Zustand absoluter Ruhe heraus von langsamer Bewegung erfüllt. Durch Sonderung entstanden die vier Elemente, aus denen Φιλότης in beständigem Widerstreit mit Νεΐκος durch immer neue Mischungen und Kombinationen die ganze Formenvielfalt der sterblichen Materie erstehen ließ. 50 Als weltschöpfendes Prinzip begegnet Eros schließlich auch in der Lehre der Orphiker. Der Gedanke seiner Entstehung aus dem sagenhaften Weltei ist uns, wenngleich in parodistischer Form, in der Parabase von Aristophanes' Vögeln sowie in den Hymni Orphici erhalten. 51 Der Gedanke von Eros als einem Urwesen ohne feste genealogische Bindungen wird auch durch die bunte Vielfalt in der Benennung seiner Eltern gestützt. Sappho ordnet ihm als Vater, wie Hesiod der Aphrodite, den uranfänglichen Gott Uranos zu, als Mutter jedoch einmal Ge, ein anderes Mal Aphrodite. Alkaios läßt ihn von Iris und Westwind abstammen, bei Simonides ist er, wohl in Anlehnung an die Ehebruchsepisode aus dem 8. Gesang der Odyssee, der Sprößling des Ares und der Aphrodite, und Euripides macht ihn im I. Stasimon des Hippolytos zum Sohn des Zeus. 52 So ist also das frei Schweifende in den frühen Zeugnissen von Hesiod bis zu den Lyrikern ein wesentliches Kennzeichen des Eros, und es scheint, daß der uns aus verschiedenen Quellen bekannte frühe Kult des Eros in Thespiai, wo der Gott vor der Aufstellung der Erosstatuen des Lysipp und Praxiteles in Form eines unbehauenen Steines verehrt wurde, über die Grenzen von Böotien hinaus kaum eine Wirkung ausstrahlte, von anderen noch unbedeutenderen Lokalkulten ganz zu schweigen. 53 I. 3. Interaktion und Gemeinsamkeiten der Liebesgottheiten; Vorgriff auf die Tragödie Der in keinem Kult gebundene, ortlose und zugleich mit seiner Gegenwart alles durchwaltende Eros findet sich auch noch in der Tragödie, allerdings nie als das bloß abstrakte Weltschöpfungsprinzip eines Parmenides oder Empedokles, sondern immer auch als Bezwinger des Individuums, wie Cf. D.-K. 31 Β 27, 31, 35, 37. Siehe auch den Aufriß der Lehre des Empedokles bei A. Martin, O. Primavesi, L'Empedocle de Strasbourg, Berlin 1999, Cf. Ar. Av und Orph.H. 6, wo freilich der aus dem Weltei Entstiegene Protogonos" heißt. Cf. Page, Sappho and Ale., Sappho fr. 198 L.-P., Alkaios fr. 327, 2 L.-P., Simonides fr. 575 PMG, ed. Page, p. 296, Eur. Hipp Uber Thespiai s. Pausanias 9, 27, 1. Einen anderen Kult des Eros gab es in Parium am Hellespont; s. Page, Sappho and Ale., 270, Anm. Zu den kleineren Kulten siehe Furtwängler, Myth. Lex. I, 1343 f.

23 Interaktion und Gerneinsamkeiten der Liebesgottheiten 15 schon Hesiod ihn sah. So wird zum Beispiel im III. Stasimon der sophokleischen Antigone Eros als eine überall wirkende, von Mensch und Tier gleichermaßen Besitz ergreifende Kraft umschrieben: S. Ant Έρως άνίκατε μάχαν, Έρως, δς έν κτήμασι πίπτεις, δς έν μαλακαϊς παρειαϊς νεανίδος έννυχεύεις, φοιτάς δ' ύπερπόντιος έν τ' άγρονόμοις αύλαϊς... Eros, unbesiegbar im Kampf, Eros, der auf Besitze 54 du stürzt, auf den zarten Wangen des Mädchens über die Meere schweifst du und über der Felder Gehöfte. schläfst; In der Gegenstrophe findet ein Wechsel von Eros zu Aphrodite statt; und das so angedeutete Zusammenwirken der beiden Liebesgottheiten begegnet auch im IV. Stasimon des euripideischen Hippolytos, das angesichts seiner ähnlichen Sprachbildlichkeit dem Eroslied" an die Seite gestellt werden kann. E. Hipp σύ τάν θεών ακαμπτον φρένα καΐ βροτων Άγεις, Κυπρί, σύν δ' ό ποικιλόπτερος άμφιβαλών ώκυτάτω πτερω. ποταται δέ γαϊαν εύάχετόν θ' άλμυρόν έπΐ πόντον. θέλγει δ' Έρως, δ μαινομένα κραδία πτανός έφορμάση χρυσοφαής, φύσιν όρεσκόων σκύμνων πελαγίων θ' δσα τε γα τρέφει τά τ' άέλιος αίθόμενος δέρκεται, ανδρας τε' συμπάντων βασιληίδα τιμάν, Κύπρι, τωνδε μόνα κρατύνεις. Du lenkst der Götter unbeugsames Herz und das der Kypris, und mit dir der Buntbeschwingte, umgreifend sie in windschnellem Flug. Er Biegt übers Land und das wohltönende salzige Meer. Menschen, 54 Vgl. dazu unten, 31 Anm. 104.

24 16 Vor der Tragödie Es bezaubert Eros, auf wessen betörtes Herz, geflügelt, golden glänzend, er stürzt, das Geschlecht der Berg- und Meerestiere, was immer die Erde ernährt und was die funkelnde Sonne schaut, und die Menschen. Über all diese herrschst du, Kypris, in königlicher Würde. 55 Das Miteinander der beiden Liebesgottheiten kennzeichnet nicht nur dieses vierte, sondern auch das I. Stasimon des Hippolytos, wo Eros in v. 540 als Verwalter des Schlüssels" - κληδοϋχος - zu den Gemächern der Aphrodite bezeichnet wird. Es scheint, daß hier schon jenes Sohnschaftsverhältnis anklingt, in das der Hellenismus den Eros zur Aphrodite stellt; doch ist es freilich noch ein weiter Weg vom Handlanger und Boten der Aphrodite hin zu dem verspielten Knaben, wie ihn uns Apollonios Rhodios im III. Buch seiner Argonautica vorführt. Wenn nun in der uns beschäftigenden Strophe die Macht des Eros über das einzelne Herz einerseits, über die ganze Kreatur und den Menschen andererseits besungen wird, so ist das wieder Ausdruck des Spannungsfeldes zwischen kosmischem und individuellem Wirken, in das wir auch schon Aphrodite hineingestellt sahen. Doch teilen die beiden Gottheiten noch eine andere Eigenschaft: ihr Doppelgesicht. Einer wohlwollenden, anmutigen Weise ihres Wirkens steht eine dunkelbedrohliche gegenüber. Daß gerade in der Tragödie der Ton oft auf dem Element des Destruktiven, Gefährlichen, ja Chaotischen im Zugriff der beiden Liebesgötter liegt, wird in einem eigenen Kapitel zu zeigen sein. Die dunkle Seite im Wesen der Aphrodite hat eine Sonderausprägung gefunden in dem Topos der eifernden, auf ihre Machtansprüche unerbittlich pochenden Rächerin, der im dritten Kapitel, auch über die Tragödie hinaus, verfolgt werden soll. Auf Seiten des Eros entspricht ihm die Schöpfung des Anteros, eines im Bereich verschmähter Liebe wirksamen Rache-Dämons, von dem noch zu reden sein wird. Als erstes aber soll uns die allumfassende Wirksamkeit und Macht der beiden Gottheiten in den Zeugnissen der Tragödie beschäftigen. 55 Zu diesen beiden Chorliedern siehe unten,

25 II. Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Daß im Aphrodite-Hymnus erstmals das Motiv der Aphrodite-Gegnerschaft anklingt, ist bereits gezeigt worden. In der Tragödie findet eine solche Opposition ihren Rückhalt in der Göttin Artemis. Die älteste erhaltene tragische Gestaltung eines Konfliktes im Spannungsfeld zwischen den beiden Göttinnen liegt uns in Aischylos' Danaidentetralogie vor. II. 1. Aischylos, Danaidentetralogie Die Sequenz, von der leider nur die Hiketiden vollständig erhalten sind, hat das Schicksal der Töchter des Danaos zum Gegenstand, das uns in vielerlei Varianten überliefert ist. 56 Die Zeugnisse von Ps.-Apollodor über Pausanias bis hin zu den relevanten Homer-Scholien haben einen gemeinsamen Sagenkern: Aus der Verbindung zwischen Zeus und Io geht der Stammvater Epaphos hervor. Dessen Enkel Belos hat zwei Söhne, Aigyptos und Danaos, die im Streit miteinander liegen. Die fünfzig Söhne des einen heiraten die fünfzig Töchter des anderen. In der Hochzeitsnacht bringen die Danaiden die Aigyptossöhne um, bis auf Hypermestra: Sie schont ihren Bräutigam Lynkeus. Die Flucht der Danaostöchter vor den sie umwerbenden Cousins nach Argos, der Heimat ihrer Stammutter Io, und ihre Bemühungen um Asyl beim herrschenden König Pelasgos sind Thema der Hiketiden. Um die bewußte Betonung des hohen Ranges der Aphrodite am Ende dieses Stückes und ihr späteres vollmächtiges Auftreten in persona in ihrer ganzen Tragweite verstehen zu können, wollen wir uns zunächst mit der sich auf Artemis stützenden Aphrodite-Feindschaft der Danaiden beschäftigen. Uber die Beweggründe ihres Tuns ist viel gemutmaßt worden. Die These, daß ihre Ablehnung nicht der Ehe überhaupt, sondern speziell 56 Eine Übersicht bei A.F. Garvie, Aeschylus' Supplices. Play and Trilogy, Cambridge 1969, 163.

26 18 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros dem rohen und gewaltsamen Werben der Aigyptossöhne gilt, 57 wird schon allein dadurch ad absurdum geführt, daß Danaos, nachdem die Bitte um Asyl endlich gewährt wurde, seine Töchter dazu anhält, sich auch in Argos mit niemandem einzulassen, worauf sie ihm versichern, ihren Prinzipien treu zu bleiben, falls von den Göttern nicht ein anderer Ratschluß getroffen werde ( ): έμής δ' όπώρας οδνεκ' εΰ θάρσει πάτερ. / εΐ γάρ τι μή θεοϊς βεβουλευται νέον, / ίχνος τό πρόσθεν ού διαστρέψω φρένος. Ebensowenig haben sie für ihre Weigerung, ihre Cousins zu heiraten, eine Rechtsgrundlage, denn auf eine entsprechende Frage des Pelasgos, der natürlich wissen will, ob er zu Recht oder zu Unrecht Verfolgte in sein Land aufnimmt, antworten sie mit einer Gegenfrage, um bald darauf, ohne genaue Angaben gemacht zu haben, mit dem Zorn des Zeus Hikesios zu drohen. Zur Veranschaulichung wollen wir den Dialog in seinem genauen Wortlaut hierher setzen: ΠΕ. τΐ φτ)ς ίκνεϊσθαι τώνδ' άγωνίων θεων λευκοστεφεΐς έχουσα νεοδρέπτους κλάδους; ΧΟ. ώς μή γένωμοα δμωΐς ΑΙγύπτου γένει. ΠΕ. πότερα κατ'έχθραν, ή τό μή θέμις λέγεις; ΧΟ. τίς δ'δν φιλοϋσ' δνοιτο τούς κεκτημένους; Pel. Was willst erßehn du von den Göttern dieser Stadt, in Händen weißumwundne Zweige, frisch gepflückt? Cho. Daß ich nicht Sklavin werde dem Aigyptos-Stamm. Pel. Aus Feindschaft? Oder weinst du etwas widers Recht? Cho. Wer sollt' verabscheun Herren, wenn sie Freunde sind? Die Gegenfrage der Danaiden geht auf das μή θέμις gar nicht ein, obwohl freilich unmittelbar vor der Parodos von dem Bett, das Themis verbeut" die Rede gewesen war. 58 Man muß wohl annehmen, daß das Rechtsargument nur ein vorgeschobenes ist, ja daß die Aigyptossöhne, wie am Ende des Stückes im Auftritt des ihnen vorausgeschickten Herolds deutlich wird, nach ägyptischem Recht tatsächlich einen Anspruch auf ihre Cousinen haben. Dagegen wird die Präge, ob etwa Haß im Spiel sei, implizite als eine müßige hingestellt, denn freundlich Gesinnte, so geben die Danaiden zu verstehen, würden sie durchaus als ihre Herren dulden. Das Wesen ihrer Abscheu speziell vor den Söhnen des Aigyptos wird dabei geschickt in der Cf. Acschylus. The Suppliants, ed. by Η. Friis Johansen and E.W. Whittle, Vol. I, Kopenhagen 1980, 30-40; ferner K. v. Fritz, Die Danaidentrilogie des Aischylos", in: Antike und moderne Tragödie, Berlin 1962, 187 ff., der die Roheit der Aigyptossöhne als Ausdruck jener άσέβεια ansieht, die die Danaiden als Grund für ihre Ablehnung der Ehe mit ihnen ins Feld führen. Cf λέκτρων ών θέμις εΐργει.

27 Aischylos, Danaidentetralogie 19 Schwebe gelassen. Man könnte meinen, sie sei nichts als unversöhnliche Familienfeindschaft, die in den Erb- und Machtstreitigkeiten der beiden Brüder Danaos und Aigyptos wurzelt. Doch ist das eher unwahrscheinlich, besonders auf dem Hintergrund des Vergleichs der unliebsamen Freier mit Falken, dessen sich Danaos einmal bedient (223-28):... έν άγνω δ' έσμός ώς πελειάδων ΐζεσθε κίρκων των όμοπτέρων φόβω, έχθρων όμαίμων καΐ μιαινόντων γένος, δρνιθος δρνις πως αν άγνεύοι φαγών; πώς δ' αν γάμων ακουσαν άκοντος πάρα αγνός γένοιτ äv; An heiiger Statt wie ein Schwärm Tauben laßt euch nieder, vor den Falken, gleich gefiedert, in Furcht, den blutsverwandten Feinden, Schändern ihres Stamms. Wie könnt' ein Vogel rein sein, der vom Vogel frißt? Wie, wer ein Mädchen gegen seinen Willen, auch des Vaters, freit? Wenn die Aigyptossöhne als Beflecker" angesehen werden, 59 und wenn es um άγνότης geht, so muß die Ablehnung der Danaiden tiefer gründen als in der bloßen Animosität zwischen zwei Familien. Daß von Befleckung durch Verwandtenehe die Rede ist, kann angesichts der späteren Warnung des Danaos auch vor fremden Freiern wohl als ausgeschlossen gelten. Bezeichnend ist, daß Danaos neben dem seiner Töchter ausdrücklich auch seinen eigenen Widerwillen bekundet. Damit ist er nicht etwa nur ihr Annex", wie Wilamowitz die Stelle aufgefaßt hat. 60 Vielmehr ist er es, der die Fäden des Geschehens in der Hand hält und den Töchtern vorschreibt, was sie zu tun haben. Nicht umsonst nennen sie ihn in der Parodos ihren βουλαρχος und στασίαρχος, den Anführer des Planes und des Streits", und πεσσονομων, das heißt denjenigen, der die Spielregeln setzt. Diese tragende Rolle des Vaters leuchtet nur dann ein, wenn die Heirat seiner Töchter für ihn etwas Schreckenerregendes, unter jeden Umständen zu Vermeidendes bedeutet. Und da gibt es, wie Martin Sicherl überzeugend ausgeführt hat, nur eine Möglichkeit: In einem der verlorenen Stücke muß von einem Orakel Cf. 225 μιαινόντων γένος. Cf. U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Aeschylos-Interpretationen, Berlin 1914, 13: Es ist die verkehrte Welt, daß der Vater Annex seiner Töcher ist."

28 20 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros die Rede gewesen sein, nach dem Danaos durch die Hand eines seiner Schwiegersöhne seinen Tod finden werde. 61 In ihrer Bitte um Asyl durften die Danaiden diesen wahren Grund nicht erwähnen, denn ihre Aufnahme wäre dadurch sicher vereitelt worden. Die Angst des Pelasgos vor einem μίασμα für die Stadt Argos, die sie mit ihrer Selbstmorddrohung zu ihren Gunsten ausgenutzt hatten, 62 wäre als Angst vor der Befleckung durch die Ermordung des Danaos zu ihrem Verhängnis geworden. Daß der Zuschauer und Leser der Hiketiden ebenso wie Pelasgos im Ungewissen über die eigentlichen Handlungsmotive der Danaiden bleibt, mag dem Aufbau einer Spannung gedient haben, die sich erst in einem der darauffolgenden Stücke mit der Erwähnung des Orakels löste. Daß Aischylos daran gelegen war, eine Kenntnis des Orakels auch auf Seiten der Aigyptossöhne vorauszusetzen, ist wohl als sicher anzunehmen, denn wie könnten ihnen sonst die Danaiden, noch bevor sie sich unter die Fittiche des Zeus Hikesios begeben haben, άσεβη... διάνοιαν (v. 9/10) vorwerfen. Auch der Falkenvergleich mit seiner Bezeichnung der Aigyptossöhne als μιαινόντων γένος erscheint so in einem anderen Licht. Als ganz besonders rüde und gewalttätig müssen die unliebsamen Freier gelten, wenn man ihnen das Wissen unterstellen darf, daß ihre Heirat mit den Cousinen früher oder später einen aus ihren eigenen Reihen zum Mörder an Danaos wird werden lassen. Die Danaiden ihrerseits sind durch das Orakel so sehr in die Enge getrieben, daß bei ihnen der Gedanke an Hochzeit, und nicht nur mit Cf. M. Sicherl, Die Tragik der Danaiden", Museum Helveticum 43, 1986, S. Föllinger (Genosdependenzen. Studien zur Arbeit am Mythos bei Aischylos, Göttingen 2003, 234) vermutet, daß in dem Orakel nicht allgemein von Schwiegersöhnen, sondern speziell von den Söhnen des Aigyptos die Rede gewesen sein müsse, denn andernfalls hätte Danaos nicht den Mägdechor seinen Töchtern als Mitgift geschenkt." (979). Gegen eine solche Spezifizierung des Orakels sprechen aber, wie Sicherl (S.93) selbst schon ausgeführt hat, die Verse , in denen die Danaiden auf die Mahnung ihres Vaters, sich nach ihrem Einzug in Argos nicht mit Männern einzulassen, antworten, er brauche keine Sorge zu haben; wenn die Götter nichts Neues beschlossen haben, d.h. solange das Orakel gilt, würden sie von ihrem bisherigen Pfad nicht abweichen, d.h. von Männern nichts wissen wollen. Dabei impliziert Vers 1016 immerhin die Möglichkeit, daß die Götter ihren Ratschluß ändern könnten, d.h. vielleicht ein neues Orakel geben könnten, das das alte aufhebt. Wenn eine solche Änderung der Dinge von den Danaiden als nicht ganz ausgeschlossen betrachtet wird, warum dann nicht auch von ihrem Vater? Es könnte also sein, daß er seinen Töchtern für den hypothetischen Fall einer für ihn selbst gefahrlosen Heirat nach einer wie auch immer gearteten göttlichen Intervention die Dienerinnen als Mitgift gegeben hat - wie es ja überhaupt unter Eltern der Brauch war, für die Mitgift ihrer Töchter zu sorgen, noch bevor man etwas Sicheres über ihre Zukunft und eventuelle Heirat wußte. Cf

29 Aischylos, Danaidentetralogie 21 ihren nahen Verwandten, immer von der Angstvision demütigender Entmachtung durch den Mord an ihrem Vater begleitet ist. Im Stück äußert sich die Auflehnung der Danaiden gegen Ohnmacht und Unterjochung in einer Weise, die manch einen sogar veranlaßt hat, hier einen Nachhall gynaikokratischer Ideen heraushören zu wollen. 63 Schon in der Parodos wird im Ephymnion der 7. Strophe und Gegenstrophe der Wunsch ausgesprochen, dem mit Männern geteilten Lager un bezwungen zu entgehen - εύνάς / άνδρών... / αγαμον άδάματον έκφυγεϊν ( bzw ). Von Pelasgos nach dem Zweck ihrer Flucht und Hikesie befragt, entgegnet die Chorführerin v. 335, sie wolle nicht zur Sklavin der Aigyptossippe werden - ώς μή γένωμαι δμωίς Αίγύπτου γένει -, und das anschließende Amoibaion bekräftigt diesen Gedanken in einem apotropäischen Ausruf gegen ihre Auslieferung in die Hörigkeit männlicher Stärke - μή xt ποχ' oöv γενοίμαν όποχε<ι>ριος / κράχεσιν άρσένων (392-93). Im Lichte des Orakels sind diese Äußerungen als ein ins Allgemeine gewendeter Ausfluß der insgeheim gehegten Angst vor einer Bluttat an Danaos zu verstehen. Die Danaiden fürchten Gewalt - sie fürchten ihre Bezwingung, da sie den Vater in Todesgefahr bringen wird. Daher bitten sie auch um die Anwaltschaft des Zeus, von dem es in der Parodos heißt, daß er keinerlei Gewalt anwendet - βίαν δ' ουχιν' έξοπλίζει (99). Seine Art der sanften Machtausübung findet sich ausgedrückt in dem Oxymoron άπημάνχω σθένει (576), das die Geste beschreibt, mit der er Io, die Stammutter der Danaiden, aus ihren Leiden erlöste. Wenn nun neben Zeus auch Artemis um Hilfe angerufen wird, so ist es zwar auch ihre Eigenschaft als Antagonistin Aphrodites, die sie den Danaiden als Hort und Zuflucht erscheinen läßt. Ganz besonders aber rechnen sie auf ihre mit dem Vater Zeus geteilte Abscheu vor Gewalt. Von alters her gehört es zu den Aufgaben der Artemis, daß sie wehrlose Jungtiere vor gewaltsamen Ubergriffen schützt. 64 Ihre Anwaltschaft auch für den Menschen spiegelt eine Anekdote wider, die bei Pausanias (8, 47, 6) überliefert ist: Der arkadische Tyrann Aristomelidas raubt ein Mädchen aus Tegea und gibt sie in die Obhut des Chronios. Als sie ihm zugeführt werden soll, begeht sie aus Angst vor Schande Selbstmord. Artemis stachelt Chronios zur Rache auf. Er tötet Aristomelidas und errichtet der Göttin zu Tegea einen Tempel Cf. Aeschyli Supplices ed. C.G. Haupt, Leipzig 1829, cap. III, Cf. E. Simon, Die Götter der Griechen, 4. Aufl., München 1992, Siehe auch A. Ag (über Artemis-Hekate) δρόσοις άέπτοις μαλερών <λε>όντων / πάντων τ' άγρονόμων φιλομάστοις / θηρών όβρικάλοισι τερπνά - den [sc. ihren Müttern] nicht folgen könnenden Löwenjungen, ja den säugenden Kleinen aller im Feld weidenden Tiere freundlich."

30 22 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros So richtet sich denn auch bei Aischylos die Hoffnung der Danaiden darauf, daß Artemis eine erzwungene Eheschließung nicht gleichgültig sein kann έπίδοι δ' "Αρτεμις άγνά στόλον οίκτιζομένα, μηδ' ύπ' άνάγκας χέλος Ιλθοι ΚυθερεΙας- Mit dem Anklang an den ersten Vers des Dramas - Ζευς μέν άφίκτωρ έπίδοι προφρόνως / στόλον ήμέτερον - wird sofort die Verbindung zwischen Vater und Tochter hergestellt. Artemis wird als Mitleidige, οίκτιζομένα, angerufen - ein Zug, der offenbar zur aischyleischen Vorstellung dieser Göttin gehört, denn auch in Ag ist es ihr Mitleid mit der trächtigen Häsin Troja, das einhergeht mit dem Groll auf die Atriden. 65 Mitten hinein in den Kontext von angstvoller Flucht und einer an Zeus und Artemis sich klammernden Hoffnung auf ein Entkommen vor der Zwangsehe spricht schließlich im carmen exodicum ein mahnender Halbchor im Dienst Aphrodites die folgenden Worte Κυπριδος <δ'> ούχ άμελεϊ θεσμός 8δ' εοφρων δύναται γαρ Διός δγχιστα συν Ήρα, τίεται δ' αίολόμητις θεός έργοις έπί σεμνοϊςμετάκοινοι δέ φίλα ματρί πάρεισιν Πόθος ά τ' ουδέν απαρνον τελέθει θέλκτορι Πειθοΐ, δέδοται θ' 'Αρμονία μοϊρ' Άφροδίτας ψεδυρά τρίβοι τ' έρώτων. 66 Wer sich hier zum mutigen Anwalt der Aphrodite aufschwingt, ist eine neuerdings wieder sehr umstrittene Frage. Schon lange hat man an der Vorstellung Anstoß genommen, daß es die Dienerinnen seien, die ihren Herrinnen als Halbchor gegenübertreten, waren sie ihnen doch eben erst einzeln zugeordnet worden. 67 Wilamowitz schlägt die durchaus bedenkenswerte Lösung vor, daß man zu Beginn des carmen exodicum in einer Bemerkenswert ist beim Vergleich von Supp und Ag. 134 auch die Parallelität des Epithetons άγνά. Text nach Aeschyli Septem quae supersunt Tragoedias ed. D. Page, Oxford Von Hartungs Konjektur δέδοται θ' 'Αρμονίας μοϊρ' Άφροδίται, die M.L. West (1990) übernimmt, habe ich abgesehen, da der überlieferte Text auch ohne diesen Eingriff einen guten Sinn ergibt, s. unten, 26 f. Cf : τάσσεσθε φίλαι δμωίδες οδτως / ώς έφ' έκάστγι διεκλήρωσεν / Δαναός θεραποντίδα φερνήν.

31 Aischylos, Danaidentetralogie 23 Art Polonaise zu zwei Gruppen auseinanderging. 68 In einem Aufsatz, den er seiner 1970 erschienenen kritischen Edition der Hiketiden vorausschickt, verwirft Priis Johansen den Einfall und stößt sich außerdem an dem maskulinen Partizip γανάοντες in v. 1019, das die Beteiligung von Männern im zweiten Halbchor impliziere. 69 Er geht schließlich so weit, als Partner im Wechselgesang mit den Danaiden die argivischen Gefolgsleute anzunehmen, von denen Danaos in den vv berichtet, sie seien ihm zum Schutz beigegeben worden. Das maskuline Partizip allein ist freilich kein hinreichender Grund dafür, eine eben erst gestellte Leibgarde" als Sprecher herbeizubemühen, denn für Aischylos ist der Gebrauch eines solchen Partizips in Verbindung mit einem femininen Bezugswort, wie eine andere Stelle beweist, 70 nichts ganz und gar Unmögliches. Dennoch hat die Deutung der όπαδοι in v als argivische Gefolgsleute offenbar manch einen überzeugt, zuletzt M.L. West, der in seiner Ausgabe von 1990 Friis Johansens Sprecherverteilung übernimmt. Beide berufen sich auf einen gemeinsamen Vorgänger, H. Freericks und seine Leipziger Dissertation von 1883, De Aeschyli Supplicum choro. Das allerdings nicht ganz zu Recht, denn Freericks gesteht zwar die uns beschäftigende Strophe dem Gefolge des Danaos zu, nicht aber die Antistrophe und das folgende Streitgespräch, da es sich für comites nicht zieme, die Danaiden zu tadeln oder zu ermahnen (S. 77): Iurgii vero comites nullas habuisse partes cum eos neque vituperare neque monere deceat virgines, apparet." Einen Ausweg aus dem Dilemma glaubt er in der Aufteilung der Danaiden in zwei Halbchöre, einen furchtsamen und einen kühnen, zu finden. Für diese Lösung entscheidet sich auch Hermann in seiner Ausgabe von 1852, doch beschränkt er sich dabei nicht nur auf das Streitgespräch. Das ganze Lied zeige, daß nur die Danaiden singen; eine Beteiligung der Dienerinnen sei indecorum. Ob diese Empfindung Aischylos gerecht wird, ist allerdings eher fraglich, denn bei ihm ist es durchaus nichts Ungewöhnliches, daß untergeordnete Personen als Mahner auftreten, so zum Beispiel die thebanischen Cf. U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Aischylos. Interpretationen, Berlin 1914, 8. Cf. H. Friis Johansen, Progymnasmata", Classica & Mediaevalia 27, 1966, 62. Γανάοντες ist Konjektur von Bothe, der Codex Μ hat γανάεντες. Vürtheim (1928) ad loc. erklärt die ursprüngliche Lesart als Partizip eines hypostasierten γανάημι = γανάω, gebildet wie δαέντες, άέντες. Passow I, 534 s.v. γανάω postuliert ein Adjektiv γανάεις. Wir hätten es dann bei der Form γανάεντες mit einem απαξ λεγόμενον von nicht ganz klarer grammatischer Herleitung zu tun. Cf. Ag. 560 ff. λειμώνιαι / δρόσοι... /... τιθέντες. Zum genera-problem s. Ε. Fraenkel, Ag. 562 und W.S. Barrett, Eu. Hipp , Barrett hält "the 'generalizing' masc. plur. of a woman or women" für nicht existent, kann aber Ag. 560 ff. nicht angemessen erklären.

32 24 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Frauen in den Septem, 692 ff.: Obwohl Eteokles sie schon mehrmals zum Schweigen aufgefordert hat, lassen sie nicht ab, warnend auf ihn einzureden. 71 Es gibt also keinen schwerwiegenden Einwand gegen eine Zuweisung unserer Strophe an die Dienerinnen, doch ist für ihr Verständnis die Person des Sprechers ohnehin eher zweitrangig, da ihre Aussage eine überpersönliche, als Gegengewicht zur Unbeugsamkeit der Danaiden gemeinte ist. Den weiteren Überlegungen wird der Versuch einer möglichst wortgetreuen deutschen Version der Strophe vor angeschickt. Nicht ohne Bemühen um Aphrodite ist diese wohlvernünftige Weise. An Macht nämlich steht sie Zeus am nächsten, zusammen mit Hera. Verehrt wird die mancherlei Listen sinnende Göttin ob ihrer erhabenen Werke. Gemeinsam sie teilend, stehn der lieben Mutter zur Seite das Verlangen und, der nichts verweigert wird, die Zauberin Überredung, zur Harmonia gehören der ßüsternde Teil in Liebesdingen und die Pfade der Eroten. Daß θεσμός hier die Sonderbedeutung einer musikalischen Weise zukommt, ist die durchaus berechtigte Ansicht des Scholiasten. 72 In einer Metonymie steht das Lied für seine Sängerinnen, 73 und zur näheren Bestimmung werden ihm noch zwei weitere Worte zugesellt - θεσμός δδ' εϋφρων. Der Sinn des Attributes εϋφρων scheint mit wohlvernünftig" am ehesten getroffen, 74 stehen die Worte des Chores doch im Einklang mit der lebensklugen Maxime, alle Mitglieder des Pantheon, und zumal die mächtigsten, möglichst zufriedenzustellen. Der nächste Vers, der Aphrodite gemeinsam mit Hera den zweiten Platz in der Götterhierarchie einräumt, will auf dem Hintergrund des Siehe bes. v. 712: πιθοϋ γυναιξί, καίπερ ού στέργων δμως. Er glossiert 6 του ήμετέρου δμνου νόμος und gibt damit zu verstehen, daß er θεσμός im Sinne von musikalische Weise" versteht. Dafür, daß diese für θεσμός sonst nicht belegte Sonderbedeutung hier zum Tragen kommt, bietet J.A. Schuursma (De poetica vocabulorum abusione apud Aeschylum, Amsterdam 1932, 89) eine plausible Erklärung: Sie sei ihm per abusionem zugeordnet, und zwar nach dem Vorbild von νόμος, das ja in seiner Bedeutung von Gesetz" mit θεσμός synonym sei, außerdem aber auch eine musikalische Weise" bezeichnen könne. Johansen-Whittle (1980) ad loc. stoßen sich zu Unrecht an dieser doch sehr gebräuchlichen Stilfigur: "άμελεΐν with a non-personal subject appears to be unattested elsewhere." Weniger überzeugen LSJ mit the cheering strain (795 s.v. θεσμός I. 3.). Zu εοφρων im Sinne von prudens cf. Pe. 772, Supp. 378, Ch. 88, Ag. 351.

33 Aischylos, Danaidentetralogie 25 vierzehnten Iliasbuches gesehen werden, in dem dieses Göttergespann sich zusammentut, um Zeus zu überwältigen. 75 Nachdem ihre hohe Machtposition einmal festgelegt ist, nimmt Aphrodite nun Gestalt und personhafte Züge an: Sie ist Urheberin gewaltiger Werke, und mit αίολόμητις, einem Attribut, das sie mit Hesiods Prometheus (Th. 511) teilt, werden ihre vielfältigen Listen gerühmt. Der Betrug und das Ränkeschmieden sind Aphrodite schon in der episch-hymnischen Dichtung wesenseigen. Im dritten Iliasbuch empört sich Helena über ihren listenreichen Angriff, 76 und auch Hesiod weiß von ihren Täuschungen. 77 Im Aphrodite-Hymnus ist der Exkurs über die drei Göttinnen, die ihren Verlockungen nicht erlegen waren, in die miteinander korrespondierenden Verse 7 und 33 eingefaßt. Gemeinsam sind ihnen die Worte überreden und betrügen". 78 Nach der Huldigung auf die Macht und gewaltigen Werke der Aphrodite werden bei Aischylos des weiteren charakteristische Züge im Wesen und Wirken der Göttin an Hand einer Aufzählung ihrer Trabanten vorgestellt: Die Stelle des Eros, der bei Aischylos nur Begriff ist, nimmt der personifizierte Πόθος als Sohn der Aphrodite ein. Zu ihm gesellt sich als Schwester Πειθώ, die Überredung. Die Kultverbindung von Aphrodite und Peitho hat in Griechenland eine lange Tradition. Peitho wurde vielerorts mit Aphrodite gleichgesetzt, 79 oder gemeinsam mit ihr verehrt. 80 Auch Pindar kennt das Zusam Cf. Ξ , bes. die vv über den κεστός ίμάς, das Kreuzband" (cf. W. Fauth, Aphrodite Parakyptusa. Untersuchungen zum Erscheinungsbild der vorderasiatischen De a Prospiciens, Mainz 1967, 420) der Aphrodite: Ινθ' Ινι μέν φιλότης, έν δ' ίμερος, έν δ' όαρι,στύς / πάρφασις, ή τ' έκλεψε νόον πύκα περ φρονεόντων. Cf. Γ Cf. Th Vgl. dazu auch Κ. Reinhardt, Zum Homerischen Aphrodite-Hymnus", in: Festschrift Bruno Snell, Hamburg 1956, 8. Der Topos findet sich ferner auch bei Sappho, die Aphrodite im Prooimion zu 1, 1 als παΐ Δ[ος δολόπλοκε anruft. Die Inschriften IG 2109 b, 2120, 2125 bezeugen ein Heiligtum der 'Αφροδίτη Άπάτουρος bei Phanagoria; laut Strabo XI p. 495 geht das Kult-Epitheton auf einen Mythos zurück, nach dem Aphrodite die ihr am Ort des später errichteten Heiligtums zusetzenden Giganten mit Hilfe einer List einzeln von Herakles hat umbringen lassen. yn Uber die Verschmelzung der beiden zu einer einzigen Gottheit Aphrodite-Peitho s. F. Voigt, RE XIX, I, (1937), 197; s. auch IG IX, 2, 236. Zur Verbindung oder Gleichsetzung von Aphrodite und der Göttin Peitho in Texten der archaischen und klassischen Epoche s. R.G.A. Buxton, Persuasion in Greek Tragedy, Cambridge IG II, 5, 1558 b - eine Weihinschrift an Peitho aus dem Aphroditeheiligtum in Daphnis - beweist, daß Aphrodite in ihrem Heiligtum ohne weiteres an Peitho gerichtete Weihgeschenke empfangen konnte. In Athen hatten Peitho und Aphrodite Pandemos ein gemeinsames Heiligtum, das, wie Pausanias (1, 22, 3)

34 26 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros menspiel dieser beiden Mächte. In Pythien 4 läßt er Aphrodite Iason, um Medeas Verlangen zu schüren, mit dem Liebesrädchen (ΐυγξ) ausrüsten, auf daß Griechenland sie mit Peithos Peitsche umhertreibe", und in Pyth. 9 ist es nach den Worten des Kentaueren Chiron wieder Peitho, die die Schlüssel zur Liebe hat. 81 Ein dienstbarer Geist der Aphrodite ist Πειθώ bei Sappho. In 1, 1 fingiert sie ein Gespräch mit der Göttin, in dem diese fragt, wen ihr Peitho denn zuführen solle. 82 Als drittes Glied in der Kette von Trabanten der Aphrodite erscheint bei Aischylos nun Harmonia, die traditionell zum Gefolge der Göttin gehört und ihr bei Hesiod sogar als Tochter zugeordnet ist. 83 Der Teil, für den sie zuständig ist, trägt das nicht leicht zu entschlüsselnde Beiwort ψεδυρά. Hesych und Theognost glossieren ψίθυρος, ein von den Lexikographen 84 bezeugtes Kult-Epitheton der Aphrodite und des Eros, ferner auch des Hermes, in Athen. Eustathios beruft sich auf die Rede des Demosthenes Contra Neaeram, in der tatsächlich einmal von Hermes Ψιθυριστής die Rede ist. 85 Uber die Assoziation der Aphrodite mit Flüstern" fügt er erklärend hinzu: έκαλεΐτο δέ, φασι, ψίθυρος δια χό τάς εύχομένας αύτη πρός τό οΰς λέγειν, δπερ έδήλου μέν χρήναι μυστηριάζεσθαι τά τοιαύτα: Man nennt sie, wie es heißt,,flüsternd', da, die zu ihr beten, ihr ins Ohr sprechen, muß man doch offenbar derartige Dinge geheim halten." 86 Zur Klärung der Präge, wie diese im Kultischen verankerten Konnotationen des Wortes ψίθυρος im Zusammenhang mit Harmonia zum Tragen kommen, mag es hilfreich sein, etwas weiter vorzugreifen und sich den τρίβοι έρώτων zu widmen. Mit Berufung auf das verwandte τριβή ist τρίβος oft mit Spiele, mutwilliges Treiben der Eroten" oder dergleichen wiedergegeben worden. 87 Τρίβος bezeichnet aber zunächst einmal einfach einen vielbetretenen berichtet, nach der politischen Einigung Attikas von Theseus eingerichtet worden sein soll. Uber Peithos Teilhabe am Uraniakult von Korinth s. Pindar, fr. 122, Snell. Cf. P. Pyth. 4, 218 f. δφρα... Ελλάς αύτάν /... δονέοι μάστιγι Πειθούς und P. Pyth. 9, 38 f. κρυπταί κ λαίδες έντί σοφάς / Πειθούς ίεραν φιλοτάτων. Cf. 1, 1, 18-19:... τίνα δηύτε Πείθω / μαϊσ' άγην ές σάν φιλότατα... Vgl. dazu zahlreiche Vasenbilder aus der 2.Hälfte des 5.Jhs. Cf. LIMC IV, 1, 413 s.v. Harmonia D. Ciclo di Afrodite und Hes. Th Cf. Harpokration, s.v. Ψιθυριστής 'Ερμής, Suda Φ , Photios, s.v. 'Αφροδίτη ψίθυρος, Eustathios, ad Od., 1881, 1. Cf. Contra Neaeram 39:... εϊς τό οίκίδιον 8 ήν αύτώι παρά τόν ψιθυριστήν Έρμήν. Der gleich Beleg auch bei Harpokration. Die gleiche Deutung bietet Photios s.v. 'Αφροδίτη ψίθυρος Ιστι δέ δντως έν 'Αθήναις Ιερόν 'Αφροδίτης ψιθύρου άπό τοϋ τάς εύχομένας πρός τό ούς αυτής εδχεσθαι. 87 Wilarriowitz ad loc. überträgt in dolos et rixas amantium" (sie!), Terzaghi erklärt: il frequentare, soggiorno. Vürtheim (1928) ad loc. schlägt vor: das Spiel, die Arbeit der Eroten, das nie ruhende Liebesspiel.

35 Aischylos, Danaidentetralogie 27 Weg. 88 Diese Vorstellung verlockt dazu, aus den abstrakten Pfaden der Eroten" τρίβοι τ' έρώντων, die Wege der Liebenden zueinander", werden zu lassen. Davon ausgehend hat man versucht, das rätselhafte ψεδυρά nach dem Prinzip des ύστερον πρόχερον als Ausdruck des Geflüsters bei der Liebesvereinigung zu erklären. 89 Diese Deutung kommt aber nur dann zum Tragen, wenn man Aphrodite hier entsprechend als Allegorie für das Beilager auslegt, 90 und das ist ebensowenig zwingend wie die Konjektur έρώντων. Ein Blick zurück auf die Eustathios-Stelle verhilft zu einer subtileren Interpretation der μοίρα ψεδυρά: Gemeint sein könnte etwa der Teil in den Angelegenheiten der Liebe, über den man nur flüsternd sich verständigt", da er eingehüllt bleiben sollte in eine Sphäre des Geheimen. Wenn man so will, kann dies auch als ein, nur eben sehr viel diskreterer Hinweis auf die völlige Vereinigung zweier Liebender verstanden werden. Diese herbeizuführen, wäre dann also letztlich Aufgabe der Harmonia. 91 Darin, daß ihr auch noch die Pfade der Eroten" zugeordnet werden, liegt das eigentliche ύστερον πρότερον. Sie bezeichnen das Hin und Her, das von den Eroten gesteuerte Schwanken zwischen Annäherung und Entfernung der Liebenden vor ihrer endgültigen Vereinigung. Zur hohen Plazierung Aphrodites in der Hierarchie des Olymp tritt in den Danaiden mit dem Bild der Vermählung von Himmel und Erde eine Demonstration ihrer kosmischen Machtentfaltung ergänzend hinzu. Es spricht die Göttin selber (frg. 44 Radt): έρα μέν άγνός ούρανός τρώσαι χθόνα, έρως δέ γαιαν λαμβάνει γάμου τυχεΐν δμβρος δ' άπ' εύνάοντος 92 οόρανοϋ πεσών έχυσε γαιαν ή δέ τίκτεται βροτοϊς μήλων τε βοσκάς κα'ι βίον Δημήτριον. 88 oq Cf. LSJ s.v. Cf. Johansen-Whittle (1980) ad loc. Sie vergleichen Ag. 411: λέχος κα'ι στίβοι φιλάνορες, i.e. "the bed and the husband-loving steps towards it" (Fraenkel). "Each passage contains a ύστερον πρότερον, alluding first to the coitus itself (λέχος) or to an accompaniment to it (cf. 1042n. ψεδυρά), then to the coming of one of the lovers to the other's bed, or possibly, in the present passage, of both to their common bed." 90 Vgl. dazu z.b. PV Ζεύς.../... συναίρεσθαι Κύπριν / θέλει; das Σ ad Joe. glossiert συνουσιάσαι. 91 Cf. Sittig (PW VII, 1912, 2379) zum Namen Harmonia: er bedeutet die Zusammenfügung, die Verbindung und den daraus hervorgehenden Einklang." 92 Statt der von Radt in den Text übernommenen, grammatisch schwer erklärbaren Lesart εύνάεντος bevorzugt die Verf. die auch bei Eusthatios zu findende v.l. εύνάοντος. Zu Grunde liegt ihr das Partizip εύνάων - üppig träufelnd. Cf. W. Dindorf, Lexicon Aeschyleum, Leipzig 1876, 139 s.v. εύνάων. Vgl. auch E. Med. 835: καλλινάου (Attribut zur Beschreibung des Kephisos).

36 28 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros δενδρωτις ώρα δ' έχ νοτίζοντος γάμου τέλειος έστι 93 των δ' έγώ παραίτιος Verlangen hat der reine Himmel, die Erde zu verwunden Verlangen faßt die Erde, Ehe zu erlangen. Der Regen ßel vom üppig träufelnden Himmel und schwängerte die Erde, sie darauf gebiert den Menschen der Schafe Herden und das Korn Demeters. Der Bäume Blüte ist der feuchten Hochzeit vollendete Frucht. Und dieser Dinge bin ich Miturheberin. Es gibt unzählige Versuche, diese Worte in einen hypothetischen Zusammenhang mit der Rekonstruktion des dritten Teiles der Danaidentetralogie zu stellen. Sieht man von Kleinigkeiten ab, so sind es zwei Versionen, die man in Betracht gezogen hat: Für einige soll nach der Vorlage der Eumeniden ein Prozeß gegen Hypermestra, in dem Aphrodite als Verteidigerin auftrat, den Inhalt dieses Stückes gebildet haben, andere denken mit Rücksicht auf eine bei Apollodor überlieferte Sagentradition an die Entsühnung der Danaiden durch Athene und Hermes und eine erneute Hochzeit, 94 anläßlich deren Aphrodite zum Zeichen des ihr zuletzt doch zufallenden Triumphes die Rede über ihre allumfassende Wirksamkeit gehalten haben soll. 95 Es ist hier nicht der Ort, den vielen Spekulationen weitere hinzuzufügen. Betrachten wir die Worte der Aphrodite so isoliert, wie sie uns nun einmal überliefert sind. Aischylos ist es gelungen, Aktivität und Passivität bei der stark anthropomorph gezeichneten Liebesverbindung der beiden kosmischen Mächte mit einfachen stilistischen Mitteln zu veranschaulichen. Während Uranos das Prädikat έρα erhält, heißt es von der Erde, daß Eros sie ergreift. Hinzu kommen die nicht nur inhaltlich entgegengesetzten, sondern auch formal chiastisch angeordneten Infinitive τρώσαι und τυχεΐν. Das Bild von dem befruchtenden Himmel und der alles reichlich hervorbringenden Erde ist Zeugnis eines tief im griechischen Wesen verwurzelten Die Interpunktion nach Δημήτριον und die Lesart δενδρώτις ώρα, konjiziert aufgrund von δένδρων τις ώρα bei Athenaios 13, 600 Α, stammen von Hermann, De Aesch. Danaidibus (=Opusc. II, 330 ff.). Die Junktur τέλειος έστι geht auf Athenaios zurück. Radt konjiziert in der Nachfolge von Diels, Kl. Sehr. 34 τελεΐθ' 8ς έστι. Cf. Apollod. 2, 22. Es heißt dort, daß die Danaiden an die Sieger eines von ihrem Vater veranstalteten gymnischen Agons wiederverheiratet werden (dieselbe Version auch im Scholion zu P. P. 9, 112): Έστασεν γάρ (Danaos) απαντα χορόν (der Danaiden) έν τέρμασιν αύτίκ' άγώνος- συν δ' άέθλοις έκέλευσεν διακριναι ποδών, δντινα σχήσοι τις ήρώων, δσοι γαμβροί σφιν ήλθον. Eine detaillierte Wiedergabe und kritische Beurteilung der verschiedenen Rekonstruktionsversuche findet sich bei A.F. Garvie, Aeschylus' "Supplices". Play and Trilogy, Cambridge 1969,

37 Aischylos, Danaidentetralogie 29 Volksglaubens, nach dem ein enger Zusammenhang besteht zwischen Zeugung und Saat, Kindersegen und Ernte. 96 Die Γή wurde einer Göttin gleich verehrt, und Pausanias beschreibt ein Standbild von ihr auf der Akropolis (1, 24, 3): εσχι δέ και Γης δγαλμα ίκετευούσης ΟσαΙ οί τον Δία. Daß die Vorstellung des kosmischen Bundes zwischen Himmel und Erde auch in die eleusinischen Mysterien Eingang gefunden hat, beweisen die Ausrufe der Mysten 0ε - regne" - mit Blick zum Himmel und κύε - empfange" - mit Blick zur Erde. 97 Daraus muß freilich nicht geschlossen werden, daß Aischylos hier ein Geheimnis aus den Mysterien der Demeter preisgibt. 98 Gesagt werden kann nur soviel, daß er sich eines gewaltigen und zugleich auch populären Bildes bedient, um Aphrodite die Aura kosmischer Würde zu verleihen. Die Göttin, die hier spricht, ist die schaumgeborene Uranostochter, Beherrscherin nicht nur der Meere und des Himmels, sondern auch der Erde, die unter ihren Tritten ergrünt. 99 Die Worte des Aischylos waren von einer Wirkkraft, die auch noch auf Euripides ausgestrahlt hat. Von den beiden fragmentarisch überlieferten Passagen, in denen er sich von Aischylos inspirieren ließ, 100 soll uns zumindest eine Gegenstand der Betrachtung sein (fr. 898 Kannicht): τήν Άφροδίτην ούχ όρας δση θεός; fjv οΰδ' αν εΐποις ούδέ μετρήσειας αν δση πέφυκε κάφ' δσον διέρχεται, αΰτη τρέφει σέ κάμέ και πάντας βροτούς. τεκμήριον δέ, μή λόγω μόνον μάθης {έργω δέ δείξω τό σθένος τό της θεοϋ } έρα μέν δμβρου γαϊ', δταν ξηρόν πέδον δκαρπον αύχμω νοτίδος ένδεως yjf έρα δ' ό σεμνός ούρανός πληρούμενος δμβρου πεσεϊν εις γαιαν 'Αφροδίτης 0πο δταν δέ συμμιχθήτον ές ταύτόν δυο Zahlreiche Belege für eine Versinnbildlichung von Zeugung und Empfängnis mit Begriffen des Säens und Pflügens insbesondere in der attischen Tragödie finden sich bei Albrecht Dieterich, Mutter Erde. Ein Versuch über Volksreligion, Darmstadt 1967, 47. Cf. Proclus, In Piatonis Timaeum III p. 176, , 2 Diehl. So Eva Keuls, The Water Carriers in Hades, Amsterdam 1974, 71. Cf. Hesiod, Th , s. S. 2. Cf. fr. 898, 839 Kannicht - bei letzterem beschränkt sich die Nachahmung auf das Bild von der kosmischen Vermählung, ohne daß Aphrodite besonders erwähnt wird. An die Stelle des Uranos tritt der Äther - eine Modifikation, die später auch bei Lukrez in seiner Darstellung des Bildes 1, begegnet. Als Naturphilosoph weiß er es auf eine ganz besondere Weise zu nutzen, nämlich als Beweis für seine These, daß die Natur kein Ding zu nichts werden läßt -... neque ad nihilum interemat res (1, 216) und 1, 248. In diesem Sinne, so lautet seine Argumentation, vergehe zwar der Regen, der auf die Erde trifft, diese aber bringe im Gegenzug eine reichliche Vegetation hervor.

38 30 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros φυουσι,ν ήμϊν πάντα καΐ τρέφουσ' δμα δι' ΰν βρόχειον ζί) τε καΐ θάλλει γένος Was bei Aischylos unmittelbarer Augenschein ist - die allumfassende Wirksamkeit der Aphrodite, die aus ihrem Auftritt ebenso erhellt wie aus ihren Worten -, wird bei Euripides zum Gegenstand der Reflexion: Nicht Aphrodite selbst erscheint, es ist von ihr die Rede. Das Bild von der kosmischen Vermählung ist nicht mehr durch den Mund der Göttin selbst verkündete lebendige Anschauung, sondern das von einem Sprecher angeführte τεκμήριον (Ζ. 5). Es wird also funktionalisiert, doch in seiner Zweckorientierung als Beweis für die Macht Aphrodites bleibt es in der sprachlichen Ausgestaltung eng angelehnt an das Fragment des Vorgängers. So greift zum Beispiel das anaphorisch wiederholte έρα das Polyptoton έρα - έρως auf, mit dem schon Aischylos Himmel und Erde einander gegenüberstellt. Bei Euripides ist der betonte, ja beinahe apologetische Götterpreis, wie er uns hier begegnet, durchaus nichts Einmaliges. So macht sich in den Bakchen 272 ff. Teiresias zum Anwalt des Dionysos und nimmt ihn damit in Schutz gegen Pentheus, der eben seine Verachtung für den neu eingeführten Gott und seinen Kult kundgetan hat. In ähnlicher Weise mag auch der Aphrodite-Preis eine Reaktion auf rationalistischen Spott gewesen sein. Das Zitat aus dem älteren Tragiker schlägt zugleich eine Brücke in die Zeit eines noch unerschütterlichen Götterglaubens: Beschworen wird die Vorstellung von Aphrodite als einer mit ihrer Gegenwart den ganzen Kosmos durchdringenden Stifterin alles Seienden. II. 2. Sophokles, Das Eroslied der Antigone, fr. 941: Trachmierinnen Wenn wir uns nun dem Eroslied aus Sophokles' Antigone 781 ff. zuwenden, so wird sich zeigen, daß dort die Botschaft von der Unbezwinglichkeit des Eros und der Aphrodite Hand in Hand geht mit der besonderen Betonung ihrer Willkürherrschaft. Daß der Chor mit seiner Anwendung konventionellen Gedankenguts auf Haimons vermeintlich schuldhaften Ungehorsam gegenüber seinem Vater ein Fehlurteil ausspricht, hat man erkannt und hinreichend erläutert. 101 Zwar ist Antigones Verlobter von Liebe beseelt, wenn er ankündigt, daß der Tod seiner Braut auch den seinen bedeuten werde, Cf. G. Müller (1967) 172. Siehe ferner K. v. Fritz, Haimons Liebe zu Antigone" (Antike und moderne Tragödie 227 ff.) Cf. 751 ήδ' ούν θανεΐται xai θανοϋσ' όλεΐ τινα.

39 Sophokles, Antigone 31 doch distanziert er sich von Kreon nicht etwa aus emotionaler Verblendung, sondern weil er dessen Treiben ganz objektiv als gottlos entlarvt. 103 Vom Irrtum des Chores einmal abgesehen, soll uns das ganz altgriechischer Vorstellungswelt entsprechende Erosbild, das hier gezeichnet wird, nun näher beschäftigen: Strophe und Antistrophe werden gerahmt von Aussagen über die Unbesiegbarkeit des Eros und der Aphrodite: Dem Anruf Έρως άνίκατε entspricht αμαχος Άφροδίτα, mit dem signifikanten Unterschied, daß Aphrodite den Zusatz θεός erhält. Daß sie als Göttin, also personhaft, gedacht wird, ist damit jedem Zweifel enthoben. Eros dagegen entbehrt der Züge einer selbständig tätigen Gottheit, er tritt viel eher in abstracto auf, gleichsam als Wirkkraft der Aphrodite. Zwei nahezu völlig parallel gebaute Relativsätze bestimmen seine Domäne (782-84): δς έν κτήμασι πίπτεις, / δς έν μαλακαϊς παρειαϊς / νεανίδος έννυχευεις - der auf Besitze du stürzt", 104 der du auf den zarten Wangen des Mädchens schläfst ". Das Verbum έμπίπτειν, das unter anderem auch den bewaffneten Einfall in ein Heer oder Land bezeichnen kann, 105 gehört gemeinsam mit der Wendung άνίκατε μάχαν in den Rahmen einer militärischen Metaphorik, die am Ende der Gegenstrophe β in kunstvoller Ringkomposition wieder aufgenommen wird, wenn wir vom Sieg des Himeros und der αμαχος Άφροδίτα hören. Neben das Bild eines martialischen Tyrannen, das im ersten der beiden Relativsätze von Eros gezeichnet wird, tritt jedoch im zweiten wirkungsvoll kontrastierend die zarte Impression eines Eros, der nachts auf den Wangen eines Mädchens verweilt; hier ein sachte und unbewußt sich einschleichendes Gefühl, dort eine versklavende Brunst, wie sie vor allem die Tiere ergreift Cf. 745 ού γαρ σέβεις, τιμάς γε τάς θεών πατών. Die oft in Zweifel gezogene Lesart κτήμασι scheint mir durchaus verteidigenswcrt. G. Müller (1967) 173 ist wohl rechtzugeben, daß der Gedanke, Eros suche sich seine Opfer mit Vorliebe unter den Wohlhabenden (so LSJ s.v. who fallest upon wealth, i.e. on the wealthy) an dieser Stelle deplaziert wäre, ebensowenig kann es wohl der Ruin von Vermögen und Wohlstand sein, der hier gemeint ist ( in diesem Sinne Jebb (1888) ad loc.: who fallest upon men's possessions, who makest havoc of their wealth and fortunes), denn, wie Μ. Griffith (1999) ad loc. richtig bemerkt: "... 'possessions' hardly merit such emphasis." Durchaus bedenkenswert scheint mir dagegen Schneidewins Versuch (siehe seinen Kommentar von 1880, ad loc.), κτήμασι ähnlich wie άδικους in 791 proleptisch zu fassen. Dabei ergibt sich ihm der folgende Sinn: Eros, der du mit ganzer Wucht auf deine Sklaven (unweigerlich dir verfallene Beute) losstürzest." Cf. LSJ 545 s.v. έμπίπτω 2.

40 32 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Zur kriegerischen Sprachbildlichkeit, deren man sich bei der Darstellung des Wirkens der Aphrodite, ausgehend von ihrer Verbindung mit Ares bei Homer, in der griechisch-römischen Literatur immer wieder bediente, gesellt sich im weiteren Verlauf der Strophe ein anderer, nicht weniger populärer Topos: der des überall gegenwärtigen, unentfliehbaren Eros: φοιτάς ύπερπόντιος ν τ' άγρονόμοις αύλαϊς. Seit Jebbs treffender Frage "How could υπερπόντιος imply a visit to the fish?"ist man mit Recht davon abgekommen zu glauben, es werde in diesen Versen die Macht des Eros auch über Wasser- und Landtiere besungen. 106 Vielmehr zeigt sich in ihnen sein schweifendes Wesen, seine Streifzüge" auch in entferntere Winkel, weit ab vom Leben und Treiben der Städte. Wenn es dann im nächsten Verspaar heißt, daß niemand, weder Gott noch Mensch, dem Eros entkommen kann - καΐ σ' oöt ' άθανάτων φύξιμος ούδεϊς / ο0θ' άμερίων σέ γ' άν- / θρώπων so verbindet ihn das mit der Unentrinnbarkeit des Todes. 107 Dem Wahnsinn des von Eros Besessenen gebührt in einer düsterpathetischen Klausel das letzte Wort der Strophe (790): ό δ' εχων μέμηνεν. 108 Als einer, der Götter und Menschen heimsucht, rastlos umherschweift und Wahn inspiriert, begegnet uns Eros, mit unverkennbaren Anklängen an die Antigone-Ode, auch in dem oben schon aufgeführten IV. Stasimon in Euripides' Hipp ff. 109 Er bleibt hier freilich nicht, wie bei Sophokles, auf der Ebene einer rein abstrakten Wirkkraft der Aphrodite, sondern tritt uns gestalthaft vor Augen. Mit συν δ' (1269) wird er Aphrodite gleichsam als ihr Handlanger und Komplize an die Seite gestellt. Daß man sich ihn fliegend und geflügelt vorzustellen hat, wird durch die Häufung entsprechender Begriffe überdeutlich nahegelegt - ποικιλόπτερος (1270), πτερω (1271), ποταται (1272), πτανός (1275) Cf. Karnerbeek (1978) ad ioc.; G. Müller (1967) 173. Siehe die vv. 361/62 über den Tod als die einzige Bedrohung, deren der Mensch nicht Herr werden kann: "Αιδα μόνον / φεΰξιν ούκ έπάξεται. Cf. G. Müller (1967) 177 ad Joe.: Wer vom Gott besessen ist,,hat' den Gott." Zu diesem Gebrauch von ϊχω zur Kennzeichnung von Zuständen oder Beschaffenheiten, hier eines Gemütszustandes, cf. LSJ s.v. A I 8. Siehe oben, 15/16.

41 Sophokles, Antigone 33 Euripides läßt hier für die Dichtung ein Detail wieder aufleben, das nach Anakreon 110 nurmehr in der bildenden Kunst, besonders in der Vasenmalerei sich aufrecht erhalten hatte. 111 Wo er zur Veranschaulichung der Beweglichkeit des Eros über Land und Meer das Verb ποταται wählt, bleibt Sophokles mit φοιτάς bei einem nicht-bildlichen Hinweis auf seine Unstetigkeit. 112 Sinnfällig tritt uns dagegen wieder bei Euripides der Angriff des Eros auf sein Opfer entgegen - & μαινομένα καρδία / πτανός έφορμάση ( ). Das Bild eines Beuteflugs, das hier in klaren Umrissen gezeichnet wird, 113 ist eine Entfaltung des Relativsatzes, mit dem bei Sophokles zu Beginn der ersten Strophe seines Eros-Lieds die Tätigkeit des Gottes beschrieben wird: δς έν κτήμασι πίπτεις. 114 Das Adjektiv μαινομένα scheint aus dem Ende der gleichen Strophe herausgesponnen: ό δ' έχων μέμηνεν. 115 Ausdruck der glanzvollen anthropomorphen Erscheinung des Gottes ist das Attribut χρυσοφαής, und die Verherrlichung seiner Macht mündet wie bei einem irdischen Despoten in ein Ausmessen seines Einflußbereiches: In den Bannkreis seines Zaubers werden neben den Menschen auch alle Tiere, aufgefächert nach Lebensräumen, hineingestellt. Die Ode schließt mit einer Huldigung an Aphrodite als königliche Herrscherin über Tier- und Menschenwelt. Sie bildet gleichsam das Siegel eines hymnischen Liedes, das die Allgewalt der Liebesgottheiten feiert; und das, nachdem unmittelbar vorher die Verleumdung des Hippolytos - eine Folge seiner Aphrodite-Gegnerschaft - ihren Höhepunkt erreicht hat. Wenn wir nun noch einmal zum Eroslied der Antigone zurückkehren, so wird sich zeigen, daß hier die ganze Gegenstrophe deutlich düster eingefärbt ist, kreist sie doch um das chaotische, altehrwürdige Ordnungen auflösende Element im Wirken des Eros Seine Verse von Eros, der an altersgrauem Bart achtlos vorbeifliegt, sind uns bei Lukian, Heracles 8 (=PMG, fr. 379 Page) überliefert: και ό Έρως ό σός, ώ Τήιε ποιητά, έσιδών με, (α) ΰποπόλιον γένειον χρυσοφαέννων, εί βούλεται, (β) πτερύγων ή άετοϊς παραπετέσθω. Cf. F. Lasserre, La ßgure d'eros dans ia poesie grecque, 94 (über die Tradition des geflügelten Eros): «on peut dire que la peinture des six premieres decennies du V siecle fait le pont, dans ce domaine, d'anacreon ä Euripide.» Siehe auch A. Greifenhagen, Griechische Eroten, Berlin 1957, 24. Vgl. Eur. Hipp mit Soph. Ant Die Vorstellung des Fliegens wird in auch schon mit Aphrodite verbunden, dort aber viel weniger lebendig-bildhaft, da das tertium comparationis beim Vergleich mit einer Biene zunächst einmal das Wandern von Blüte zu Blüte, im übertragenen Sinne: die Heimsuchung immer neuer Opfer ist. Siehe auch Barrett ad loc. Cf. S. Ant Cf. S. Ant. 790.

42 34 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros συ xal δικαίων άδικους φρένας παρασπας έπί λώβα συ καΐ τόδε νεϊκος άνδρών ξυναιμον έχεις ταράξας Das in v. 793 mittels emphatischer Epanalepse wiederholte σύ και kommt einer unmittelbaren Anrede an Eros gleich und verleiht im gegebenen Zusammenhang den beiden Zeilen etwas Anklagendes. Mit einem Bild aus der Kunst des Wagenlenkens wird die destruktive Kraft des Eros beschrieben. Παρασπαν bedeutet gewaltsam zur Seite lenken" 116 und wird hier in metaphorischem Sinne gebraucht: Seine Opfer wirft Eros aus der Bahn eines gemäßigten, nach der δίκη ausgerichteten Lebens. 117 Wörtlich übersetzt lauten also die beiden Verse: Du lenkst die Gesinnung der Gerechten aus der Bahn, so daß sie ungerecht werden." Daß die im folgenden versuchte Übertragung des Allgemeinen auf das Besondere, nämlich auf den in den Augen des Chors bloß von Eros verursachten Streit Haimons mit seinem Vater, einer vernünftigen Grundlage entbehrt, wurde schon erwähnt, doch nach wie vor ist es zuallererst das hier wiedergegebene populäre Erosbild, das uns interessiert. In den nächsten Versen nimmt ίμερος den Platz des Eros ein, und wird dadurch, vielleicht nicht zum erstenmal in der Tragödie, 118 personifiziert: νικα δ' έναργής βλεφάρων ίμερος εύλέκτρου νύμφας, των μεγάλων πάρεδρος έν άρχαΐς θεσμών... Eng verbunden mit ίμερος sind die beiden Worte έναργής βλεφάρων. Die Kommentatoren neigen, wohl mit Recht, dazu, βλεφάρων als subjektiven Genitiv zu fassen. Himeros wäre dann der in den Augen des Mädchens sichtbare Liebreiz, der den Liebenden mit Sehnsucht erfüllt. Daß einem für unsere Ohren eher abstrakt klingenden Begriff hier der Charakter einer beinahe gegenständlichen Wirkkraft zukommt, ist auf dem Hintergrund der Διός άπάτη in der Ilias nichts Ungewöhnliches. Hera erbittet sich dort Cf. LSJ s.v. draw forcibly aside. Zum Gebrauch des Begriffes im eigentlichen, nicht-metaphorischen Sinne s. S. El Vgl. auch S. OC Cf. Kamerbeek (1978) ad Joe. Cf. A. PV 649 Ιμέρου βέλει τέθαλπται. Laut Roscher (Ausführliches Lexikon der Griechischen und Römischen Mythologie, I. Bd., I. Abt., Leipzig , Sp. 1348) liegt in diesem poetischen Bild die Wurzel für den Bogen als Attribut des Eros. Die Frage nach der Echtheit des Prometheus Vinetus und damit auch nach seiner Priorität gegenüber der Antigone kann uns hier nicht beschäftigen.

43 Sophokles, Antigone 35 von Aphrodite ίμερος als ein Mittel der Bezauberung, 119 und als solches will er auch in der uns beschäftigenden Strophe aufgefaßt sein. Daß er ein beinahe mit Händen greifbares Mittel des Liebeszaubers ist, wird auch durch das wohl prädikativ zu verstehende έναργής angedeutet. Die nicht gerade leibhaftige, aber doch immerhin klar ins Auge fallende Gegenwart, die dieses Beiwort dem Himeros bescheinigt, 120 steht in wirkungsvollem Kontrast zu der unsichtbaren Verhaltenheit der grundlegenden sittlichen Gebote, 121 die der Chor als μεγάλοι θεσμοί zusammenfaßt. Mit einem Bild aus dem Bereich der Staatskunst wird Himeros ihnen zugesellt, und zwar als Beisitzer (πάρεδρος) in der (Rats)-Versammlung hoher Gesetze". Man hat sich gefragt, wie zwei gerade in der Tragödie eher widerstreitende Kräfte auf eine Stufe gestellt werden können. Anlaß zu Verwirrung gab dabei insbesondere die Annahme, es sei hier wie in Eur. Med. 844, wo die Eroten als πάρεδροι der Sophia bezeichnet werden, ein Zusammenwirken ebenbürtiger Partner angedeutet. 122 Ein Beisitzer kann aber durchaus auch Rivale sein, und so will das Bild wohl nicht viel mehr ausdrücken, als daß Eros eine mindestens ebenso große Macht auf die Menschen ausübe wie die sittlichen Gebote, 123 ja im Falle Haimons sogar das Gebot der Ehrfurcht vor dem Vater aus dem Feld geschlagen habe. 124 Der unversöhnliche Gegensatz von Sinnlichkeit und Sittlichkeit offenbart sich uns also gerade als das Fazit dieses Chorliedes, und es ist eine bemerkenswerte Neuerung des Euripides, die beiden Pole in der Medea, und Cf. Horn. IL 14, 198. Der Hinweis auf die Stelle bei G. Müller (1967) 178. Cf. LSJ 472 s.v. έναργής visible, palpable, in bodily shape. Siehe auch Sophocles. Antigone, The Women of Trachis, Philoctetes, Oedipus at Colonus, ed. a. transl. by H. Lloyd-Jones, 79 Anm. a: "The early Greeks believed that desire was darted from the eyes of the person who inspired it into those of the person who felt it." So treffend Wecklein (1897) ad loc. 122 Daß bei Euripides ein solches Zusammenwirken gemeint ist, wird im Kontext der Stelle eindeutig: Έρωτας ται Σοφίαι παρέδρους παντοίας άρετας ξυνέργους. Pearson ("Sophocles' Antigone", CQ 22, 1928, 184) will die hier sich offenbarende Idee von Eros als παΐδευμα auch bei Sophokles entdecken, und er deutet die Gegenwart des Himeros in der (Rats)-Versammlung der Gesetze als ein Bild dafür, daß er von diesen Gesetzen gemäßigt und in Schranken gehalten wird. Um diese Deutung aufrecht erhalten zu können, muß aber ein konzessiver Sinn konstruiert werden: "though enthroned amidst mighty ordinances." 123 In diesem Sinne schon der Scholiast ad loc. πάρεδρον λέγει τόν Έρωτα των μεγάλων έν άρχαϊς νόμων, ώς κατακρατοϋντα άνθρώπων, καθάπερ και τα μεγάλα παρά των θεών νόμιμα. 124 Zu den ungeschriebenen Gesetzen" des griechischen Sittenkodex s. V. Ehrenberg, Sophocles and Pericles, Oxford 1954, : "The Three Commandments and the Unwritten Laws" - τιμαν (or σέβειν) θεούς, γονέας, ξένους.

44 36 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros nicht nur dort, zumindest im Bereich der Potentialität einander angenähert zu haben. Daß Sophokles dieser Gedanke einer, wenn man so will, Urbanisierung der Liebe vollkommen fremd ist, zeigt in besonders sinnfälliger Weise auch das Fragment 941 (Radt). Es beginnt mit einer Reihe von Umschreibungen für Aphrodite: Ιστιν μέν "Αιδης, 6στι δ' αφθιτος βία, 125 Ιστιν δέ λύσσα μανίας, Ιστί δ' ίμερος ακρατος, tax' οίμωγμός. Sie ist Hades, ist ungeschwächt bleibende 126 Gewalt, ist die Raserei des Wahnsinns, ist Sehnsucht ungemäßigt, ist Stöhnen. Das Phänomen Aphrodite wird hier nach den zwei Gesichtspunkten ihres Wesens und Wirkens zu erfassen versucht. Im ersten Vers haben wir es mit Umschreibungen der Göttin selbst zu tun, die beiden Folgeverse enthalten eine Aufzählung verschiedener von ihr bewirkter exaltierter Gemütsverfassungen. Daß Aphrodite mit Hades gleichgesetzt wird, ist kraftgeladene Sprachbildlichkeit, die gleich zu Beginn des Fragmentes den Ton angibt für die Ausstattung der Göttin mit Zügen einer alles beherrschenden Elementargewalt. Ihr Zugriff auf den Menschen hat etwas Zwingend-Unentrinnbares, ebenso wie der des Todes. Der Tenor, der hier angeschlagen wird, setzt sich fort in der Kennzeichnung Aphrodites als δφθιτος βία. Sie ist stetige, durch nichts zu erschütternde Gewalt - gleichsam ein ehernes Gesetz -; und das fügt sich mit der Todesmetapher in ein effektvolles Bild. Auch im weiteren Verlauf des Fragments steht das herrschaftlich-gewaltsame Wirken der Aphrodite im Vordergrund. 125 Bothe und Wagner, ZfA 19, 1853, 16 konjizieren δφθι,τος βίος. Dagegen ist geltend zu machen, daß Sophokles das Adjektiv αφθιτος nicht ausschließlich in dem geläufigen Sinne einer vegetativen Unzerstörbarkeit" bzw. Unvergänglichkeit" wie z.b. in Ant Γαν δφθιτον - gebraucht, sondern in Fragment 368 (Radt) auch mit einem Abstractum verbindet: άφθίτους γνώμας. Ferner verdanke ich Herrn Prof. Neitzel den Hinweis, daß es hier ja um eine Beschreibung der ουσία der Aphrodite geht, die Konjektur βίος also darauf hinausliefe, die Göttin mit etwas zu identifizieren, das sie lediglich hat. Βία sollte demnach als Bezugswort zu δφθιτος durchaus beibehalten werden. 126 Passow I, 463, s.v. δφθιτος glossiert einerseits nicht zu vernichten, unzerstörbar", andererseits unvergänglich, unsterblich". Unsere Ubersetzung versucht, die beiden Aspekte einer sowohl gegen äußere Einflüsse gefeiten als auch seiner eigenen Anlage nach dauerhaften Beständigkeit zu erfassen.

45 Sophokles, Trachiniorinnen 37 In ähnlich blockhafter Anordnung wie vorher die nominalen Charakterisierungen folgen beschreibende Adjektive, die ein Trikolon mit anwachsender Silbenzahl bilden: έν κείνη xb παν σπουδαϊον, ήσυχαΐον, ές βίαν αγον. In ihr ist alles Energiegeladene, Gelassene, bis hin zur Gewalt Führende. In beinahe abundanter Wortfülle wird hier rekapituliert, was sich schon in der ersten Zeile des Fragments als eine der Aphrodite besonders eigene Kraftgeladenheit abzeichnete, wobei ήσυχαίον in ähnlicher Weise auf das Element des Unbeirrbaren, durch nichts zu Erschütternden im Wirken der Göttin abhebt wie vorher δφθιτος. Weiter heißt es von ihr, daß sie Besitz ergreift von allem, was beseelt ist: έντήκεται γαρ πλευμόνων δσοις ένι / ψυχή. Die Lungen, πλευμονες, stehen für das vitale Zentrum eines jeden Lebewesens, 127 und wenn wir Aphrodite gerade dort sich einnisten sehen, ist das ein weiterer Mosaikstein zum Bild einer Göttin mit absolutem Machtanspruch. Die traditionelle Abgrenzung ihres Herrschaftsbereiches nimmt bei den Tieren ihren Anfang, den Menschen folgen als Gipfel die Götter. Wieder ist es die Gewalt, die Aphrodite mit einer Metapher aus der Palaistra zur Herrin der Götter werden läßt: Welchen der Götter", so die rhetorische Präge, hat sie nicht nach dem Kampf mit dreifachem Schulterwurf aus dem Ring geworfen?" Mit Zeus, dem prominentesten ihrer Opfer, schließt sich der Reigen, und gleichsam als Krönung der hier vorgestellten düsteren Sicht steht am Ende des Fragments das Fazit: πάντα τοι συντέμνεται / Κυπρις τά θνητών καΐ θεών βουλεύματα - Alles vernünftige Denken und Planen der Sterblichen und der Götter macht Kypris zunichte." Die kämpferisch-agonale Aphrodite, Meisterin des Ringkampfes in unserem Fragment, begegnet auch zu Beginn des ersten Stasimons der Trachinierinnen 497 ff.: μέγα τι σθένος ά Κύπρις έκφέρεται νίκας άεί. Großen Triumph 128 trägt Kypris stets davon. Diese Verbeugung vor der Macht Aphrodites ist der Auftakt eines hymnischen Liedes, in dem wir mit dem Pathos des genus grande in ein Ereignis aus der Vergangenheit zurückversetzt werden: den erbitterten, ja monströsen Kampf des Herakles und Acheloos um Deianeiras Hand Cf. LSJ s.v., die auf S. TV. 778 verweisen. Νίκας ist explikativer Genitiv zu σθένος. Cf. Kamerbeek (1959) ad loc.

46 38 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros In einer Praeteritio werden die drei größten Götter als Opfer der Täuschungsmanöver Aphrodites 129 erwähnt: Zeus, Hades und Poseidon. Als Spitzen einer Hierarchie stehen sie stellvertretend für das ganze Pantheon, und damit wird eine weitere Brücke zurück zur Trugrede geschlagen, hatte dort doch Deianeira von der Willkürherrschaft des Eros auch über die Götter gesprochen (443): ούτος γαρ άρχει και θεών δπως θέλει. Zeus ist der Erstgenannte innerhalb des Göttertrios, und das Wort άπατασεν erinnert im Zusammenhang mit ihm unweigerlich an die Διός άπάτη im vierzehnten Iliasbuch, homerisch sind auch das Patronymikon Κρονίδαν und die Form Ποσειδάωνα. Einmal ans Epos gemahnt, stellt sich auch der Gedanke an die Rede des Poseidon Ο 187 ff ein. Der dort erzählte Mythos von der Aufteilung des Universums unter die erwähnten drei Götter tut hier ein übriges, auf indirekte Weise Aphrodites kosmische Machtentfaltung zu rühmen, sind ihr doch die Beherrscher des Himmels, des Meeres und der Unterwelt erlegen. Der Preis auf eine zeitlos triumphale Aphrodite bildet das Bindeglied zwischen der Gegenwart mit Iole und der Vergangenheit mit Deianeira als Objekt der Leidenschaft. Der eigentlichen Vorstellung der beiden Rivalen im Kampf um die Gunst der damals gerade herangewachsenen Deianeira ist eine im erhabenen Stil gehaltene Frage vorangestellt: άλλ' έπΐ τάνδ' αρ' δκοιτιν <τίνες> άμφίγυοι κατέβαν πρό γάμων, τίνες πάμπληχτα παγχόνιτά τ' έξήλθον δεθλ' άγώνων; Aber um diese zur Braut zu gewinnen, welche beiden, stark in den Gliedern, stiegen herab zum Kampf um die Hochzeit, welche traten in den Ring reich an Schlägen und Staub? Mit άμφίγυοι begegnet ein weiteres episches Wort, allerdings in abgewandelter Bedeutung. Bei Homer stets als Epithet von έγχος zur Kennzeichnung der beiden spitzen Enden der Lanze gebraucht, wird es für den Interpreten hier zum Rätsel. Hält man sich, was den zweiten Teil des Kompositums angeht, an γυΐα - Gliedmaßen", so ist gegen die Erklärung des Scholiasten - Ισχυροί έν τοις γυίοις - nichts einzuwenden Über Betrug und Täuschung als beliebte Waffen im Arsenal der Aphrodite s. oben, 25. In diesem Sinne Kamerbeek (1959) ad loc. Andere Deutungsinöglichkciten bei Jebb (1908) und Easterling (1982) ad loc.

47 Sophokles, Trachinierinnen 39 Καταβαίνω ist ein terminus technicus aus dem Bereich des gymnischen Agons und bezeichnet das Herabsteigen auf den niedriger gelegenen Kampfplatz. 131 Epische Züge gehen also einher mit epinikischen Anklängen, und eigene Wortschöpfungen wie πάμπληκτα und παγκόνιτα runden den Eindruck des Großartig-Erhabenen ab. 132 Ganz im Einklang mit der literarischen Tradition 133 steht die Frage nach zwei noch unbekannten mythischen Gestalten zu Beginn einer heroischen Erzählung, in denen sie die Hauptrolle spielen. Bevor in der Antistrophe der Name des ersten Helden fällt, wird mit einer wortreichen Umschreibung der Eindruck eines kraftstrotzenden Scheusals erweckt. Mit ποταμού σθένος knüpft Sophokles an homerische Periphrasen nach der Art von σθένος Ώκεανοΐο 134 an, doch fern von allem Formelhaften ist das Wort Kraft" gewählt, um prägnant zu erfassen, was das Wesen des Flußgottes ausmacht. Die Gestalt, in der er zum Zweikampf antritt, ist hier auf die eines Stieres - φάσμα ταύρου (509) - festgelegt. 135 Ύψίκερω und τετραόρου, zwei wieder aus dem Epos entlehnte Attribute, 136 tragen zur lebendigen Vergegenwärtigung des tierischen Athleten bei: Ein hochgehörnter" und auf vier Beinen sich erhebender" Stier ist eine bedrohliche Vorstellung. Wie um den Zusammenprall der beiden Helden formal nachzuempfinden, wird bei der Beschreibung des Herakles als inneres Glied eines Chiasmus seine Herkunft unmittelbar nach der des Acheloos genannt: ό μέν... 'Αχελώος απ' ΟΙνιαδαν, ό δέ Βακχίας απο... Θήβας... παις Διός. Wer es mit einem Gegner wie Acheloos zu tun hat, muß wohl gewappnet sein, und so tritt denn auch Herakles mit einem ganzen Arsenal, bestehend aus Bogen, Keule und zwei Lanzen, auf den Plan Cf. Passow 1600 s.v. καταβαίνω, I b). Siehe auch Pindar, Pyth. 11, 49 Πυθοΐ τε γυμνόν έπΐ στάδιον καταβάντες. Sophokles liebt es, zur Intensivierung Komposita mit πας zu bilden. Cf. Jebb (1908) ad 661 f. Cf. Homer, IL 1, 8 τις τ' αρ σφωε θεών έρι,δι ξυνέηκε μάχεσθαι; Siehe auch Pindar, Pyth. 4, Hinweis auf die Stellen bei Easterling (1982) ad loc. Cf. II. 18, 607. Die Stelle von σθένος können auch βίη, μένος, ΐς einnehmen. Cf. Kamerbeek (1959) ad loc. 135 Vgl. dagegen die vv im Prolog der Deianeira. Dort ist die Stiersgestalt nur eine von drei Erscheinungsformen, in denen Acheloos um sie freite. 136 Cf. Homer, Od. 10, 158 ϋψίκερων Ιλαφον. Τετράορος bedeutet im Epos gewöhnlich zu vieren in ein Joch gespannt" (cf. Od. 13, 81) oder bezeichnet, in Verbindung mit δρμα, einen Vierspänner (cf. Pindar, Pyth. 10, 65). Sophokles verleiht dem Wort hier eine Sinnvariante, die mir bei Kamerbeek (1959) ad loc. am besten erfaßt zu sein scheint: έπΐ τέσσαρσιν άειρόμενος.

48 40 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros In einer Ringkomposition, die Strophe und Antistrophe miteinander verknüpft, wird nun, mit hörbaren Anklängen an die oben aufgeführte heroische Präge, noch einmal zusammenfassend bestätigt: ol τότ' άολλεϊς ΐσαν ές μέσον ίέμενοι λεχέων. Zusammen traten sie damals vor zur Mitte aus Verlangen um die Braut. 'Ισαν ές μέσον ist ein Echo zu κατέβαν, und ίέμενοι λεχέων weist zurück auf έπΐ τάνδ' αρ' οίκοιτιν und πρό γάμων. Uberdeutlich wird uns also zum Bewußtsein gebracht, daß die als Braut Begehrte hier im Mittelpunkt steht und um ihretwillen alle Kraft aufgewendet wird. Der Eindruck wird noch dadurch verstärkt, daß die Verse den Omphalos des ganzen Chorliedes bilden, und sicherlich begegnet nicht nur aus Zufall gerade hier die Wendung ές μέσον. Bilden also, wie wir zeigen konnten, die auf die Braut als Ziel aller Anstrengung weisenden Verse den inneren Ring, so ist der äußere, der zugleich den Rahmen des ersten und einzigen Strophenpaares dieses Chorliedes absteckt, Aphrodite vorbehalten: μόνα δ' ευλεκτρος έν μέσω Κύπρις ^αβδονόμει ξυνοϋσα. Und in der Mitte war Kypris, die Göttin des bräutlichen Genusses, 137 zugegen und sprach allein den Schiedsspruch. Die Verse bleiben in Sprache und Bildlichkeit im Bereich des Agonalen: 1 Ραβδονόμει geht zurück auf (5αβδοϋχοι, die Bezeichnung für die Aufseher der Kampfspiele bei den großen Festen. 138 Waren sie dort meist zu mehreren vertreten, so wird hier in bewußter Absetzung betont, daß Aphrodite allein, μόνα, Kampfrichterin war. 139 Ausdruck ihrer Unparteilichkeit ist ihre Plazierung in der Mitte, έν μέσω, des Geschehens, und das im Rückblick auf ές μέσον gegebene Polyptoton knüpft zugleich die Verbindung zum voraufgehenden Vers. 137 Diese bei I.I.C. Donner (Sophokles' Tragödien, Leipzig o.j., 468) zu findende Umschreibung scheint mir den Gehalt des Wortes εδλεκτρος, Epithet einer Braut in Ant. 795, sehr treffend wiederzugeben. Siehe auch Easterling ad loc. 138 Qf Thukydides 5, 50, 4 έν τώι άγώνι υπό των (Ραβδούχων πληγάς έλαβεν. 139 Cf. Jebb (1888) ad 515 (μόνα).

49 Sophokles, Trachinierinnen 41 Die Epode besticht auf den ersten Blick durch ihre Gespaltenheit in zwei Teile. Sie bilden einen Kontrast, wie er sich schärfer kaum denken läßt. Zunächst wird der Zweikampf zwischen den beiden Rivalen als ein erbittertes Ringen beschrieben. Diesen Eindruck läßt neben der Wortwahl auch die Häufung von T-Lauten entstehen. Zur Erhabenheit trägt eine in der antiken Literaturkritik als schema Pindaricum bekannte Satzkomposition bei: Ein im Singular stehendes Verb - hier das mehrmals anaphorisch wiederholte ήν - wird mit Substantiva im Plural, so zum Beispiel κλίμακες in 520, verbunden. 140 Die Art der Kampfesschilderung läuft darauf hinaus, daß die Grenzen zwischen Mensch und Tier verschwimmen: So wird besonders auf die Vermischung von Geräuschen, verursacht von Hand und Bogen einerseits, von Stierhörnern andererseits, zu einem einzigen Getöse 141 und auf das beidseitige Stöhnen 142 abgehoben. Dem monströsen Effekt dieser so lebhaften Szene steht nun die schlichte Schilderung des schicksalsergeben wartenden Mädchens gegenüber. Die Bewegung und der Lärm des Zweikampfes weichen einem Bilde voller Statik und Ruhe: ά δ' εύώπις άβρά τηλαυγεΐ παρ' δχθω ήστο τόν δν προσμένουσ' άκοιταν. Aber die Schöne, Zarte saß bei einem weithin sichtbaren ihres Gatten harrend. Hügel, Das Attribut τηλαυγεΐ zielt auf die weite Entfernung des Hügels vom vordergründigen Geschehen, 143 und der Ton liegt damit auf der Abgeschiedenheit des Mädchens. Mit der Gewalt des Ringkampfes hat sie nichts zu schaffen; ihr Teil ist das passive Warten, und so wird denn auch προσμένουσ' nach weiteren zwei Versen mit άμμένει verstärkend wiederaufgenommen. Ihr wehrloses Ausgeliefertsein gepaart mit dem Gefühl der Verlorenheit findet in dem traditionell epischen Bild der Trennung des Jungtieres von der Mutter 144 seinen Ausdruck: Cf. Easterling (1982) ad loc. Cf χερός... τό- / ξων πάταγος, / ταυρείων τ' άνάμιγδα κεράτων. Cf. 522 στόνος άμφοΐν. Cf. LSJ 1787 s.v. τηλαυγής II. of distant objects, far-seen, conspicuous. Cf. Homer, II. 4, 433 ff.: Das nach Dialekten abschattierte Geschrei der zerrissenen troischen Gefechtseinheiten auf der Suche nach ihrem Führer und den Kameraden wird verglichen mit der blökenden Verständigung zwischen Lämmern und den beim Melkvorgang von ihnen getrennten Muttertieren. Ferner II. 16, 352 ff.: So wie die Wölfe, wenn der Hirt nicht aufpaßt, den Muttertieren die Lämmer wegschleppen,

50 42 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros κάπό ματρός äcpctp βέβαχ', ώστε πόρτις έρήμα. Und von der Mutter ging sie schnell fort, wie ein einsames Kälbchen. Gleichsam als wirkungsvoller Schlußakkord des Chorliedes wird hier also die willfährige Ergebenheit betont, mit der Deianeira damals dem um sie freienden Herakles folgte. Eine solche Akzentsetzung steht ganz im Einklang mit ihrer Selbstdarstellung als resignierte Dulderin in ihrer Rhesis am Ende des voraufgegangenen Epeisodions. Soeben hatte sie den unmißverständlichen Andeutungen eines Boten entnehmen müssen, daß eine der kriegsgefangenen Frauen, die, nach Jahren des Wartens, gleichsam als Vorhut die Rückkehr ihres Gatten von seinem letzten Eroberungszug aus Oichalia ankündigten, die Tochter des besiegten Königs, Iole, sei, die Herakles sich zu seiner Geliebten auserkoren habe. Die Rede, mit der die Betrogene auf diese Enthüllung reagiert, besticht durch ihre eigentümliche Mischung aus Aufrichtigkeit und Täuschung. Weil sie, wie wir noch sehen werden, den ehrlichen Versuch Deianeiras einschließt, sich in ihren Gatten einzufühlen und seine neue Leidenschaft als Krankheit" zu erklären, wollen wir sie nicht Trug-, sondern Nachsichtsrede nennen. Andererseits wird man wohl kaum behaupten können, daß Deianeira nach der Klärung von Ioles Identität ihr gegenüber dieselbe geblieben sei. 145 Schon in ihrer Umschreibung des Mädchens als πημονή 146 deutet sich an, daß sie die Aussicht auf eine Nebenbuhlerin im eigenen Haus zutiefst beunruhigt, und so scheint es, daß sie in ihrer Rede gelassene Duldsamkeit nur vorspiegelt, um dem Boten Lichas gleichsam die Zunge zu lösen; wird er doch nur dann einen detaillierten, und nicht etwa aus Furcht vor Strafe verzerrten Bericht über Herakles' letzten kriegerisch-galanten Eroberungszug abgeben, wenn er den Eindruck einer ganz von einsichtsvoller Vernunft bestimmten Gefaßtheit auf Seiten Deianeiras gewinnt. Das so stürzen sich die Danaer auf die ohne Gegenwehr stehenden Troer. Siehe auch das Bild vom einbrechenden Löwen, der der wehrlos fliehenden Hirschkuh die Jungen entreißt (II. 11, 113 ff.) Cf. U. Parlavantza-Friedrich, Täuschungsszenen in den Tragödien des Sophokles (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte, Bd. 2), Berlin 1969, 31: Nachdem sie von der Punktion Ioles gehört hat und damit ihr Dasein gefährlich bedroht sieht, bleibt Deianeira der Umwelt und Iole gegenüber dieselbe, die sie vorher war. Die Rhesis, mit der sie beweist, daß sie nicht von der Haltung der σωφροσύνη abweichen will, ist keinesfalls eine Trugrede." Sie referiert damit die Ansicht A. Becks, Der Empfang Ioles. Zur Technik der Menschengestaltung im ersten Teile der Trachinierinnen", Hermes 81, 1953, Cf. S. Trach

51 Sophokles, Trachinierinnen 43 ist nicht zuletzt auch deshalb wichtig, weil ihr daran gelegen ist, daß er ohne jeden Argwohn ihrem Gatten ein Geschenk überreichen wird, von dem sie sich die Wirkung eines Liebeszaubers erhofft. 147 Die gnomischen Worte, in denen sich ihre scheinbare Großmut äußert, haben freilich über den Rahmen der gegebenen Situation hinweg eine objektive Gültigkeit, und man kann sie mit Fug und Recht als die zentrale Aussage des ganzen Stückes bezeichnen: Έρωτι μέν νυν δστις άντανίστατοα πύκτης δπως ές χείρας, ού καλώς φρονεί, οΰτος γαρ άρχει κα'ι θεων δπως θέλει, κάμοϋ γε πως δ' ού χάτέρας οίας γ' έμοϋ; Wer nun sich Eros widersetzt nach Art des Faustkämpfers, um mit ihm handgemein zu werden, ist nicht bei Verstand. Denn er beherrscht sogar die Götter, wie er will, und mich besonders. Wie sollte er nicht eine andre auch beherrschen, von der Art, wie ich es bin? An eine lange Tradition anknüpfend, wird Eros hier in den Bereich der Palästra versetzt. 148 In Verbindung mit Aphrodite war uns das agonale Motiv zu Beginn des nachfolgenden Chorliedes in v schon begegnet, ebenso auch der sattsam bekannte Topos von der Versklavung der Götter dort durch Aphrodite, hier durch Eros. 150 Um so überraschender und eben dadurch richtungweisend für diese spezielle Tragödie ist die persönliche Wendung Deianeiras: κάμοϋ γε. Traditionsgemäß hätte man einen allgemein gehaltenen, den Menschen in ihrer Gesamtheit gewidmeten Vers erwartet. 151 Daß Deianeira hier 147 Siehe ihre Ankündigung 494 ff., daß er mit Gegengaben zu Herakles zurückkehren soll. 14 Die Metaphorik ist der frühgriechischen Lyrik und der bildenden Kunst gleichermaßen geläufig. Anakreon will sich mit Eros im Faustkampf messen (Fr. 51 [= PMG 396] στεφάνους ένεικον, ώς δή πρός Έρωτα πυκταλίζω) und bei Meleager tritt er als Ringer auf (A.P. 12, 48, 1-2 = Gow-Page). Im Bereich der Vasenmalerei ist zu verweisen auf eine Darstellung des Eros als Springer in der Palästra auf einer bauchigen Lekythos des Eretriamalers (J.D. Beazley, Some Attic Vases in the Cyprus Museum, 46 ff. Taf. 7, I.), sowie auf den Ringkampf zweier Eroten auf einer Pyxis des Frauenbadmalers in Würzburg um 430/20 (A. Greifenhagen, Griechische Eroten, 43 ff. Abb. 32. Siehe auch das Fragment auf einer Lutrophoros desselben Malers, ibid., Abb. 34) Siehe oben, 37. Cf. die Practeritio Cf. Jebb (1908) ad loc.

52 44 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros freimütig zugibt, selbst ganz von Eros bestimmt zu sein, ist eine subtile Vorausdeutung auf die kommende Katastrophe, die ja letztlich durch ihre übergroße Liebe zu Herakles heraufbeschworen wird: In der Hoffnung, ihn zurückzugewinnen, tränkt sie ein Gewand mit dem Blut des Nessos, das er ihr einst - vom vergifteten Pfeil des Herakles tödlich getroffen - als ein Mittel des Liebeszaubers aufzufangen empfahl, während doch in Wahrheit das durch den Pfeilschuß eingedrungene Lerna-Gift ihm eine tödliche Wirkung verliehen hatte. 152 Und noch ein weiterer Hinweis auf Zukünftiges liegt, freilich erst bei näherem Hinsehen und nur für den Kenner der ganzen Tragödie erkennbar, unter der Oberfläche dieser so vielschichtigen Rede verborgen: Ihre besonnene Grundhaltung beteuernd, hatte Deianeira eben geltend gemacht, daß auch in der Vergangenheit keine der zahlreichen Geliebten des Herakles je von ihr beschimpft worden sei, um dann fortzufahren (462/63): ηδε τ' ούδ' αν εί / κάρτ' έντακείη τω φιλεϊν... Im Streit darum, wen man sich hier als Subjekt zu έντακείη hinzuzudenken habe, schließe ich mich denen an, die trotz des zunächst auf Iole deutenden Satzbaues nicht zögern, sich für Herakles zu entscheiden und damit einen an dieser Stelle durchaus nicht undenkbaren Subjektswechsel in Kauf zu nehmen, war doch soeben erst (v. 460) von ihm die Rede gewesen. Es ergibt sich dann sinngemäß die folgende Ubersetzung: und ebensowenig wird auch sie, Iole, von mir Schmähungen erfahren, sollte er auch noch so sehr von Liebe zu ihr absorbiert sein." 153 Έντακείη τω φιλεϊν heißt wörtlich sollte er hineingeschmolzen sein in das Lieben", und hierin liegt die Anspielung, ist es doch später das als Liebeszauber gemeinte Nessosgewand, in das Herakles, im wahrsten Sinne des Wortes, hineinschmilzt. 154 Daß er gerade auf diese Art kläglich zugrunde geht, ist in hohem Maße symbolträchtig: Deianeiras Liebe zu ihm ist eifernde Umklammerung, Gestalt geworden in dem todbringenden Gewand Ungern würde man auf eine für den Fortgang der Handlung so wichtige Anspielung verzichten, und es ist daher wenig verständlich, daß man Vers 444 hat athetieren wollen und dabei behauptete, wenn eine griechische Ehefrau von Eros spräche, so müsse unbedingt ein Liebhaber im Spiel sein (Cf. E. Wunder bei M.D. Reeve, G.R.B.S. 14, 1973, 167). Schwierigkeiten bereitete den Interpreten auch die zweite Vershälfte, komme man doch nicht umhin, aus ihr zu schließen, daß Deianeira es für möglich hält, auch Iole sei von Eros ergriffen, wo sie doch sonst in ihren Augen bloß ein bemitleidenswertes Opfer sei (Ibidem.) Die Antwort auf diese scheinbare Aporie liegt freilich schon in den unmittelbar folgenden Versen, in denen Deianeira beteuert, sie habe der am Konkubinat Mitschuldigen, μεταιτί< (447), nichts vorzuwerfen. Siehe dazu auch H. Lloyd-Jones - N.G. Wilson, Sophoclea. Studies on the Text of Sophocles, Oxford 1990 ad 463. Cf δεινοτάτψ μέν Οδρας προστετακώς / φάσματι, dem furchtbaren Ungeheuer von einer Hydra (metonymisch für das mit dem Gift der Hydra getränkte Gewand) angeschmolzen". Hinweis auf die Stelle bei Kamerbeek ad loc.

53 Sophokles, Trachinierinnen 45 So sind die Trachinierinnen in zweifacher Hinsicht ein Stück von der unwiderstehlichen Macht der Aphrodite und des Eros, die den von ihnen Erfüllten der Stachel zu verheerenden Taten werden können, seien es nun bewußt geplante, wie die Zerstörung Oichalias im Falle des Herakles, 155 oder unwissentlich verübte; wobei man allerdings im Auge behalten sollte, daß Deianeira, wenn nicht in böser Absicht, so doch zumindest aus einer unbesonnenen Gutgläubigkeit heraus handelt. Denn obwohl sie genau weiß, daß dem Blut des Nessos das Gift der Hydra von der Pfeilspitze des Herakles beigemischt ist, 156 entschließt sie sich nach einer Beratung mit dem Chor doch dazu, dieses Mittel von unerprobter und höchst fragwürdiger Wirksamkeit anzuwenden. 157 In ihrem Wunsch, Herakles für sich zurückzugewinnen, ist sie kompromißlos; und daß sie letztlich ihrer Behauptung am Ende der Lichas- Szene, sie werde sich nicht durch fruchtlosen Kampf mit den Göttern ein Leid zufügen, 158 genau zuwiderhandelt, das wird ihr und Herakles zum Verhängnis. Wenn Deianeira den Versuch unternimmt, das Walten der Götter mit Hilfe von Magie - denn was sonst wäre ein Liebeszauber - zu durchbrechen, so heißt das freilich keineswegs, daß sie auch nur einen Augenblick an deren realer Macht zweifelt. Das wird um so deutlicher, wenn wir die oben schon mehrmals erwähnten Erosverse der Nachsichtsrede" in ihren näheren Zusammenhang stellen. Nach der an Lichas gerichteten Bitte um Aufrichtigkeit fährt Deianeira fort (438 ff.): Denn deine Worte sagst du keiner niedern Frau, noch einer, die nicht kennt die Menschenart, daß sie naturgemäß sich nicht am Selben stets erfreut." 159 Und den bekannten Versen folgt dann Deianeiras Versicherung, weit entfernt zu sein von jedem Groll auf Herakles und Iole: So bin ich wohl von Sinnen, wenn dem Gatten ichs verarg, daß er befallen ist von diesem Weh, und dieser Frau, die mitschuldig geworden ist an nichts, was schändlich oder für mich kränkend war." Wir stoßen hier auf einige wichtige Mosaiksteine zu dem Bild, das Deianeira von Herakles' Leidenschaft entwirft: Sie hat etwas zu tun mit Auf Herakles' Leidenschaft für Iole als den eigentlichen Grund seines Eroberungszuges wird im Verlauf der Tragödie mehrmals hingewiesen: cf Έρως δέ νιν / μόνος θεών θέλξειεν αίχμάσαα τάδε, , , & δ' άμφίπολος Κύπρις άναυδος φανερά / τώνδ' έφάνη πράκτωρ. Cf. S. Trach Cf. Soph. Trach Cf κοΰτοι νόσον γ' έπακτόν έξαρούμεθα, / θεοΐσι δυσμαχοϋντες. Andere Übersetzungsmöglichkeiten bei Kamerbeek ad Joe.

54 46 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros der Natur des Menschen, einem angeborenen 160 Hang zur Unstetigkeit, die bei Herakles besonders ausgeprägt sein mag. Wenn Deianeira sie als νόσος, Krankheit, bezeichnet - ein Motiv, das uns bei Euripides in extenso begegnen wird so ist das für sie Grund genug zur Nachsicht. Ihre Aufrichtigkeit steht dabei außer Präge, läßt sie doch ähnliche Gedanken auch innerhalb jener Rhesis verlauten, in der sie dem Chor ihre wahren Pläne enthüllt (543/44): έγώ δέ θυμουσθαι μεν ούκ έπίσταμαι / νοσοϋντι κείνω πολλά τϊ)δε ττ) νόσω... - jedoch zu zürnen jenem, ich vermag es nicht, / der häufig leidet ja an dieser Krankheit hier." Welche Vorstellung verbirgt sich aber hinter dem νόσος-begriff, wie Deianeira ihn verwendet? Es scheint, daß er zwei Elemente umfaßt: Die hier ins Auge gefaßte Krankheit" ist etwas, zu der man den Keim in sich selber trägt, so legt es das Dictum von der natürlichen Wechselhaftigkeit der Menschen nahe, sie ist aber auch etwas Gottgesandtes, etwas, das von außen her ein Opfer ergreift. 161 Daß in den Worten Deianeiras die im Liebenden selber gründende Komponente des Eros leise anklingt, bleibt zunächst noch ohne Folgen, und die Frage nach einer möglichen Eigen Verantwortung oder gar Schuld, die Herakles mit der Zerstörung Oichalias und dem Verrat an seiner Gattin auf sich geladen haben könnte, stellt sich nicht Cf. 440 πέφυκεν. Cf. 446 ληφθέντι. Siehe hierzu auch die Ausführungen bei A. Rivier («L'element demonique chez Euripide jusqu'en 428», Entretiens de Ja FONDATION HARDT, Tome IV, Genf 1960, 56) über die «double qualification de Γίρως... comme realite naturelle et divine» bei Sophokles und Euripides. Mit seinen grundlegenden Bemerkungen zum Zusammenspiel des eigenen Anteils und der göttlichen Einflußnahme bei den Handlungen des homerischen Menschen hat A. Lesky, Göttliche und menschliche Motivation im homerischen Epos (Sitzungsber. d. Heidelb. Akad. d. Wiss., philosoph.-hist. Kl., Jg. 1961, 4. Abh.), Heidelberg 1961, in Auseinandersetzung mit B. Snell, der u.a. in seinem Buch Aischylos und das Handeln im Drama (Phil. Suppl. 20, Heft 1), Leipzig 1928 (dort bes. 20 ff.) das Handeln im Sinne des Epos eher als das Resultat eines Bewegtwerden des Menschen durch einen umbiegenden" Gott verstanden wissen will, den Blick für das Phänomen der doppelten Motivation" auch über das Epos hinaus geschärft. Siehe J. de Romillys treffende Bemerkungen zu den vv («L'excuse de l'invincible amour dans la tragedie grecque», in: Miscellanea tragica in honorem J.C. Kamerbeek, coll. J.M. Bremer, S.L. Radt, C.J. Ruijgh, Amsterdam 1976, 313): <... Mais cette excuse reste etonnamment discrete. Elle n'a rien de juridique; aueun mot ne parle ni de responsabilite ni d'innocencc, ni meme de pardon, mais seulement de comprehension.»

55 Sophokles, Trachinierinnen 47 Überhaupt treten ja bei Sophokles, so weit wir ihn kennen, die Götter meist als schicksalhafte Lenker auf, gegenüber denen der Mensch wenig vermag. 163 So umschreibt denn auch in der Phaidra des Sophokles ein unbekannter Sprecher, höchstwahrscheinlich Phaidra selbst, ihre Liebe zu Hippolytos als ausschließlich gottgesandte Krankheit (fr. 680 Radt):... νόσους δ' άνάγκη τάς θεηλάτους φέρειν. Ein resigniertes Sich-Dreingeben in unabänderliche göttliche Fügungen, das ist die Haltung, die sich hinter diesem Vers verbirgt. 164 Wenn dagegen in jüngerer Zeit, insbesondere in der Sophistik und namentlich auch bei Euripides, ein ethisch fragwürdiges Verhalten mit der Intervention der Aphrodite oder des Eros erklärt wird, so gewinnt dabei das Oszillieren zwischen zwei Komponenten, denen des eigenverantwortlichen und des zwangsweise auferlegten Handelns, die gewöhnlich auf die nicht zuletzt auch in den Gerichtssälen gebräuchlichen Formeln des έκών und ακων gebracht werden, zunehmend an Bedeutung. Nach welcher Seite hin das Pendel schließlich ausschlägt, hängt nicht zuletzt auch mit der mehr oder weniger scharfen Konturierung der Gottheit zusammen: Ist sie wirklich geglaubt oder nur noch bequeme fagon de parier? Auf dem Hintergrund dieses erhöhten Problembewußtseins wollen wir uns nun dem νόσος-motiv in den Tragödien des Euripides zuwenden: II. 3. Euripides, Diktys; Hippolytos Stephanephoros; Troades Beginnen wir mit einem Fragment, in dem die in den Trachinierinnen angedeutete Doppelwertigkeit, den der Begriff νόσος als Bezeichnung einer zweifach verursachten Krankheit in sich trägt, noch einmal ganz prägnant und unmißverständlich festgehalten wird (fr. 444 Kannicht): & δαϊμον, ώς ουκ ϊστ' άποστροφή βροτοίς των έμφύτων τε καΐ θεηλάτων κακών. Es gibt kaum eine andere Möglichkeit als daß die aus dem Hippolytos Kalyptomenos stammenden Verse sich auf Phaidra beziehen, auf die ihr angeborenen und zugleich gottgesandten Übel, 165 wobei das mit κακά Gemeinte ebensogut auch als νόσος bezeichnet werden könnte Zum Oedipus Rex als dem eindrucksvollsten Beispiel dieser Beobachtung siehe B. Manuwald, Oidipus und Adrastos. Bemerkungen zur neueren Diskussion um die Schuldfrage in Sophokles' König Oidipus", Rhein. Mus. 135, 1992, Vgl. die Ethik des Duldens namentlich bei Theognis, z.b , Cf. W.S. Barrett (1964) 22.

56 48 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Ausgehend von der hier zu beobachtenden Gleichstellung inner- und übermenschlicher Elemente wollen wir nun zu zeigen versuchen, daß bei Euripides das Bewußtsein der im Menschen selber angelegten Triebkräfte in der Art, wie er das überkommene νόσος-motiv sich zu eigen gemacht hat, ganz deutliche Spuren hinterlassen hat: Das bei Sophokles kaum aufgeworfene Problem der Freiwilligkeit gewinnt in den Werken des jüngeren Tragikers eine große Bedeutung, indem nämlich die Berufung auf den νόσος-charakter einer Liebesleidenschaft zumeist an das Zurückweisen einer möglichen Eigenverantwortung gekoppelt ist. 166 Dies zu veranschaulichen, bietet sich zunächst ein Verspaar aus dem im Jahre 431, gemeinsam mit der Medea zur Aufführung gebrachten, freilich nur fragmentarisch überlieferten Diktys an (fr. 339 Kannicht):... και γάρ ούκ αυθαίρετοι βροτοϊς έρωτες ούδ' έκουσία νόσος, σκαιόν τι δή τό χρήμα γίγνεσθαι φιλεΐ, θεών άνάγκας δστις Ιασθαι θέλει. Es ist höchstwahrscheinlich Polydektes, der König der Insel Seriphos, der hier spricht. Nach der Darstellung des Apollodor 2, 34 f. hatte Akrisios, der König von Argos, aus Furcht vor einem Orakelspruch, der ihm den Tod durch seinen Enkel prophezeihte, seine Tochter Danae samt ihrem Sohne Perseus in einem Kasten eingeschlossen ins Meer geworfen. Der Kasten strandete auf der Insel Seriphos, wo Diktys ihn entdeckte und Perseus aufzog. Polydektes indessen verliebte sich in Danae und versuchte mit allerlei Listen, sich ihr zu nähern. Die uns beschäftigenden Verse sind Teil einer Replik auf die wohl dem Diktys gehörenden Warnung an Polydektes, er werde sich den Haß seiner Kinder zuziehen, wenn er ihnen Halbgeschwister aus der neuen Verbindung mit Danae ins Haus bringe. 167 Es sollte viel eher, so darauf Polydektes, ein Abkommen geben zwischen dem Vater und seinen Söhnen, in Herzensangelegenheiten einander tatkräftig zu unterstützen, denn diese seien nun einmal nicht selbstgewählt". Der in αύθαίρετοι verborgene Ist das Zurückführen von Verliebtheit auf die göttliche Verursacherin in der Regel ein Argument, das dem eigenen Vorteil dient, so kann es im Munde eines anderen auch ins Gegenteil gewendet werden, wenn zum Beispiel Iason die von Medea so betonte Gefälligkeit, ihn in Kolchis unter den größten Opfern, nicht zuletzt dem Verrat am eigenen Vater gerettet zu haben (Med ), mit der Bemerkung für nichtig zu erklären versucht, daß sie ja nur unter dem Zwang des Eros gehandelt habe (Med ). Cf. fr. 338 Kannicht.

57 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 49 Begriff der αΐρεσις, ein Vorläufer von Aristoteles' προαίρεσις, hat seinen rechtsgeschichtlichen Ursprung in der Sophistik. 168 Das Abstreiten der Möglichkeit, selbständig zu wählen, ist aber nur die erste Stufe eines recht ausgeklügelt scheinenden Rechtfertigungsversuchs: Die nächste besetzt die Umschreibung der Liebe als unfreiwillige Krankheit"; doch bleibt es nicht bei dem unbestimmt schillernden νόσος-μοίίν, und auf einer letzten Stufe werden die wahrhaft Verantwortlichen beim Namen genannt, wenn es heißt, der wolle etwas Törichtes, der sich anschikke, die Zwänge der Götter zu heilen. Ob die Berufung auf die Götter innerhalb dieses Argumentes aufrichtig ist oder ob sie nur als bequeme fagon de parier herhalten müssen, bleibt in der Schwebe. Im Diktys ein eher unbedeutendes Seiten-Motiv, ist im Hippolytos Stephanephoros, der nach neueren Erkenntnissen höchstwahrscheinlich dem Frühwerk des Euripides angehört, 169 die Frage nach dem Ursprung von Leidenschaft, in diesem Falle Phaidras Neigung zu ihrem Stiefsohn, Gegenstand ausführlicher Betrachtung. In ihrer an die Frauen von Troizen gerichteten Rhesis 373 ff. verlegt Phaidra den Anfang aller Verfehlungen ins Innere des Menschen. Der Gang ihrer Argumentation hat die Interpreten von jeher beschäftigt, und gerade in jüngster Zeit sind die theoretischen Überlegungen Phaidras und ihre Tragweite für den zweiten Teil der Rede sowie die vielerörterte Frage, was Phaidra denn meine, wenn sie zwei Arten von αιδώς unterscheide, wieder Gegenstand zahlreicher neuer Stellungnahmen geworden. Vergegenwärtigen wir uns zunächst noch einmal den Aufbau der Rede: Zu Beginn berichtet Phaidra von ihrer in nächtlichen Grübeleien gewonnenen Einsicht in die Gründe für das Scheitern menschlichen Lebens und bekräftigt, daß sie sich diese Erkenntnis durch nichts nehmen lassen werde ( ). Nach der Wiedergabe ihrer Nachtgedanken" folgt in einem zweiten Teil, eingeleitet durch die Ankündigung in v. 391, sie werde nun den Weg ihrer Einsicht" - της έμής γνώμης όδόν - beschreiben, ein schrittweises Entrollen der Geschichte ihres Umgangs mit der Leidenschaft zu Hippolytos bis hin zu dem Entschluß, sich das Leben zu nehmen, der 403 ff. durch die ausdrückliche Distanzierung von allen Ehebrecherinnen und das Beteuern des Wunsches, von Schande frei zu bleiben, noch zusätzlich untermauert wird Cf. R. Maschke, Die Willenslehre im griechischen Recht, Berlin 1926, 57. Maschke bezieht sich allerdings auf eine andere Stelle: In der JA 1363 f. antwortet Achill auf die Frage, ob Odysseus Iphigenie zum Opfer fortschleppe ίδια πράσσων η στρατού ταχθείς ϋπο; mit den Worten αίρεθείς έκών. Cf. Ο. Zwierlein, Senecas Phaedra und ihre Vorbilder nach dem Fund der neuen Hippolytos-Papyri", in: Lucubrationes Philologae I, Berlin 2004, ; s. ferner G.O. Hutchinson, "Euripides' Other Hippolytus", ZPE 149, 2004,

58 50 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Daß die beiden Teile der Rede eng aufeinander bezogen sind, ist in zwei neueren Abhandlungen überzeugend dargetan worden, 170 so daß hier nur einige Überlegungen zu nach wie vor strittigen Punkten ergänzt werden sollen. Auszugehen ist vom Gegenstand der Betrachtungen Phaidras: Es ging ihr darum zu erkennen, wie das Leben der Menschen zerstört wird - θνητών... ή διέφθαρται βίος (376) -; und sie fährt fort (377 f.) και μοι δοκοϋσιν ού κατά γνώμης φύσιν / πράσσειν κάκιον. Hier erhebt sich das erste interpretatorische Problem. Soll man den Text in v. 378 als πράσσειν κακίον', Schlechteres tun", oder als πράσσειν κάκιον, schlechter ergehen", auffassen? 171 Auf dem Hintergrund der Frage nach dem Scheitern menschlichen Lebens liegt die zweite Möglichkeit näher, denn die passivische Form διέφθαρται deutet darauf hin, daß jemand in sein Unglück gleichsam hineingerät, und ist mit der Vorstellung aktiven Handelns kaum vereinbar. Auch in der folgenden, zentralen Stelle der Rede liegt der Ton, wie wir sehen werden, nicht auf dem Handeln, sondern viel eher auf dem Unterlassen τ et χρήστ' έπιστάμεσθα και γιγνώσκομεν, ούκ έκπονοϋμεν δ', οί μέν άργίας δπο, οί δ' ήδονήν προθέντες άντ'ι τοϋ καλοϋ αλλην τιν'. Das Gute wissen wir und wir erkennen es, doch tun wir's nicht." - Hier geht es nicht um einen Konflikt zwischen Einsicht und Leidenschaft in der Art, daß schließlich die Leidenschaft den von ihr Beherrschten zu einer vernunftwidrigen Handlung hinreißt. Ausdruck eines solchen Konflikts ist, wenn man das in jüngster Zeit auch in Frage gestellt hat, 172 die Situation der Medea im gleichnamigen Drama des Euripides. Die von Iason bitter Enttäuschte wird hin- und hergerissen zwischen dem rachsüchtigen Entschluß, ihre Kinder umzubringen, 173 und der Möglichkeit, sie zu schonen und mit ins Exil zu nehmen, 174 bis sie sich selbst 170 Cf. E. Heitsch, Wollen und Verwirklichen. Von Homer zu Paulus, Mainz 1989, 12 ff. und B. Manuwald, Phaidras tragischer Irrtum. Zur Rede Phaidras in Euripides' Hippolytos (vv )", Rhein. Mus. 122, 1979, , s. bes Siehe dazu die Doxographie bei B. Manuwald, Phaidras tragischer Irrtum", Siehe bes. B. Manuwald, Der Mord an den Kindern. Bemerkungen zu den Medea- Tragödien des Euripides und des Neophron", Wiener Studien N.F. 17, 1983, Damit vernichtet Medea zugleich auch Iason; s f. τ^τις τέκνοισι σοΐσιν έμβαλεΐν ξίφος / ϊτλης τεκοϋσα καμ' απαιδ' άπώλεσας. 174 Siehe dazu die vv und Die Frage der Echtheit der zuletzt genannten Verse kann uns hier nicht beschäftigen.

59 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 51 dahin bringt, den Willen zur Tötung die Oberhand gewinnen zu lassen. E. Med αγ', ώ τάλαινα χειρ έμή, λαβέ ξίφος, λάβ', ϊρπε πρός βαλβίδα λυπηράν βίου, καΐ μή κακισθής μηδ' άναμνησθης τέκνων, ώς φίλταθ', ώς έτικτες- άλλα τήνδε γε λαθοϋ βραχεΐαν ήμέραν παίδων σέθεν, καπειτα θρηνεί'... Nun, weine ungliicksel'ge Hand, ergreif das Schwert, ergreif's, schreit zu des Lebens schmerzensreicher Schwell und werd nicht schwach, noch sei der Kinder eingedenk, wie allerliebst sie, wie du sie geborn; vielmehr den einen kurzen Tag vergiß die Kinder dein, und danach weine... Hier bereitet sich Medea auf eine ungeheuerliche Tat vor, und wenn die Schonung ihrer Kinder mütterlicher Neigung und maßvollem Uberlegen gleichermaßen Rechnung tragen würde, so stellt sie selbst ihren Widerstand gegen den Tötungswillen als Schwäche hin. Es geht ihr darum, sich Mut zu machen für einen Gewaltakt, der den Regeln der Menschlichkeit und des Maßhaltens zuwiderläuft. 175 In Phaidras Rede ist der Schwerpunkt ein anderer: Ihre Gedanken kreisen nicht darum, wie es zu Taten kommt, die dem als vernünftig Erkannten Hohn sprechen, sondern wie der Mangel an Tatkraft, wie Energielosigkeit und fehlende Selbstdisziplin ein Handeln im Einklang mit der richtigen Einsicht verhindern. Bezeichnend ist dabei schon die Wahl des Verbs έκπονοϋμεν: Ursache des Unglücks für einen Menschen ist die Scheu vor dem πόνος, der Mühe, die darin liegt, das Wissen um das Gute aktiv umzusetzen. 176 Als exemplarisch für die Hemmnisse rechten Handelns werden nun αργία und ήδονή aufgeführt. Dabei stehen sie in den durch οί μέν und ot δ' eingeleiteten Kola als Charakteristika zweier Gruppen von Menschen gleichberechtigt nebeneinander, so daß ein Rückbezug von ήδονήν Inwieweit sie mit diesem Akt völliger Vernichtung eines Eidbrüchigen im Einklang mit Ζευς δρκιος handelt, ist eine Frage, der wir hier nicht nachgehen können. Siehe dazu neuerdings C. Wildberg, Hyperesie und Epiphanie. Ein Versuch über die Bedeutung der Götter in den Dramen des Euripides, München 2002, Den Akzent der Überlegungen Phaidras auf dem Mangel an Aktivität, Energie und Entschlußkraft als Ursachen für das Scheitern menschlichen Lebens hat besonders deutlich E. Heitsch, Wollen und Verwirklichen. Von Homer zu Paulus, Mainz 1989, 14 herausgearbeitet.

60 52 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros αλλην τιν' auf άργίαν mit der Konsequenz, άργία als eine ήδονή auffassen zu müssen, ausgeschlossen ist. 177 Ebensowenig ist das καλόν in v. 382 als eine ήδονή zu verstehen, von der es eine andere (αλλην τιν') zu unterscheiden gilt, 178 denn im gegebenen Zusammenhang versteht es sich fast von selbst, daß τό καλόν und τά χρήστ' auf einer Ebene, die Hemmnisse in der Ausführung des als gut Erkannten auf einer anderen Ebene anzusiedeln sind. Trennt man sich von der irrigen und in unserem Fall auch irreführenden Ansicht, mit άλλος könne immer nur einer von zweien gemeint sein, so muß die erstmals von Barrett (1964) ad loc. vorgeschlagene Wiedergabe von ήδονήν... άλλην τιν' im Sinne von "something else, namely some pleasure" 179 überzeugen, da sie die Einführung der ήδονή als einen selbständig neben άργία gesetzten Begriff annimmt. Von den großen Gruppen der Trägen und der Hedonisten" wird die zweite noch näher in Augenschein genommen, wenn Phaidra mit einer Aufzählung verschiedener Lebenslüste" fortfährt είσ'ι δ' ήδοναί πολλα'ι βίου, μακραί τε Χέσχαι και σχολή, τερπνόν κακόν, αιδώς τε δισσαί δ' είσίν, ή μέν ού κακή, ή δ'δχθος οίκων εί δ'ό καιρός ήν σαφής, ούκ αν δυ' ήστην ταοτ' έχοντε γράμματα. Zu den ήδοναί βίου gehören, wie jeder leicht nachvollziehen kann, langes Gerede und Müßiggang und, wenn man der Satzkonstruktion folgt, allerdings auch αιδώς. Viele Interpreten, angefangen von Wilamowitz, haben sich freilich schwer getan mit der Vorstellung, αιδώς werde hier unter die ήδοναί gezählt, und nehmen daher ein Zeugma an: Αίδώς sei, so ihre These, etwas προτεθέν άντ'ι τοϋ καλοϋ, müsse also gedanklich der ήδονή von Vers 382 an die Seite gestellt, aber keinesfalls untergeordnet werden Cf. Barrett (1964) ad loc.: "άργία is not a pleasure." Anders neuerdings Ε.Μ. Craik, ΑΙΔΩΣ in Euripides' Hippolytos : Review and Reinterpretation', JHS 113, 1993, 46: "choosing some other pleasure (sc. than άργία) rather than τό καλόν (sc. not a pleasure)." 178 So freilich C.W. Willink, "Some problems of text and interpretation in Hippolytus", CQ 18, 1968, 14 und D. Kovacs, "Shame, pleasure and honor in Phaedra's great speech (Euripides' Hippolytus )", AJP 101, 1980, 293 f. 17 Diese Übersetzung wird von Β. Manuwald, Phaidras tragischer Irrtum", 137 übernommen und durch Belege gestützt. 180 Cf. Euripides Hippolytos, griech. u. dt. v. U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Berlin 1891, 203 Anm. 1: die αίδώς tritt allerdings durch ein leichtes zeugma hinzu, gemeint ist αίδώ προθέντες άντί τοϋ καλοϋ." Ahnlich Barrett (1964) ad Joe. Siehe auch A. Lesky, Die tragische Dichtung der Hellenen, 3. Aufl., Göttingen 1972, 324:

61 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 53 Was aber ist mit αιδώς überhaupt gemeint? Reiht man sie ein in den Kreis der Hemmnisse in der Verwirklichung des Guten, so liegt es nahe, sie als falsches Zögern zu interpretieren, als deplazierte Zaghaftigkeit, die den rechten Augenblick für eine bestimmte Handlung versäumen läßt. 181 Ist aber damit ihre Qualifizierung als ήδονή schon ausgeschlossen? Und warum erscheint neben der schlechten, ein ganzes Haus ins Unglück stürzenden, auch eine andere αιδώς, die zwar nicht gerade als gut, aber immerhin als ού κακή bezeichnet wird? Erschöpft sich ihre Funktion darin, das Verheerende an der hier einzig interessierenden schlechten αιδώς noch deutlicher hervortreten zu lassen? 182 Für die Beantwortung dieser Fragen wird sich ein Blick auf den zweiten Teil der Phaidra-Rede als hilfreich erweisen. Wenn Phaidra ihr Bemühen um einen rechten Umgang mit der Leidenschaft als einen Weg ihrer γνώμη - της έμής γνώμης όδόν (391) - beschreibt, so wird mit dieser Wortwahl gleichsam ein Signal gesetzt für einen Rückbezug auf ihre theoretischen Überlegungen zu Beginn ihrer Rede, wo es hieß, daß es den Menschen nicht nach der Natur ihrer Einsicht - ού κατά γνώμης φύσιν (377) - schlecht gehe. Die Geschichte des Kampfes mit ihren übermächtigen Gefühlen entrollt Phaidra in drei Schritten: Dem Verschweigen und Verheimlichen folgte der Versuch, die Leidenschaft durch Besonnenheit niederzuzwingen. Wäre es ihr gelungen, so hätte sie damit zweifellos das Gute - τα χρηστά - unmittelbar in die Tat umgesetzt. Da sie aber, wie wir noch sehen werden, von Natur aus nicht σώφρων ist, reichen ihre Kräfte hierfür nicht aus, und sie kommt drittens zu dem Entschluß, sich das Leben zu nehmen, den sie durch Nahrungsverweigerung zu realisieren versucht. 183 In der Tat wäre in einer Situation wie der ihrigen der Selbstmord in den Augen der damaligen Gesellschaft eine sicher nicht unehrenhafte Möglichkeit gewesen, sich zum Besten aller Beteiligten aus der Affäre zu ziehen: Ihr guter Ruf hätte gewahrt, Hippolytos von peinlicher Kompromittierung verschont und der Verrat an Theseus vermieden werden können. So wird dann auch ihre Entschlossenheit, aus dem Leben zu gehen, und der daraus folgende Wunsch, nie zu denen zu gehören, die von der fortschreitenden Zeit früher oder später als schlecht entlarvt würden, vom Chor der troizenischen Frauen mit einem deutlichen Lob quittiert: Es sei das σώφρον, so lautet ihr Kommentar, das die Frucht einer έσθλή δόξα trage, und auf Keinesfalls kann die αίδώς (Scham) unter die ήδοναί (Freuden) zählen, sie muß neben diesen stehen" und E. Heitsch, Wollen und Verwirklichen, 48 Anm. 48: αίδώς ist keine ήδονή, wie die Syntax das hier allerdings suggeriert." Barrett (1964) ad loc. spricht von "indecisiveness, lack of resolution". So Barrett (1964) ad loc.. "It is only with this bad αίδώς, of course, that Phaedra is concerned (she mentions the good one merely for the sake of the distinction)." Cf. E. Hipp

62 54 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros ähnliche Weise spielt später Hippolytos im Gespräch mit Theseus ν mit seinen Worten έσωφρόνησε δ' ούκ έχουσα σωφρονεΐν auf Phaidras Selbstmord als einen einmaligen Akt der σωφροσύνη einer von Natur aus nicht besonnenen Frau an. 184 Nun könnte man, und damit wären wir wieder bei der Präge nach dem Grund für die Erwähnung einer doppelten αιδώς, Phaidras Entschluß zum Selbstmord durchaus als Folge einer nicht schlechten αιδώς ansehen, und zwar der Scheu, das Ungeheuerliche ihrer Leidenschaft an den Tag kommen zu lassen. 185 Die Aufrichtigkeit ihres Strebens, das einmal Beschlossene auch zu vollbringen, offenbart sich, wenn sie sich 406 ff. entschieden von allen Ehebrecherinnen distanziert, freilich ohne sich dabei bewußt zu sein, daß sie mit der Preisgabe ihres Geheimnisses an die Amme ihre Selbstbestimmtheit zumindest ansatzweise schon aus der Hand gegeben hat. Einmal zur Mitwisserin geworden, gelingt es der Amme, der das Leben ihrer Herrin teuer ist, sich Handlungsfreiheit für weitere Schritte zu erschleichen. Dabei ist es ein deplaziertes Zögern auf Seiten Phaidras, was die Katastrophe heraufbeschwört: Ihr Unvermögen, der Amme rechtzeitig und entschieden Einhalt zu gebieten, führt unweigerlich zur Offenbarung ihrer Leidenschaft vor Hippolytos und setzt eine Kette von unglückseligen Ereignissen in Gang: Um ihren Ruf zu wahren, ist Phaidra nun gezwungen, ihre Selbsttötung, die ihr, wäre ihr Inneres vor Hippolytos verborgen geblieben, eine verhältnismäßig unspektakuläre Lösung des für sie sonst ausweglosen Dilemmas geboten hätte, nun von jenem Anklagebrief begleitet sein zu lassen, der das grauenvolle Ende des Hippolytos nach seiner Verfluchung durch den eigenen Vater heraufbeschwört und zudem noch Theseus, nachdem sein Irrtum von Artemis aufgeklärt wird, in einen schweren Schuldkonflikt stürzt. Das ist ein &χθος οίκων par excellence, hervorgerufen durch Phaidras falsches Zögern im entscheidenden Moment, ihre unselige αιδώς, die ein rechtzeitiges Handeln gemäß jener anderen, nicht schlechten αιδώς, dem Zurückscheuen vor der Offenbarung ihrer Leidenschaft und der damit verbundenen Schande, unwiderruflich vereitelt hat Mit dieser Deutung schließe ich mich H. Herter, ( Hippolytos und Phaidra", in: Kleine Schriften, hrsg. v. E. Vogt, München 1975, 144) an: Er darf sich in seiner Situation nicht deutlich ausdrücken, aber was er meint, ist offenbar dies: Phaidra, nicht im Besitze der σωφροσύνη, hat das eine Mal σωφρόνως gehandelt, nämlich als sie sich das Leben nahm." Wenn J. Holzhausen, Eros und Aidos in Phaidras Monolog: Euripides Hippolytos , Stuttgart 1995, Phaidras Entschluß zur Selbsttötung als Folge jener αιδώς einschätzt, von der es heißt, sie sei ein δχθος οίκων, so scheint er mir dabei zu sehr von unserer heutigen ausschließlich negativen Bewertung des Selbstmords beeinflußt.

63 Euripides, Hippolytos Stcphanephoros 55 Wenn also in Phaidras Überlegungen neben der schlechten auch die nicht negativ zu bewertende αιδώς genannt wird, so geschieht das, wie gezeigt werden konnte, nicht etwa nur zur theoretischen Begriffsverdeutlichung. Vielmehr haben beide Arten von αιδώς im Sinne von falschem und angebrachtem Zögern für Phaidras Situation eine deutlich faßbare Relevanz. Was nun die noch offene Frage angeht, ob es vorstellbar ist, die αιδώς unter die ήδοναί βίου zu zählen, so kann sie trotz der von mancher Seite geäußerten Bedenken durchaus bejaht werden. Αιδώς im Sinne von deplaziertem Zögern kann insofern auch als eine Art ήδονή betrachtet werden, als sie in Phaidras Fall eine der ήδονή gerade entgegenstehende Handlung verhindert: Sie versäumt es, der Amme in ihrem zweideutigen Treiben Einhalt zu gebieten, und wird dabei getrieben von der ήδονή einer unbewußt gehegten Hoffnung auf Erfüllung ihrer Leidenschaft. Auch die nicht schlechte αιδώς, in Phaidras Fall die Angst vor einer Offenbarwerdung ihrer Leidenschaft, hat einen hedonistischen Aspekt. Auf keinen Fall ist sie die selbstlose Scheu, jemandem Schlechtes aufzuerlegen". 186 Diese Haltung, die Hippolytos später im Gespräch mit Theseus für sich selbst in Anspruch nimmt, würde im Falle Phaidras ein Zurückschrecken davor bedeuten, Hippolytos einen Verrat an seinem Vater zuzumuten. Ihre Furcht richtet sich dagegen einzig auf das Urteil der Gesellschaft. 187 Dem gültigen Sittenkodex zu entsprechen, ist für sie eine Form der ήδονή, 188 während ihr die Vorstellung, ihren guten Ruf einzubüßen, unerträglich ist. Es konnte gezeigt werden, wie eng Phaidras allgemeine Gedanken, insbesondere die Unterscheidung zweier Arten von αιδώς, zu ihrem eigenen Verhalten in Beziehung stehen. Welche Rolle aber kommt in der scheinbar ganz im Stile rationalistischer Psychologie und Selbstanalyse gehaltenen Rede noch der Göttin Aphrodite zu? In Phaidras Bericht über die Geschichte des Umgangs mit ihrer Leidenschaft zu Hippolytos wird jedenfalls deren Ursprung keineswegs ins Cf. 998 αιδώς μήτ' έπαγγέλλειν κακά. Am Ende ihrer Rede begründet sie ihren Entschluß, Selbstmord zu begehen, mit dem Wunsch, niemals ihrem Mann und ihren Kindern Schande zu bereiten (420 f.): ώς μήποτ' άνδρα τόν έμόν αίσχύνασ' &λώ, / μή παΐδας οος έτικτον. Siehe auch 717 &στ' εύκλεα μέν παισΐ προσθεΐναι βίον; δαίμονα στυγνόν καταιδεσθεΐσα τάν τ' εδ-/ δόξον άνθαφουμένα φήμαν... Siehe dazu Ch.P. Segal, "Shame and Purity in Euripides' Hippolytus", Hermes 98, 1970, 285 f.: "... aidos here appears as a social pleasure... to gain the approval of her peers by performing the conventions, by doing what society expects."

64 56 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros rein Innerseelische verlegt, wenn sie 400 f. ihr Bemühen, sie mit Hilfe der Vernunft zu bändigen, mit der Wendung Κύπριν κρατήσαι umschreibt. Die Versuchung, das als leere Floskel abzutun, wird erheblich gemildert, wenn wir am Ende der Tragödie Artemis zur Ehrenrettung Phaidras eben dieser Ausdrucksweise sich bedienen sehen (1304): νικαν τήν Κυπριν πειρωμένη. Die Tatsache, daß in Phaidras zentraler Rede die göttliche Urheberin ihres Zustandes ausdrücklich genannt wird, wirft schon ein zweifelhaftes Licht auf all diejenigen Interpretationen, die im Prolog der Aphrodite und der von Artemis bestrittenen Dea-ex-machina-Szene den entbehrlichen Rahmen für eine auch schon ohne das Eingreifen und steuernde Wirken der Götter denkbare Handlung sehen. 189 Mit Aphrodites Selbstdarstellung im Prolog als Wirkerin all dessen, was sich im Laufe der Tragödie ereignen wird, mit ihrer Ankündigung von Phaidras Untergang als ein Mittel, sich Genugtuung zu verschaffen, 190 hat man sich vor allem wegen der allzu menschlichen, boshaften Komponente in der Äußerung ihrer Rachsucht schwer getan. Zur Veranschaulichung des für unsere Begriffe merkwürdig zugespitzten Anthropomorphismus, der in ihrem Auftritt als gekränkter und von Eifersucht geplagter Göttin liegt, wollen wir jene Verse innerhalb des Prologs, die der Klage über die bevorzugte Stellung ihrer Rivalin Artemis in der Gunst des Hippolytos vorbehalten sind, hierher setzen: ό γάρ με Θησέως παις, Άμαζόνος τόκος, 'Ιππόλυτος, άγνου Πιτθέως παιδεύματα, μόνος πολιτών τήσδε γης Τροζηνίας λέγει κακίστην δαιμόνων πεφυκέναι άναίνεται δέ λέκτρα κού ψαύει γάμων, Φοίβου δ' άδελφήν Άρτεμιν, Διός κόρην, τιμα, μεγίστην δαιμόνων ήγούμενος, χλωράν δ' άν' ϋλην παρθένω ξυνών άεΐ Siehe bes. E.R. Dodds, "The ΑΙΔΩΣ of Phaedra and The Meaning of The Hippolytus", CR 39, 1925, 104, Anm.: "I purposely leave out of account the mythological framework of the play. The artist has wisely made this framework detachable, so that we may, if wc please, study his human drama in isolation from its traditional setting." Die Göttinnen als Symbole: L.H.G. Greenwood, Aspects of Euripidean Tragedy, Cambridge 1953 und Β. Snell, Die Entdeckung des Geistes. 3. Aufl. Hamburg 1955, 176; Scenes from Greek Drama, Berkeley 1964, 69. Gegen diesen Trend sieht Α. Köhnken ( Götterrahmen und menschliches Handeln in Euripides' Hippolytos", Hermes 100, 1972, 189/90) die Funktion des Götterrahrncris darin, daß er Hippolytos erst zur tragischen Figur macht, indem die Vorankündigungen der Aphrodite im Prolog die Fragwürdigkeit seines Weltbilds erkennen lassen und die Unverbindlichkeit der Artemis in der Schlußszene ihn mit grausamer Härte auf sein menschliches Maß reduziert." Cf

65 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 57 κυσ'ιν ταχείαις θήρας έξαφεΐ χθόνος, μείζω βροτείας προσπεσών όμιλίας. Der Sohn des Theseus und der Amazone, Hippolytos, des frommen Pittheus Zögling, Erklärt - nur er, sonst keiner hier im Lande Trozen -, ich sei der Götter schlechteste. Mit keinem Weibe will er sich vermählen. Zeus' Tochter Artemis, Apollons Schwester, Ehrt er als göttlichste der Göttinnen. Im grünen Wald der Jungfrau Jagdgesell, Stellt er dem Wild mit rascher Meute nach, Gewürdigt übermenschlichen Verkehrs. 191 Der Antagonismus zwischen Aphrodite und Artemis kommt hier auch formal zum Ausdruck. Die Haltung des Hippolytos ihnen gegenüber wird in jeweils fünf Versen beschrieben, wobei die beiden entscheidenden Superlative in seiner Beurteilung der Rivalinnen, κακίστην und μεγίστην, in Spiegelsymmetrie sich gegenüberstehen. Zu Beginn der Versgruppen entsprechen sich die Vorstellung des Hippolytos und der Artemis. Der durch die Parallelität sich aufdrängende Vergleich führt zur Beobachtung des wohl kaum zufälligen Details, daß der konventionellen Präsentierung des Hippolytos durch Mutter- und Vatersname eine nur auf männliche Verwandte bezogene genealogische Einordnung der Artemis gegenübersteht. Sie wird eingeführt als Schwester des Apollon und Tochter des Zeus, und wenn der Name ihrer Mutter Leto nicht fällt, so mag das schon ein Hinweis auf Hippolytos' schroffe Abwendung von der Weiblichkeit, ja auf die verstiegene Wunschvorstellung von mutterlos erzeugten, im Tempel zum Kauf feilgebotenen Kindern in seiner späteren Misogynie-Rede sein. 192 Daß in Aphrodites Worten der Schauplatz des grünen Waldes" die Szenerie für die Jagdgemeinschaft zwischen Artemis und Hippolytos abgibt, ist für den weiteren Verlauf der Handlung programmatisch, ist es doch das Draußen", die Natur in ihrer ganzen Spannbreite vom Lieblich- Anmutigenden bis hin zum Bedrohlich-Verschlingenden, in der die Kranzdarbringung ebenso wie das grausame Ende des Hippolytos sich vollziehen. Manche Interpreten haben in der Art, wie Aphrodite den vertrauten Umgang des Hippolytos mit Artemis schildere, insbesondere in den Worten ξυνών und όμιλίας einen erotischen Unterton mitschwingen hören wollen. Tatsächlich fand man sich schon im Hellenismus bereit, das Verhältnis zwischen Artemis und Hippolytos in Wort und Bild der Unkeuschheit Übersetzung von Hans von Arnim; in: EURIPIDES. Die Tragödien und Fragmente, Bd. I, bearb. u. eingel. v. F. Stoessl, Zürich 1958, 282. Cf Ähnliche Gedanken äußert Iason in E. Med

66 58 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros zu verdächtigen, 193 doch auch ohne diesen Mutmaßungen folgen zu wollen, kann man immerhin eine gewisse Fixierung des Hippolytos auf die Göttin feststellen, die für sein Desinteresse an Aphrodite und ihren irdischen Lockungen mit verantwortlich sein könnte; zumal er Artemis ja nicht einfach als blutlose Vertreterin des Ideals der Keuschheit verehrt, sondern in ihr auch die Gefährtin und mütterliche Freundin sucht, wie man aus seinen wehmütig-enttäuschten Abschiedsworten an sie - μακράν δέ λείπεις (5αδίως δμιλίαν leicht wird ablesen können. Wir haben gesehen, daß Hippolytos in den hier beleuchteten zehn Versen in ein Kraftfeld heineingestellt wird, dessen Pole von den beiden Göttinnen Aphrodite und Artemis besetzt sind. Daß der Prolog als Ganzes, wenngleich der bis ins Extreme gesteigerte Anthropomorphismus für uns befremdlich sein mag, nicht als Satire auf den überkommenen Götterglauben gemeint sein kann, sondern als ernstzunehmender Ausdruck einer göttlichen Motivierung des Dramengeschehens zu werten ist, wird sich zeigen, wenn wir uns nun im einzelnen vergegenwärtigen wollen, wie die Vorstellung einer übermenschlichen, meist als Kypris bezeichneten Macht als Ursache für Phaidras Liebeswahn auch außerhalb der Rahmenhandlung das Geschehen beherrscht. Als Phaidra nach den wahnhaften Phantasien, mit denen sie sich bei ihrem ersten Auftritt in Gebirgslandschaft und Jagd, die Welt des Hippolytos, hineinträumt, wieder zur Besinnung kommt, stellt sie mit Erschrecken fest (241): δπεσον δαίμονος ατη - Ich fiel der Verblendung eines Daimons zum Opfer." Das mag auf der Ebene des unmittelbar Einleuchtenden nur auf die eben zu Ende gegangene Wahnsinnsaufwallung bezogen sein, darf aber für den tiefer Blickenden wohl auch als Erklärung für Phaidras allgemeinen Zustand - sie ist liebeskrank - verstanden werden. Die Wahl des in vielerlei Facetten schillernden Begriffs δαίμων ist bezeichnend, und es ist sehr die Frage, ob sich die göttliche causa efrciens für Phaidras Leidenschaft, die im Laufe der Tragödie wiederholt als Kypris benannt wird, in der traditionellen Gestalt der Aphrodite, wie sie uns im Prolog gegenübertritt, erschöpft. Richtungweisend sind hier die Worte der Amme, wenn sie nach der Enthüllung von Phaidras Geheimnis erklärt, daß die zerstörerische Macht, die von ihr Besitz ergriffen habe, etwas noch Gewaltigeres sei als die bekannte Göttin (359-61): Cf. C. Hoenn, Artemis. Gestaltwandel einer Göttin, Zürich 1946, 119; C. Robert, Archaeologische Hermeneutik: Anleitung zur Deutung klassischer Bildwerke, Berlin 1919, 222 f. Zu entsprechenden Anspielungen bei Sen. Phaed. 309 ff., 410, 654, 785 ff. verweist W. Fauth, Hippolytos und Phaidra II, 483 auf Ussani, Atene e Roma 18, 17 f. Cf

67 Euripides, Hippolytos Stephanephoros Κύπρις ούχ äp' ήν θεός, άλλ' εΐ τι μείζον αλλο γί,γνεται θεοϋ, f) τήνδε χάμέ χαί δόμους άπώλεσεν. Das destruktive Element, das hier in άπώλεσεν greifbar ist, wird nach Art eines Leitmotivs immer wieder mit Kypris in Verbindung gebracht. Als ihre Zerstörerin - ήπερ έξόλλυσί με betrachtet Phaidra die Göttin kurz vor ihrem Selbstmord; und in der Dea-ex-machina-Szene bezieht Hippolytos sich selbst und Theseus in den Kreis der von Aphrodite zugrunde Gerichteten mit ein: τρεις δντας ή μας ώλεσ'. 196 Träger der Konnotation des überwältigend Verschlingenden ist im Gang der Handlung auch das Meer, und in seiner Eigenschaft als besonderer Domäne der Aphrodite und des Poseidon wird es zum Symbol für das zerstörerische Potential dieser beiden Gottheiten. Mit der Anrede δέσποινα πόντια Κύπρι 197 wendet sich Phaidra in ihrer Rhesis an Aphrodite und bleibt mit ihrer Kennzeichnung der Göttin als Herrin der Meere" nur innerhalb eines Motivs, das schon zu Beginn des Dramas angeschlagen wird, wenn wir Aphrodite selbst zur geographischen Begrenzung ihres Wirkkreises, der ganzen damals bekannten bewohnten Welt, zwei maritime Pole wählen sehen: das Schwarze Meer und das äußerste Ende des Atlantiks, sprich: die Säulen des Herakles. 198 Die Meerherrschaft der Aphrodite erhält besonderes Gewicht, wenn man sie gegen die im Drama mehrmals erwähnte, an einen Sumpf in Troizen geknüpfte Lokalbedeutung der Artemis abgrenzt. So kommt in der Liste der Gottheiten, die in der Vorstellung des Chores für Phaidras Liebeswahn verantwortlich sein könnten, schließlich auch die schon früh mit Artemis in Verbindung gebrachte und hier mit ihr identifizierte kretische Diktynna zu stehen, und im nächsten Zuge wird ihr Walten in einer als bekannt vorausgesetzten Sumpfniederung besungen: fao δ' f άμφι τάν πολύθηρον ΔΙχτυνναν άμπλαχίαις άνίερος άθύτων πελανων τρύχτ] ; φοίτα γαρ χαί δια Λίμνας χέρσον θ' υπέρ πελάγους δίναις έν νοτίαις δλμας. 195 Cf Cf Cf Cf. 3-4: δσοι τε Πόντου τερμόνων τ' 'Ατλαντικών / ναίουσιν εΐσω...

68 60 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Wirst du aufgerieben wegen Verfehlungen gegenüber der an wilden Tieren reichen Diktynna, opferlos und ohne die heiligen Kuchen dargebracht zu haben? Denn sie schweift auch durch den Sumpf und über den Landstreifen des offenen Meeres hinweg inmitten der feuchten Strudel der Salzßut. Diktynna wie auch andernorts im Drama mit Artemis gleichsetzend, 199 stellt der Chor die Göttin in ein lokales kultisches Umfeld hinein, denn mit der Λίμνη ist zweifellos jene den Eindruck eines Binnensees erweckende, vom Saronischen Golf durch eine langgestreckte Sandbank abgetrennte Lagune gemeint, die Pausanias 2, 30, 7 als Σαρωνίς (oder Φοιβαία) λίμνη bezeichnet und an deren Ufer Artemis, die besonders auf der Peloponnes vielerorts in sumpfigen Niederungen und Marschlandschaften verehrt wurde, 200 unter dem Beinamen Saronia ein Heiligtum hatte. 201 An die troizenische Λίμνη, nach den Aussagen des Chors ein beliebter Aufenthaltsort des Hippolytos zum Trainieren seiner Pferde, in den sich auch Phaidra in ihren wahnhaften Phantasien hineinträumt, knüpft sich die alte Sage des Jägers Saron, den schon Wilamowitz als eine Art Doppelgänger des Hippolytos bezeichnet hat. Saron, König in Troizen, erbaute, so erzählt man, an der nämlichen Lagune für Artemis einen Tempel. Als er eines Tages bei der Verfolgung eines Hirsches in den Golf geriet, schwamm er so lange hinter dem flüchtigen Tier her, bis beide ins offene Meer trieben. Ermattet von der langen Anstrengung, kam er in den Wogen um, gleichsam zurückgekehrt in das Element jener Artemis, die vor ihrer Stilisierung zur jungfräulichen Schwester Apolls in den homerischen Epen noch die Züge einer den Μητέρες aus griechischer Vorzeit nahestehenden großen Naturgottheit der Bergeshöhen und Talniederungen, der Herrin der Tiere in Feld und Wald trug. 202 Vom ertrunkenen Jäger Saron soll der Saronische Meerbusen, soll auch die Artemis Saronia ihren Namen haben; doch ist die Artemis des euripideischen Hippolytos nicht mehr dieselbe, sondern jene homerisch überformte, wie sie erst zur klaren Antagonistin der Aphrodite werden konnte. So gibt es auch gerade zu der mit der Lagune von Troizen verbundenen Artemis im späteren Verlauf der Tragödie ein entsprechendes Gegenbild der Aphrodite, das die Amme im Rahmen ihres Feldzuges gegen die Scham ihrer Herrin zeichnet Cf Ein Heiligtum der Artemis Λιμνα ας gab es nach Paus. 4, 4, 2 u. Strabon VIII p. 362 auf der Grenze zwischen Lakonien und Messenien, ferner in Epidauros, in Patrai, bei Tegea; eine Artemis Λιμναία bei Sikyon. Cf. Hoenn, Artemis, 40 mit Anm. 28. Cf. Barrett (1964) ad ; Fauth, Hippolytos und Phaidra II, 480 f. Cf. Hoenn, Artemis, 77 ff.

69 Euripides, Hippolytos Stephanephoros φοίτα δ' άν' αίθέρ', Ιστι δ' έν θαλασσίω κλύδωνι Κύπρις, πάντα δ' έχ ταύτης φυ Im Äther schwebt sie, ist auch in des Meeres Flut, die Göttin Kypris, alles Leben keimt durch sie. Mit dem Prädikat φοίτα wird nicht nur die Brücke zurück zu der die Λίμνη durchschweifenden Artemis geschlagen, es erinnert auch an die berühmten Verse aus dem Eroslied in Sophokles' Antigone 785 f.: φοιτάς δ' υπερπόντιος έν τ' / άγρονόμοις αύλαΐς. Hier wie dort begegnet die gleiche Vorstellung von den Liebesgottheiten, wie sie überall umherschweben; und die kosmische Machtausdehnung Aphrodites auf den Äther und das Meer in seiner Gesamtheit bei Euripides steht in deutlichem Kontrast zur lokalen Begrenztheit der Λίμνη als Ort der troizenischen Artemis-Verehrung. Fern von jeder Begrenzung ist auch die Darstellung der Aphrodite als Erzeugerin alles Lebendigen, der wir schon in Aischylos fr. 44 im Munde der Aphrodite selbst begegneten, als sie sich als Wirkerin der Hochzeit zwischen Uranos und Gaia und der aus ihr hervorgehenden Vegetation bezeichnete. Die Eigenschaft als beinahe schon abstraktes Lebensprinzip, zu dem die Amme Aphrodite auch noch in den nächsten Versen stilisiert, indem sie ihr das Verlangen als Urgrund alles Irdischen zuordnet, geht in dieser Rede Hand in Hand mit dem Aspekt der eifernden Aphrodite, die mit ihrer Rache all denen zusetzt, die sich über sie erhaben glauben: Κύπρις γαρ ού φορητόν ήν πολλή ή τόν μέν εΐχονθ' ήσυχη μετέρχεται, δν δ' αν περισσόν και φρονοϋνθ' εϋρτ] μέγα, τοϋτον λαβοϋσα πώς δοχεϊς καθύβρισεν. Denn Kypris, wenn sie heftig tobt, erträgt man nicht, die den ihr Weichenden verfolgt in aller Ruh, doch wen sie stolz und eingebildet findet, den ergreift sie und mißhandelt ihn, eh' man 's gedacht. Die Aspekte des ausgesprochen Personhaften, beschrieben in Anlehnung an Aphrodites eigene strafandrohende Worte im Prolog, 203 und des Uberpersönlich-Abstrakten - eine Kombination, mit der die neueren Interpreten Schwierigkeiten haben, 204 fließen in der Rede der Amme ohne weiteres Cf. 6: σφάλλω 5' δσοι φρονοϋσιν εις ή μας μέγα. So zieht beispielsweise L.H.G. Greenwood, Aspects of Euripidean Tragedy, nach der Gegenüberstellung der Begriffe "force" und "person" bzw. numen die

70 62 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros zusammen in das eine Bild einer machtvoll-bedrohlichen Göttin, das durch die toposartige Schilderung ihres demoralisierenden Triumphzuges selbst im Olymp eine zusätzliche Abrundung erfährt. Und noch einmal wird Aphrodites Eigenschaft als Meer-Herrin, hier freilich symbolisch überhöht, heraufbeschworen, wenn die Amme an Phaidra die rhetorische Frage richtet ( ):... ές δέ τήν τύχην / πεσοϋσ' δσην σύ πώς δν έκνεϋσαι δοκεϊς; - In so gewalt'gen Schicksalsstrom geraten, wie gedenkst du denn herauszuschwimmen?" Was Phaidra angesichts der so versinnbildlichten Vergeblichkeit einer Auflehnung gegenüber der sie bedrängenden Göttin zu tun hat, liegt für die Amme auf der Hand: ού γάρ δλλο πλήν Οβρις τάδ' έστί, κρείσσω δαιμόνων είναι θέλει ν τόλμα δ' έρώσα- θεός έβουλήθη τάδε.... Denn nichts anderes a Is Uberhebung ist das, stärker als die Götter sein zu wolln. Nimm's hin, daß du verliebt bist: So will es ein Gott. Das Argument ist nicht frei von Rhetorik und mutet an wie eine Präfiguration dessen, was wenig später als die Theorie vom natürlichen Recht des Stärkeren seine Verfechter in Sophisten vom Schlage eines Thrasymachos finden wird. 205 So tadelt denn auch Phaidra die Amme nicht nur einmal wegen ihrer Geschicklichkeit als Schönrednerin. 206 Bemerkenswert ist dabei, daß sie den καλοί λίαν λόγοι (487), den allzu schönen Worten", jene zerstörerische Kraft zuschreibt, die sonst, wie wir gesehen haben, durchweg mit Aphrodite verknüpft ist. 207 Diese Gleichstellung trägt die Spuren der althergebrachten Verbindung zwischen Aphrodite und Πειθώ, 208 mag aber zugleich auch als diskreter Seitenhieb auf die Hochschätzung des Wortes in zeitgenössischer sophistischer Theorie gemeint sein. 205 Bilanz, daß Euripides die Götter nurmehr als Symbole für Grundgegebenheiten des menschlichen Lebens auftreten lasse, ohne an ihre personhafte Existenz zu glauben. Siehe bes. S. 36: "... the gods are adequate symbols of that which is wholly real and vitally important in the lives of men." Cf. infra, 81 Anm Cf , , Die der Überredungskunst eigene Fähigkeit, die Seele nach Belieben zu formen, beschreibt ausführlich Gorgias in seinem Enkomion der Helena Β 11, (II Diels-Kranz), freilich im Dienste einer Apologie der Helena, die, falls sie der πειθώ des Paris zum Opfer gefallen sei, nicht beschuldigt werden dürfe. 208 Zu deren kultischen Wurzeln s. oben, 25.

71 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 63 Daß die Amme ihre Überredungskünste so uneingeschränkt in den Dienst der Aphrodite stellt, ist durch ihre feste Bindung an Phaidra überzeugend motiviert. Ihren Tod durch Nahrungsverweigerung will sie um jeden Preis verhindern, und hinter der Bedingung, die sie 493 f. für ein weniger manipulatorisches Vorgehen gerne erfüllt gewußt hätte - εί... /... σώφρων δ' οΰσ' έτύγχανες γυνή; wenn du nur eine besonnene Frau wärest..." offenbart sich eine genaue Kenntnis des Charakters ihrer Herrin. In diesem Lichte scheint ihr sentenzartiger Kommentar 358 f. unmittelbar nach dem Bekenntnis Phaidras - οί σώφρονες γάρ ούχ έκόντες, άλλ' δμως / κακών έρώσι - ein bloß rhetorisches Paradoxon. Denn eben weil ihr die σωφροσύνη abgeht, ist Phaidra ein so wohlfeiles Werkzeug in den Händen der Aphrodite. Nur wo eine Anfälligkeit für den von ihr vertretenen Bereich schon vorhanden ist, kann die Göttin mit einem Erliegen sicher rechnen. So ist es auch wieder Phaidras Charakter, der dazu beiträgt, daß sie, freilich gegen ihren Willen, immer tiefer in das rhetorische Fangnetz der Amme sich verstrickt und auf deren Geschick, das von ihr Verabscheute als das ihr eigentlich Zuträgliche darzustellen, nurmehr mit instinktiver Ablehnung reagiert, ohne noch einer sachlich-vernünftigen Überlegung fähig zu sein ä μή σε πρός θεων, εΰ λέγεις γάρ αισχρά δέ, πέρα προβης τωνδ' ώς υπείργασμαι μέν εΰ ψυχήν Spam, τάισχρά δ' ή ν λέγης καλώς ές τοΰθ' δ φεύγω νυν άναλωθήσομαι. Ο bei den Göttern, denn du redest schön den Schimpf, geh' weiter nicht; so wohl bereitet bin ich im Gemüt für Liebe, daß ich, wenn die Schande du beschönigst, in den Abgrund sinke, den ich ßieh'. Bemerkenswert ist hier die Art, wie Phaidra ihre Gemütsverfassung mit einer Metapher aus dem Bereich der Landwirtschaft beschreibt: Ύπεργάζεσθαι bedeutet pflügen, den Boden für die Saat bereiten" 209 ; und diese von ihr selbst zugegebene Empfänglichkeit - für die Amme eine Garantie, daß sie ihre Überredungskünste nicht vergeblich einsetzt - ist von der Angst vor Schande nur überlagert, allerdings auf eine so hartnäckige Weise, daß ihrer Gesprächspartnerin nichts anderes übrig bleibt, als auf das letzte Mittel in ihrem rhetorischen Repertoire, das der Zweideutigkeit, zurückzugreifen. Phaidras Verstand wird so gleichsam eingelullt in die Illusion, ihren moralischen Prinzipien werde kein Abbruch getan, wenn sie die Amme 209 Cf. Barrett (1964) ad

72 64 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros gewähren lasse, obwohl der noch verbliebene Rest eines klaren Denkvermögens sie deren eigentliches Ansinnen durchaus erahnen läßt. Da manche Interpreten die Doppeldeutigkeit der Worte, mit denen die Amme ihre weiteren Schritte ankündigt, in Zweifel gezogen haben, ist es wohl der Mühe wert, sie noch einmal näher zu betrachten. Deutungsschwierigkeiten bereitete schon ihre unmittelbare Reaktion auf Phaidras beschwörende Bitte, von ihrer Schönrednerei abzulassen: εΐ τοι δοκεϊ σοι, χρήν μέν oö σ' άμαρτάνειν, εί δ' οΰν, πιθοϋ μοι δευτέρα γαρ ή χάρις. Die Verknüpfung dieser beiden Verse hielt Wilamowitz für so wenig nachvollziehbar, daß er den ganzen Passus hinter v. 515 transponieren wollte, wobei er am Beginn von v. 508 εί δ' oöv durch είεν zu ersetzen vorschlug. 210 Daß eine solches Vorgehen in diesem Fall durchaus nicht notwendig ist, zeigt eine von Ammendola vorgeschlagene Ubersetzungsmöglichkeit, die hier noch einmal ausgeführt werden soll: "Wenn du das für richtig hältst (i.e. daß ich nicht weiter gehen soll mit meinen Ratschlägen), dann hättest du dich gar nicht erst verfehlen dürfen (i.e. dann hättest du der Leidenschaft von Anfang an keinen Raum in deinem Herzen geben dürfen)". 211 Da du dich aber nun einmal verfehlt hast, 212 höre auf mich! Das Zweitbeste nämlich ist die Liebenswürdigkeit bzw. das gewährende Entgegenkommen.' 213 Die Handlungsmöglichkeiten Phaidras werden hier ihrem Rang nach abgestuft: Das Beste wäre es gewesen, die Fäden selbst in der Hand zu behalten und das aufkeimende Gefühl irgendwie einzudämmen. Da ihr das aber nicht gelungen ist, empfehle es sich nun, so der Rat der Amme, die Angelegenheit vertrauensvoll an sie selbst zu delegieren. Es folgen raffiniert in der Schwebe gehaltene Andeutungen, mit denen die Amme sich die Zustimmung ihrer Herrin für ein eigenmächtiges Vorgehen erschleicht: Cf. U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Analecta Euripidea, Berlin 1875, 214. Als Irrealis der Vergangenheit versteht die mit χρήν eingeleitete Konstruktion schon der Scholiast:... έδει σε μηδέ τήν άρχήν άμαρτάνειν έρασθεϊσαν. Et 8' ούν ist im Sinne von έπεί δ' ούν zu fassen. Zu εί δ' ούν ist ήμαρτες zu ergänzen. Χάρις ist in dieser Situation als der Gefallen, der Amme zu gehorchen" zu verstehen; cf. Barrett (1964) ad loc. Verfehlt ist wohl Ammendolas piacere", da dieses Wort zu stark den Gedanken an eine von der Amme vorausgesagte Liebeserfiillung evoziert und damit auf eine Eindeutigkeit hinausläuft, die, wie wir noch sehen werden, mit dem Tenor des ganzen nachfolgenden Passus nicht vereinbar ist.

73 Euripides, Hippolytos Stcphanephoros Ιστιν κατ' οίκους φίλτρα μοι θελκτήρια έρωτος, ήλθε δ' αρτι μοι γνώμης έσω, ä σ' οοτ' έπ' αίσχροϊς οδτ' έπΐ βλάβη φρενών παύσει νόσου τήσδ', fjv σύ μή γένη κακή. Ich hab' im Hause Mittel der Bezauberung in Liebesdingen, eben kommt mir's in den Sinn, die ohne Schmach und Sinnverwirrung dieses Weh beenden werden, außer wenn du feige bist. Anknüpfend an ihre schon vorher 214 ins Gespräch geflochtene vage, und ihrerseits doppeldeutige Bemerkung, es gebe für Krankheiten wie die Phaidras Inkantationen" (έπωδαί) und Zaubersprüche"; und ein passendes φάρμακον werde sich schon finden, geht die Amme nun scheinbar zu Handfesterem über: Sie verspricht Abhilfe durch Zaubermittel aus ihrem eigenen Besitz, denen der ihnen beigegebene objektive Genitiv έρωτος sei's eine Liebe weckende, sei's eine sie zum Erliegen bringende Kraft zuschreibt. Es ist ein geschickter Schachzug der Überredung, daß als ein Charakteristikum ihrer Anwendung neben der bei derlei Mitteln nicht selbstverständlichen Unschädlichkeit für die Sinne besonders das Ausbleiben der von Phaidra so sehr befürchteten Schande hingestellt wird. Doppeldeutig ist dann wieder die Ankündigung eines Endes ihrer Krankheit, die ebensogut auf eine Erfüllung der Liebe zu Hippolytos wie auf ihr Erlöschen gehen kann. In einem zweiten Schritt spricht die Amme von der Notwendigkeit, ein σημειον des Hippolytos heranzuschaffen, wobei sie es, wie schon Phaidra in der Enthüllungsszene, geflissentlich vermeidet, ihn bei seinem eigentlichen Namen zu nennen, ihn vielmehr als den Ersehnten" umschreibt. Zusammen mit dem Mittel" soll das σημεΐον seine Wirkung tun: συνάψαι τ' έκ δυοϊν μίαν χάριν aus zwein zu knüpfen eine einzige Genugtuung." Man hat hier χάρις als ausschließlich erotisch auffassen wollen, doch scheint es mir für die Interpretation der Stelle gewinnbringender, mit Barrett dieser Deutungsmöglichkeit eine zweite an die Seite zu stellen, nach der χάρις auch als die in Verbindung mit einem erfolgreichen antaphrodisischen Zauber zu erwartende emotionale Erleichterung aufgefaßt werden könnte, ist es doch eben diese Doppeldeutigkeit, die es der Amme ermöglicht, gleichsam unter den Schutzpanzer der moralischen Bedenken Phaidras vorzudringen. Mit ihrer Frage nach der Natur des Mittels - πότερα δέ χριστόν ή ποτόν τό φάρμακον; - hält denn auch Phaidra, zumindest an der Oberfläche und zu ihrer eigenen Beruhigung, die Fiktion Cf Cf. 515.

74 66 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros eines antaphrodisischen Zaubers, der an ihr selbst durch eine Salbe oder einen Trank vollzogen werden könnte, aufrecht, doch müßte sie freilich die ausweichende Antwort der Amme im höchsten Grade alarmieren: ούκ οϊδ': όνάσθαι, μή μαθεΐν, βουλου, τέκνον - Ich weiß nicht. Laß dir helfen, statt zu fragen (wörtl.: wolle, daß man dir hilft, nicht daß du erfährst), Kind." Hier zeigt sich, daß die Mittel" der Amme nicht dinglich gemeint sein können, ja daß sie nur vorgeschoben sind, um ein anderes Ansinnen zu verschleiern. Diese Erkenntnis muß wohl auch Phaidra zugebilligt werden, doch ist ihr Widerstand an dieser Stelle schon so weit zusammengeschmolzen, daß sie sich nur zu einer Äußerung von Furcht vor allzu großer Schlauheit auf Seiten der Amme durchringen kann. Auf die Frage nach dem Gegenstand ihrer Furcht faßt sie das von ihr Erahnte vorsichtig in Worte, und das auch ihrerseits wieder ohne den Namen ihres Stiefsohnes direkt auszusprechen: μή μοί τι Θησέως τώνδε μηνύσης τόκω - daß du davon dem Theseussohne etwas sagst." Doch statt an dieser Stelle die Konsequenz aus ihrer Angst zu ziehen und jedes weitere Handeln der Amme energisch zu unterbinden, begnügt sie sich mit deren vagem Versprechen, die Angelegenheit schon in Ordnung zu bringen. Das ganze Gespräch hindurch steht die Amme im Dienst der Aphrodite, indem sie, wie wir im einzelnen aufgezeigt haben, die Rolle der so oft der Liebesgöttin, sei's als Person, sei's als Abstraktum, zugesellten πειθώ auf virtuose Weise übernimmt. Entsprechend ihrer subalternen Stellung sehen wir sie als Anwältin der triebhaften Bewußtseinsschichten Phaidras. Nicht nur bringt sie das Geheimnis ihrer Leidenschaft an den Tag, sie sichert sich durch das schrittweise Außer-Kraft-Setzen des moralischen Widerstands Phaidras auch die Freiheit, das einmal Enthüllte weiter zu tragen. So wird sie, wenngleich getrieben von der wohlmeinenden Absicht, das Leben ihrer Herrin zu retten, zur Vollstreckerin der zerstörerischen Pläne Aphrodites. Dabei liegt eine tragische Ironie darin, daß sie die Göttin, deren unbewußte Handlangerin sie ist, nun ihrerseits um Hilfe anfleht, und das ausgerechnet da, wo ein Scheitern schon programmiert ist: in ihrem Ansinnen, Hippolytos in der Hoffnung auf Erhörung die Leidenschaft seiner Stiefmutter zu enthüllen μόνον σύ μοι, δέσποινα πόντια Κύπρι, συνεργός εΐης: ταλλα δ' of έγώ φρονώ τοις ϊνδον ήμϊν αρκέσει Χέξαι φίλοις. Daß du nur, Herrscherin der Meere, Kypris, mir Gehilßn seist. Das andre, das ich hab' im Sinn, es wird genügen, wenn ichs drin den Freunden sag'.

75 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 67 Wenn Aphrodite hier wieder in ihrer Eigenschaft als Meerherrin angerufen wird, so wird dadurch einerseits im Zuhörer noch einmal die im Drama schon eingangs an die Weite des Meeres geknüpfte Vorstellung von der alles umgreifenden Machtausdehnung der Liebesgöttin wachgerufen, andererseits verweist der Titel δέσποινα πόντια zurück auf v. 415, wo Phaidra ihn bezeichnenderweise in ihre betont distanzierte Schmähung heuchlerischer Ehebrecherinnen eingeflochten hatte. Die so geschlagene Brücke verdeutlicht auch auf formale Weise, daß es der Ehebruch ist, auf den die Bemühungen der Amme hinauslaufen und für dessen Zustandekommen sie Aphrodite um Hilfe bittet. Was aber für den Zuschauer bzw. Leser klar sein dürfte, wird von der Amme angesichts der Gegenwart Ρ haidras nach wie vor in der Schwebe gehalten und der bevorstehende Gang zu Hippolytos durch den vagen Plural φίλοις verschleiert. Einen Punkt des Verweilens in der Enthüllung der Leidenschaft Phaidras zunächst vor der Amme, dann vor Hippolytos, bezeichnet das an dieser Stelle eingeschobene I. Stasimon. Inmitten der sich überstürzenden Ereignisse, die der Katastrophe unaufhaltsam näher schreiten, bietet es eine lyrische Auseinandersetzung mit der Ursache des kommenden Unheils, der zerstörerischen Kraft eines feldherrnhaft wuchtigen Eros, der im Schatten der zur großen Zürnenden stilisierten Aphrodite ausschließlich als Schrecken erregender Despot hingestellt wird "Ερως Έρως, δ κατ' όμμάτων στάζεις πόθον, είσάγων γλυκεΐαν ψυχα χάριν οϋς έπιστρατεύστ), μή μοί ποτε σύν κακω φανείης μηδ' άρρυθμος έλθοις. οδτε γάρ πυρός οοτ' άστρων ύπέρτερον βέλος, οίον τδ τας Άφροδίτας ΐησιν έκ χερών Έρως, ό Διός παις. Eros, der du über die Augen Liebessehnsucht träufelst, süße Wonne in Herzen hineinsenkst, gegen die du zu Felde ziehst, nie mögest du mir, Übles im Geleit, dich offenbaren, noch im Unmaß kommen. Denn nicht des Feuers noch der Sterne Geschoß ist mächtiger als das der Aphrodite, wenn es entsendet aus den Händen Eros, Sohn des Zeus. Der erste Teil der Strophe ist im Stil eines Hymnus gehalten, allerdings, wie sich zeigen wird, eines pervertierten, bei dem der verehrungsvoll-

76 68 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros unmittelbare Götterpreis der traditionellen Gebetssituation eine deutliche Brechung erfährt. Die Epanalepse im Anruf ist nicht nur ein bekanntes Markenzeichen für die Gebetsform des Hymnus, 216 sie schafft auch eine Verbindung zum Preislied der Jäger auf Artemis, wie sie als Gefolgschaft des Hippolytos eingezogen waren mit den Worten πότνια πότνια σεμνοτάτα. 217 Wenn sich der feierlichen κλήσις im traditionellen Hymnus gewöhnlich eine pars epica 218 anschließt, in der die gepriesene Gottheit in Hinblick auf ihre Abkunft und die von ihr bevorzugten Stätten des Aufenthalts gleichsam geortet", zuweilen aber auch an vergangene, dem Beter gewährte Wohltaten erinnert wird, tritt in unserem Chorlied an diese Stelle eine Art Charakterisierung der Tätigkeit des Eros. Daß die Augen als ein Moment der Manifestation und Übertragung von Liebe beschrieben werden, ist in der griechischen Dichtung ein beliebter Gemeinplatz. 219 Hier wohnt dem Bild eine besondere Dynamik inne, die auf die Doppeldeutigkeit des Wortes πόθος im gegebenen Zusammenhang zurückgeht: Es meint zunächst einmal den Reiz des geliebten Menschen, der in der Art einer fast gegenständlichen Wirkkraft von seinen Augen her auf den Liebenden ausstrahlt, 220 dann aber auch dessen eigene Sehnsucht, die im Blick des anderen die Aussicht auf Erfüllung zu erhaschen sucht. Ein ähnlich ausdrucksstarkes Bild für die Strömungen zwischen Liebendem und Geliebtem bietet ein Fragment des Ibykos, 221 wo aus den Augen eines Knaben Eros den Dichter bezaubert. 222 Hier wie dort sind Eros bzw. πόθος wirksam im Antlitz dessen, der geliebt wird, und das machtvolle Empfinden, das die Liebenden in Bann hält, wird damit gänzlich, oder doch zu einem guten Teil, auf den Gegenstand ihrer Liebe projiziert, während sie selber als wehrlose Opfer erscheinen. So werden sie dann auch bei Euripides in der uns aus dem Eroslied der Antigone schon hinreichend bekannten militärischen Metaphorik beschrieben als diejenigen, gegen die Eros zu Felde zieht"; und der gewaltsame, in die Knie zwingende Zugriff des Gottes, der in dieser Ausdrucksweise eingefangen ist, wird im vierten Stasimon auf ganz ähnliche Weise noch einmal mit der Vokabel έφορμάσϊ] 21 Cf. W. Kranz, Stasimon. Untersuchungen zu Form und Gehalt der griechischen 217 Tragödie, Berlin 1933, 133. Cf Der Terminus erstmals bei C. Ausfeld, De Graecorum precationibus quaestioncs", 219 Neue Jahrbücher Suppl. 28, 1903, 515 ff. Cf. Barrett (1964) ad loc. 220 Vgl. dazu oben, Cf. fr. 287 Page Έρως αύτέ με κυανέοισιν υπό / βλεφάροις τακέρ' δμμασι δερκόμενος / κηλήμασι παντοδαποΐς ές άπει- / ρα δίκτυα Κυπριδος έσβάλλει Zum ganzen Komplex s. G. Müller (1967) ad Soph. Ant. 795 f.

77 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 69 - auch sie zuweilen Bezeichnung eines kriegerischen Ansturms veranschaulicht. Was dann folgt, ist eine innerhalb des Schemas eines kletischen Hymnus überraschende, ihrerseits freilich wiederum in der Tradition der Epiphanie- Angst 224 stehende Abweichung der Bitte an die Gottheit, dem Beter sich zu offenbaren, für die als typische Anfangsformeln die Imperative έλθέ, βαίνε, ίκοϋ, μόλε 225 im Gebrauch waren. Vergleicht man nur einmal Sapphos berühmten Aphrodite-Hymnus, 226 dann fällt sofort ins Auge, daß die unbefangene, ja fast freundschaftliche Vertrautheit, mit der die Dichterin dort in der das Gedicht gleichsam rahmenden Aufforderung 2λθε 227 ihre persönliche Schutzgöttin um Beistand anfleht, den denkbar größten Kontrast bildet zu der Haltung, die der Chor bei Euripides einnimmt: Sein Zurückschrecken vor einem allzu heftigen Eros läßt das traditionelle Element des Herbeirufens der im Gebet angesprochenen Gottheit zur deprecatio werden. Und wenn danach die Begründung für Angst und Abwehr des Chores gegeben wird, so ist es das Bild eines Pfeilschusses, 228 in dem die Gewalt und Treffsicherheit des Eros ausgemalt wird. Wir sehen ihn dabei freilich nur als den Schützen eines Geschosses, das eigentlich Aphrodite gehört, und auf diese Weise wird er, ähnlich wie wenn er bei Ibykos den Dichter ins Netz der Aphrodite wirft", 229 als Wirkkraft einer noch mächtigeren, hinter ihm stehenden Göttin charakterisiert - gleichsam ein personifizierter Ausfluß ihres Wesens. 230 Zu Beginn des letzten Verses der Strophe kommt, durch die anastrophische Verzögerung mit einem besonderen Akzent versehen, Eros als das Subjekt zum Entsenden des Pfeiles zu stehen. Zugleich wird damit, anknüpfend an den ersten Vers, auch ein Rahmen gebildet, und zur wirkungsvollen Bekräftigung der bis dahin in vielerlei Bildern geschilderten Macht des Eros erscheint er nun als Sohn des Götterkönigs Zeus - eine ad Cf. LSJ 746 s.v. έφορμάω II. Siehe z.b. Horn. Od. 13, 229 χαϊρέ τε xcd μή μοί τι κακώι νόωι άντιβολήσαις. Cf. Ε. Norden, Agnostos Theos. Untersuchungen zur Formengeschichte religiöser Rede, Leipzig 1923, S Fr. 1 L.-P. Ibid., Z. 5, 25. Zu diesem Bild und seinem Gebrauch bei Euripides s. unten, 111/112. Siehe umseitig, Anm Diese treffende Art der Umschreibung bei W. Engel, Kypros. Eine Monographie, II. Teil, Berlin 1841, 347.

78 70 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros hoc-genealogie des Dichters für den je nach gedanklichem Zusammenhang mit immer wieder anderen Eltern bedachten Gott. 231 Von der allgemeinen Verkennung des ungeheuren destruktiven Potentials, über das Eros verfügt, handelt die Gegenstrophe: δλλως άλλως παρά τ' Άλφεω Φοίβου τ' έπί Πυθίοις τεράμνοις βουταν φόνον Ελλάς <αγ> άέξει "Ερωτα δέ, τόν τυραννον άνδρων, τόν τας Άφροδίτας φιλτάτων θαλάμων χλτ)δοϋχον, ού σεβίζομεν, πέρθοντα χαΐ δια πάσας ίέντα συμφοράς θνατούς, 232 δταν δλθτ)- Vergebens läßt beim Alpheios, vergebens in Apollos pythischen Hallen das griechische Land der Rinder Blut sich mehren; indessen wir Eros, der Menschheit Zwingherr, den Hüter des Schlüssels zu Aphrodites wonnevollen Gemächern, nicht verehren, wiewohl er doch zu Grunde richtet und durch alle Arten von Unglück treibt die Menschen, wann immer er kommt. Der Fluß Alpheios steht für das von ihm südlich begrenzte Olympia, die pythischen Hallen" deuten unmißverständlich auf Delphi; und so werden die zwei größten panhellenischen Stätten der Zeus- bzw. der Apollon- Verehrung zu Stellvertretern für alle bedeutenden existierenden Kulte, an denen freilich Eros, so der Chor, verhängnisvollerweise keinen Anteil habe. Das Bedauern über eine derartige Fehleinschätzung eines der mächtigsten Götter überhaupt begegnet in ähnlicher Form auch in Piatons Symposion, als Einleitung des Aristophanes für seine Eros-Rede. 233 Zwar gab Cf. Barrett (1964) ad loc. Die Handschriften überliefern an dieser Stelle ιόντα... θνατοϊς, und man hat versucht, diese Lesart zu halten, im Glauben, sie könne bedeuten verwickelnd die Sterblichen in alle Arten von Unheil."Die Fehlerhaftigkeit einer solchen Übertragung hat Barrett (1964) ad loc. aufgezeigt, und zwar an Hand von zahlreichen Beispielen, die allesamt belegen, daß in Fügungen in der Art von δια μάχης Ιέναι τινί der Genitiv nach διά immer eine Aktivität oder einen Zustand bezeichnet, in welchem das zu Ιέναι gehörige Subjekt im gegebenen Augenblick sich übt bzw. sich befindet. Da aber ein in Unheil verwickelter Eros"an dieser Stelle wahrhaftig nichts zu suchen hat, hat Diggle wohl zu Recht die emendatio von Dobree und Nauck - ίέντα... θνατούς - in den Text übernommen. 233 Qf p[ gy m p i8g Q γ&ρ δοκοϋσιν άνθρωποι παντάπασι τήν τοϋ έρωτος δύναμιν ούκ ήισθήσθαι, έπεί αίσθανόμενοί γε μέγιστ' αν αύτοϋ ίερα κατασκευάσαι καΐ βωμούς, καΐ θυσίας αν ποιεΐν μεγίστας, ούχ ώσπερ νυν τούτων ουδέν γίγνεται περί αυτόν, δέον πάντων μάλιστα γίγνεσθαι.

79 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 71 es einen nicht unbedeutenden Eros-Kult zu Thespiai in Boiotien. Hier, in der Heimat Hesiods, wurde der Gott in der Gestalt eines άργός λίθος, eines rohen Steines, von alters her verehrt, und in klassischer Zeit hat man daneben den Eros des Praxiteles, den der Bildhauer selbst unter seine vollkommensten Werke zählte, 234 und den Eros des Lysippos gestellt. 235 Freilich ist der Kult aus seiner lokalen Begrenztheit nie zu panhellenischer Tragweite aufgestiegen, und auch die zwei Anhaltspunkte für eine Verehrung des Eros in Athen, der von Pausanias beschriebene, laut Gründungslegende wohl ins ausgehende 6. Jh. zu datierende Altar des Eros am Eingang der Akademie 236 sowie die Uberlieferung eines Festes zu Ehren des Eros am vierten Tag des Mounychion, 237 also um die Monate April, Mai unseres Kalenders, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß Eros, den übrigens noch Homer nur als ungöttliches Wort, nicht als Gott kennt, in der Kultlandschaft der Griechen eine eher untergeordnete Rolle zukam. Von diesem Hintergrund eines verkannten und verharmlosten Gottes setzt nun der Chor sein Bild von einem universalgewaltigen Eros ab. Da ist zunächst seine Stilisierung zum τύραννον άνδρών, wie sie auch in der Andromeda begegnet, 238 dann wird ihm, ähnlich wie bei Pindar der Peitho, 239 der Schlüssel zu Aphrodites Gemächern in die Hand gegeben. In genauer Fortführung der ersten Strophe, wo wir ihn das Geschoß der Aphrodite abfeuern sahen, erscheint er also auch hier wieder als Bote, ja Vorbote einer noch größeren Gottheit, symbolisiert das Verlangen, das zur Vereinigung hinführt. Durchdrungen von jener Epiphanieangst, die wir schon in der deprecatio des hymnischen Eingangsteiles mitschwingen hörten, beschreiben die beiden letzten Verse der Gegenstrophe das Kommen des Gottes als etwas stets Verheerendes, die Menschen ins Unglück Stürzendes - ein Phänomen, für das Euripides andernorts den treffenden Begriff der συγχυσις βίου, Zerrüttung oder chaotische Umwälzung des Lebens", gebraucht. 240 Die Umrisse, in denen uns der Chor hier Eros als eine ausschließlich düstere, destruktive Macht vorführt, werden im folgenden Strophenpaar an Hand des Beispiels zweier unheilsbeladenen Hochzeiten mit Leben Cf. Paus. 1, 20, 1. Cf. Paus. 9, 27, 1-3. Cf. Paus. 1, 30, 1. Er schreibt die Gründung des Altars dem Charmos, einem Freund des Tyrannen Hippias, zu. Nach Plutarch, Solon 1, 7 wurde er von Peisistratos, dem Vater des Hippias, feierlich eingeweiht. Siehe dazu J.J. Frazcr ad Paus. 1, 30, 1. So bezeugt es eine Inschrift aus dem 5. Jh. v. Chr., gefunden im Heiligtum des Eros und der Aphrodite auf dem Nordabhang der Akropolis. Siehe O. Broneer, Eros and Aphrodite on the North Slope of the Akropolis", Hesperia 1, 1932, 31 ff. Cf. fr. 136, 1 Kannicht συ δ'ώ θεών τύραννε κάνθρώπων Έρως. Cf. Pi. P. 9, 39 κρυπταΐ κλαΐδες έντί σοφάς Πειθούς ίεραν φιλοτάτων. Cf. Andr. 291 u. ΙΑ 551.

80 72 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros gefüllt. Dabei fällt der etwas unvermittelte Wechsel von Eros zu Aphrodite auf; unvermittelt freilich nur auf den ersten Blick, war doch Eros im ersten Strophenpaar seiner gewaltigeren Mutter als ihr getreuer Diener und Vorbote untergeordnet worden. Aphrodite, Stifterin der mit viel Leid und Blutvergießen für Oichalia verbundenen gewaltsamen Vermählung der widerstrebenden Iole mit Herakles sowie der für Semele tödlich endenden Hochzeit mit Zeus, ist dem Chor eine Göttin, die in ihrer Gewaltigkeit erschauern macht. Damit wären wir dann auch wieder beim Dreh- und Angelpunkt der Tragödie, dem in der Person des Hippolytos sich manifestierenden Konflikt zwischen den beiden Olympierinnen Artemis und Aphrodite; und daß die Letztere als Siegerin aus ihm hervorzugehen droht, wird, freilich auf sehr subtile Weise, durch ihren Vergleich mit einer Biene nahegelegt (563/64): δεινά γαρ παντα ποτιπνεΐ, μέλισσα δ' / οία τις πεπόταται - Furchtbar nämlich wehet sie überall, und wie eine Biene fliegt sie." Was hier für die Allgegenwart der Aphrodite steht, das Bild der umherschwirrenden Biene, war in der Kranzdarbringung, jenem Auftritt, in dem Hippolytos der verehrten Göttin Artemis huldigt, ein dekoratives Detail, das die anmutige Szenerie der unberührten Frühlingswiese, Spenderin der Blumen für das feierlich übergebene Weihgeschenk, vervollkommnend abrundete. 241 Bei der Verwendung im Zusammenhang mit Aphrodite wird dieses harmlos- spielerische Bild nun allerdings erotisch befrachtet und läßt sich damit einer Vielzahl von Symbolen einreihen, die allesamt darauf hindeuten, wie Aphrodite von dem Refugium der Reinheit, das Hippolytos als seinen Lebensbereich abgesteckt hat, im Laufe des Stückes immer mehr Besitz ergreift. 242 Wenn der Chor sie daher als eine Göttin hinstellt, deren Wirken in Gewalt und verletzenden, ja tödlichen Ubergriffen sich gestaltet, so ist das nur eine Bestätigung ihres für diese Tragödie so prägenden Auftretens als der großen Zürnenden, auf Vernichtung Sinnenden. Das destruktive Element wird nach Art eines Leitmotivs immer wieder mit Kypris in Verbindung gebracht. Es begegnet in einem Ausspruch Phaidras 243 um die Mitte der Tragödie, aber auch in der Dea-ex-machina- Szene. 244 Wohl nicht zufällig wird Aphrodite zweimal in ihrer Eigenschaft als Herrin über die Meere angerufen. 245 Daß sich Euripides zur Versinnbild Cf. 76/77... άλλ' άκήρατον / μέλισσα λειμών' ήρινή διέρχεται. Cf. Ch.P. Segal, "The Tragedy of the Hippolytos", HSCPh 70, 1965, 141. Cf έγώ δέ Κύπριν, ήπερ έξόλλυσί με, /... / τέρψω. Cf. 1401, Cf. 415, 522. Aphrodites Verbindung mit dem Meer wurzelt in dem Mythos von ihrer bei Hesiod und im VI. homerischen Hymnus festgehaltenen Geburt aus dem Wasser.

81 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 73 lichung ihrer zerstörerischen Kraft im Gang der Handlung einer Meer- Symbolik bedient, die in Hippolytos' Vernichtung durch den Stier des Poseidon gipfelt, hat C.P. Segal überzeugend dargetan. 246 Gleichsam zur Abrundung aller über die Tragödie verstreuten Hinweise auf eine das Geschehen vorantreibende Gottheit zieht Artemis in der Deaex-machina-Szene die Bilanz (1327): Κύπρις γαρ ήθελ' ώστε γίγνεσθαι τάδε - Denn Kypris hat gewollt, daß dies geschah." Wenn wir diesem Ausspruch auf dem Hintergrund aller angeführten Stellen den Platz einräumen, der ihm gebührt, so erscheint auch Phaidras νόσος in einem anderen Lichte, und kann nicht etwa als ein ausschließlich neurotisches Phänomen, als Ausdruck eines unterdrückten innerseelischen Konflikts angesehen werden. 247 Freilich ist die psychologische Seite ihres Liebeswahnes mit erstaunlicher Einfühlsamkeit und, wenn man so will, analytischem Scharfblick geschildert. Doch sollte darüber nicht der göttliche Koeffizient"dieses Zustandes aus dem Blick verloren werden, und die bange Frage des Chores ή σύ γ' ένθεος, ώ κούρα (141) sowie seine Aporie, welcher der Götter für Phaidras Wahn verantwortlich zeichne, erhält eine Antwort in der das Zentrum des Stückes bildenden Entrückungsode": άνθ' ών, ούχ όσιων έρώτων δείνα φρένας Άφροδίχας νόσω κατεκλάσθη Wurden deshalb die Sinne durch den furchtbaren Wahn sündiger Leidenschaft ihr zerbrochen? Aphrodite-gesandten Αφροδίτας νόσω - daß an so exponierter Stelle der krankhafte Zustand Phaidras ohne weiteres auf seine göttliche Urheberin zurückgeführt wird, sollte zu denken geben, wenn wir uns nun, auch am Beispiel dieser Tragödie, noch einmal das spezifisch Euripideische im Umgang mit dem νόσος- Motiv vergegenwärtigen wollen. Es wird hier, ebenso wie im Diktys, mit dem Problem der freien Entscheidung eng verknüpft. So betrachtet sich Phaidra als das unfreiwillige Opfer eines ebenso unfreiwilligen Vernichters (319): φίλος μ' άπόλλυσ' ούχ έκοϋσαν ούχ έκών. Die Amme bringt es auf die um einiges provokativere verallgemeinernde Formel (358/59): ol σώφρονες γαρ ούχ έκόντες, άλλ' δμως / κακών έρώσι "The Tragedy of the Hippolytus", 120-Ende. In diesem Sinne E.R. Dodds, "The ΑΙΔΩΣ of Phaedra and the Meaning of The Hippolytus", in: CR 39, 1925, 102. Ähnlich neuerdings G.J. Fitzgerald, "Misconception, Hypocrisy, and the Structure of Euripides' Hippolytus", Ramus 2, 1973,

82 74 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Die Einsichtsvollen nämlich haben nicht aus freien Stücken, aber dennoch nach dem Niedrigen Verlangen." Im Zusammenhang damit, was sie im Anschluß über das hinter der Bezeichnung Kypris sich verbergende, in dem gewaltigem Ausmaß seiner zerstörerischen Kraft den traditionellen mythologischen Rahmen sprengende Numen zu sagen hat, sind diese Verse der Amme wohl so zu verstehen, daß auch, wer sich um Besonnenheit bemüht, nicht gefeit sei gegen Leidenschaften, wenn sie ihm von einer übermenschlichen Macht eingeflüstert werden, der er nicht gewachsen ist. Wir hatten freilich oben schon erwähnt, daß die Amme dieses Dictum in den Dienst jener Rhetorik stellt, mit der sie Phaidra davon überzeugen will, daß es zwecklos ist, sich gegen die Liebe aufzulehnen. So zählt sie ihre Herrin in einer Art captatio benevolentiae unter die σώφρονες, obwohl sie ebenso wie Hippolytos weiß, daß ihr die Tugend des Maßhaltens eigentlich abgeht. 248 Doch immerhin hat Euripides sie mit einem Schamgefühl ausgestattet, das sie, wäre die Amme nicht gewesen, in den Tod hätte gehen lassen, um eine Enthüllung ihres Geheimnisses zu verhindern. Gegen ihre unselige Leidenschaft, die sie selbst als etwas von außen Auferlegtes empfindet, 249 kämpft sie an, soweit es in ihren Kräften steht, 250 und so bleibt auch die Spannung zwischen der mythologischen und psychologischen Erklärung ihrer Leidenschaft für Hippolytos unaufgelöst. In einem ganz anderen Licht erscheint diese Spannung, wenn wir in den Troades, jenem 415 v.chr. aufgeführten Stück aus dem Spätwerk des Euripides, die von Menelaos mit dem Tode bedrohte Helena der Troades in ihre Bitte um Nachsicht das νόσος-μοίϊν einflechten sehen: μή, πρός σε γονάτων, τήν νόσον τήν των θεών προσθείς έμοί χτάνης με, συγγίγνωσχε δέ. Was Helena Menelaos hier vorwirft, ist eine translatio criminis: Er laste ihr etwas an, das recht eigentlich in den Göttern seinen Ursprung habe. Hat ein solches Argument am Ende eines Redeagons, in dem Hekabe als Sprachrohr der Lehre von der menschlichen Verantwortlichkeit aufgetreten ist, noch irgendeine Schlagkraft? Cf. supra, 62. In den vv spricht Hippolytos seiner Stiefmutter das für sich selbst in Anspruch genommene σωφρονεΐν als Wesensmerkmal ab, wobei man allerdings bedenken muß, daß der Bedeutungshorizont dieses Wortes für ihn in der Keuschheit sich erschöpft. Siehe auch C.P. Segal, "The Tragedy of the Hippolytus", 139. Siehe die Wendung Κύπριν χρατήσαι in ihrer Rede an die troizenischen Frauen 400 f. Nicht umsonst wird wiederholt auf ihre adlige Gesinnung und auf ihr Bestreben, diese trotz allem zu bewahren, hingewiesen: 47, , 717.

83 Euripides, Troades 75 Diese Frage vor Augen, soll nun die Helena-Szene als Ganzes Gegenstand unserer Betrachtung sein. Dramentechnisch wird sie allein schon dadurch gebührend herausgehoben, daß ihr der zweite Prolog des Menelaos vorangestellt ist. 251 Er kündigt die Bestrafung Helenas mit dem Tode an, sobald man in Griechenland angelangt sei, und es ist die Hoffnung, daß er seinen Beschluß verwirklichen wird, die Hekabe den Anlaß zu ihrem berühmten Zeusgebet gibt ( ): ώ γης δχημα κάπ'ι γης έχων δραν, Ζευς, ζΐτ' άνάγκη φύσεος είτε νοϋς βροχών, προσηυξάμην σε πάντα γαρ δι' άψόφου βαίνων κελεύθου κατά δίκην τά θνήτ' άγεις. Was sich in diesen Worten ausdrückt, ist der soeben neu gespeiste Glaube an einen Gott, der die Angelegenheiten der Menschen κατά δίκην lenkt; und dabei ist es bezeichnend, daß Hekabe diesen Glauben offenbar nicht mit den traditionellen Göttervorstellungen in Einklang bringen kann, daher das Ringen um eine treffende Bezeichnung der angerufenen Gottheit. Die Begriffe, die in dem Gebet als Umschreibungen des Zeus erwogen werden, sind von den Überlegungen zeitgenössischer Naturphilosophie beeinflußt. Mit γης δχημα. Stütze der Erde" in v. 884 ist der Äther gemeint, 252 der einerseits bei Anaximenes und Diogenes von Apollonia als eine Grundsubstanz figurierte, andererseits auch in den theologischen Lehren der Orphiker eine wichtige Rolle spielte. 253 Für die Benennung des Zeus als άνάγκη φύσεος hat man an verschiedene Quellen gedacht, unter anderem an Heraklit 254 und die Atomisten. 255 Dagegen hat Heinimann das Nächstliegende vermutet, daß nämlich hier die im ausgehenden fünften Jahrhundert besonders unter den Sophisten sehr lebhaft geführte Debatte über den Begriff der άνάγκη φύσεως oder φύσις άναγκαία ihre Spuren hinterlassen habe, jene Debatte, zu der die naturwissenschaftlich-medizinische Erklärung der Welt und des Menschen Cf. M. Lloyd, The Agon in Euripides, Oxford 1992, 100. Cf. Matthiessen, Hermes 96, 1968, 699 ff. Zur Bedeutung des Äther bei Anaximenes und Diogenes s. Simpl. Phys. 25,1 = D.-K. 64 A 5. Vgl. ferner Eur., fr. 877 Kannicht άλλ' αίθήρ τίκτει σε, κόρα, / Ζευς δς άνθρώποις όνομάζεται und fr Stellenbelege für die Orphiker bei O. Kern, Orphicorum Fragments, 1922 im Index 375 f. Siehe auch H. Kleinknecht, Die Gebetsparodie in der Antike, Hildesheim 1967, 23. Siehe schon L. Parmentier, Etudes sur Euripide et Anaxagore, Paris 1893, 70 ff., ferner Wilamowitz in der Einleitung zur Ubersetzung der Troianerinnen"(Griech. Tragödien 3, 5. Aufl., [Berlin 1919], 283 Anm. 1). Cf. e.g. Η. Diels, Rhein. Mus. 42, 1887, 12 Anm. 2.

84 76 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros genügend Nahrung bot. 256 Heinimann verweist auf den ersten Antiphon- Papyrus, der uns einen Einblick in die wesentlichen Gedanken dieses Sophisten gewährt: Der Kosmos und somit auch der Mensch ist für ihn einer άνάγκη φύσεως unterworfen, was für den Menschen die Bindung an bestimmte, seinem Wesen gemäße άναγκαϊα mit sich bringt. Uberschreitet er diese die absolute Norm bildenden Gesetze, was einem Handeln gegen die φύσις gleichkommt, so wird er notwendig geschädigt. 257 Das ist nun freilich eine sehr mechanistische Erklärung für das Vorhandensein einer kosmischen Gerechtigkeit, doch hat H. Diller darauf aufmerksam gemacht, daß im medizinischen Schrifttum der Hippokratiker eine eher teleologische Auffassung von der Physis vorherrscht. Sie ist dort mit einem Streben zur Selbstwiederherstellung nach jeder störenden Einwirkung von außen ausgestattet, hat also den Charakter eines ausgleichenden Prinzips zum Guten hin; 258 und es spricht einiges dafür, einen solchen Hintergrund für das Gebet einer Frau anzunehmen, die sich nach allem Leid, das sie erfahren hat, eine Kompensation erhofft, die zugleich auch das auslösende Moment des ganzen Elends, in ihren Augen Helena, beseitigt. Ob nun die versuchte Umschreibung des Zeus als νοϋς βροχών auf Anaxagoras, 259 Demokrit oder ebenfalls Diogenes 260 zurückgeht, möge dahingestellt sein, immerhin ist sie Ausdruck einer Konzeption des divinum als etwas Vernünftigem, planvoll Waltenden. Hekabes Äußerung des Glaubens an die Gerechtigkeit eines, nennen wir es einmal göttlichen Prinzips ist um so emphatischer, als sie just in dem Augenblick getan wird, da die Grausamkeit des Siegers ihren Höhepunkt erreicht hat: Die Verkündung des Befehls, den kleinen Astyanax von den Zinnen Troias zu schleudern, und die Übergabe seines Leichnams zur Bestattung legen sich als der äußere Ring um die Helena-Szene, und die beiden Chorlieder, die ihren engeren Rahmen bilden, reflektieren die Bestürzung über diese blinde Gewalt in einer resignierten Grundstimmung, die geprägt ist vom Zweifel an göttlicher Anteilnahme angesichts des leidvollen Untergangs Troias. 256 Cf. F. Heinimann, Noinos und Physis, Darmstadt 1965, Ibid., S Cf. H. Diller, Der griechische Naturbegriff", in: Kleine Schriften zur antiken Literatur, hrsg. v. H.-J. Newiger u. H. Seyffert, München 1971, 154/ So die klassische Interpretation angefangen mit dem Scholion zu 884 όρμώνται δέ έκ των Άναξαγορείων λόγων. 260 Cf. R. Scodel, The Trojan Trilogy of Euripes, (Hypomnemata 60), Göttingen 1980, 94/95 u. Anm. 36.

85 Euripides, Troades 77 Die Vergeblichkeit der Liebesdienste des Ganymed und Tithonos, 261 die Vergeblichkeit auch der sprichwörtlichen Opfer der Troianer 262 läßt die Frage aufkommen, ob es überhaupt irgendeine Beziehung der göttlichen Sphäre zur menschlichen gibt, oder ob die Götter, unberührt von menschlichem Elend, sich selbst genug sind. So wird in der Strophe β des zweiten und in der ersten Antistrophe des dritten Stasimon jeweils die Zerstörung Troias kontrastiert mit Bildern aus der Welt der Götter und ihrer Art des Existierens, die dem Zugriff und Begreifen des leidenden Menschen sich entzieht: Der Beschreibung des ungetrübt heiteren Antlitzes des Ganymed bei den Sitzen des Zeus (835-37) entspricht die Vorstellung des Gottes, wie er auf dem Äther thront ( ). Als Gegengewicht zu diesen Bildern der Isolation wird am Ende des zweiten Stasimon, unmittelbar vor der Helena-Szene, eine glücklichere Vergangenheit heraufbeschworen, in der Troia mit den Göttern in einem regelrechten Verwandtschaftsbund stand, 263 und es ist eine Ironie des Schicksals, daß dieser Bund, einst von Eros geknüpft, in Folge der Einwirkungen Aphrodites, wie Helena in ihrer Verteidigungsrede es behaupten wird, wieder zerstört wurde. 264 So ist also der wehmütige Rückblick auf die von Eros bewirkten glanzvollen Zeiten Troias nach einer Reihe von immer wiederkehrenden Anschuldigungen gegen Helena als die eigentliche Ursache des troianischen Krieges 265 die letzte Vorbereitung für ihr schließliches Erscheinen in persona. Die Begegnung des Menelaos und der Helena vor Troia ist in Literatur und Kunst 266 immer wieder gestaltet worden, und selbst wenn jemand ihren traditionellen Ausgang, die Entwaffnung" des Menelaos durch die Reize seiner ehemaligen Gattin, 267 nicht gekannt hätte, so trägt Euripides Cf μάταν äp',..., / Ααομεδόντιε παϊ, / Ζηνός ϊχεις κυλίκων πλήρωμα ; 858/59 τά θεών δέ / φίλτρα φροϋδα Τροίςι. Siehe das Echo im III. Stasimon 1071 φροϋδαί σοι θυσίαι, ferner 1242 μάτην έβουθυτοϋμεν. Notorisch für ihre Vorbildlichkeit im Opfern sind die Troianer seit den homerischen Epen, cf. Δ 48-49, Ω 68-70, α 61, Cf "Ερως... θεοΐσι κήδος άναψάμενος. Darauf hat schon Η. Strohm, EURIPIDES. Interpretationen zur dramatischen Form, München 1957, 34 hingewiesen. Cf. 368/69, 372/73, 498/99, 598, , 780/81. Zur Darstellung ihres Treffens in der bildenden Kunst s. LIMC IV, 1, Aus dem Scholion zu Aristophanes, Lys. 155 geht hervor, daß schon in der Kleinen Ilias ein Zusammentreffen des Menelaos mit Helena geschildert gewesen sein muß, in dem er sie mit dem Schwert bedrohte, um es dann beim Anblick ihrer Brust wieder sinken zu lassen. Die gleiche Version begegnet andernorts auch bei Euripides (Andr. 631 und Or. 1287). Die Szene der Bedrohung mit dem Schwert war, wie Pausanias (5, 18, 3) berichtet, auf der Kypseloslade dargestellt. Nach Ibykos (PMG fr. 15 Page) nahm Helena vor dem sie bedrohenden Menelaos Zuflucht im Tempel der Aphrodite und sprach von da aus mit ihm, worauf er, von Eros ergriffen, das Schwert niederlegte.

86 78 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros doch dafür Sorge, daß, was sich Hekabe als Zeichen einer noch waltenden göttlichen Gerechtigkeit erwartet - der Vollzug der Todesstrafe an Helena - von vorneherein in einem höchst zweifelhaften Licht erscheint. Zwar deutet nichts darauf hin, daß Menelaos nur zum Schein, und um den Erwartungen der Welt Genüge zu tun, den Empörten spielt, 268 doch ist sein Entschluß, die Bestrafung Helenas auf die Ankunft in Griechenland zu verschieben, 269 wenn nicht kluge Berechnung, so doch Ausdruck einer zumindest in seinem Unterbewußtsein mit unveränderter Macht fortbestehenden Neigung zu Helena, und es ist dann auch Hekabe selbst, die ihn mehrmals vor der Ausstrahlungskraft seiner ehemaligen Gattin warnt, zuerst unmittelbar nach ihrem Gebet (891-93): όραν δέ τήνδε φεϋγε, μή σ' Ιλτ) πόθω. αίρει γαρ άνδρών δμματ', έξαιρει πόλεις, πΐμπρησιν οίκους Man hat auf die Inkonsequenz hingewiesen, mit der dieselbe Frau, die hier so angelegentlich einen Sinneswandel des Menelaos befürchtet, in dem Augenblick, da dieser Helenas Bitte um Gehör kurzerhand auszuschlagen bereit ist, 271 darauf besteht, er solle sie doch anhören, ungeachtet der Gelegenheit, die sie Helena damit eröffnet. 272 Hier einen nicht ganz gelungenen Kunstgriff anzunehmen, der Euripides ermöglichte, einen der von ihm so geliebten Agone einzuflechten, wäre ebenso maliziös wie deplaziert; die einzig überzeugende Erklärung ist die psychologische: Hekabes Racheverlangen gewinnt über ihre Bedenken die Oberhand. 273 Sie möchte die verhaßte Gegnerin nicht nur körperlich, sondern auch seelisch vernich So D. Ebener, Die Helenaszene der Troerinnen", Wiss. Zeitschrift d. Martin- Luther-Univ. Halle-Wittenberg, 3, 1954, 709 ff. Er stützt sich namentlich auf die Eingangsworte des Menelaos 860 f. als Ausdruck seiner unmittelbarsten Regung, der Freude darüber, seine Gattin wieder in Besitz nehmen" zu können. Dagegen ist einzuwenden, daß dem Wort χεφόομαι in den meisten Fällen die Konnotation des Gewaltsamen anhaftet, cf. LSJ 1986, s.v. χειρόω II. Euripides gebraucht χειρόομαι im Sinne von überwältigen" in der IT 330, 359. Cf Bezeichnend, daß er die Aushändigung Helenas ankündigt und sich damit weigert, die ihm zugedachte Rolle des Strafvollziehers selbst zu übernehmen. Zu dem in δλτ) verborgenen etymologisierenden Wortspiel vgl. Ai. Ag. 690 έλέναυς δλανδρος έλέπτολις. Cf. 905 ούκ ές λόγους έλήλυθ' άλλά σε κτενών. Zuletzt C.W. Amerasinghe, "The Helen episode in the Troiades", Ramus 2, 1973, 105. Ähnlich, allerdings etwas drastischer, Amerasinghe, ibid.: "... What has happened to her fears? Isn't she giving more time for Helena's charm to work on Menelaos? Why is she not aware of the risk any longer? Why, except that she is carried away by a passionate hatred and a thirst to pour out all her pent-up venom?"

87 Euripides, Troades 79 tet sehen, und so hat denn auch jüngst Markus Dubischar die Szene den Abrechnungsagonen" zugerechnet. 274 Die nicht eben noble Motivation der Hekabe bewahrt die Begegnung vor Schwarz-Weiß-Malerei. Zwar hat man entgegen der Tendenzen einiger neueren Interpreten, auch Helenas Argumenten ein aufmerksames Ohr zu leihen, jetzt wieder behauptet, es sei hier schon zu Beginn des Agons eine klare Etablierung von Hekabe als sympathetischer Identifikationsfigur" zu verzeichnen, doch wird dadurch die Komplexität des im Laufe des Redestreits entwickelten Sachverhalts allzu leichtfertig heruntergespielt. 275 So bringt Helena gleich zu Beginn den Gedanken ins Spiel, die eigentliche άρχή des troianischen Krieges liege darin, daß der alte Bedienstete den Anweisungen, den eben geborenen Paris gemäß einem unheilkündenden Orakelspruch zu töten, nicht Folge leistete. 276 Dieses Argument ist um so schwerwiegender, als ausgerechnet Andromache wenig vorher den Groll der Götter auf die gleiche Tatsache zurückgeführt und den Hauptschuldigen an der Zerstörung Troias eher in Paris als in Helena erblickt hat. 277 Wie Helena dann im Anschluß den Mythos des Parisurteils zu ihren Gunsten modifiziert, um schließlich in einer doch sehr gewagten Hyperbole einen Antrag auf Bekränzung statt auf bloßen Freispruch zu stellen, das ist nun allerdings ein sophistisches Kunstück von besonderer Raffinesse. Sie begnügt sich nicht mit ihrer Selbstdarstellung als ein von Aphrodite in Aussicht gestelltes Geschenk eine indirekte Art, nahe zu legen, daß sie ja nur Instrument in Händen der Göttin gewesen sei -; das eigentlich Tückische ihrer Wiedergabe des Mythos liegt in den Abänderungen der Versprechen Heras und Athenes. Eine deutliche Abweichung von den uns überlieferten Quellen über das Parisurteil ist die Nennung Europas bei der Absteckung des von Hera versprochenen Herrschaftsbereichs, ebenso einmalig ist die Spezifizierung der Gabe Athenas: allgemeines Kriegsglück wird zum militärischen Sieg über Hellas Cf. M. Dubischar, Die Agonszenen bei Euripides, Stuttgart 2001, Für die gleichmäßige Beachtung beider Standpunkte plädiert besonders M. Lloyd, "The Helen Scene in Euripides' Troades", CQ 34, 1984, Zu Hekabe als Identifikationsfigur" s. Dubischar, ibid., , bes. 349; Scharfsinnige Kritik an Hekabes Argumenten äußert dagegen besonders A.P. Burnett, "Trojan Women and the Ganymede Ode", YCS 25, 1977, Cf. 920/921. Cf. 597/98 δυσφροσύναισι θεών, δτε σός γόνος Ικφυγεν "Αιδαν, / δς λεχέων στυγερών χάριν ώλεσε πέργαμα Τροίας. Cf. 929/30. Aus voreuripideischer Zeit sind uns Einzelheiten des Parisurteils direkt erst in Gestalt der Hypothesis zum Dionysalexandros des Kratinos erhalten. Dort ist ευτυχία κατά κόλεμον das Angebot Athenas, das der Hera τυραννίς ακίνητος. Bei Isokrates (X 41-2) ist die von Athena in Aussicht gestellte Gabe wieder nur ganz allgemein der Sieg in den Kriegen, Hera dagegen lockt den Alexandros

88 80 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Damit ist der - freilich doppelte - Boden bereitet für Helenas Behauptung, eine Wohltäterin Griechenlands gewesen zu sein. Kommen wir aber nun zu dem uns besonders interessierenden Kernpunkt ihrer Apologie, der Antwort auf den vorweggenommenen Vorwurf, 280 sich heimlich aus dem Hause des Menelaos davongestohlen zu haben. 281 Hier läßt Helena es sich zunächst einmal nicht nehmen, in ihre Behauptung, Paris sei in Begleitung der Aphrodite nach Sparta gekommen, noch einen versteckten Seitenhieb auf Hekabe einzuflechten. Paris wird von ihr umschrieben als ό τήσδ' άλάστωρ, will sagen, als ein von Hekabe herkommender Fluchgeist; 282 und die darin liegende Wiederaufnahme ihres Vorwurfs, daß man nicht genügend Sorge für eine umgehende Tötung des Paris getragen habe, wird um so sinnfälliger durch die ausdrückliche Erwähnung jenes Namens, den Paris während seines Hirtendaseins trug und der zugleich auf das erste Stück innerhalb der Trilogie zurückweist: Alexandras. Freilich ist das im gegebenen Zusammenhang nicht mehr als eine geschickte Ablenkung von Helenas eigener Person, denn die Lauterkeit der Forderung, daß sie ungeachtet aller Ereignisse der Vorgeschichte für ihr eigenes Verhalten Rechenschaft schuldig sei, steht außer Frage. Statt dessen geht sie zum Gegenangriff über: Menelaos habe sich einen Verstoß gegen die Gastfreundschaft zuschulden kommen lassen, als er Paris allein in seinem Haus zurückließ, um nach Kreta abzusegeln. Gelegenheit macht Liebe - das ist es, was Helena mit ihrer Bemerkung impliziert, und erst nachdem sie jedem ihrer beiden Ankläger sein Teil Schuld zugewiesen hat, kommt sie auf das immer noch im Raum stehende Problem ihrer eigenen Verantwortung zu sprechen, und sie tut es zunächst in Form einer rhetorischen Frage an sich selbst (946/47): τί δ ή φρονοϋσά γ' έκ δόμων äu' έσπόμην / ξένω, προδοϋσα πατρίδα και δόμους έμους ; konkret mit der Herrschaft über ganz Asien, und es ist nicht auszuschließen, daß damit die uns leider unbekannt gebliebene Version der Kyprien wiedergegeben wird; cf. T.K. Stephanopoulos, Umgestaltung des Mythos durch Euripides, Athen 1980, 97. Helenas Änderung bestünde dann in der Ausdehnung des von Hera versprochenen Herrschaftsbereichs auch auf Europa, um auf diese Weise Griechenland mit einzuschließen. Helena bedient sich hier der rhetorischen Figur der προκατάληψις. Cf. Biehl (1989) ad Joe. Cf. 938/39. Cf Die von Biehl (1989) ad Joe. vorgeschlagene Übersetzung - es kam mein Vernichter" - scheint mir zu konstruiert, entschieden näher liegt der Bezug des Demonstrativpronomens τήσδ' auf Hekabe: Helena benutzt es Menelaos gegenüber, möglicherweise mit einem Blick auf ihre Anklägerin. Ahnlich Hekabe zu Helena über Menelaos (1004): τά τοϋδε.

89 Euripides, Troades 81 Was hab ich denn gedacht, 283 als ich dem Fremden aus dem Hause folgte, die Heimat preisgab und mein Haus?" Was Helena hier andeutet, ist, daß keine vernünftige Überlegung sie dazu hätte bringen können, um einer Zukunft in der Fremde willen nicht nur ihre Stellung im Hause des Menelaos, sondern mit dem Vaterland auch ihre ganze bisherige Existenz hinter sich zu lassen. 284 Dahinter verbirgt sich das in griechischen Tribunalen von jeher beliebte Argument nach dem εικός: 285 Höchst unwahrscheinlich wäre ihre Flucht gewesen, hätte sie sich in der Lage gesehen, die Tragweite eines solchen Unternehmens kühl und nüchtern zu berechnen. Ihr Verstand war also ausgeschaltet, und gleich darauf wird die eigentliche Urheberin dieser Ekstasis" - dieses Heraustretens aus einem bewußtseinsgesteuerten Selbst - benannt: τήν θεόν κόλαζε καΐ Διός κρείσσων γενοϋ, δς των μέν άλλων δαιμόνων ϊχει κράτος, κείνης δέ δοϋλός έστι- συγγνώμη δ' έμοΐ. Die Göttin straf' und werde mächtiger als Zeus, der über alle andern Götter hat die Macht, und doch der Sklave jener ist; mir sei verziehn. Das Argument folgt dem nun schon sattsam bekannten Muster: Wenn Aphrodite es war, die Helena unter ihren Willen zwang, so kann Helena nicht als freiwillig Fehlende verurteilt werden. Als provozierende Einkleidung dieser in ihrem Falle, wie wir noch sehen werden, eher fragwürdigen Behauptung, wählt Helena den in sophistischen Kreisen und in der Politik des Tages gleichermaßen aktuellen Gedanken vom Recht des Stärkeren Es läßt sich wohl nicht vermeiden, xl und φρονούσα als Einheit zu betrachten. Biehl (1989) ad ioc. möchte das Partizip φρονούσα isolieren und ist damit gezwungen, ihm den Charakter einer Bedingung zu verleihen: jedenfalls wenn ich bei klarem Verstand war." Doch die Abwesenheit einer Modalpartikel schließt einen Potentialen Sinn des als Frage formulierten Hauptsatzes in der Art von 'wieso hätte ich denn... folgen sollen' von vorneherein aus (s. Schwyzer II, 324): Der Potential der Vergangenheit erfordert im Hauptsatz von Beginn der Uberlieferung eine Modalpartikel." Ein beliebter Topos. Siehe schon Homer, II. 3, Stesichoros (PMG, fr. 223 Page) nennt Helena und Klytaimestra λιπεσάνορας. Ferner Eur. Or τάν λιποπάτορα λιπόγαμόν θ' u Cf. J. Duchemin, ί,άγων dans la tragedie grecque, Paris 1968, 202 f. 28 Im Winter 416/15, also nicht lange vor der Aufführung der Troerinnen, hatten die Athener bei ihrer Eroberung der Stadt Melos rücksichtslos von diesem Recht Gebrauch gemacht; s. Thuk. 5, 105, 2. In den platonischen Dialogen wird es dann zum philosophischen Programm im Munde eines Thrasymachos (Staat) und Kallikles (Gorgias). Siehe namentlich auch Gorgias Hei. 6: πέφυκε γ&ρ ού τό κρεΐσσον ύπό τοϋ ήσσονος κωλύεσθαι, άλλα τό ήσσον ύπό του κρεισσονος αρχεσθαι

90 82 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Wir waren diesem Gedanken schon im Hippolytos, dort allerdings in Gestalt einer Waffe im überredungskünstlerischen Arsenal der Amme begegnet (474/75): λήξον ύβρίζουσ', ού γαρ αλλο πλήν ύβρις / τάδ' έστί, κρείσσω δαιμόνων είναι θέλειν. Als widerstrebende Empfängerin einer solchen Maxime ist Phaidra auf einer deutlich höheren Stufe angesiedelt als Helena, denn es ist der Versuch einer Auflehnung gegen ihre Leidenschaft für Hippolytos, der ihr unsere Sympathien einbringt. Die Art, in der dagegen Helena den Aphrodite-Uberlegenheits-Topos gebraucht, um ihr kampfloses Nachgeben, sei's der Göttin, sei es ihrem eigenen Instinkt, zu rechtfertigen, ist denn doch abstoßend, besonders im Verbund mit der an eine affirmative Feststellung grenzenden Aufforderung συγγνώμη δ' έμοί. 287 In der Ilias wird Helena tatsächlich exkulpiert, 288 aber trifft das auch auf ihre euripideische Nachfolgerin zu? Was auf dem Prüfstand steht, ist vor allem ihre Aufrichtigkeit, und vielleicht würde die Reue über einen begangenen Fehler, wie wir sie von der homerischen Helena kennen, 289 eher noch Nachsicht erregen als ihre selbstsicheren und findigen Einwände gegen jeden erdenklichen Vorwurf. So wirkt denn auch die Vorstellung einer an Seilen sich von den Mauern Troias hinabhangelnden Helena ebenso grotesk wie unglaubwürdig - jenes Bild, das sie von sich selbst entwirft als Antwort auf die mögliche Anschuldigung, auch nach dem Tode des Paris und damit der Auflösung des aphroditegewirkten Bannes nicht nach Griechenland zurückgekehrt zu sein και αγεσθαι., καΐ τό μεν χρεϊσσον ήγεΐσθαι, τό δέ ήσσον 'έπεσθαι. θεός δ' άνθρωπου κρεϊσσον καΐ βίαι καΐ σοφίαι καΐ τοις δλλοις. εί ούν τήι Τύχηι καΐ τώι θεώι τήν αίτίαν άναθετέον,ή τήν Έλένην της δυσκλείας άπολυτέον. Das chronologische Verhältnis des Έγκώμιον Ελένης zu Euripides' Troerinnen ist nach wie vor umstritten, doch hat zuletzt M. Lloyd (The Agon in Euripides, Oxford 1992, ) mit überzeugenden Argumenten dargetan, daß die Rede der Helena bei Euripides durchaus als unabhängig von Gorgias gelten darf. So treffend J. de Romilly, <L'excusc de l'invincible amour», 317 Anm. 21. Sie vergleicht v. 1042:.. lorsqu'elle se voit rejetee, Helene prend, au vers 1042, l'attitude de la suppliante, et demande alors ä Menelas: <Ne me tus pas>, συτγιγνωσκε δέ.» Cf. Horn. II. 3, 164. Im Gespräch mit Priamos bezeichnet sie sich selbst als hündisch" (Ii. 3, έμός... κυνώπιδος...). Das Beste wäre es gewesen, hätte sie auf dem Weg von Sparta nach Troja, dem Weg des Treuebruchs, der Tod ereilt - (II. 3, 173/74 ώς δφελεν θάνατός μοι άδεϊν κακός όππότε δεϋρο / υίέι σώι έπόμην,...). In einem Epos, in dem es sonst durchweg üblich ist, eigenes Fehlverhalten durch die Intervention der Ate oder eines Daimon zu erklären (So z.b. Agamemnon in II. 19, ) ist diese Art der Reuebekundung ex post etwas unbedingt Bemerkenswertes. Siehe auch Od. 4, έμεΐο κυνώπιδος εΐνεκ'...; 261 f. δτην δέ μετέστενον, ην 'Αφροδίτη / δώχ'.

91 Euripides, Troades 83 Am Ende der Apologie wird mit dem Nachdruck eines Schlußakkords noch einmal Helenas Hauptargument, die Ohnmacht des Menschen gegenüber dem Willen der Götter, geltend gemacht: et δέ των θεών κρατεϊν βούλη, τό χρήζειν άμαθές έστί σου τόδε. In ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen sind die Worte des Chores vor Hekabes Erwiderung, denn wenn er warnt λέγει καλώς κακούργος ούσα, so ist das als Hinweis auf den rein sophistischen Charakter der Rhesis Helenas gemeint. Hier bietet sich nochmals ein vergleichender Seitenblick auf den Hippolytos an. Schönrednerei eines ruchlosen Tuns, das ist es, was Phaidra dort der Amme vorzuwerfen hat - εΰ λέγεις γάρ, αίσχρά δέ. 290 Wenn wir uns nun Hekabes Replik zuwenden, so müssen wir zunächst einmal feststellen, daß sie der Rede Helenas, was den Gebrauch rhetorischer Kunstgriffe angeht, durchaus ebenbürtig ist. In ihrer Kritik des Parisurteils stützt auch Hekabe sich auf das εικός: Mit einem vielsagenden Rückgriff auf Helenas Vorwurf, das Trachten ihrer Gegnerin sei άμαθές, möchte sie die Göttinnen von der άμαθία befreit sehen, die darin läge, wenn um des Sieges in einem Schönheitswettbewerb willen Hera bereit wäre, Argos an die Barbaren preiszugeben, Athena dagegen die Versklavung Athens durch die Phryger dulden würde. Hekabe setzt hier bei den von Helena auf eine doch recht unlautere Weise eingeschmuggelten Änderungen des Mythos an und entlarvt mit ihren noch weitergehenden Spezifizierungen deren Absurdität: Aus dem weiten Gebiet Europas wählt sie ausgerechnet Argos, die Lieblingsstadt Heras, und nennt Athen, die eigentliche Heimstatt der Athena, exemplarisch für Griechenland - ein sehr geschickter Schachzug, der ihr obendrein den Beifall des athenischen Publikums sichert. 291 Keinesfalls, so Hekabe, könne der Kampf um die Schönheit unter Göttinnen, von denen die eine mit Zeus verheiratet sei, die andere ihre Jungfräulichkeit zu wahren wünsche, mit so blutigem Ernst und erbittertem Eifer 292 ausgefochten worden sein. Sie kamen vielmehr aus Ubermut und Lust am Spiel auf den Ida Cf. E. Hipp Siehe oben, 62/63. So treffend T.K. Stephanopoulos, Umgestaltung des Mythos durch Euripides, 98. In diesem Sinne ist wohl τοσούτον (977) zu verstehen - eine so große Liebe zur Schönheit", d.h. eine Liebe zur Schönheit von solchem Ausmaß, daß sie Hera dazu vermocht hätte, ihre Hauptkultstätte preiszugeben. Es besteht kein Anlaß, die Überlieferung in v. 975 f. (αϊ παιδιαΐσι καΐ χλιδήι μορφής πέρι /ήλθον πρός Ίδην) zu ändern. Man hat die Vorstellung von einer Zusammenkunft der Göttinnen zum Schönheitswettbewerb aus bloßer Spiellaunc

92 84 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Das ist nun seinerseits eine Umgestaltung des Mythos vom Parisurteil, denn daß der Schönheitswettbewerb den Göttinnen Athena und Hera immerhin wichtig genug war, um nach ihrer Vernachlässigung durch Paris mit vereinten Kräften die Vernichtung Troias zu betreiben, das ist seit der Ilias ein so populärer Zug, daß er auch in den Troerinnen seinen Platz hat, und zwar im Prolog des Poseidon. 294 Wie dem auch sei, Hekabe läßt die Grundgegebenheiten des Mythos unangetastet, doch indem sie ihn in eine Sphäre heiterer Interesselosigkeit entrückt, ist ihr die Möglichkeit gegeben, die weit reichenden Versprechungen Heras und Athenas als das Produkt der böswilligen Phantasie ihrer Gegnerin hinzustellen (981/82): μή άμαθεΐς ποίει θεάς / τό σόν κακόν κοσμούσα, μή <ού> πείσης σοφούς. Eine Beschönigung ihrer eigenen Niedrigkeit auf Kosten der Göttinnen wird Helena hier vorgeworfen, und mit der Wiederaufnahme des άμαθία-motivs schließt sich der Ring, der sich um den vom Parisurteil handelnden Abschnitt legt. Zugleich mit den Zweifeln am existentiellen Ernst der Göttinnen beim Wettkampf um die Schönheit gerät nun auch die angebliche Zwingherrschaft der Aphrodite über Helena in ein fragwürdiges Licht; und damit sind wir schon bei der Antwort auf deren Behauptung, Paris habe bei seinem Erscheinen in Sparta Aphrodite zum Geleit gehabt. Wäre der Göttin wirklich daran gelegen gewesen, Helena an Paris heranzuführen, so hätte sie ihre Macht, laut Hekabe, auch in aller Ruhe und ohne ihren angestammten Ort, den Himmel, zu verlassen, spielen lassen können. Damit ist freilich außer einem Angriff auf Helenas Anthropomorphismus nicht viel ausgerichtet, und die eigentliche Replik liegt erst in Hekabes Erklärung dessen, was Helena Aphrodite nennt, als eine ganz im Innerpersonalen verbleibende leidenschaftliche Aufwallung beim Anblick ihres außergewöhnlich schönen Sohnes (988): ό σός δ'ιδώ ν νιν νοϋς έποιήθη Κύπρις. 294 Das Bild von der Verwandlung des νοϋς in Kypris besagt nichts anderes, als daß die von Helena zu ihrer Entlastung zitierte Göttin nur eine Proais frivol und unvereinbar mit Hekabes idealistischen Vorstellungen von den Göttern empfunden, daher die Konjekturen εΐ (Naber) und ού (Härtung) an Stelle des Relativpronomens αι. Der Scholiast möchte den Relativsatz am liebsten als Frage formuliert sehen, und Biehl (1989) ad loc. schlägt einen subjektiv begründenden Nebensinn vor, nach der Art von: die (wie du behauptest) zum Schönheitswettbewerb nach dem Ida-Gebirge gekommen sind." Warum aber sollte Hekabe von den drei Göttinnen, zumal sie ja nicht der in ihrem Gebet zum gerecht waltenden Prinzip erhobene Zeus sind, die Vorstellung des Heiteren fernhalten wollen? Und warum sollte sie so radikal und zugleich so unklug sein, den allbekannten Mythos schlichtweg für nichtig zu erklären? Cf. 23/24 νιχώμαι γάρ Άργείας θεοϋ / Ήρας Άθάνας θ', αϊ συνεξεΐλον Φρύγας.

93 Euripides, Troades 85 jektion jenes exaltierten Gemütszustandes ist, in den Paris sie bei ihrer ersten Begegnung versetzte. Es folgen Hekabes berühmte entmythologisierende Verse: τά μώρα γαρ πάντ' έστίν 'Αφροδίτη βροτοϊς, και τοονομ' όρθώς άφροσύνης άρχει θεδς. Mit der hörbaren Anspielung auf Helenas τΐ δή φρονούσα, die in dem Wort άφροσύνη liegt, faßt hier Hekabe ihren am Einzelfall sich entzündenden Widerspruch in eine allgemeine Äußerung der Kritik an der mythologischen Weltsicht. Aphrodite ist für sie eine bloße fagon de parier, die immer dann zur Anwendung kommt, wenn es gilt, eine aus Unvernunft entspringende Zügellosigkeit zu entschuldigen. Hier gewinnt nun erstmals die in Phaidras Rhesis schon angeklungene rein psychologische Deutung von Leidenschaft eine solche Tragweite, daß sie den mythologischen Erklärungsmustern nicht nur gleichberechtigt zur Seite tritt, sondern sie letztlich sogar ablöst; denn daß in diesem wichtigsten Punkt der Kontroverse das Pendel zu Hekabes Seite ausschlägt, erhellt aus den Hinweisen, die Euripides zu dem Problem der freien Willensentscheidung über das Stück verstreut hat. Wäre Helenas Berufung auf Aphrodite aufrichtig, so hätte sie wider ihren eigenen Willen und nur unter Zwang sich an Paris gebunden. Die Freiwilligkeit ihres Ehebruchs wird aber nicht nur von Kassandra betont, 295 sie ist auch das entscheidende Moment in Menelaos' abschließender Beurteilung des Falles Helena: Aus freien Stücken habe sie ihn verlassen und Aphrodite nur aus rhetorischen Gründen - κόμπου χάριν - in ihre Rede eingeflochten. 296 Mit dem wirkungsvollen Angriff auf die bei Helena zu einem zweckdienlichen Alibi hinabgesunkene mythologische Weltsicht ist Hekabes Rede auf ihrem Höhepunkt angelangt. Was dann noch folgt, ist eine sehr stark von persönlicher Animosität geprägte Invektive, die, während sie auf die Bloßstellung der Charakterlosigkeit Helenas abzielt, ganz unversehens unsere Aufmerksamkeit auch auf die Schwächen Hekabes lenkt, so daß Mitleid und Bewunderung, wie wir sie seit Beginn des Stückes für die troische Königin als eine große, unschuldig Leidende empfinden, an dieser Stelle einen merklichen Dämpfer erhalten. Der Vorwurf der Prunksucht, die Hekabe als das eigentlich ausschlaggebende Moment für Helenas begeisterte Aufnahme des orientalischen Fremdlings in der verschwenderischen Pracht seiner Gewandung hinstellt, Cf. 373 xai ταϋθ' έκούσης κού ßiqc λελησμένης. Cf

94 86 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros fällt in gewisser Weise auf sie selbst zurück, wenn für sie Troia und Wohlstand - δλβος - eine untrennbare Einheit bilden; 297 und es ist dann auch der δλβος Thessaliens, der diesem Land nach Athen den zweiten Rang in der Wunschliste der Troerinnen für ihre bevorstehende neue Existenz in Griechenland einbringt. 298 Der nächste Abschnitt in der Hekabe-Rede hat den Interpreten von jeher Schwierigkeiten bereitet, und da er für Hekabes Argumentation gegen Helenas Selbststilisierung zu einem wehrlosen Opfer von einiger Bedeutung ist, halten wir ihn auch auf dem Hintergrund des Pragens nach dem Ausmaß von Aphrodites Zwingherrschaft für wichtig genug, um ihn hierherzusetzen: είεν βία γαρ παϊδα φής <σ'> αγειν έμόν τις Σπαρτιατών?)σθετ'; ή ποίαν βοήν άνωλόλυξας, Κάστορος νεανίου τοϋ συζύγου τ' έτ' δντος, ού κατ' Άστρα πω; Man hat sich daran gestört, daß Hekabe hier ihrer Gegnerin die Behauptung unterstelle, sie sei von Paris mit Gewalt entführt worden, und tatsächlich hat Helena das so nie gesagt. Allerdings hat sie ihm Aphrodite gleichsam als Alliierte an die Seite gestellt und mit dem Topos von der Überlegenheit der Göttin zu verstehen gegeben, daß sie das Opfer eines ihr auferlegten Zwanges war. Dieses Argument vor Augen, könnte man Hekabes Worten eine etwas andere Wendung geben: Ihr Anliegen ist es, Helenas Entschuldigung für ihr Verhalten durch die Einwirkung von Gewalt als unzureichend bloßzustellen. Wäre Paris wirklich mit Aphrodite im Bunde gewesen, und hätte diese sie gezwungen, gegen ihren eigenen Willen Paris zu folgen, warum hat sie dann nicht - so Hekabes Präge - als Zeichen ihrer Auflehnung zumindest laut geschrien? 299 Das ist nicht etwa nur ein maliziöser Vorwurf, sondern entspricht dem auch in anderen Passagen aus griechischen Tragödien erkennbaren Brauch des Notrufs, der von den Opfern Cf. 582 βέβακ' δλβος, βέβακε Τροία. Siehe dazu A.P. Burnett, "Trojan Women and the Ganymede Ode", 310 und die in Anm. 33 zu findende Zusammenstellung der über das Stück verstreuten Hinweise auf den Wohlstand und Luxus Troias. Cf , bes. 216 δλβωι βρίθειν. Cf. 999 f. Energischen Widerspruch vor der Kapitulation kennen wir, wenngleich in einer anderen Situation, von der homerischen Helena (cf. Γ ). Vgl. dagegen El. 1065, wo das Vorgehen des Paris in Sparta, und das wäre sicher auch im Sinne Hekabes, als eine vis grata für Helena umschrieben wird: άρπασθεΐσ' έκοΰσ' άπώλετο.

95 Euripides, Troades 87 eines gewaltsamen Ubergriffs zur Steigerung ihrer Glaubwürdigkeit geradezu gefordert wurde. 300 Hekabes Hinweis auf Kastor und Pollux ist dann auf sehr subtile Weise wieder bezeichnend für ihre rationalisierende Göttervorstellung. Gerade deshalb hätte Helena mit der Unterstützung ihrer Brüder rechnen können, weil sie noch nicht verstirnt, also noch nicht zu Göttern geworden waren; denn als solche hätten sie sich, so müssen wir ergänzen, um die Lappalie eines menschlichen Hilferufs wohl kaum mehr gekümmert, 301 so wie denn ja auch die Intervention der Aphrodite in Sparta für Hekabe etwas Undenkbares ist. Im weiteren Verlauf ihrer Rede kehrt Hekabe zu ihrer zweischneidigen Angriffspolitik zurück: Sie bemängelt Helenas Opportunismus, die Orientierung ihrer Handlungen nicht an der Arete, sondern an Tyche; 302 doch hatte sie nicht selber bei ihrem ersten Auftritt das Schwimmen mit dem Strom der Tyche als Lebensprogramm empfohlen? 303 Ebenso doppelbödig ist auch ihre Replik auf Helenas Ausführungen über ihr Heimweh nach dem Tode des Paris. Indem nun Hekabe es als selbstverständlich nimmt, daß eine edle, von ehrlicher Sehnsucht nach dem früheren Gatten erfüllte Frau ohne Aussicht auf Entkommen, wie wir ergänzen müssen, den Freitod gewählt hätte, 304 diskreditiert sie damit auch ihr eigenes Verhalten, als sie der zum Selbstmord fest entschlossenen Andromache riet, sich in die gewaltsame Verbindung mit Neoptolemos zu fügen, ja sogar ihn zu umschmeicheln, da ihr daraus die Möglichkeit erwachsen könnte, Astyanax als künftigen Rächer Troias aufzuziehen. 305 Als unmittelbar gegen Helenas angebliche Fluchtversuche gerichtetes Argument kann freilich nur wieder das εικός ins Feld geführt werden, und in diesem Sinne verläuft dann auch der Gedankengang, der den Cf. W. Schulze, Beiträge zur Wort- und Sittengeschichte II", in: Kleine Schriften, 2., durchges. Aufl. m. Nachträgen hrsg. v. W. Wissmann, Göttingen 1966, 179 ff., bes. 184 f. Siehe dagegen die den Dioskuren gehörenden Verse Hei f., die auf den Machtzuwachs seit ihrer Apotheose abzielen: πάλαι 8' άδελφήν καν πριν έξεσώσαμεν, / έπείπερ ήμας Ζευς έποίησεν θεούς. Cf , bes ές τήν τύχην όρώσα. Cf , bes. 104 πλέουσα τΰχαισιν. Cf Lieber ruhmreich sterben als mit einem schäbigen Kompromiß zu leben" - das ist schließlich auch die Maxime der sophokleischen Helden vom Schlage eines Aias oder einer Elektra, cf. El. 989 ζην αίσχρόν αϊσχρώς τοις καλώς πεφυκόσιν; Αι άλλ' ή καλώς ζην ή καλώς τεθνηκέναι / τόν εύγενή χρή. Siehe ferner B.W. Knox, The Heroic Temper, Berkeley and Los Angeles 1966, In die gleiche Richtung zielt auch' eine Äußerung des Boten Talthybios, als er befürchtet, die gefangenen Troerinnen wollten sich dem Flammentod hingeben (302-3): κάρτα τοι τούλεύθερον / έν τοις τοιούτοις δυσλόφως φέρει κακά. Cf Die Brücke zu diesen Versen schlägt schon A.P. Burnett, "Trojan Women and the Ganymede Ode", 296 Anm. 8.

96 88 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros vv ff. zugrunde liegt: Es entbehrt jeder Wahrscheinlichkeit, daß Helena wirklich daran gelegen war, Troia zu verlassen, hatte sie doch, als Paris noch am Leben war, Hekabes Mahnungen zur Rückkehr sämtlich in den Wind geschlagen; aber nicht etwa - so der implizite Vorwurf - aus aufrichtiger Liebe zu Paris, sondern um sich in der Rolle der kniefällig Verehrten zu gefallen. Diese Behauptung gemahnt unwillkürlich an die zahlreichen Momente, in denen Hekabe selbst mit Wehmut zurückblickt in eine glanzvolle Vergangenheit, in der sie Königin Troias war. 306 Helenas herausgeputzte Erscheinung schließlich, die so ganz jeden nach außen hin sichtbaren Ausdruck der Reue vermissen läßt, ist ihrer Klägerin Anlaß für einen abschließenden haßerfüllten Ausfall, bevor sie sich mit dem dringenden Appell, mit der Hinrichtung Helenas einen Präzedenzfall zu setzen, an Menelaos wendet. Ihre Aufforderung an ihn, er möge Hellas bekränzen, steht nicht nur in beredtem Gegensatz zu Helenas Antrag auf den Ehrenkranz; 307 sie erhebt zugleich auch die Bestrafung der, wie sie meint, Hauptschuldigen am troianischen Krieg zum ehrenrührigen Anliegen einer ganzen Nation, selbst wenn diese Bestrafung zunächst einmal, wie Hekabes άξίως σαυτοϋ nahezulegen sucht, zum Beweis der Unbestechlichkeit und Integrität des Menelaos dienen sollte. Daß Menelaos sich in seinem Verhalten gegenüber Helena als würdiger Vertreter des eigenen Hauses und Landes gleichermaßen zu erweisen habe, ist dann auch die Erwartung des Chores, und die Emphase, die Hekabes Strafantrag durch die bis ins Wörtliche gehende Wiederholung 308 erhält, wird um so eindringlicher, als zum Abschluß der Szene hin Hekabes Zweifel an der Standhaftigkeit des Menelaos wieder laut werden. Den prägnantesten Ausdruck finden sie in ihrer ahnungsschweren Aussage über Allgemeinmenschliches (1051): ούκ στ' έραστής δστις ούκ αεί φιλεΐ. Und tatsächlich sehen wir schon in der zweiten Gegenstrophe des unmittelbar folgenden dritten Stasimon 1107 f. den Chor von einer so gut als geretteten Helena singen; doch ist das Besondere an dieser Stelle nicht so sehr, daß man sie mit goldenen Spiegeln ausgestattet sieht; ein sehr viel sinnfälligeres Zeichen ihres Triumphes ist ihre Gegenwart auf dem Schiff des Menelaos, 309 trotz seines Zugeständnisses an Hekabe, er werde es nicht zulassen, daß Helena mit ihm zusammen das gleiche Schiff besteige. Als Erklärung für seinen plötzlichen Sinneswandel ist es gut vorstellbar, daß Helena beim gemeinsamen Abgang mit Menelaos auf dem Weg zur 306 Cf. 100, , 195/96, , 495, 506 άβρόν... πόδα vgl. mit 821 αβρά βαίνων über Ganymed. 307 Cf Cf. 1030, 1033 άξίως; 1030 Έλλάδ', 1034 Ελλάδος. 309 Cf εΐθ' άκάτου Μενέλα... Diese Beobachtung findet sich, soweit ich sehe, erstmals bei A.P. Burnett, "TYojan Women and the Ganymede Ode", 295.

97 Euripides, Troades 89 Einschiffung eine entblößende Geste skizziert, die dem Zuschauer Hinweis genug ist auf die oben schon erwähnte 310 Version von der Entwaffnung des Menelaos durch ihre Reize. 311 So ist es also wieder ein aphrodisischer Impuls, der, wie schon Helenas Ehebruch mit Paris, die Erwartungen der Umstehenden an Sittlichkeit und ein Sich-Beugen unter die Spielregeln der Gesellschaft durchkreuzt. Hekabes erbitterte Anklagen erweisen sich damit als ein Schlag ins Leere, doch wird zugleich auch die Gerechtigkeit der Götter denunziert? Mit anderen Worten: Muß der Rezipient, wie Dubischar es nahe legt, Hekabe darin folgen, daß sie die Werke der Aphrodite, um mit der Tradition zu reden, oder, in ihren eigenen Augen, die niederen Triebe der Helena als alleinige Ursache für den Krieg um Troia auf das Tribunal zerrt, oder geht diese Monopolisierung nicht vielleicht am Wesentlichen vorbei? 312 In anderen Stücken des Euripides jedenfalls wird eine breite Palette möglicher άρχαί angeboten, 313 und es ist offensichtlich, daß Hekabe mit ihrer Beschränkung auf Helena ein doppeltes Interesse verfolgt: Nicht nur möchte sie Paris, immerhin ihren Sohn, von jeder Schuld reinwaschen, ihr ist auch daran gelegen, den Gedanken einer Beteiligung der Götter am Kriegsgeschehen auszuschließen. Diese ihre Grundhaltung steht aber in offenem Widerspruch zum Prolog, in dem die Vernichtung Troias als das Gemeinschaftswerk Athenas und Heras ausgewiesen wird, 314 und im Prolog erfahren wir auch, daß die Strafe für die Griechen schon vorbereitet ist: Das vom ganzen Heer der Sieger schweigend geduldete Sakrileg des Aias - die Vergewaltigung Kassandras im Heiligtum der Athena, jener jungfräulichen (!) Göttin, der sie ihr Kriegsglück verdanken ist für 310 Cf. supra, 77 mit Anm Cf. A. Burnett, ibid., 294/ Cf. M. Dubischar, Die Agonszenen bei Euripides, 349: "Folgt der Rezipient Hekabe darin, daß sie Helenas Schicksal zum letzten Prüfstein für die Gerechtigkeit der göttlichen Weltlenkung macht..., so muß er nun zugestehen, daß es doch keine Gerechtigkeit in der Welt gibt, zumindest in der Welt, die Euripides in den Troerinnen darstellt." 313 Cf. An. 274: das Parisurteil; dagegen An. 293 ff. der Wunsch, daß Hekabe Paris nach seiner Geburt eigenhändig getötet hätte; Hec , Hei : die Rüstung der Schiffe des Paris, so schon bei Homer Ε 63, wo die Schiffe des Paris άρχεκάκους genannt werden. Ζ 356, Ω 28: die Ate des Paris, ähnlich Eur. Hec. 640/41 κοινόν δ' έξ ίδιας άνοιας / κακόν. Die Stellen sind sämtlich aufgeführt bei T.C.W. Stinton, Euripides and the Judgement of Paris, London 1965, Cf. 24 Ήρας Άθάνας θ', αϊ συνεξεΐλον Φρύγας. 315 Siehe auch 560 f. λόχου δ' έξέβαιν' "Αρης, / κόρας έργα Παλλάδος. In diesem Sinne E.G. O'Neill, Jr., "The Prologue of the Troades of Euripides", ΤΑΡΑ 72, 1941, 320: "They are like dogs who have bitten the hand that fed them."

98 90 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros die nicht nur persönlich, sondern kollektiv Mißachtete 316 Grund genug, mit Poseidon die Vernichtung der griechischen Flotte auf ihrem Heimweg zu planen. Die Zeugnisse von Athena als der treibenden Kraft bei der Vernichtung Troias sind für uns um so verwirrender, als sie entgegen dem bei aller Polemik doch so überzeugenden Angriff Hekabes auf die Schuldzuweisung Helenas an Aphrodite das Parisurteil und damit auch das Wirken der umstrittenen Göttin als unanzweifelbare Gegebenheiten voraussetzen. Ein Blick zurück auf den Alexandros, den ersten Teil der Trilogie, ist hier angezeigt. Eine unbekannte Person, sei es Kassandra, sei es Aphrodite, hat in diesem Stück vom Willen des Zeus als letzter Ursache des troianischen Krieges und seiner Folgen für die Griechen gesprochen (fr Kannicht): Ζεύς γαρ κακόν μέν ΤρωσΙ, πήμα δ' Ελλάδι θέλων γενέσθαι ταΰτ' έβούλευσεν πατήρ. 317 Man hat sich angesichts dieser Verse an die βουλή des Zeus aus dem Anfang der Kyprien erinnert, 318 wo Zeus aus Mitleid beschließt, die Erde durch einen großen Krieg von ihren allzu großen Menschenmassen zu entlasten - eine Version, zu der sich Euripides an anderer Stelle ganz deutlich bekennt. 319 Ob das Vorhaben des Zeus nun durch die Uberbevölkerung der Erde oder sonstwie motiviert gewesen sein mag, immerhin verliert das Parisurteil einiges an Bedeutung, wenn die Vernichtung Troias letztlich auf ihn zurückgeführt wird. Nichtsdestoweniger sind Aphrodite und Athena an der Ausführung seiner Beschlüsse maßgeblich beteiligt, und so ist es ein ganzes Geflecht göttlichen Planens und Wirkens, das sich um die Ereignisse in Troia legt, ein Geflecht freilich, von dem die Opfer der Gewalt des Siegers nichts wissen. Es ist dieser Wissensvorsprung, der uns zu dem Urteil berechtigt, daß Hekabe in ihrer Replik auf Helenas Apologie, und nicht nur dort, die reale Existenz der Götter nicht etwa nur als selbstgenügsame Entitäten, sondern als aktiv in die Angelegenheiten der Menschen sich einmischende Mächte 31 Zu Unrecht hat man Athcnas Strafankündigung oft nur als Ausdruck ihres Racheverlangens nach einer persönlichen Kränkung angesehen. Das Schwcigcn der Griechen zum Frevel des Aias macht sie zu Mitschuldigen. 317 Das Fragment ist bei Strabo IV p. 183 als euripideisch überliefert, ohne Angabe des Stückes zwar, aber mit der Bemerkung, daß Euripides damit die Fahrt des Paris als Werk des Zeus hinstelle. Für die Zuweisung des Fragments an den Alexandros plädierten Welcker und Härtung, zuletzt B. Snell, Euripides Alexandros und andere Strassburger Papyri mit Fragmenten griechischer Dichter (Hermes Einzelschriften, Heft 5), Berlin 1937, Ibidem. 319 Cf. Or ; Hei. 36 ff.; El

99 Seneca, Phaedra 91 unterschätzt. So setzt sie sich als selbsternannte Rächerin gleichsam an ihre Stelle, und ohne zu ahnen, daß sie mit ihrem Appell an einen gerechten Zeus etwas Wahres ausgesprochen hat, verzweifelt sie schließlich an der Gerechtigkeit der Götter, da sie keine Anstalten machen, das zu vollbringen, was sie selbst unter Gerechtigkeit versteht. Wenn nun also Hekabe in ihrer Reduktion der Göttin Aphrodite auf eine mehr oder minder abstrakte Macht, deren persönliche Intervention unvorstellbar erscheint, im gegebenen Zusammenhang der Trilogie deutlich zu weit geht, so haben ihre Vorwürfe gegen Helena doch insofern eine gewisse Gültigkeit, als diese aus eigenem Antrieb so gehandelt hat, wie es der planenden Vorsehung der Götter entsprach. Ihre Berufung auf Aphrodite wird damit in der Tat unaufrichtig, läßt aber die traditionelle Rolle der Göttin als Patronin des Paris im Grunde unangetastet. So hat Euripides hier in dem gegebenen mythologischen Rahmen einen Spielraum gelassen, in dem sich der Mensch als verantwortlich handelndes Individuum bewegt, weit entfernt davon, bloß willenlose Materie und Opfer eines von außen kommenden Zwanges zu sein. In einem Ausblick auf die Fortentwicklung des Konfliktes zwischen göttlichem und menschlichem Anteil bei der Entstehung von Leidenschaft soll nun Senecas Phaedra behandelt werden. II. 4. Seneca, Phaedra Dabei müssen wir uns mit Tschiedel im klaren sein über die nahezu völlige Profanierung des einst kultischen Dramas, die sich bei der Verpflanzung ins kaiserzeitliche Rom vollzog." 320 Was bei Euripides der schon im Prolog formulierte und die ganze Handlung bestimmende Haß der Aphrodite auf Hippolytos war, beschränkt sich bei Seneca auf das mythologische Residuum des Geschlechterfluchs", das lediglich mit Phaedra verknüpft ist. Das Verdikt der Venus über die gesamte Nachkommenschaft des Sol, der ihren Ehebruch mit Mars bloßgestellt hatte ( ), bildet den äußeren Rahmen, innerhalb dessen sich Phaedras Handeln bewegt. Seneca, der uns als Philosoph das stoische Ideal des autonomen Menschen, des allen äußeren Einwirkungen überlegenen, 321 sich selbst gehörenden sui vindex 322 vor Augen führt, zeigt an ihrem Beispiel mit dem Scharfblick eines außen stehenden Beobachters, wie ein Mensch aus der Cf. H.J. Tschiedel, Phaedra und Hippolytos. Variationen eines tragischen Konßikts, Diss. Erlangen-Nürnberg 1969, 53. S. De prov. 2, 1 (über den bonus vir) est enim omnibus externis potentior. Cf. De prov. 2, 11 (über Cato Uticensis) acerrimus sui vindex. Zu dem Verbum vindicare im Sinne von einen Anspruch haben auf etw." Siehe auch Ep. 33, 4

100 92 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros 323 Abhängigkeit von zahlreichen ihn bedrängenden Machtfaktoren auszubrechen sucht, um nur wieder in eine neue Knechtschaft hineinzugeraten. Der im Werk des Seneca Tragicus allgegenwärtige furor - römischer Terminus für jene leidenschaftlichen Aufwallungen, die man in der griechischen Tragödie, und nicht nur dort, als νόσοι bezeichnet hatte spielt auch in dem uns beschäftigenden Stück eine Schlüsselrolle. Er steht zunächst einmal für Phaedras Liebeswahn, aber auch das erotische Abenteurertum des Theseus 324 und die bis zum Exzeß gesteigerte Misogynie des Hippolytus 325 fallen in seinen Bereich, zu dem ratio und pudor ein freilich sehr fragiles Gegengewicht bilden. Der nucleus für die Entfaltung der Leidenschaft Phaedras über alle Hemmnisse hinweg liegt in der Domina-Nutrix-Szene. In ihren Auftrittsversen begegnet uns Phaedra als ein Opfer von Gewalt. Ihr Vaterland Kreta wird durch die Personifikation als dominatrix freti 326 zur Verfügerin der ungewollten Heirat mit Theseus stilisiert. Einen zusätzlichen Akzent erfährt der zwanghafte Charakter dieser Eheschließung durch das Bild der Geiselübergabe. 327 Gleichsam als Scharnier zur Schilderung ihrer eigenen Gemütslage dienen Phaedras bittere Bemerkungen über den erotischen Eroberungszug ihres abwesenden Gatten: Als furoris socius und Verächter des pudor wird uns der Begleiter des Pirithous auf seinem Gang in die Unterwelt vorgestellt, und dessen verbrecherisches Vorhaben, Persephone zu schänden, wird zuallererst ihm selbst angelastet (97/98): stupra et illicitos toros / Acheronte in imo quaerit Hippolyti pater. Der entscheidende Name, Hippolytus, ist gefallen, und mit der Erwähnung von pudor und furor sind zugleich auch die Stichworte für einen Konflikt angeklungen, der, ohne auch nur die geringste Klippe für die Skrupellosigkeit eines Theseus zu bilden, in Phaedras Gespräch mit der Amme in seiner ganzen Tragweite entwickelt werden soll. Ehe der Dialog sich entspinnt, sehen wir aber Phaedra in realistischer Selbstbeobachtung ihre seelische Verfassung beschreiben. Sie bedient sich dabei einer Sprache, die in Motivik und Bildlichkeit auf die Krankheitsszesibi quisque se vindicat - jeder von uns (Stoikern) hat selbst Anspruch auf sich selbst", will sagen: ist nicht irgendeiner Autorität unterworfen oder verpflichtet. Dazu Boyle (1987) ad loc. So wird z.b. bei Arist. probl. 954 a 36 der Seherwahn der Sibyllen und Bakiden als νοσήματα μανικά και ένθουσιαστικά bezeichnet, und bei Cie. De div. 2, 110 ist vom furor divinus der Sibylle die Rede. 324 Cf. 96 pergit furoris socius Cf. 567/68 sit ratio, sit natura, sit dirus furor: / odisse placuit. 32 Den Topos von der Herrschaft über das Meer wird Phaedra später auch in ihre Anrede an Theseus (1159) als besonderes Zeichen für dessen schreckenerregende 327 Macht einflechten. Cf. 89:... me in penates obsidem invisos datam.

101 Seneca, Phaedra 93 ne des II. Aktes vorausweist. Dem beliebten Topos der Schlaflosigkeit, 328 der innerhalb der Klage Elektras um ihren Vater im gleichnamigen Drama des Sophokles ebenso begegnet 329 wie bei der vergilischen Dido, wenn sie sich nach Einbruch der Dämmerung um den Geliebten härmt, 330 hat Seneca bei der Zeichnung der Leidenschaft Phaedras den Zug der lastenden Schwere hinzugefügt (99): Seel maior alius ineubat maestae dolor. Das Verbum ineubare trägt sehr dazu bei, den Eindruck von Ohnmacht und Lähmung einer wehrlos Ausgelieferten zu verstärken. Ein weiteres originelles Element in Senecas Darstellung seiner Phaedra ist der starke Akzent auf der Verborgenheit der Leidenschaft in ihrem Innern, der in ihrer Eingangsrede prägend ist für den expressiven Vergleich des wuchernden Übels", von dem sie erfüllt ist, mit dem brodelnden Dampf im Innern des Ätna. 331 Möglicherweise herausgesponnen aus dem κρύπτω πένθει aus der Parodos des euripideischen Hippolytos στεφανηφόρος, 332 erschöpft sich die Bedeutung des Verborgenheits-Motivs nicht, wie bei Euripides, in Phaedras anfänglicher Verheimlichung ihres Zustandes; es ist auch zu Beginn des II. Aktes noch ein wichtiger Bestandteil des Krankheitsberichtes" der Amme, obwohl sie ja von Phaedra schon längst in ihr Geheimnis eingeweiht wurde. Die eigentliche Entladung trifft bei Seneca erst dann ein, wenn Phaedra in der Antragsszene gleichsam ihr Inneres vor Hippolytus ausbreitet. 333 Noch weit entfernt von diesem wagemutigen Akt, sehen wir Phaedra im folgenden in vergilischer Manier vom Darniederliegen ihrer alltäglichen Aufgaben und Obliegenheiten berichten 334 und sich in beredtem Gegensatz zu ihrem völlig passiven Zustand verwirrter Niedergedrücktheit - hier noch ganz nüchtern, später mit den wahnhaften Zügen ihrer euripideischen Vorgängerin einen Platz in der Jagdwelt des Hippolyt anweisen: iuvat excitatas consequi cursu feras et rigida molli gaesa iaculari manu Siehe auch 369/70. Cf. Soph. El Cf. Verg. Aen. 4, 82/83 sola domo maeret vacua stratisque relictis / ineubat. Cf Cf. E. Hipp. 138/39. Als eine in ihrem Innern wütende Glut beschreibt Phaedra ihre Leidenschaft zuletzt in den vv , unmittelbar vor ihrem Bekenntnis. Cf. Verg. Aen. 4, Siehe die vv. 394 ff. Vgl. bes. 397 mit E. Hipp. 221.

102 94 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Auf die besondere Bedeutung der Jagdmetaphorik für Senecas Phaedra hingewiesen zu haben, ist das Verdienst von A.J. Boyle. 336 Hier erinnert das Schleudern des Wurfspeeres mit weicher Hand an die Art, wie Hippolytus in seiner Arie zu Beginn des Stückes die Treffsicherheit der Diana besungen hatte (62): nunc veloces ßgis dammas leviore manu. In Verbindung mit Phaedra wird das Motiv vom Zielen auf eine Beute deutlich erotisiert, und dieser Tendenz ist im weiteren Verlauf der Handlung, wie wir sehen werden, noch eine Steigerung vorbehalten. Mit der Frage quo tendis, anime?, die sich in Form und Gestaltung der Anrede der euripideischen Medea an ihren θυμός - μή δήτα θυμέ annähert, leitet sich das Ringen mit den eigenen Gefühlen in der besonders eindringlichen Form des Monologes ein. Phaedras klare Einsicht in das Ausmaß ihres Liebeswahnes äußert sich nicht nur in ihrer Selbstbeschreibung als furens, sie erkennt in dem malum, von dem sie befallen ist, auch eine Familienschwäche, stellt sie es doch in eine Reihe mit der widernatürlichen Neigung ihrer Mutter Pasiphae zu einem Stier; und wenn beschrieben wird, wie Daedalus den Minotaurus, die monströse Frucht ihrer Liebesverbindung, einschloß im dunkeln Haus", 338 so liegt der Bezug dieses Details auf Phaedras eigenen Zustand in seinem metaphorischen Gehalt als Bild für die Verkapsulierung des Monströsen in ihrem Innern. Das Potential des Schuldbewußtseins, das in dem von Selbsterkenntnis durchdrungenen Monolog liegt, wird im Keim erstickt durch die mythologische Erklärung, die Phaedra für die Verbreitung frevelhafter Liebe in ihrer Familie bereit hält: Die Wurzel allen Übels ist ihr der Fluch der Venus, der dem Stamm des Sol anhängt, seit dieser die Göttin in der Umarmung des Mars ertappt und bloßgestellt hat. Die Last-Metaphorik klingt wieder an, wenn Venus als Beschwererin eines ganzen Geschlechtes erscheint, die keiner der Minostöchter eine leichte" Liebe, frei von Frevel, vergönnt hat (126-28): probris omne Phoebeum genus / onerat nefandis: nulla Minois levi / defunct a a more est, iungitur semper nefas. Die Rolle, die Venus zugeschrieben wird, unterscheidet sich auf bedeutsame Weise von der Funktion der Aphrodite im Hippolytos Stephanephoros des Euripides. War dort ihr Ziel die Vernichtung des Artemisjüngers und Phaidra nur das Mittel, ihn zu Fall zu bringen, so richtet sich in der von Phaedra vorgebrachten Version der Haß der Venus, wie schon im vierten Heroidenbrief Ovids, 339 auf sie selbst; und diese Verlagerung, die OOQ 339 Siehe seinen Aufsatz "In Nature's Bonds: Α Study of Seneca's Phaedra", 32, 2, 1985, Cf. Ε. Med ANRWII Cf. 122 qui nostra caeca monstra conclusit domo. Phaedras Identifikation mit der Mutter wird betont durch das Pronomen nostra. Cf. Ov. Her. 4, 54 ff.

103 Seneca, Phaedra 95 später auch Racine übernehmen wird, 340 geht Hand in Hand mit dem Wechsel des Hauptdarstellers von Hippolytos zu Phaedra. Nachdem nun die Enkelin des Sol ihre Ohnmacht gegenüber der Last des Geschlechterfluchs angedeutet hat, 341 meldet sich die Amme zu Wort. In ihrer Rede, die den Charakter einer dramatischen suasoria trägt, 342 verbindet sie deutlich stoisch eingefärbte Ratschläge mit der Taktik des Einschüchterns. Mit ihrer Anrede - These a coniunx, clara progenies Iovis (129) - stellt sie Phaedra von Anfang an in die Realität ihrer äußerlichen Unfreiheit hinein: Ihrem Gatten ist sie zur Treue verpflichtet, und der Macht des Juppiter, des ersten unter ihren Vorvätern, hat sie sich unterzuordnen. Einer aufkeimenden Liebe gleich in ihren ersten Regungen sich zu widersetzen, empfiehlt sie, durchaus im Einklang mit dem Philosophen Seneca, 343 als sichere und ohne allzu großen Kraftaufwand zu bewerkstelligende Handhabe (132-33): pepulitque... quisquis in primo obstitit amorem, tutus ac victor fuit. Stoischem Gedankengut 344 ist auch die hohe Einschätzung des Willens für einen tadellosen Lebenswandel verpflichtet (140): Honesta primum est velle nec labi via Und noch einmal kommt die Last-Metaphorik zum Zuge, allerdings mit der bezeichnenden Änderung, daß in den Augen der Amme Phaedra nicht das passive Opfer bedrückender Mächte ist, sondern eine aktive Rolle als Beschwererin ihres ohnehin schon berüchtigten Hauses einnimmt (142/43): superasque... Quid domum infamem aggravas 345 matrem? Cf. Racine, Phd. 277 f.: «Je reconnus Venus et ses feux redoutables, / D'un sang qu'elle poursuit tourments inevitables.» F. Giancotti (Poesia e Filosot5a in Seneca Tragico. La Fedra, Turin 1986, 20) findet für die fatalisierende Wirkung des Fluches die folgenden Worte:... il senso di una fatalitä gravante sulla Stirpe, per cui s'oblitera l'istanza della responsibilitä personale, l'io s'eclissa sotto l'urgere di mitiche imagini d'una divinitä irresistibile." Siehe die Erläuterungen in der Einleitung des Kommentars von Boyle (1987) 13 zur hohen Bedeutung der suasoria, der an eine Person aus Mythologie oder Historie gerichteten beratenden Rede, für die Praxis zeitgenössischer Rhetorenschulen. 343 gp gc^ g f ac jn us es f enj m initia illorum (sc. adfectuum) prohibere quam impetum regere. Ad Marc. 1, 7 f.... omnia vitia penitus insidunt, nisi dum surgunt oppressa sunt. 344 Cf. infra, 99 Anm Siehe dazu C.P. Segal, Language and Desire in Seneca's Phaedra, Princeton 1986, 54: "The active verb implies the power of moral choice and the exercise of will."

104 96 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros Daß Phaedra im Vergleich mit ihrer Mutter schlechter abschneidet, liegt für die Amme in ihrer vollen Zurechnungsfähigkeit begründet (144): nam monstra fato, moribus scelera imputes - denn Widernatur rechne dem Schicksal, dem eigenen Wesen den Frevel an." Das unmittelbare Aufeinandertreffen der Begriffe fato und moribus als innere Glieder eines Chiasmus bekräftigt die Ansicht der Amme, daß Phaedras Leidenschaft in ihrem Charakter begründet liegt und nicht vom Schicksal auferlegt ist. Für den Fall, daß die von ihr vorgeschlagenen remedia amoris auf taube Ohren stoßen, versucht die Amme es mit Drohungen. Die Stelle des Theseus, den das Dunkel der Unterwelt gefangen hält, soll die beeindruckende Ahnenreihe von Minos über Sol zu Juppiter einnehmen. Und selbst wenn ihr Tun vor allen diesen mächtigen Persönlichkeiten verborgen bleiben sollte, so bliebe doch - und hier wird die Amme wieder philosophisch - die Qual des eigenen Gewissens (164): scelus aliqua tutum, nulla securum tulit - Vielleicht hat ein Verbrechen eine Frau schon unentdeckt davongetragen, keine jedoch frei von Sorge." 346 Ein dringener Appell, der in der Bildlichkeit des Aufrufs, die Liebesflammen zu löschen, 347 und mit dem Anliegen, die Vertreibung des Frevels aus Phaedras Gedanken zu erwirken, 348 ein Pendant zum ersten Teil der Rede bildet, mündet in einige abschließende exklamatorische Fragen, die unter dem Stichwort verte η at ur am sämtlich darauf abzielen, vor der Liebe Phaedras zu ihrem Stiefsohn als Verkehrung der Natur in der Nachfolge ihrer Mutter zu warnen. Den moralischen Bedenken der Amme beistimmend, erklärt Phaedra ihre Unfähigkeit, sich ihnen zu beugen (177-9): Quae memoras scio vera esse, nutrix; sed furor cogit sequi peiora. Was sie hier über den furor als treibende Kraft ihrer Handlungen wider ihr besseres Wissen zu sagen hat, ist hineinzustellen in die Tradition der literarischen Gestaltung des Konfliktes zwischen Einsicht und Leidenschaft, die mit Euripides' Medea 349 ihren Anfang nimmt und ihre Spuren auch in Ovids Metamorphosen 350 hinterlassen hat Cf. Ep. 97, 13 tuta scelera esse possunt, secura esse η on possun t; Ep. 105, 8 tutum aliqua res in mala conscientia praestat, nulla securum. 347 Cf. 165 compesce amoris... ßammas, und 131 extingue flammas. Cf. 169 expelle facinus mente und 133 pepulitque amorem. 349 Cf. E. Med Die Frage nach der Echtheit dieser Verse kann uns hier nicht beschäftigen. Cf. Ov. Met. 7, 20 f. video meliora proboque, / deteriora sequor. 351 Vgl. dazu auch R. Jakobi, Der Einfluß Ovids auf den Tragiker Seneca, Berlin 1988, 69.

105 Seneca, Phaedra 97 Ebenso populär und besonders aus Vergils erstem Georgica-Buch als Bild für den zerstörerischen Einbruch der Naturkräfte bei der geringsten Nachlässigkeit des Landmannes bekannt 352 ist Phaedras Vergleich ihres vergeblichen Ankämpfens gegen den furor mit dem von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch des Schiffers, einen Kahn, der obendrein noch schwer beladen ist, gegen den Strom zu steuern. Das hilflose Ausgeliefertsein an ein stärkeres Element ist es, was mit dem unweigerlichen Abtreiben des Kahnes unter der Wucht der Strömung 353 versinnbildlicht wird, und das Motiv der Schwere erhält im Detail des belasteten Kahns seinen ursprünglichen Gehalt als Ausdruck für Lähmung und Passivität zurück. Quid ratio possit? vicit ac regnat furor unter dieser Uberschrift wird nun in Phaedras Apologie ihrer Leidenschaft der Topos von der Herrschaft Amors auch unter den Göttern mit rhetorischer Brillianz entfaltet. Kennzeichnend für diesen Abschnitt sind Paradox und Antithese: Mit der Charakterisierung Amors als hic volucer wird der Akzent gleich zu Anfang auf seine schwebende Leichtigkeit gelegt, die einen wirkungsvollen Gegensatz zu der Gewichtigkeit der ihm hörigen Olympier bildet. Zeus, dem von der Amme als mächtigem Blitzeschleuderer eben noch der oberste Rang in ihrem einschüchternden patriarchalischen Dreigestirn angewiesen worden war, erscheint hier als Opfer der sengenden Flammen Amors. Auch Mars hat die Fackel des Liebesgottes verspürt, und selbst der mit der Kraft des Feuers so eng vertraute Vulcan ist ihm nicht gewachsen. Die Unterlegenheit des Schmiedegottes erscheint um so ungeheuerlicher, als Amor den von ihm gewarteten tobenden Essen nichts als ein kleines Feuerchen entgegenzusetzen hat (190/191): Et qui furentis semper Aetnaeis iugis / versat caminos igne tarn parvo calet. Treffsicher überwältigt Amor auch Phoebus, den Bogenschützen par excellence, und seiner Schmächtigkeit, noch einmal eingefangen in den Worten puer und volitat, wohnt eine Sprengkraft inne, die Himmel und Erde umfaßt (192-94): ipsumque Phoebum.../ ügit sagitta... puer / volitatque caelo pariter et terris gravis. Angesichts einer so eindrucksvollen Machtdemonstration hilft nur noch Entmythologisierung, und so stellt denn auch die Amme den Gott Amor als das Produkt menschlicher Phantasie im Dienste des Lasters hin (195/ 96): Deum esse amorem turpis et vitio favens ßnxit libido. Das erinnert Cf. Verg. georg. 1, Ähnlich auch die Metaphorik, derer sich im Hippolytos Stephanephoros des Euripides wohlgemerkt nicht Phaedra selbst, sondern die Amme bedient (469/70): ές δέ τήν τύχην / πεσοϋσ' δσην σύ πώς αν έκνεϋσαι δοκεΐς; - In so großen Schicksalsstrom geraten, wie gedenkst du denn herauszuschwimmen?" Siehe ferner E. Tro Cf. 184.

106 98 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros nicht nur an Hekabes Aphrodite-άφροσύνη-Wortspiel in den Troerinnen des Euripides, sondern entspricht auch den Ansichten des Philosophen Seneca, der in getreuer Xenophanes-Nachfolge althergebrachte Mythen wie die von den amourösen Abenteuern des Zeus als Expektorationen des furor poetarum in den Bereich der schädlichen, da zur Entschuldigung der licentia gerne herangezogenen Lügenmärchen verbannt hat. 355 Das Paradoxe der Vorstellung von einer allmächtigen Zwingherrschaft in den Händen eines zarten, geflügelten Knaben, das Phaedra für ihren mythischen Exkurs rhetorisch ausgebeutet hatte, wird von der Amme aufgegriffen, um eben diese Vorstellung ad absurdum zu führen: ille per caelum volans proterva tenera tela molitur manu regnumque tantum minimus e superis habet. Die Diktion des Verses 200 stellt Amor, wird er auch von der Amme nicht geglaubt, in eine Reihe mit Diana und Phaedra, und die Erotisierung des ursprünglich neutralen Bildes vom leichthändig-sicheren Umgang mit einem Jagdgeschoß ist damit auf ihrem Höhepunkt angelangt. 356 Was aber hier auf den ersten Blick ins Auge fallen soll, ist die verächtliche Titulierung Amors als minimus e superis. Auf ihrem Hintergrund bringt die Amme noch einmal die Theorie von Amor als einer bloß fiktiven Gottheit zur Geltung und bezieht dabei auch Venus mit ein. Es folgt ein längerer Exkurs über den schädlichen Einfluß des Reichtums, gipfelnd in der Sentenz (215): quod non potest vult posse qui nimium potest. Zum Abschluß der Rede wird der Bogen zum Appell These a coniunx (129) zurückgeschlagen, wenn die Amme Phaedra an ihre Pflichten als Königin (noblesse oblige!) und Gattin des Theseus gemahnt (216/17): quid deceat alto praedi tarn solio vide: metue ac verere sceptra remeantis viri. Immerhin ist mit diesem Verspaar nach der kleinen kulturpessimistischen Abschweifung die Rückkehr zum Dialog vollzogen, denn die Aufforderung, sich unter die Autorität des möglicherweise schon bald zurückkehrenden Gatten zu beugen, provoziert eine klare Antwort auf Seiten Phaedras: Amoris in me maximum regnum reor reditusque nullos metuo Cf. De Vit. beat. 26, 6; De brev. vit. 16, 5. Cf. supra, 93/94.

107 Seneca, Phaedra 99 Ich halte nun dafür, daß Amors Herrschaft über mich die größte ist, und fürchte keine Rückkehr." Phaedra bekennt sich hier zu einer Rangabfolge, die sie, wie das Verbum reor 357 betont, in freier Wahl für sich festgelegt hat. Ihr Gehorsam bleibt der Liebe, nicht aber Theseus vorbehalten - ein Bekenntnis, zu dem sie sich genötigt sieht, nachdem die Amme ein passives Sich-Berufen auf den furor und einen unbezwinglichen Liebesgott nicht gelten gelassen hat. Spekulationen Phaedras über die Unwahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Entkommens ihres Gatten aus der Unterwelt münden ein in eine immer mehr sich verdichtende Auseinandersetzung mit der Amme, in der sich herausstellt, daß Phaedra in ihren Wunschträumen die Härte des Theseus und den unzugänglichen Starrsinn des Hippolytus auf verhängnisvolle Weise unterschätzt: Sie erhofft sich Nachsicht von dem Gatten, 358 falls er zurückkehren sollte, und phantasiert vom Sieg der Liebe über Hippolyt, ja macht ihn in Gedanken zum Gegenstand einer erotischen Jagd, der kein Hindernis zu groß ist. Nachdem schließlich Phaedra in einigen erregten Antilabai alle von der Amme noch vorgebrachten Bedenken systematisch entkräftet hat, gibt diese das Drohen mit Autoritäten auf und flüchtet sich als ultima ratio in die Rolle der Bittflehenden, freilich nicht ohne noch einmal den durchaus stoischen Kerngedanken ihrer remedia Amoris, Willens zum Guten für die Uberwindung des furor, betonen (249): pars sanitatis velle sanari fuit. 359 die große Bedeutung des nachdrücklich zu In einer schlagartigen Wendung äußert nun Phaedra plötzlich den Gedanken an Selbstmord, doch ist ihr Beweggrund dabei nicht der Wunsch, die Oberhand über ihre Leidenschaft zu gewinnen, sie verharrt vielmehr in ihrer Kapitulation vor ihrem Ansturm, zeigt sich aber mit einem Male wie ihre Vorgängerin im Hippolytos στεφανηφόρος, in einer Aufwallung des pudor um ihren Ruf besorgt und sieht im Suizid die einzige Möglichkeit, dem nicht mehr aufzuhaltenden Frevel, der in einer Annäherung an Hippolytus liegen würde, zuvorzukommen. Mit dem Entschluß, ihrem Leben ein Ende zu bereiten, zieht Phaedra die Amme auf ihre Seite. Uberwältigt von der Zuneigung zu ihrer Herrin, Frucht des jahrelangen Umgangs mit ihr, gibt sie sich im Kampf gegen den furor nun auch ihrerseits geschlagen (268/69): Si tarn protervus 357 Ein überzeugendes Plädoyer für diese Konjektur bietet O. Zwierlein, WüJbb 6 a, 1980, Im Keim angelegt ist dieser Gedanke schon bei E. Hipp. 462/63 (bezeichnenderweise wieder im Munde der Amme): πόσους δοκεϊς δή κάρτ' ϊχοντας εϋ φρενών / νοσοϋνθ' όρώντας λέκτρα μή δοκεΐν όραν; 359 Cf. Sen. Ερ. 34, 3 pars magna bonitatis est velle fieri bonum\ Ep. 71, 36 magna pars est profectus velle proücere.

108 100 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros incubat menti furor, / contemne famam. Mit dem Verbum incubat wird eine Brücke zurück zur Eingangsrede Phaedras geschlagen, doch ist der dolor, an dem dort alles seinen Ausgang genommen hatte, 360 am Ende der Domina-Nu trix-szene zu furor geworden. Im Versuch, Hippolytus den Lockungen der Liebe gewogen zu machen, bietet die Amme ihre Dienste an. Der Furor feiert seinen Sieg, und in diesem Sinne stimmt der Chor nun eine Ode auf die Allmacht des Göttergespanns Venus/Amor an. Sie zerfällt in zwei Teile, von denen der erste dem Wirken Amors unter den Menschen, Göttern und Heroen gewidmet ist, der zweite die Gewaltherrschaft des Paarungsinstinktes im Reich der Tiere schildert. Am Anfang steht, wie so oft in hymnischen Chorliedern, ein Götteranruf, der hier an Venus als die Meergeborene gerichtet ist; und die Charakterisierung ihres Ursprungselementes als non mitis - ein Attribut, das später auch der Knabe Amor erhält fällt auf ihr eigenes Wesen zurück. Wenn ihr dann noch im gleichen Atemzug Gott Amor als ihr Sohn zur Seite gestellt wird, so ist die Art der Herrschaft dieser beiden Götter gleich zu Beginn auf die einer harten, unerbittlichen Tyrannis festgelegt. Bemerkenswert ist in v. 275 die Bezeichnung geminus Cupido. Möglicherweise greift Seneca hier die von Euripides geprägte Vorstellung des doppelten Eros auf, über die im zweiten Teil dieser Arbeit noch zu reden sein wird. Der Gedanke von der gespaltenen Natur des Eros gehört freilich schon seit Sapphos berühmter Wortschöpfung γλυκύπικρον zu den Gemeinplätzen der Dichtung; 362 und es wird sich zeigen, daß in unserer Ode die sinistre Seite des Gottes und der von ihm repräsentierten Macht überwiegt. Eingeführt wird Amor nach dem Götteranruf im vollen Glanz seiner anthropomorphen Erscheinung mit den traditionellen Attributen des Feuers, der Pfeile und des Bogens: impotens flammis simul et sagittis iste lascivus puer et renidens tela quam certo moderatur areu! Daß der Beschreibung des Götterknaben als renidens eine Reminiszenz an den Έρως χρυσοφαής des Hippolytos στεφανηφόρος (1275) innewohnt, sei am Rande angemerkt; wichtiger ist die Beobachtung, daß in diesen Versen eine Analogie zwischen Venus/Amor und Diana sich anbahnt. Die Cf. 99 Sed maior alius incubat maestae dolor. Cf. 334 hac regna tenet puer immitis. Cf. Boyle (1987) ad ioc., der auf die Worte der Amme über die Natur des έραν in E. Hipp. 348 verweist: ήδιστον, ώ παΐ, ταύτόν άλγεινόν θ' δμα.

109 Seneca, Phaedra 101 Ausrüstung Amors mit einem treffsicheren Bogen" (certo areu) erinnert an Hippolytus' Anruf der Diana als Jagdgöttin mit unfehlbaren Geschossen". 363 Nachdem mit hörbarem Anklang an die Beschreibung der stillen Liebesqualen Didos in Vergils viertem Aeneis-Buch 364 der Pfeilschuß des Amor als Ursache einer zwar äußerlich kaum sichtbaren, innerlich dafür um so heftiger wütenden Wunde charakterisiert worden ist, 365 nimmt die Analogie ihren Fortgang, wenn in ähnlicher Weise, wie in der Arie des Hippolytus der Herrschaftsbereich Dianas in seinen beachtlichen Ausmaßen bestimmt worden war, 366 nun auch die Macht des Amor auf einen freilich noch größeren, den damals bekannten Erdkreis in seiner Gesamtheit umfassenden geographischen Raum festgelegt wird. 367 Der Gedanke an eine Einverleibung des von Diana regierten Reiches der Wildnis in das weltweite Imperium des Amor liegt nahe, und wir werden ihn im weiteren Verlauf der Ode sich noch klarer herauskristallisieren sehen. Zunächst einmal ist zu verfolgen, wie die Allmacht Amors an Hand von Beispielen anschaulich gemacht und verlebendigt wird. Mit einem kurzen Streiflicht auf Jüngling, Greis und Jungfrau läßt der Chor den Bereich des Menschlichen schnell hinter sich, um zu den eigentlich spektakulären Opfern Amors, den Göttern und Heroen überzugehen. Den bunten Reigen der von Amor Heimgesuchten verbindet als übergreifendes Motiv die Selbst-Erniedrigung des Liebenden, wie sie schon in den einleitenden Versen zum Ausflug in die Welt des Olymp anklingt (294/95): et iubet caelo superos relicto / vultibus falsis habitare terras. Amor bringt die Götter dazu, den Himmel zurückzulassen und auf der Erde Quartier zu nehmen; und daß dieser Abstieg nicht nur ein ortsmäßiger ist, wird im folgenden mehr als deutlich: Während seines Hirtendaseins in Thessalien, dem Lande des geliebten Admet, vertauscht Phoebus die erhabene Kithara, in der Diktion des Chores vertreten durch Cf. 56/57 certis... teiis. Siehe dazu A.J. Boyle, "In Nature's Bonds", Cf. Verg. Aen. 4, 66/67 est mollis üamma medullas / interea et taciturn vivit sub pectore vulnus. Die vv. 279/80, die in der Handschrift Α ohnehin fehlen, können wohl mit Recht in ihrer Echtheit angezweifelt werden. Nicht nur würden sie, Seite an Seite mit dem darauffolgenden Verspaar, die Metaphorik vom Wüten der Leidenschaft im innersten Mark auf überflüssige Weise und mit der stilistisch unschönen Vorwegnahme des Wortes medullas verdoppeln, sie wirken auch störend in der Stringenz des Gedankengangs, die den unmittelbar vorangegangenen Vers, in dem ja die Rede von den Geschossen Amors war, mit den vv. 281 f. und ihrem Bild von der inwendig zehrenden Wunde als Werk des Bogenschützen verbindet. Cf Cf

110 102 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros das Plektron, mit dem man ihre Saiten anschlägt, 368 gegen die in ungleich niedrigerem Ansehen stehende Rohrflöte und begibt sich damit auf die Ebene des Silenen Marsyas, den er im Musikwettstreit zwischen Leier und Flöte doch selbst besiegt hatte. Die Gestalten, die Juppiter auf seinen erotischen Eroberungszügen in das Reich der Sterblichen annahm, werden ausdrücklich als minores, unter seinem Niveau liegend, bezeichnet. Diana sehen wir in ihrer Eigenschaft als Mondgöttin aus Verlangen nach Endymion ihr ureigenstes Attribut, den Wagen der Nacht, aus der Hand geben. Die Tatsache, daß auch sie einmal geliebt hat, betont noch einmal die untergeordnete Stellung ihrer selbst und ihres Herrschaftsbereiches im Universum des Amor. Mit Herakles und seinem legendären Aufenthalt bei der lydischen Königin Omphale schließt sich der Kreis. In ihrem Dienst entäußert er sich der Insignien seines Heldentums. Löwenfell und Köcher werden abgelöst von kostbarem Schmuck und zierlichem Schuhwerk; statt der Keule hält er den Spinnrocken in Händen. Dieses Zeugnis einer Selbsterniedrigung bis hin zur Depersonalisierung weist voraus auf die Antragsszene. Noch vor ihrem eigentlichen Bekenntnis bestimmt sich Phaedra mit wahrem Ubereifer zur Bittstellerin und Sklavin des Stiefsohns; 369 und bezeichnend für ihre devote Dienstfertigkeit ist das Anerbieten, jegliche Knechtschaft auf sich zu nehmen (612): omne servitium feram. 370 Der Antrag selbst kleidet sich in die Form der supplicatio, und die Erniedrigung wird nun auch äußerlich, in der Haltung der Flehenden, manifest (666-67): en supplex iacet / adlapsa genibus regiae proles domus. 371 Daß Amor Götter, Menschen und Heroen dazu treibt, sich unter ihr Niveau zu demütigen, ist nur ein weiterer Beweis für seine Macht, und in diesem Sinne beschließt dann auch der Chor seinen Ausflug in die Welt der Mythologie: ο γη Sacer est ignis (credite laesis) nimiumque potens. Cf. 297 positoque plectro. Cf. 622 sinu receptam supplicem ac servam tege. Die Entwicklung des schon in der Dichtung der Alexandriner, namentlich im Apollon-Hymnus des Kallimachos, zu findenden Motivs des aus Liebe in den Dienst eines Menschen sich stellenden Gottes hin zu dem romantischen Topos des immer auch mit demütigender Selbsterniedrigung verbundenen servitium amoris bei den römischen Elegikern nachgezeichnet zu haben, ist das Verdienst von F.O. Copley, "Servitium amoris in Roman Elegists", TAPhA 78, 1947, Siehe auch die Formulierung descendi ad pieces (668).

111 Seneca, Phaedra 103 Die Verse, in denen mit sacer zwar noch an den göttlichen Ursprung der Liebesleidenschaft gemahnt wird, an die Stelle des Gottes Amor dagegen das abstraktere Feuer rückt, kündigen eine Wende in der Darstellung der Liebe an; und tatsächlich verliert der amor im zweiten Teil der Ode, der mit dem Kosmos, dem Element des Wassers und dem Tierreich sich befaßt, in zunehmendem Maße die Züge einer anthropomorphen Gottheit. Das Regiment über die Gestirne und das Meer führt er freilich noch als immitis puer, doch im Bereich der wilden Tiere wird amor zum Ausdruck des bloßen Instinkts, und in der Beschreibung seiner Symptome orientiert sich Seneca bis in Einzelheiten der Wortwahl an der berühmten Darstellung der zerstörerischen Macht des amor in Vergils drittem Georgica-Buch 242 ff. Stier und Hirsch, Eber, Löwe, Tiger und Elefant stehen exemplarisch für das ganze Reich der Wildnis, und was Hippolytus in seiner Arie als das Jagdrevier der Diana besungen hatte, 372 wird hier in den Bannkreis einer Macht hineingestellt, die auf dem Wege vom mythischen Gott Amor über den Instinkt als abstractum zur Natura schlechthin geworden ist (352/53): vindicat omnes natura sibi - es beansprucht sie alle die Natur als ihr Eigentum." Dieses Fazit steht in krassem Gegensatz zum oben erwähnten stoischen Ideal des sui vindex. Man hat in der Ode auf Amor mit ihrer Botschaft von der Einbeziehung alles Lebendigen in den Bannkreis einer grimmigen Urgewalt die Besiegelung der Ohnmacht Phaedras gegenüber dem furor sehen wollen. 373 Sind wir aber als Interpreten dazu befugt, den Tenor eines einzelnen Chorliedes als repräsentativ für die im Werk vertretene Weltauffassung in Anspruch zu nehmen? Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß sich das Finale von Senecas Phaedra von dem des Hippolytos στεφανηφόρος auf bedeutsame Weise unterscheidet. 374 Phaedra wird nicht, wie bei Euripides, von einer Dea ex machina exkulpiert, sondern erkennt vor dem grausam zugerichteten Leichnam Hippolyts ihre eigene Schuld an seinem Schicksal an: Hippolyte, tales intuor vultus tuos talesque feci? Die Reue kommt freilich zu spät, und so wird Phaedra in ihrem Schmerz 372 Cf oyo Cf. A.J. Boyle, "In Nature's Bonds", 1295: "Delineating the universality of love's power, its irresistibility, its devastation, its violence, this ode confirms Phaedra's position as to her own impotence." 374 Cf. F. Giancotti, Poesia e Filosofia in Seneca Tragico, 24.

112 104 Die Macht der Aphrodite und die Unbezwinglichkeit des Eros zum Exempel dafür, welchen Qualen ein Mensch ausgesetzt ist, wenn einmal Leidenschaft die Oberhand über ihn gewonnen hat.

113 III. Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros... in a religion without a devil gods have a dark and dangerous, as well as a benevolent side;... The dark, dangerous, threatening, arbitrary side of gods is one particular articulation of the perception that the world is dangerous and man's life very precarious. Christiane Sourvinou-Inwood, Tragedy and Athenian Religion, 331 Ein hervorstechender Zug der Götter des griechischen Pantheons ist ihre Doppelgesichtigkeit. So wie Apollon im ersten Buch der Ilias Pestgott und zugleich Heilgott ist, wie Artemis einerseits als bedrohliche Hüterin der Jungfräulichkeit, andererseits als Geburtsgöttin galt, 375 so sind auch Aphrodite und Eros zwiespältige Gottheiten. Nun liegt es wohl im Wesen der Tragödie als Gattung, daß dort die dunkle, unwägbare Seite im Wirken eines Gottes oftmals besonders betont wird. 376 Innerhalb der vorausgegangenen Betrachtungen über die Macht der Aphrodite und des Eros sind wir bereits des öfteren auf das Element des Destruktiven als die latent vorhandene oder sogar offen zu Tage liegende Kehrseite dieser beiden ebenso berückenden wie bedrohlichen Gottheiten gestoßen. Zu erinnern wäre da an das Eroslied aus Sophokles' Antigone, dessen Gegenstrophe, wie wir zeigen konnten, um das chaotische, altehrwürdige Ordnungen auflösende Element im Wirken des Eros kreist. 377 Wie Aphrodite mit Hades selbst gleichgesetzt wird und die Züge einer alles beherrschenden Elementargewalt gewinnt, haben wir bei der Besprechung des Sophokles-Fragments 941 gesehen Cf. W. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, R. Parker ("Gods Cruel and Kind: Tragic and Civic Theology", in: Greek Tragedy and the Historian, ed. by Chr. Polling, Oxford 1997, 145) bringt diese Beobachtung auf die in ihrer Verallgemeinerung vielleicht etwas überspitzte Formel: "Tragedy requires cruel gods just as comedy requires kind gods." Cf. supra, Cf. supra, 36/37.

114 106 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros Die griechische ebenso wie die römische Phaedra waren uns Beispiel für das seelenzermürbende und im Falle der senecanischen Heroine maßlos enthemmende Potential einer allzu heftigen Leidenschaft. So haben die Tragiker, und insbesondere Euripides, die Abgründe, in die Aphrodite und Eros treiben können, immer wieder entweder direkt in Szene gesetzt oder zum Gegenstand der Reflexion insbesondere in den Chorliedern erhoben. Ob die Grausamkeit einer Aphrodite, wie sie in Euripides' Hippolytos in einem groß angelegten Rachefeldzug zwei Menschen, den einen mittelbar, den anderen als direktes Opfer zugrunde richtet, ihr Äquivalent in einem Zug der kultisch verehrten Göttin hatte, ist zwar eine schwer zu beantwortende, aber immerhin zulässige Frage, 379 und gerade in jüngster Zeit ist man wieder vermehrt darum bemüht, die Wechselbezüge zwischen Tragödie und religiös-rituellen Gebräuchen aufzuzeigen. 380 Nun wissen wir zwar, daß es in Athen am Iiissos, auf dem Markt und am Nordabhang der Akropolis Heiligtümer jener Aphrodite-Urania gab, die höchstwahrscheinlich von Pap hos aus auf das griechische Festland gelangt war. 381 Aus dem Hergang der Arrhephorien", die jährlich zu ihren Ehren gefeiert wurden, sind freilich keine Einzelheiten bekannt, die für unsere Fragestellung relevant wären, 382 und auch aus Zypern, der Herkunftsinsel, haben wir nur vage Hinweise auf einen grausamen Zug der Göttin, der besonders der salaminischen Parakyptusa" eigen gewesen zu sein scheint. 383 Daß Aphrodite in einzelnen Lokal-Kulten die Züge einer chthonischen Gottheit getragen hat, wird durch mehrere verstreute, leider allerdings in keinem Fall irgendwie näher ausgeführte Hinweise nahegelegt. Verblüffend ist in diesem Zusammenhang, was Hesych s.v. Erinys glossiert: δαίμων καταχθόνιος ή 'Αφροδίτη ή εΐδωλον. Die Verbindung, die hier zwischen Aphrodite und dem chthonischen Rachedämon par excellence hergestellt wird, ist nicht zuletzt auch in genealogischer Hinsicht gegeben, hat Aphrodite doch bei Hesiod, Th die Erinyes und Giganten zu Geschwi Cf. R. Parker, "Gods Cruel and Kind", 145/46. Cf. Chr. Sourvinou-Inwood, Tragedy and Athenian Religion; R. Seaford, Reciprocity and Ritual. Homer and Tragedy in the Developing City-State, Oxford Cf. E. Langlotz, Aphrodite in den Garten (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Philosophisch-historische Klasse, Jg. 1953/54, 2. Abh.), Heidelberg 1954, 28. Uber Zypern als Zwischenstation bei der Übertragung des Urania-Kultes nach Athen s. Hdt. 1, und Paus. 1, 14, 7. Zum Heiligtum auf der Akropolis s. O. Broneer, "Eros and Aphrodite on the North Slope of the Akropolis in Athens", Hesperia 1, 1932, Cf. E. Langlotz, ibidem. Cf. infra, 175.

115 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 107 stern und in der Theogonie des Vorsokratikers Epimenides von Kreta die Erinyes und Moiren. 384 Bei Pausanias 1, 19, 2 lesen wir, daß die athenische Urania έν κήποις als die älteste der Moiren" galt. Zu den Schicksalsgöttinnen, die ihr auch in einem der orphischen Hymnen untergeordnet werden, 385 gehört sie, weil sie wie diese über Beginn und Ende des Lebens wacht. 386 Auf einen chthonischen Aspekt der Aphrodite deutet dagegen wieder die bei Pausanias im Zusammenhang mit ihr mehrmals begegnende Epiklese μελαινίς. Das Kult-Epithet einer Schwarzen" teilt sie mit Demeter im arkadischen Phigalia, die dort unter ähnlichen Vorzeichen wie in Thelpusa 387 als Erinys-Lousia verehrt wurde. 388 Aphrodite trägt den Namen μελαινίς zu Thespiai in Boiotien, 389 an einer Quelle dicht bei dem Ort Melangeia in der näheren Umgebung von Mantinea in Arkadien 390 und in Korinth. 391 Damit wird für diese drei Lokal-Kulte jener düstere Ton angeschlagen, der sonst untrennbar mit den Gottheiten der Unterwelt verbunden ist, und so haben wir es hier also mit einer Aphrodite zu tun, die in ihrer Nähe zu den Chthoniern auch deren vornehmlichsten Charakterzug, die Ambivalenz eines einerseits wohlwollenden, andererseits bedrohlich destruktiven Wesens, 392 geteilt haben dürfte. Wenn es auch keinerlei Anhaltspunkte für einen chthonischen Aspekt der in Athen verehrten Aphrodite gibt, so bilden doch die oben erwähnten Beispiele für einen Bezug zu den Ερινύες, der immerhin auch in den Genealogien des Hesiod und Epimenides von Kreta faßbar ist, eine interessante Parallele zu dem literarischen Topos der launisch-despotenhaften, in ihrer grausamen Willkür unwägbaren Aphrodite, wie sie insbesondere bei Euripides begegnet. 384 Cf. Σ ad Soph. OC 42 Τάς πάνθ' όρώσας Εύμενίδας Έπιμενίδης Κρόνου φησί τάς Εύμενίδας Έκ του καλλίκομος γένετο χρυσή 'Αφροδίτη, / Μοιραι τ' άθάνατοι, και Ερινύες αίολόδωροι. 385 Cf. Orph.H. 55 (ΕΙς Άφροδίτην), ν. 4-5: πάντα γάρ έκ σέθεν έστίν, υπεζεύξω δέ τε κόσμον / καΐ κρατέεις τρισσών μοιρών, γενναις δέ τα πάντα Qf Plutarch, Quaest. rom. 23:... ώς μιας θεοϋ τάς γενέσεις και τάς τελευτάς έπισκοπούσης. 387 Cf. Paus. 8, 25, cj p aus g^ 42 i ij s. dazu auch V. Pirenne-Delforge, L'Aphrodite grecque. Contribution ä l'etude de se culte et de sa personnalite dans le pantheon archaique et classique (KERNOS, Supplement 4), Athen und Lüttich 1994, 261/ Cf. Paus. 9, 27, Ibid., 8, 6, Ibid. 2, 2, Cf. S. Scullion, "Olympian and Chthonian", Classical Antiquity 13, 1994, 118: "The distinctive trait of the chthonians is their ambivalence... There arc powers, in no sense chthonian, that are yet of such similar temper and unpredictability that the chthonian mode of worship is best suited to them."

116 108 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros Zur δεινά Κυπρις, die seine Heroinen nicht selten umtreibt, entwirft der Chor, namentlich in der Medea, gleichsam als Sprachrohr der Angst vor unheilvoller Leidenschaft das Gegenbild einer maßvoll einwirkenden Aphrodite. Diese Gespaltenheit wird später auf Eros übertragen, wenn in Stücken wie der Stheneboia und der Iphigenie in Aulis ein zu heftiges Liebesverlangen zur Ursache von vielerlei Übeln erklärt wird, ein in maßvollen Grenzen gehaltenes dagegen als Quelle des Glücks, ja sogar der Arete erscheint. Nun ist die Vorstellung eines Eros von zweifacher Wirkkraft an sich nichts Unbekanntes, und wir begegnen ihr schon bei den frühgriechischen Lyrikern. Anakreon vergleicht ihn mit einem Schmied, der sein glühendes Werkstück zunächst mit einem Hammer bearbeitet, um es dann im eiskalten Gießbach zu härten. 393 Damit wird nun allerdings weniger auf einen im Gott Eros selbst angelegten Zwiespalt als vielmehr auf die von ihm bewirkte, in Extremen sich bewegende physische Verfassung angespielt: Der Liebende ist so aufgewühlt, daß ihm abwechselnd heiß und kalt wird. Von sehr viel subtilerer Art ist da schon Sapphos Wortschöpfung γλυχύπιχρον, mit der sie Eros in der Metapher einer unbezwinglichen Schlange - άμήχανον δρπετον - charakterisiert. Das Oxymoron läßt Eros den Ursprung zugleich von Glück und Schmerz sein und verleiht ihm damit ein Doppelgesicht, wie es in ähnlicher Weise auch in der theognidischen Sammlung skizziert wird: Die Liebe kann ebenso angenehm wie bitter sein. 394 In genau der gleichen Form findet sich dieser Topos auch noch bei Euripides, wie neben fr. 875 Kannicht - ώ Κυπρις, ώς ήδεΐα καΐ μοχθηρός <εϊ> - auch einige Verse aus dem Aiolos bezeugen -, jener Tragödie, die durch die ihr zugrundeliegende Geschichte von der inzestuösen Beziehung zwischen Makareus und Kanake das beste Beispiel für die unheilvolle Seite im Wirken der Aphrodite ist: τή δ' Άφροδίττ) πόλλ' δνεστι ποικίλα τέρπει, τε γαρ μάλιστα και λυπεί βροτους τύχοιμι δ' αυτής ήνίκ' έστίν ευμενής Cf. Anakreon, PMG, fr. 413 (Page): μεγάλωι δηύτε μ' Έρως Ικοψεν ώστε χαλκεύς / πελέκει, χειμερίηι δ' Ιλουσεν έν χαράδρηι. - Wieder schlug mich Eros, dem Schmiede gleich, mit gewalt'gem, Hammer und tauchte mich drauf in den eiskalten Bach." Zum Gebrauch von πέλεκυς im Sinne von Hammer und zur Deutung des Fragments im allgemeinen s. E. Schwyzer, Axt und Hammer", Rhein. Mus. 79, 1930, 314 ff. Cf. 1353/54 Πικρός καΐ γλυκύς έστι καΐ άρπαλέος καΐ άπηνής, / δφρα τέλειος Ιηι, Κύρνε, νέοισιν ϊρως. Zur Aphrodite (1323/24): Κυπρογένη, παϋσόν με πόνων, σκέδασον δέ μερίμνας / θυμοβόρους, στρέψον δ' αύθις ές εύφροσύνας. Cf. fr. 26 Kannicht.

117 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 109 Ist der überkommene Gehalt des Gedankens einer doppelgesichtigen Aphrodite in diesen beiden Zeugnissen noch unangetastet, so erfährt er einen ganz neuen Akzent, sobald Euripides ihn, zugleich mit seiner Ubertragung auf Eros, ins Moralische wendet; und hier spielt ein feiner Unterschied zwischen Eros und Aphrodite mit hinein. Bei Aphrodite ist die Idee der Willkür stets gegenwärtig - ihr Eingreifen hat verheerenden oder befriedend-beseligenden Charakter, ganz wie sie es will -; ob dagegen Eros Gutes oder Übles mit sich bringt, steht nicht selten zum Teil auch dem Liebenden selbst anheim; und die Art seines Liebens, sei sie nun maßvoll-gezügelt oder unmäßig, wird richtungweisend für sein Schicksal. Mit dieser Nuance geht, freilich nur dort, wo sie wirklich zu verzeichnen ist, eine Reduktion des Eros von einer Gottheit auf einen innerseelischen Affekt einher. Befragen wir auf diesem Hintergrund zunächst wieder den Kranzträger Hippolytos. III. 1. Euripides, Hippolytos Stephanephoros; Medea; fr. 987 Der Stephanephoros ist - zunächst aus rein motivgeschichtlichen Erwägungen heraus - mit seinem starken Ton auf der unerbittlich-destruktiven Seite der Aphrodite und mit ihr auch des Eros noch vor der Schwelle zur Entwicklung des Ambivalenz-Gedankens anzusiedeln. 396 Daß die Möglichkeit eines günstigen Einwirkens der beiden Gottheiten in diesem Stück nirgends zum Gegenstand der Reflexion erhoben wird, ist im Blick auf seine Gesamtkonzeption nur allzu einleuchtend: Es geht darum, am Beispiel der beiden Protagonisten zu zeigen, daß rigorose Ablehnung der Aphrodite einerseits und haltlose Verstrickung in Leidenschaft andererseits gleichermaßen ins Verderben führen, etwa im Sinne eines Fragmentes aus dem Hippolytos καλυπτόμενος (fr. 428 Kannicht): ot γαρ Κύπριν φευγοντες άνθρώπων δγαν / νοσοϋσ' όμοίως τοϊς αγαν θηρωμένοις. Die Radikalität als Grundzug in der Haltung des Hippolytos und einer gnadenlos auf seine Vernichtung sinnenden Aphrodite läßt Milde und Sanftheit auf Seiten dieser Göttin nahezu unvorstellbar werden, und so 396 Erst nach Fertigstellung der Dissertation wurde ich darauf aufmerksam, daß die traditionelle Datierung des Kranzträgers auf das Jahr 428 v.chr. kürzlich auf dem Hintergrund einer genauen Auswertung der neuen Hippolytos-Papyri sowie aus metrischen Gründen in Frage gestellt wurde, zumal die entsprechende Notiz in den Didaskaliai auch auf den Kalyptomenos bezogen werden kann; s. dazu oben, 49 Anm Die Frühdatierung kommt meinen inhaltlich-stilistischen Beobachtungen natürlich sehr entgegen, obgleich ich mir darüber im klaren bin, daß sie allein nicht ausreichen würden, die etablierte Chronologie anzugreifen.

118 110 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros erscheint auch Eros, im Schatten der zur Nemesis stilisierten großen Zürnenden, bloß als Schrecken erregender Despot, namentlich im I. Stasimon. 397 Deutlich weniger monochrom ist die Darstellung der Göttin in der Medea. Auf dem Hintergrund der ins Ungeheure gesteigerten, vor Brudermord und Verrat am Vater nicht zurückschreckenden Leidenschaft der Helios-Enkelin, die nach Iasons Treuebruch in unersättliches Racheverlangen umschlägt, entwirft der Chor das mögliche Gegenbild des sanft fördernden Einwirkens einer maßvollen Aphrodite. Damit wird in diesem Stück, dem sein AufFührungsdatum von 431 einen festen Platz im Frühwerk des Euripides anweist, der Grundstein zur späteren Ausformung der Idee des zweifachen Eros gelegt. Einschlägiges zum Ambivalenz-Gedanken findet sich zunächst im II. Stasimon: Nach einem erbitterten Wortwechsel zwischen Iason und Medea, in dem letztere allen Beschwichtigungsversuchen unzugänglich geblieben ist und in verschlüsselter Form ihre Rache angekündigt hat, 398 gibt der Chor seiner Bestürzung über den heillosen Streit Ausdruck, und er tut es zunächst mit einer grundsätzlichen Überlegung zur zweigespaltenen Wirkkraft der Liebe: έρωτες υπέρ μέν αγαν έλθόντες ούκ εύδοξίαν ούδ' άρετάν παρέδωκαν άνδράσιν εΐ δ' &λις έλθοι Κύπρις, ούκ αλλα θεός εοχαρις ούτως. Liebe, wenn sie allzu heftig kommt, bringt weder Ruhm noch Tugend den Menschen. Wenn aber Kypris in ausreichendem Maße kommt, dann ist kein anderer Gott so huldreich wie sie. 399 Mit dem ersten Wort wird eine Brücke zurückgeschlagen zu dem vielsagenden Ausruf Medeas im Gespräch mit Kreon (330): φεϋ φεϋ, βροτοϊς έρωτες ώς κακόν μέγα. Soeben hatte ihr Gegenüber verkündet, daß seine Cf. supra, 67 ff. Daß Empörung und Racheverlangen in ihr grenzenlos sind, legt ihre Selbstdarstellung als übermenschliches Wesen nahe (579) ή πολλά πολλοίς είμι διάφορος βροτών. Den gleichen Tenor trägt ihre Drohung, ein personifizierter Fluch für das Haus des Iason zu sein (608): και σοϊς άραία γ' ούσα τυγχάνω δόμοις. Eine düstere Zukunft für Iason und seine neue Braut kündigen schließlich auch die letzten Verse vor Beginn des Chorlieds an (625/26): νύμφευ' ίσως γάρ - σύν θεώι δ' είρήσεται - / γαμεϊς τοιούτον ώστε σ' άρνεϊσθαι γάμον. Ähnliches später bei Tibull 2, 2, 79-80: Ah miseri, quos hic graviter deus urget! At ille / felix, cui placidus leniter afflat Amor.

119 Euripides, Medea 111 Vaterlandsliebe nur noch von der Liebe zu seinen Kindern übertroffen werde; und in diesem Zusammenhang dürfte hier nicht nur auf das Unglück angespielt sein, das Medea mit ihrer Liebe zu Iason über sich und andere gebracht hat, sondern auch auf den qualvollen Tod, den Medea für die Tocher des Kreon, die neue Braut ihres treulosen Gatten, in die Wege zu leiten plant. Ganz im Sinne dieser von Medea geknüpften Verbindung zwischen Liebe und Unglück wird hier zu heftige Liebe - wörtlich deutet υπέρ μέν αγαν auf Liebe, die das Unmaß noch übertrifft - für alles Unschöne, der Tugend und dem Ruhm Entgegengesetzte verantwortlich gemacht. Daß man dieser Aussage ex negativo den Gedanken eines zur Tugend erziehenden Eros entnehmen kann, ist eine bemerkenswerte Einzelheit, die uns im Zuge einer eingehenden Betrachtung des Έρως-διδάσκαλος- Motivs noch beschäftigen wird. Wenn dann eine in Maßen kommende Kypris der vom Chor getadelten ungestümen Leidenschaft gegenübergestellt wird, so bleibt damit die spätere Festlegung der Liebe in ihrer Gespaltenheit auf einen einzigen Gott, Eros, noch unvollzogen; und zugleich mit der Nennung Aphrodites klingt das Element göttlicher Willkür an, wie sie einhergeht mit menschlicher Ohnmacht und dem Gefühl des hilflosen Ausgeliefertseins. So verfällt denn auch der Chor in den Modus eines fortgesetzten Optativs, wenn er die Göttin darum bittet, das Temperament und Schicksal einer Medea von ihm fernzuhalten. Seine Wunschkette beginnt mit einer Anspielung auf das eigentliche Aition des ganzen Elends, das Entbrennen Medeas in Liebe zu Iason μήποτ', ώ δέσποιν', έπ' έμοί χρυσέων τόξων έφείης ίμέρω χρίσασ' αφυκτον οίστόν. Nie jemals mögest du, ο Herrin, vom goldenen Bogen den unentrinnbaren Pfeil, mit Liebesverlangen ihn salbend, auf mich abschießen. Der Chor beschreibt die leidenschaftliche Aufwallung eines von Liebe plötzlich ergriffenen Menschen, vor der er sich Schonung erhofft, im Bild eines Pfeilschusses der Aphrodite, und wir stehen hier am Anfang der Stilisierung des Bogens zu einem typischen Attribut des Eros. Erste Ansätze zur Geschoß"-Metaphorik finden sich bereits bei Aischylos. 400 Im Prometheus Vmctus, 401 v. 649 ist die Rede vom Geschoß Siehe auch Pindar, Pythien 4, 213, wo Aphrodite als πότνια όξυτάτων βελέων bezeichnet wird. Die Frage der Echtheit dieses Dramas kann hier nicht erörtert werden.

120 112 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros der Sehnsucht" - Ιμέρου βέλος - und vom Blick des Eros mit unentrinnbarem Auge. 402 Geschoß und Auge also liegen nah beieinander, und das wird noch deutlicher in den Hiketiden, vv ff.: και παρθένων χλιδησιν εύμόρφοις έπι / πας τις παρελθών δμματος θελκτήριον / τόξευμ' έπεμψεν - und auf der Jungfraun wohlgeformte Schönheitspracht / warf jeder, der vorüberging, des Auges zau- / bermächtiges Geschoß." Angesichts dieser Zeugnisse überzeugt Furtwänglers These, das Bild des Bogenschützen Eros rühre von einer Metaphorik her, die das Durchdringend-Rasche des von Eros inspirierten oder auch Eros erweckenden Blickes im Schleudern eines Geschosses zu versinnbildlichen suchte. 403 Euripides war dann der Erste, der das bei Aischylos und anderen 404 vage Angedeutete gegenständlich werden ließ und nicht nur Eros, sondern, wie in unserem Chorlied, zunächst auch noch Aphrodite Pfeil und Bogen in die Hand gab. Daß er ihren Pfeil als unentrinnbar bezeichnet, mag als Reminiszenz an das αφυκτον δμμα des Prometheus Vinctus gedacht sein, und wenig vorher wird, wenn man die Uberlieferung des Verses 531 halten kann, auch schon Eros mit unentrinnbaren Geschossen - τόξοις άφυκτοις - ausgestattet. Der Bogenschützen-Metaphorik unseres Chorliedes war zweifellos eine große Wirkungskraft beschert, denn es ist sicherlich kein Zufall, daß Apollonios Rhodios sich ihrer gerade bei der Schilderung des ersten Zusammentreffens Medeas mit Iason in aller Ausführlichkeit bedient, wenn er den mutwilligen Erosknaben unbemerkt neben Iason sich plazieren und seinen Pfeil auf Medea abfeuern läßt. 405 Die Furcht des Chores vor dem Pfeil, hier der Aphrodite, mündet in der Gegenstrophe in den Wunsch nach einer maßvollen Gesinnung, die deutlich verschieden sein sollte von einem leicht entzündlichen und streitbar-kämpferischen Temperament wie dem der Medea στέργοι δέ με σωφροσυνα, δώρημα κάλλιστον θέων μηδέ ποτ' άμφιλόγους όργάς άκορεστά τε νείκη Cf. PV 902 ϊρως αφυκτον δμμα προσδράκοι με. Cf. Furtwängler, Eros in der Vasenmalerei, München 1874, 17 ff. Siehe auch Ibykos, fr. 287 Page: Έρος αύτέ με κυανέοισιν υπό / βλεφάροις τακέρ' δμμασι δερκόμενος... Man hat wohl zu Recht angenommen, daß der Blick, der hier Eros zugeschrieben wird, eigentlich von einem Knaben ausgeht, der es dem Dichter angetan hat. Cf. A.R. Argonautica 3,

121 Euripides, Medea 113 θυμδν έκπλήξασ' έτέροις έπΐ λέκτροις προσβάλοι δεινά Κύπρις, άπτολέμους δ' εύνάς σεβίζουσ' όξύφρων κρίνοι λέχη γυναικών. Es möge aber mir hold sein Besonnenheit, das schönste Geschenk der Götter. Und niemals wortwechselnden Zorn und unersättlichen Streit soll, mich in Raserei versetzend (wörtl.: mein Gemüt entsetzend) angesichts eines weiteren Ehelagers, schleudern die gewaltige Kypris; in Ehrfurcht vor streitlosem Lager möge sie scharfsinnig richten über die Ehen der Frauen. Man hat den Begriff σωφροσύνη hier ausschließlich im Sinne von Keuschheit und den Wunsch der Choreutinnen nach ihr als Ausdruck der Scheu vorbildlicher griechischer Ehefrauen vor der Untreue gegenüber dem Gatten verstehen wollen. 406 Eine solche Festlegung führt unweigerlich dazu, den folgenden Versen eine ähnliche Tendenz unterzulegen und sie als Bitte um Schonung vor ehebrecherischem Begehren auszudeuten. Έτέροις έπΐ λέκροις wird dabei final aufgefaßt, so als werde Aphrodite darum angefleht, die Choreutinnen nicht in Liebe zu einem anderem als ihrem Ehemann zu entflammen. Diese Deutung bringt aber Unstimmigkeiten mit sich, die zu groß sind, als daß man sie ohne weiteres stehen lassen könnte. Zunächst einmal drängt sich hier die Analogie zu Iason auf, doch ist im voraufgegangenen Redeagon zwischen ihm und Medea hinreichend klar geworden, daß er die Ehe mit der Königstochter Glauke weniger aus amourösen Gründen als vielmehr aus wirtschaftlich-sozialen Erwägungen heraus anstrebt, so daß also von einem umstürzlerischen Eingreifen der Aphrodite kaum die Rede sein kann. Ebensowenig trifft der nähere Zusammenhang auf Iason zu, denn wenn der Chor wortwechselnden Zorn und unersättlichen Streit" als Aphrodite-gesandte Übel fürchtet, so wird mit όργάς auf den heftig entzündeten Gemütszustand angespielt, in dem uns eben gerade nicht Iason, sondern Medea in der voraufgegangenen Szene durchweg vor Augen geführt wird, 407 und zu der näheren Bestimmung des Zornes als wortwechselnd" fügt sich schließlich der Vorwurf Iasons an Medea, daß sie es gewesen sei, die den Streit mit Worten - δίμιλλαν λόγων heraufbeschworen habe Cf. v. Arnim (1886) ad 635:... die σωφροσύνη der Frau besteht vor allem in der Keuschheit." Wecklein (1874) ad loc. spricht von Sittlichkeit". Cf. 446/ / / Cf. 546 δμιλλαν γοφ σύ προύθηκας λόγων.

122 114 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros Eine Beziehung auf Medea liegt also sehr viel näher, und unter dieser Prämisse wollen wir uns noch einmal v. 639 zuwenden: θυμόν έκπλήξασ' έτέροις έπί λέκτροις In genauer Entsprechung zum ersten Wortpaar hatte schon die Amme im Prolog Medeas Leidenschaft für Iason beschrieben (v. 8): έρωτι θυμόν έκπλαγεΐσ' Ιάσονος - ein Grund mehr, den Vers mit Medea in Verbindung zu bringen. 409 ΈπΙ mit dem Dativ muß bei Euripides durchaus nicht immer eine Finalität bezeichnen, sondern kann auch im Sinne von wegen" oder angesichts" gebraucht werden, 410 und das ergäbe hier die oben schon angeführte Ubersetzungsvariante: mich in Raserei versetzend (wörtl.: mein Gemüt entsetzend) angesichts (oder: wegen) eines weiteren Ehelagers." Die allgemeine Scheu vor einer solchen Ausdeutung des Verses 411 mag ihren Ursprung darin haben, daß es uns etwas viel gefordert erscheint, wenn eine Frau die Untreue ihres Gatten einfach stillschweigend hinnehmen soll. Für altgriechische Verhältnisse dürfte aber eine solche Erwartung durchaus nichts Ungewöhnliches gewesen sein, und so berichtet denn auch Andromache im gleichnamigen Stück des Euripides von ihrer Verstoßung durch Neoptolemos zu Gunsten der Griechin Hermione, der Tochter Helenas. 412 Zwar ist Andromache als Sklavin weit niedriger einzustufen als Medea, doch letztlich geht es hier wie dort darum, eine unstandesgemäße" Heirat zu kompensieren, und die Verstoßene wird dabei nicht viel anders als eine lästige soziale Fußfessel behandelt. Medea rebelliert, Andromache fügt sich, und so wird sie als Nebenfrau" noch beibehalten, sehr zum Leidwesen Hermiones, die ihrer unverhohlenen Eifersucht wegen von der troischen Sklavin zwischen den Zeilen gerügt wird, wenn es heißt, daß die Frauen, und dabei schließt sie sich selbst mit ein, das ihnen allen gemeinsame Übel der άπληστία λέχους klug verbergen. 413 Und sie scheut sich nicht, der Griechin ihr eigenes Verhalten als Vorbild zu präsentie Vgl. auch v. 433 μαινομένςι κραδίςι. So z.b. in IT 470 f.... εύτρεπίζετε / ä χρή 'πΐ τοις παροϋσι. Hipp. 729 f. μή 'πΐ τοις έμοϊς κακοϊς / υψηλός είναι. Β a 1032 f. ή 'πι τοις έμοΐς / χαίρεις κακώς πράσσουσι δεσπόταις. Sie ist, soweit ich sehe, nur von Earle (1900) ad 639 vorgeschlagen worden: "θυμόν έκπλήξασ' seems to mean here όργίσασ', 'having enraged', and έτέροις έπΐ λέκτροις to be = έτερων λέκτρων ένεκα, 'on account of a second wife' (or practical equivalent thereof) that a husband has taken himself." Er verweist auf Androm. 487 "(of Hermiona jealous of Andromache) δια γάρ πυρός ήλθ' έτέρωι λέχει - for she became furious against the other mate (of her husband)". Cf. E. Andromach. 29/30 έπεί δέ τήν Λάκαιναν Έρμιόνην γαμεϊ / τούμόν παρώσας δεσπότης δοϋλον λέχος. Cf. Ε. Andromach

123 Euripides, Medea 115 ren: Sie selber habe die Fehltritte Hektors stets geduldet, ja sogar seinen Bastarden ihre Brust gereicht. 414 Es scheint, daß hier jenes Ideal der duldsamen, großmütig-gelassenen Frau entworfen wird, das auch dem Chor in der Medea vorschwebt, und so können wir den Bedeutungsgehalt des Begriffes σωφροσύνη zu Beginn der Antistrophe vielleicht am treffendsten mit Umschreibungen wie kluge Selbstbeschränkung" oder sexuelle Genügsamkeit" erfassen. Der die Strophe beschließende Wunsch, Aphrodite möge scharfsinnig richten über die Ehen der Frauen", erinnert entfernt an das Bild der Richterin im Ring der beiden um Deianeiras Hand miteinander kämpfenden Rivalen Herakles und Archeloos in Sophokles' Trachinierinnen. 415 War es ihr dort anheimgestellt, den Sieger und künftigen Bräutigam zu bestimmen, so wird ihr hier eine moralische Kompetenz zuerteilt. In ihrem Urteil soll sie sich leiten lassen von der Ehrfurcht vor streitlosem Lager"; und wenn der Iason-freundliche Tenor, der das Voraufgegangene durchzieht, auch bei diesem Wunsch noch mitschwingt, so verbirgt sich in ihm letztlich die Aufforderung an Aphrodite, Medea und ihr kämpferisches Rebellieren zu verdammen. 416 Diese Deutung wird noch erhärtet, wenn der Chor nach dem Kindermord in namenlosem Entsetzen zu einem Ausruf über die Ehe der Frauen als Ursache der größten Übel anhebt ( ):... δ / γυναικών λέχος / πολύπονον, δσα βροτοϊς δρεξας ήδη κακά. Die Opposition des Chores gegen das Ungezähmt-Wilde in Medeas Natur setzt sich fort im III. Stasimon, 824 ff. Nachdem Medea im Gespräch mit Aigeus dem um seine Nachkommenschaft Bangenden mit dem Versprechen, in dieser mißlichen Lage Abhilfe zu schaffen, die Zusage eines sicheren Asyls in Athen abgelistet hat, freilich ohne ihre Rachepläne auch nur mit einem Wort zu erwähnen, besingt der Chor Attika als ein gesittetes und hochkultiviertes Land, das unmöglich eine Kindsmörderin aufzunehmen bereit sein könnte. Die erste Strophe charakterisiert die Bewohner Attikas als ein Volk von göttlichem Ursprung, dem die Weisheit das tägliche Brot ist, und 414 Cf. E. Andromach Cf. supra, Siehe die Bemerkungen Iasons über die in seinen Augen übertriebene Betroffenheit der Frauen, wenn es in der Ehe zu Unstimmigkeiten kommt (569-73): άλλ' ές τοσούτον ήκεθ' ωστ' όρθουμένης / εύνης γυναίκες πάντ' έχειν νομίζετε, / ήν δ' CÜ γένηται ξυμφορά τις ές λέχος, / τά λώστα καΐ κάλλιστα πολεμιώτατα / τίθεσθε. Denn so weit geht's, daß, wenn im Lot die Ehe ist, ihr Frauen meint, ihr hättet alles im Besitz, doch wenn ein Unglück euer Eheleben trifft, daß ihr das Beste, Schönste haltet für das Widrigste."

124 116 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros dabei fällt mit σοφία ein Wort, das in der Gegenstrophe zu noch größerer Bedeutung erhoben werden wird. Die beinahe schwebende Leichtigkeit dieses geistig wendigen, durch allerlei Künste verfeinerten Menschenschlages wird im Bilde eines anmutigen Schreitens durch den leuchtenden Äther" festgehalten (829/30) - αίεΐ δια λαμπροτάτου / βαίνοντες άβρώς αίθέρος. 417 Und wenn der Chor die Sage wiedergibt, die neun Musen hätten an diesem Orte Harmonia hervorgebracht, dann ist das wohl weniger streng genealogisch aufzufassen, sondern eher so, daß sie in ihrer Gesamtheit, im Zusammenklang der jeweils von ihnen betreuten Bereiche die Harmonie, also das nahtlose Sich-Ineinanderfügen einzelner Teile zu einem wohlgeordneten Gebilde, beispielhaft verkörpern; 418 und das namentlich in Athen, wo die Musenkünste im Zeitalter des Perikles in ihrer größten Blüte stehen. Von Harmonia ist es nur ein kleiner Schritt zu Aphrodite, ihrer Mutter nach einer mehrfach bezeugten genealogischen Tradition, 419 und so gehört die Antistrophe ihrem belebenden und sanft kultivierenden Wirken in Athen τοϋ καλλινάου τ' έπί Κηφισού >οαϊς τάν Κύπριν χλήζουσιν άφυσσαμέναν χώραν χαταπνεϋσαι μετρίας άνέμων ήδυπνόους αϋρας αίεΐ δ' έπιβαλλομέναν χαίταισιν εύώδη 5>οδέων πλόχον ανθέων τα Σοφία παρέδρους πέμπειν Έρωτας, παντοίας άρετας ξυνεργούς. Und an des schönfließenden Kephisos Fluten, rühmen sie, schöpfe Kypris und verströme über das Land gemäßigten, lieblich atmenden Hauch der Winde. Und immer stecke in das Haar sie ein duftendes Gewinde von Rosenblüten und schicke der Weisheit zu Beisitzern die Eroten, jeglicher Vortrefflichkeit Mitwirker. 417 Mit dem Adjektiv αβρός ist oft genug die Vorstellung orientalischer Weichheit, des Luxus und der Uberfeinerung verbunden; s. die bei Verrall ad loc. zusammengetragenen Stellen. Die schwebende Leichtigkeit", die wir hier durch βαίνοντες άβρώς angedeutet sehen, wird zu oberflächlicher Koketterie und Eitelkeit, wenn uns die Königstochter in den von Medea geschenkten Hochzeitsgaben zart tänzelnd" - άβρόν βαίνουσα (1164) - vorgeführt wird. Beide Stellen stehen im Kontrast zu Medeas schwerblütiger Art. 418 Cf. Page (1952) ad 831: "'Αρμονία here denotes the Union of the nine Muses: where these are together, they create a tenth essence, the child of none alone but of all together." 419 Cf. Hes. Th. 975, h. Apoll. 194, Ε. Ph. 7.

125 Euripides, Medea 117 Wohl mit Vorbedacht wird hier der Kephisos an den Anfang der Strophe gestellt, zählte doch sein eponymer Gott zu den Ahnherren der Athener. 420 Die Segnungen des Flusses, seine feuchtigkeitsspendenden Kanäle, werden im Bild der aus seinen Fluten schöpfenden Aphrodite gepriesen. Es liegt sehr nahe, an die Göttin έν κήποις zu denken, deren Heiligtum Pausanias am Iiissos, einem Nebenfluß des Kephisos, lokalisiert. 421 Die Art ihres Waltens ist eingefangen in einer traditionellen Metaphorik, der des Windes; und wenn bei Aischylos Agamemnon nach seiner Entscheidung, die Tochter zu opfern, beschrieben wird als jemand, der einen unfrommen Wendewind gegen die Vernunft bläst", 422 so sind die mäßigen Windhauche" der Aphrodite in unserem Chorlied Zeichen ihrer milden und wohltuenden Einflußnahme. Mit dem Attribut ευώδη, das dem Rosenkranz in Aphrodites Haaren beigelegt ist, wird nicht nur die Reihe der Adjektive καλλινάου, ήδυπνόους, deren Präfixe die Vorstellung des Angenehmen, Schönen in sich tragen, fortgesetzt, es verbindet sich mit ήδυπνόους auch zum sinnfälligen Eindruck eines Wohlgeruchs, wie er so oft als Charakteristikum göttlicher Gegenwart geschildert wird. 423 Noch dazu erinnert der wohlriechende Kranz", ja überhaupt der ganze Gestus der Aphrodite, wie sie sich das Blumengewinde aufs Haar setzt, in auffälliger Weise an ein Fragment aus den Kyprien, das wir, um der Anschauung willen, hierher setzen wollen (fr. 5 Bernabe, Poetae Epici Graeci. Testimonia et Fragmenta, Pars I, Leipzig 1987): fj δέ σύν άμφιπόλοισι φιλομμειδής 'Αφροδίτη πλεξάμεναι 424 στεφάνους εύώδεας ανθεα γαίης αν κεφαλαϊσιν έθεντο θεαί λιπαροκρήδεμνοι, Νύμφαι καΐ Χάριτες, &μα δέ χρυσέη 'Αφροδίτη, καλόν άείδουσαι κατ' δρος πολυπιδάκου *Ιδης Cf. Ion Cf. Paus. 1, 19, 2. Cf. A. Ag. 219 φρενός πνέων δυσσεβή τροπαίαν. So erkennt der sterbende Hippolytos die ihm sich zuwendende Artemis am Wohlgeruch ihrer Epiphanie (E. Hipp 1391), und auf gleiche Weise verrät sich dem gefesselten Prometheus die Ankunft der Okeaniden (A. PV 115 ff.). Hinweis auf die Stellen bei Page (1952) ad 835. Das Partizip Plural πλεξάμεναι, wohl die der Singular-Form πλεξαμένη von ungeklärter handschriftlicher Provenienz vorzuziehende Lesart, findet sich erstmals bei Kaibel in seiner Athenaios-Ausgabe von Er nimmt eine lacuna nach dem ersten Vers an, doch hat Braswell (Glotta 60, 1982, 223 f.) überzeugend dargetan, daß die Erklärung der scheinbaren Inkongruenz zwischen dem Subjekt im Singular und den anschließenden Pluralformen in einer hier vorliegenden constructio ad sensum liegt.

126 118 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros Sie aber und ihr Gefolg', die das Lächeln liebt, Aphrodite ßochten Gewinde, wohl duftend, aus Blumen der Erde, und aufs Haupt dann setzten die Göttinnen sie, die mit schimmerndem Stirnband, Nymphen, Chariten, und auch die goldene Aphrodite, und dabei sangen sie schön auf dem Berg des quellreichen Ida. Hier wie dort ein Bild voller Zartheit und Anmut, doch bleibt es im Stasimon der Medea nicht bei dieser schönen Impression, sie mündet vielmehr ein in eine abschließende philosophische Aussage in poetischem Gewand. Aphrodite schickt ihre Begleiter, die Eroten, der Σοφία als Beisitzer und macht sie dadurch zu Mitwirkern einer vielfältig aufgefächerten άρετή. In übertragenem Sinne heißt das, daß die Klugheit nur, wenn sich ihr Eros zugesellt, zur Arete führt, aber eben nur jener Eros, wie er einer Aphrodite zugehörig ist, die maßvolle Winde wehen läßt". Ob άρετή hier, wie manche Interpreten es wollen, eine im rein Ästhetischen sich erschöpfende Exzellenz bezeichnet, 425 ist zu bezweifeln, denn wenn der Chor im folgenden davon zu überzeugen sucht, daß eine Stadt wie Athen unmöglich eine Kindsmörderin aufnehmen könne, dann hat er dabei wohl kaum bloß den durch einen Mord gekränkten Schönheitssinn der Athener im Auge; angedroht wird viel eher eine ganzheitliche Empörung, sowohl moralischer als auch ästhetischer Art, auf die Medea nach begangener Tat bei ihnen stoßen würde. Entsprechend ist wohl auch der Begriff άρετή umfassender, gleichsam als καλοκάγαθία, Kultiviertheit im Verein mit Sittlichkeit, zu deuten, und wir dürfen einen versteckten Seitenhieb auf Medea vermuten, deren σοφία den maßvoll-sanften Eros, wie er dem Chor vorschwebt, entbehrt und dadurch den Keim zum Ungeheuren, zum δεινόν, in sich trägt. Der Gedanke, daß die Eroten wesentlich zur Arete beitragen, kennzeichnet auch das fr. 897: παΐδευμα δ' Έρως σοφίας άρετής 426 πλείστον υπάρχει, Cf. Verrall ad 844: "άρετή has a perfectly general sense and not the later ethical meaning; παντοία άρετή = excellence in all the arts (τέχναι) which σοφία includes..."; ferner Page (1952) ad 844: "άρετή here els usual means not 'goodness in a moral sense but 'goodness at something', here especially skill in the arts." Die Konjektur έρατής halte ich hier für deplaziert. Abgesehen davon, daß dieses Adjektiv zur Qualifizierung von σοφία ungeeignet ist - Euripides verwendet es in Heracl. 915 in Zusammenhang mit λέχος, in El. 718 ist es auf μολπαί bezogen -, besteht hier von vorneherein gar nicht die Notwendigkeit, in den überlieferten Text einzugreifen, entspricht es doch durchaus euripideischer Praxis, daß mit ΰπάρχειν der Anfang oder das Verursachen einer Sache bezeichnet wird, die ihrerseits im Genitiv steht; vgl. Andr. 274 und HF L.C. Valckenaer, Diatribe in Euripidis perditorum dramatum reliquias, 1767, 240 f. übersetzte denn einst auch mit Recht Amor, alumnus sapientiae, plerumque virtutem inchoat".

127 Euripides, Fr και προσομιλεΐν οΰτος ό δαίμων πάντων ήδιστος ϊφυ θνητοϊς χαί γαρ αλυπον τέρψιν τιν' έχων είς έλπίδ' άγει. τοις δ' άτελέστοις των τοϋδε πόνων μήτε συνεΐην χωρίς τ' άγριων ναίοιμι τρόπων, τό δ' έραν προλέγω τοϊσι νέοισιν μήποτε φεύγειν, χρήσθαι δ' όρθώς, δταν ϊλθτ]. Eros aber, das Nährkind der Weisheit, ist zumeist Verursacher von Tugend, und im Umgang ist dieser Gott von allen der angenehmste den Menschen, denn da er ein Ergötzen ohne Schmerz gewährt, führt er zur Hoffnung. Mit denen, die nicht eingeweiht sind in die Mühen dieses Gottes, möcht' ich nicht verkehren, und abgesondert von wilden Sitten möcht' ich wohnen. Die Liebe aber niemals zu fliehen, schreib ich der Jugend vor, sondern richtig mit ihr umzugehn, wann immer sie sich einstellt. Hier begegnet eine Vorstellung, die jenem Bild der Eroten als Beisitzer der Weisheit, der Mitwirker jeglicher Vortrefflichkeit, das wir in der Medea antrafen, im wesentlichen entspricht: Der von σοφία gespeiste Eros führt, in den meisten Fällen, zur Tugend hin. Wenn dann im folgenden der unbekannte Sprecher sich bewußt von denen abgrenzt, die von Eros nichts wissen, und sie im gleichen Atemzug in den Bereich des Unkultivierten, Wilden verbannt, so scheint dabei die Auffassung von der Liebe als einer Schule für persönliche Verfeinerung und gesellschaftliche Gewandtheit hindurch. Auch in der orientalischen Tradition hat man der Liebe kultivierende Kraft zugeschrieben, und so wird zum Beispiel im Gilgamesch-Epos erzählt, wie der Freund des Titelhelden, Enkidu, nach mehreren Tagen und Nächten, die er mit einer Kurtisane in Uruk verbracht hat, seinem bisherigen Leben in der Wildnis entfremdet und der Zivilisation zugeführt wird; 427 wobei er freilich selber diese entscheidende Wende und die Einbuße an urwüchsiger Kraft, die mit ihr einhergeht, als etwas durchaus Zweischneidiges empfindet, ja im nachhinein die Kurtisane verflucht; ein wesentlicher Unterschied zum Euripides-Fragment, in dem der Kultur vor der Wildnis ohne Zögern der Vorrang gegeben wird. Aber nicht nur die bildende Wirkung des Eros wird vom Sprecher des Fragmentes angedeutet, er preist ihn auch als Quelle eines schmerzfreien 427 Cf. G. Contenau, L'Epopee de Gilgamesh, Paris 1939, 77 ff. 428 Ibid., 115.

128 120 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros Ergötzens", und das ist für die Tragödie ein ungewöhnlicher Standpunkt, geht es doch sonst in diesem Genre eher um die Abgründe und den gewaltsamen Zugriff der Leidenschaft - man erinnere sich nur an Medeas Ausruf φεϋ φεϋ, βροτοϊς έρωτες ώς κακόν μέγα. Wir haben es eben nur mit der einen Ausprägung eines Gottes zu tun, der von Euripides immer klarer als doppelgestaltig gezeichnet werden wird. Zu einem segensreichen Wirken seines Gefühls kann der Liebende selbst beitragen, wenn er es nicht zu unterdrücken sucht, sondern annimmt und sich um einen rechten Umgang mit ihm bemüht -, das ist der Gehalt der Paränese zum Schluß des Fragments. Wieder ist hier an die Kunst des Maßhaltens gedacht, denn eine aufkeimende Liebe unbedingt fliehen zu wollen wäre genauso extremistisch, wie sich ihr ganz und willenlos anheimzugeben. Νουθετουμενος δ' ερως μάλλον πιέζει, doch wenn sie unterdrückt wird, ist die Liebe umso bedrängender" - so lautet ein weiser Spruch in der Stheneboia des Euripides, 429 und im Hippolytos wird Phaidra, nachdem sie ihr Unvermögen, die Leidenschaft für den Stiefsohn zu überwinden, bekannt hat, von ihrer Amme über die Natur der Aphrodite belehrt: Wer vor ihr zurückweiche, dem nahe sie sich friedlich; Den Stolzen und sich ihr Widersetzenden aber wähle sie sich zum Opfer ihrer Gewalt. 430 Worauf aber im Zusammenhang unseres Fragmentes der Ratschlag όρθώς χρήσθαι letztlich abzielt, ist nicht ohne weiteres zu durchschauen. Es muß wohl um eine Bändigung des allzu starken Ansturms der Gefühle gehen, die in einer Sublimierung mündet, wie sie erst Piaton als μουσικώς έραν näher beschrieben hat. Wenn diese Art des Liebens bei Piaton hauptsächlich darin sich zeigt, daß man die Begeisterung für einen Menschen zum Quellgrund gemeinsamen Philosophierens werden läßt, so mag bei Euripides auch an Sublimierung ins Künstlerische, an Kreativität in Wort, Ton, Bild, Bewegung gedacht sein. Sprichwörtlich geworden ist in diesem Zusammenhang ein Dictum der Amme in der Stheneboia (fr. 663 Kannicht): ποιητήν δ' άρα / Έρως διδάσκει, κδν αμουσος fj τό πριν. Liebe beflügelt also die Muse, ja schafft sie erst, und das ist auch die Weisheit, die Theokrits elftem Idyll zu Grunde liegt: Wir sehen den tölpelhaften Polyphem durch die Liebe zu Galatea zum rührend naiven Dichter geläutert, ganz im Einklang mit der Behauptung der Eingangs verse, daß gegen die Liebe kein Kraut gewachsen" sei, wenn nicht der Musengesang Cf. fr. 665 Kannicht. Cf. E. Hipp Cf. Theokr. id. 11, 1-3: Ουδέν ποττόν Ερωτα πεφύκει φάρμακον δλλο, / Νικία, οΰτ' ίγχριστον, έμίν δοκεϊ, οδτ' έπίπαστον, / η ταΐ Πιερίδες.

129 Der zweifache Eros: Euripides, Stheneboia 121 Die Vorstellung von der Liebe als Lehrmeisterin künstlerischen Schaffens ist in besonders augenfälliger Weise eine der Ausfaltungen des Eros- Didaskalos-Motivs. Im weitesten Sinne gebraucht ihn auch Aristarch von Tegea, ein Zeitgenosse des Euripides, wenn er einen uns nicht mehr bekannten Sprecher behaupten läßt, daß Eros ungeahnte Energien weckt: Dem Unvermögenden gebe er Kraft und dem Ratlosen Findigkeit. 432 Eine euripideische Eigentümlichkeit im Umgang mit dem Topos ist freilich der Gedanke, daß Eros die Arete befördern kann. Er ist uns zunächst in negativer Form begegnet, als Beteuerung des Chores im II. Stasimon der Medea, daß zu heftige Liebe keine Tugend gewähre, und verfestigte sich dann im darauffolgenden Chorlied zum Bild von den Eroten als Werkgenossen jeglicher Vortrefflichkeit." Eine Art Synthese dieser beiden Stellen bietet der Prolog der Stheneboia, der zugleich auch die erste klare Formulierung des Motivs vom zweifachen Eros bietet. III. 2. Der zweifache Eros: Euripides, Stheneboia; fr. 388; Iphigenie in Aulis fr. 661, Kannicht fδιπλοί γαρ έρωτες έντρέφονται χθονί: 433 ό μέν γεγώς Ιχθιστος είς "Αιδην φέρει, δ' είς τό σώφρον έπ' άρετήν τ' αγων έρως ζηλωτός άνθρώποισιν, ών εΐην έγώ. Denn zwei Eroten wachsen auf der Erd' heran, der eine, größter Feind uns, führt zur Unterwelt, der andre, der Bedacht und Tugend bringt, ist der von Menschen angestrebte - mög ich drunter sein! In einer Tragödie, die nach metrischen und inhaltlichen Gesichtspunkten etwa um die Zeit zwischen 428 und 425 zu datieren ist, 435 werden erstmals die einander diametral entgegengesetzten möglichen Auswirkungen der Liebe ausdrücklich zwei voneinander geschiedenen Eroten zugeschrieben. 432 Cf. Aristarch von Tegea, fr. 2 (TrGF, Vol. I, ed. B. Snell, 14, 2): ούτος γαρ ό θεός καΐ τόν άσθενή σθένειν / τίθησι και τόν δπορον εύρίσκειν πόρον. 433 Der Vers ist aus metrischen Gründen unhaltbar. Zu den verschiedenen Versuchen, ihn zu heilen, siehe R. Kannicht (2004), Die Lesart έχθι,στος ergibt hier einen guten Sinn (vgl. auch E. Med. 467 ήλθες Ιχθιστος γεγώς und Phoen. 617). Ich habe daher davon abgesehen, den Vers - wie Kannicht - in Cruces zu setzen. 435 Cf. C. Collard - M.J. Cropp - K.H. Lee (1995) 83.

130 122 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros In den einleitenden Worten zu diesem Kapitel wurde schon die Wendung ins Moralische bei der Übertragung des Ambivalenz-Gedankens von Aphrodite auf Eros als eine euripideische Eigentümlichkeit herausgehoben. Es geht nicht mehr bloß um Beglückung oder Qual, hervorgerufen durch eine willkürlich schaltende Göttin, die man sich allenfalls geneigt machen kann, sondern darum, wie für einen Menschen die Art seines Liebens Gutes oder Schlechtes zeitigt. Ob Euripides hier von zeitgenössischen philosophischen Strömungen beeinflußt war, muß eine offene Frage bleiben. Man hat hier Spuren sophistischen Denkens entdecken wollen, 436 insbesondere der auf Protagoras zurückgehenden Lehre, daß jede Sache zwei einander entgegengesetzte Aspekte hat. 437 Dieses Prinzip, auf dem auch das bei den Sophisten so beliebte Disputieren pro et contra begründet liegt, 438 stützt sich freilich auf die Beobachtung, daß der subjektive Blickwinkel des Betrachters oder auch des unmittelbar Betroffenen eine Sache in ihrem Wert und Nutzen ganz verschieden erscheinen lassen kann. Ein solcher Relativismus, der beste Nährboden für das Aufblühen von Rede- und Überredungskunst, hat nun allerdings wenig zu schaffen mit der Idee des doppelten Eros. 439 Sie ist vielmehr geprägt von einer Teleologie, die, wenn überhaupt auf philosophischen Einfluß, dann am ehesten auf Sokrates 440 weist, wie denn auch Snell vermutet hat. 441 Denn schließlich wird das Gute, wie es in σωφροσύνη und άρετή sich manifestiert, als anzustrebendes τέλος gesetzt und dient zugleich als Wertmaßstab: Wenn έρως zu ihm hinführt, ist er gut, wenn nicht, dann ist er schlecht. In diesen Gedankenzusammenhang ist das Fragment 388 hineinzustellen, das zwar nicht zwei Eros-Varianten, sondern vielmehr einen erstrebenswerten Eros und die zu meidende Zeus-Tochter Aphrodite voneinander abgrenzt, in dem aber die Züge, die den guten Eros" ausmachen, nichtsdestoweniger klar hervortreten ΛΟΟ Cf. F. Lasserre, La figure d'eros dans la poesie grecque, Lausanne 1946, Cf. Protagoras (D.-K. A 1; Diog. Laert. IX 51) καΐ πρώτος ίφη δύο λόγους είναι περί παντός πράγματος άντικειμένους άλλήλοις. Siehe dazu Μ. Fuhrmann, Die antike Rhetorik, München 1984, 22. Eindeutig ist der sophistische Einfluß, nicht zuletzt auch des anonymen Traktates der δισσοί λόγοι (s. Diels-Kranz, Vorsokr. II, 405 ff.) dagegen wohl in der Antiope, fr. 189 Kannicht: έκ παντός äv τις πράγματος δισσών λόγων / αγώνα θεΐτ' äv, εΐ λέγειν εΐη σοφός. Die Verse stehen im Zusammenhang eines Redeagons, in dem nach Cie. de inv. 1, 50, 94 Amphion und Zethos sich über Wert und Unwert der Musik auseinandergesetzt haben sollen. Teleologisch ist nicht zuletzt der sokratische Satz Tugend ist Wissen": Man muß das höchste Gut wissen, um gemäß der Tugend handeln zu können. Cf. B. Snell, Das früheste Zeugnis über Sokrates", Phil. 97, 1948, 131.

131 Der zweifache Eros: Euripides, fr άλλ' στι δή τις Άλλος έν βροχοϊς έρως ψυχής δικαίας σώφρονος τε κάγαθής καΐ χρήν δέ τοις βροτοϊσι τόνδ' είναι νόμον 442 των εύσεβουντων οΐτινές γε 443 σώφρονες έραν, Κύπριν δέ τήν Διός χαίρειν έαν. Aber es gibt wahrhaftig unter Menschen noch ein andres Lieben der gerechten, guten und besonnenen Seele. Und dies wüßte für die Menschen sein Gesetz: die Frommen lieben, alle die besonnen sind, doch Kypris lassen, Kind des Zeus. Mit Berufung auf die Uberlieferung bei Stobaeus, ecl. 3, 5, 61, wo das erste Verspaar des Passus als Beispiel für σωφροσύνη aufgeführt wird, ordnet ihn Kannicht, wie vorher schon Nauck-Snell, dem Theseus zu. Andere wollten ihn ausgehend von Stobaeus, ecl. 1, 9, 4b an das fr. 331 aus dem Diktys anschließen und der Danae in einem Moment des Rückblickens auf ihre Beziehung zu Diktys, ihrem Wohltäter, in den Mund legen. 444 Wie dem auch sei - losgelöst von einem bloß hypothetischen Zusammenhang bieten die Verse uns vor Piaton eine Beschreibung der sogenannten platonischen Liebe". Der unbekannte Sprecher sieht die als das allein Wertvolle und Erstrebenswerte vorgestellte Art des Liebens zwischen Menschen sich vollziehen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Was in der Stheneboia als die Frucht des guten Eros" hingestellt wird, erscheint hier gleichsam als condicio sine qua non: der besonnene und gute Charakter des Liebenden. Wenn er zudem noch als gerecht" gekennzeichnet wird, so erinnert das unwillkürlich an einen Ausspruch Demokrits (B 73 D.-K.): δίκαιος έρως άνυβρίστως έφίεσθαι των καλών - Rechtmäßige Leidenschaft: ohne Frevel nach den schönen Dingen streben." Gegenstand der Liebe sollten, im Idealfall, nur die Frommen sein; und von hier ist es nur ein kleiner Schritt zu platonischen Definitionen des rechten έρως" in der Art von Resp. 403 a: Ό δέ όρθός έρως πέφυκε κοσμίου τε και. καλοΰ σωφρόνως Um den vorausweisenden Charakter des Demonstrativums τόνδ' klar hervortreten zu lassen, empfiehlt es sich, hier einen Hochpunkt zu setzen. Die bei den Handschriften FP überlieferte Partikel γε bedarf keiner Emendation, sie tritt verstärkend zu οΐτινες. Zusammen mit έραν und χαίρειν έαν ergibt sich eine Infinitivkonstruktion mit imperativischer Bedeutung, die den Gesctzescharakter des Gesagten unterstreicht. Eine Prosaübersetzung der letzten beiden Verse des Fragments wäre dann: Alle, die besonnen sind, die Frommen lieben, Kypris aber, die Tochter des Zeus, in Ruhe lassen!" Siehe bes. N. Wecklein, Über fragmentarisch erhaltene Tragödien des Euripides, München 1888, 110.

132 124 Die Doppclgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros τε και μουσικώς έραν - Die wahre Liebe aber ist es, einen Sittsamen und Schönen auch besonnen und gleichsam musisch zu lieben." Doch sollte die oberflächliche Gemeinsamkeit nicht über den einen wesentlichen Unterschied hinwegtäuschen, daß bei Piaton, hier ebenso wie in der Rede des Pausanias, die Frauen aus dem Bereich der Liebe als einem rein geistiggemüthaften Seelenbund ausgeschlossen werden. Am Ende des Fragments wird die zu meidende Aphrodite ausdrücklich als Zeustochter gekennzeichnet, und wohl nicht zufällig findet sich dann diese Genealogie auch für die Aphrodite Pandemos", die in Piatons Symposion von Pausanias der hehren Aphrodite Urania" als gemeines Pendant an die Seite gestellt wird. 445 Tochter des Zeus und der Dione ist Aphrodite ja schließlich schon bei Homer, und dabei ist es bezeichnend, daß ihr Bereich dort auf die Schönheit und sinnliche Liebe beschränkt ist. 446 Es hat also seinen guten Sinn, daß der Sprecher des Fragmentes gerade jene aus dem Epos bekannte und berüchtigte Göttin der Mißachtung für würdig hält, und das mit Worten, deren wir auch den Artemis- Jünger Hippolytos sich bedienen sehen. 447 Wenn wir uns nun weiteren Beispielen für einen doppelt vorgestellten Eros zuwenden wollen, so ist zunächst, zumindest im Vorbeigehen, ein Hinweis auf ein Fragment angezeigt, dessen Zugehörigkeit zum euripideischen Corpus durch ein Gedicht des Kerkidas nahe gelegt wird. 448 Es macht den Eros zum Urheber zweier Winde - δισσά πνεύματα πνεΐς, Έρως und wir erinnern uns an jenes Chorlied der Medea, in dem es von der athenischen Aphrodite in den Gärten" heißt, sie verströme (καταπνεϋσαι) über das Land gemäßigten, lieblich atmenden Hauch der Winde." 450 Mag sein, daß im weiteren Zusammenhang des Fragments, wie die Ausführungen bei Kerkidas vermuten lassen, die Metapher noch umfangreicher angelegt war und das Bild eines Steuermannes auf See hinzukam, der bei mäßig-günstigem Wind sein Schiff souverän im Griff hat, bei heftigen Sturmböen dagegen ins Schleudern gerät. Zum Bild des doppelten Windes gesellt sich schließlich im I. Stasimon der Iphigenie in Aulis, jenem wirkungsmächtigen Stück aus dem Spätwerk des Euripides, die noch anschaulichere Vorstellung von einem mit zwei Pfeilen ausgerüsteten Eros: Cf. PI. Symp. 180 d-181 a. Cf. H. Erbse, Untersuchungen zur Funktion der Götter im homerischen Epos, Berlin 1986, 90. Cf. E. Hipp. 113 (Hippolytos im Gespräch mit dem alten Diener): τήν σήν δέ Κύπριν πόλλ' έγώ χαίρειν λέγω. Cf. Cercidas, Meliambus 5, in: Collectanea Alexandrina. Ed. I.U. Powell, Oxford 1925, 206 f. Cf. Euripides, fr. 929 a Kannicht. Cf. E. Med. 839 f.

133 Der zweifache Eros: Euripides, Iphigenie in Aulis μάκαρες οΐ μετρίας θεοϋ μετά τε σωφροσύνας μετέσχον λέκτρων Άφροδίτας, γαλανέ ία χρησάμενοι μανιάδων οίστρων, δθι δή δίδυμ' Έρως ό χρυσοκόμας τόξ' έντείνεται χαρίτων, τέ> μέν έπ' εύαίωνι πότμω, τό δ' έπί συγχύσει βιοτας. Glücklich, die in Maßen und mit Selbstbeherrschung teilhaben an den Freuden der Aphrodite, Ruhe bewahrend angesichts der Stacheln der Leidenschaft, wo nun Eros mit goldenem Haar zweifache Geschosse des Liebreizes entsendet, das eine zum glücklichen Leben, das andere zur Zerrüttung des Daseins. 451 Auf dem Hintergrund des unmittelbaren Geschehens - nach der unerwartet frühen Ankunft Iphigeniens vor dem Lager in Begleitung ihrer Mutter Klytaimestra hat Agamemnon sich soeben zum Sklaven seiner nunmehr unwiderruflich scheinenden Intrige bekannt - treffen den Zuhörer die lyrischen Reflexionen über Eros eher unerwartet, bieten aber, wie sich im weiteren Verlauf noch zeigen wird, eine allgemeine Auseinandersetzung mit den für die Tragödie entscheidenden Prägen aus der Position des unbeteiligten und daher unparteiisch-klarsichtigen Beobachters. Mit der Feierlichkeit des ins Kultisch-Sakrale weisenden Makarismos" 452 werden zunächst die glücklich gepriesen, die in der Liebe das Maß zu wahren verstehen, wobei diese Fähigkeit nicht allein als menschliches, die σωφροσύνη voraussetzendes Verdienst angesehen wird, sondern mit der Formulierung μετρίας θεοϋ 453 eine ihrerseits maßvolle Aphrodite, wie sie uns in der Medea in Gestalt der in Athen waltenden begegnet war, als gleichwertiger Koeffizient erscheint. Die Wind-Metaphorik klingt auch hier wieder leise an, wenn von γαλανεία im Umgang mit den Stacheln der Leidenschaft" die Rede ist, und wie um die Antithese, in der die beiden Bilder für Seelenruhe und Gefühlsansturm zueinander stehen, im großen zu wiederholen, folgt dann die Schilderung des zweifach bewehrten Eros. Dabei ist die Art, wie die Wirkung des zweiten Pfeiles als συγχυσις - Zerrüttung - des Daseins beschrieben wird, verwandt mit einer Stelle aus der Andromache, in der Offenbar liebt Euripides das Spielen mit solchen Ambivalenzen, denn im Ion 1005 ist von zwei Blutstropfen der Gorgo der eine tödlich, der andere hat heilende Kraft. Siehe die Bemerkungen bei Stockert (1992) ad loc. Μετά ist neben μετρίας θεοϋ ausgespart; cf. Stockert (1992) ad loc.

134 126 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros Aphrodites Sieg im Parisurteil für die συγχυσις βίου aller Trojaner verantwortlich zeichnet; 454 und tatsächlich wird auch hier die Brücke zu Paris und seiner verhängnisvollen Anfälligkeit für die Lockungen der Aphrodite noch geschlagen werden. Zunächst jedoch weist der Chor jenen verderblichen Pfeil entschieden von sich ab 455 und wünscht sich eine Liebe, wie sie dem ersten entspricht, um dann in der Antistrophe die Bedeutung von Naturanlage und Erziehung für die charakterliche Tüchtigkeit abzuwägen, denn nur diese, so müssen wir ergänzen, kann ihrem Träger dazu verhelfen, gegen allzu heftige Ubergriffe des Eros gefeit zu sein διάφοροι δέ φύσεις βροτών διάφοροι δέ τρόποι' τό δ' όρθώς έσθλόν σαφές αίείτροφαί θ' at παιδευόμεναι μέγα φέρουσ' ές τάν άρετάν τό τε γαρ αΐδεϊσθαι σοφία, τάν τ' έξαλλάσσουσαν έχει χάριν ύπό γνώμας έσοραν τό δέον, ένθα δόξα φέρει κλέος άγήρατον βιοτα. μέγα τι θηρεύειν άρετάν, γυναιξί μέν κατά Κύπριν κρυπτάν, έν άνδράσι δ' aö κόσμος ένών δ μυριοπληθής μείζω πόλιν αοξει. Verschieden ist die Natur der Menschen, verschieden auch ihr Charakter, das wahrhaft Gute aber liegt immer klar vor Augen. Erzieherische Unterweisung trägt viel zur Herausbildung charakterlicher Tüchtigkeit bei. Denn sittliche Scheu ist Weisheit, und sie bringt das überwältigende Glück mit sich, in klarer Erkenntnis das Nötige zu sehen, aufgrund dessen das Urteil anderer nie alternden Ruhm für die Lebensführung bringt. Etwas Großes ist es, der Tugend nachzujagen; für die Frauen im Bereich der Liebe, die sich im Verborgenen (sc. des Hauses) hält, beim Manne jedoch vergrößert die ihm innewohnende mannigfaltige gute Bildung den Ruhm der Stadt Cf. E. Andr Niv in V. 552 ist mit Schiller, Weil und Vitelli auf τό δέ zu beziehen und nicht etwa, wie Stockert vorschlägt, allgemein auf den Eros; denn dann wäre der vom Chor in den vv geäußerte Wunsch, immerhin an der Aphrodite, wenn auch in Maßen, teilzuhaben, völlig inkonsequent.

135 Der zweifache Eros: Euripides, Iphigenie in Aulis 127 Mit der Gegenüberstellung von φύσεις und τρόποι wird eine in Euripides' Zeit viel erörterte Antithese aufgegriffen. Neben der zweifelhaft gewordenen φυσις-gläubigkeit der Aristokratie beginnt sich die These von der Lehrbarkeit der Tugend zu behaupten, und Euripides war an dieser Kontroverse brennend interessiert. In der Iphigenie ist es die Protagonistin, die ein Zusammenwirken beider Faktoren zur Formung einer edlen Grundhaltung in beispielhafter Weise verkörpert, und in diesem Sinne wird sie von Achill charakterisiert: γενναίοι γαρ εί γενναία γαρ φρονείς. 456 In unserem Chorlied wird nun allerdings in den vv. 561 f. für die Herausbildung von Tugend der Erziehung ausdrücklich ein besonders großes Verdienst eingeräumt, und zur Vervollständigung der, wenn man so will, 'μέγιστα γένη des griechischen Wertgefüges' treten der άρετή in einem weiter ausholenden Passus noch αιδώς und γνώμη zur Seite. Der Topos von der Bewährung der Frau in der Verborgenheit des Hauses, des Mannes im öffentlichen Leben erfährt freilich auf dem Hintergrund des Stückes eine ironische Brechung, ist es doch eine Frau, Iphigenie, die in einem Augenblick größter Öffentlichkeit mit der Bejahung eines ohnehin nicht mehr entrinnbaren Todes ihre seelische Größe beweist, während die männlichen Helden" des Geschehens, die beiden Heerführer Agamemnon und Menelaos, eine recht klägliche Figur machen, und schon gleich zu Beginn der eine als ruhmsüchtiger Diener des Pöbels, der andere als Sklave seiner untreuen Frau entlarvt wird. 457 In der Epode schließlich finden wir uns in die früheste Kindheit des Paris versetzt, und nachdem so viel vom hohen Wert der Erziehung die Rede war, ist die Absicht, die mit der Schilderung seines Aufwachsens in der Natur verbunden ist, überdeutlich: Der Rinderhirt (βουκόλος) vom Ida, der unter Weidetieren groß wird und auf der Hirtenflöte die Weisen des Olympos, des mythischen Heros der Aulosmusik, nachahmt, - jene sich ganz besonders zur Erregung des ένθουσιασμός eignenden 458 und daher das ekstatische, in vielerlei bacchischen und korybantischen Kulten zur Geltung gebrachte Potential des Aulos 459 in besonderer Weise versinnlichenden Melodien -; dieser ganz ohne Kultur und einer von weiser Hand auferlegten Beschränkung aufgewachsene Sohn der Wildnis" 460 ist nach Cf. 1410; Siehe bes. die Verse 357 u Cf. Arist. pol a 9 ff. von den 'Ολύμπου μέλη: ταϋτα γάρ όμολογουμένως ποιεί τ&ς ψυχάς ένθουσιαστικάς. Vgl. dazu M.L. West, Ancient Greek Music, Oxford 1992, 105 f. Das Motiv vom Rinderhirten Paris" wird gerade in dieser Tragödie auf eine nahezu insistente Weise betont: So heißt es schon im Prolog, daß er Helena zu den Rinderställen des Ida" - πρός Ίδης βούσταθμ' (76) - entführte. Siehe auch μή ποτ' ώφελες τόν άμφΐ / βουσΐ βουκόλον τραφέντ' / Άλέξανδρον...

136 128 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros der vom Chor vertretenen Anschauung geradezu prädestiniert zu einer besonders großen Anfälligkeit für die Versuchungen des Eros. Es scheint mir hier also nicht darum zu gehen, mit dem Ausmalen einer ländlich-idyllischen Szenerie einen grellen Kontrast" zum folgenden, der Schilderung der unheilvollen Begegnung zwischen Paris und Helena zu schaffen, 461 sondern im Gegenteil eine Art Kausalnexus zwischen der Kindheit des Paris und seiner Entflammbarkeit aufzuzeigen. Und so wird dann auch ganz bewußt im III. Stasimon das Aufwachsen Iphigeniens im elterlichen Hause der Ida-Vergangenheit des Paris gegenübergestellt. Ein junges Mädchen, das nicht, wie er, mit der Syrinx und unter weidenden Stieren groß geworden ist, sondern von der Mutter wohlbehütet auf die künftige Hochzeit hin erzogen wurde, 462 soll hingeopfert werden, weil ein barbarischer Abenteurer und eine griechische Ehefrau in gemeinsamem Einvernehmen das Weite suchen. Wo bleiben, so die bestürzte Frage des Chores, άρετή und αιδώς, eben jene Exponenten des griechischen Wertgefüges in der oben besprochenen Antistrophe des I. Stasimon, wo ferner der νόμος, wenn das Unheilige und die Gesetzlosigkeit das Regiment führen, oder anders gesagt das Wilde, Rohe, Chaotisch- Ungeordnete über Kultur und weise Beschränkung die Oberhand gewinnt? Was an einer Einzelperson, der des Paris, beobachtet wird, kann mutatis mutandis auch auf das in Aulis versammelte Heer, das in den Schilderungen aus verschiedenen Blickwinkeln über das ganze Stück hinweg doch immer als die gleiche, vom Kampfrausch trunkene töricht-unberechenbare Masse erscheint, übertragen werden. Am Anfang steht das geringschätzige Urteil Agamemnons über die Motivation der zum Kampfe Einsatzbereiten. Das Festhalten an ihrem Versprechen, einen möglicherweise auftretenden Entführer Helenas mit Waffen zu verfolgen - jenes Schwures, den sie als Freier der noch Unvermählten ihrem Vater Tyndareos geleistet hatten -, ist in Agamemnons Augen nichts als Dummheit: έτοιμοι δ' είσΐ μωρία φρενών. 463 Ja, er kann sich ihren Eifer nur durch die Einwirkung eines Gottes erklären: Ελλάς δέ... κατά θεόν νοσεί τινα. 464 Ahnliche Worte findet Achill für die durch das müßige Warten in Aulis nur noch verstärkte Kriegsbegeisterung der Griechen ουτω δεινός έμπέπτωκ' έρως / τήσδε στρατείας Έλλάδ' ούκ άνευ θεών. 465 Die Beschreibung ihrer aggressiven Gestimmtheit als έρως Cf. Stockert (1992) ad Joe. Cf Cf Cf Cf

137 Die zwei Pfeile Cupidos: Ovid, Metamorphosen für sich genommen nichts Neues verstärkt im Zusammenhang dieser Tragödie den Eindruck einer Parallele zwischen der Psychologie eines Paris und der einer amorphen Masse, wie sich das Griechenheer uns darstellt. Beide haben eine Neigung zu heftiger, im Falle des Heeres irrationaler Leidenschaft, was eine noch gesteigerte Schilderung seiner Kampfeswut in der Rede des Agamemnon nahezulegen scheint: μέμηνε δ' 'Αφροδίτη τις Ελλήνων στρατω / πλεϊν ώς τάχιστα βαρβάρων έπί χθόνα. 467 Vollends entfesselt und auf erschreckend wilde Weise nach der Opferung Iphigeniens verlangend tritt uns dann die herandrängende Heeresmasse in Achills Bericht über die hinterszenischen Ereignisse 1345 ff. gegenüber. 468 Sein Zeugnis von ihrer Bereitschaft, ihn beim Versuch, sie aufzuhalten, zu steinigen - allen voran seine eigenen Leute, die Myrmidonen - erregt ein Grauen vor der Gewalt des ungebändigten Haufens, wie es die sentenzhafte Formulierung aus dem Munde Klytaimestras treffend erfaßt: τό πολύ γαρ δεινόν κακόν. 469 So ist also, um noch einmal auf das Bild des mit zwei Pfeilen bewehrten Eros zurückzukommen, die mit Nachdruck in den Bereich des Sinnlichen hineingestellte Verfassung des Heeres im weitesten Sinne, und in Übertragung auf die Gruppe, ein Beispiel für die chaotischen Auswirkungen jenes zweiten, wuchtig-ungemäßigten Pfeiles. III. 3. Die zwei Pfeile Cupidos in Ovid, met. 1, In einer kreativen Nachgestaltung begegnet dieses Bild in Ovids Metamorphosen, doch ist es dort nicht Ausdruck einer moralischen Polarität, wie bei Euripides, sondern bietet gleichsam eine mythologische Erklärung für das Phänomen der unerwiderten Liebe. Apollon, der soeben den Drachen Python besiegt hat, zeigt sich belustigt über die Ausrüstung des Cupido mit Pfeil und Bogen. Diese Waffen beansprucht er für sich und möchte Cupido lediglich die Fackel zugestehen. Zum Beweis seiner göttlichen Überlegenheit und zugleich als Kostprobe seiner Waffentüchtigkeit holt Cupido zwei Pfeile aus seinem Köcher: 466 Siehe schon Ai. Ag. 341 έρως δέ μή πρότερον έμπίπτηι στρατώι; vgl. auch die Umschreibung der Kampfeswut des Eteokles vor seiner Begegnung mit Polyneikes am siebenten Tor in Aischylos' Septem als θυμοπλη- / θής δορίμαργος δτα (686/87) und ώμοδακής... ίμερος (692); s. ferner Thuk. 6, 24, 3 καΐ ϊρως ένέπεσε τοις πασιν όμοίως έκπλεϋσαι. 467 Cf Ist es nicht dieselbe Masse, die das Kreuzige" schreit oder in H.v. Kleists Erdbeben in Chili" in wütender Mordlust auf die Sünderin sich stürzt? 469 Cf

138 130 Die Doppelgesichtigkeit der Aphrodite und ihrer Wirkkraft, des Eros fugat hoc, facit illud amorem; quod facit, aura tum est et cuspide fulget acuta, quod fugat, obtusum est et habet sub harundine plumbum. 470 Von diesen beiden Pfeilen, deren gegensätzliche Wirkkraft durch die Beschreibung ihres Materials und der Beschaffenheit der Spitze untermalt wird, feuert er den goldenen, Liebe erregenden auf Apoll ab und trifft die seitdem von ihm heftig begehrte Daphne mit dem bleiernen, Liebe vertreibenden. 471 In einem Spiel um die Metapher von der Liebe als Jagd wird so der stolze Pythonüberwinder vom Jäger zum Gejagten und glücklosen Verfolger der fliehenden Nymphe. Daß Cupido in dieser Episode nicht nur über die Liebe, sondern auch über die gegenteilige Empfindung verfügt und beides autokratisch verhängt, ist ein merkwürdiger und eher vereinzelter Zug, besonders auf dem Hintergrund der überwältigenden Fülle der in Vers und Prosa gleichermaßen überlieferten Geschichten unerhört Liebender, in denen Eros bzw. Amor nicht etwa als Wirker, sondern als Ahnder mangelnder Gegenliebe in Erscheinung tritt Cf. Ov. met. 1, Über den altfranzösischen Roman d'eneas, vv , hat das ovidische Pfeilpaar auch in Heinrich von Veldekes Eneasroman Eingang gefunden. Losgelöst aus dem Zusammenhang der Daphne-Episode, dient es dort im Minnegespräch zwischen Amata und ihrer Tochter Lavinia dazu, der noch Unerfahrenen Lieben und Hassen als gewaltige Empfindungen darzustellen, die den Menschen von außen gleichsam überfallen und deshalb aus eigener Kraft kaum beeinflußbar sind ( ): ein ger is von golde, / des phleget er alle stunde. / swer so eine wunde / da mite gewinnet, / vil starklich er minnet / und lebet mit arbeite.... der ander ger is blien, / von deme tun ich dir kunt: / swer da mite wirdet wunt / in sin herze enbinnen, / der is der rehten minnen / iemer ungehorsam, / der hazet unde is ir gram. / swaz so von minnen geschiht, / des ne lustet in niht. Ganz gemäß diesem Konzept wird Lavinia dann bei einem Blick aus dem Fenster mit Liebe zum zufällig vorbeireitenden Aneas geradezu geschlagen. Der bleierne Pfeil kommt zwar nie zum Einsatz, behauptet aber seine Symbolkraft in Lavinias ständiger Angst vor mangelnder Gegenliebe bis zur sicheren Vereinigung des Paares.

139 IV. Eros-Feindschaft - zürnende Göttin und deus ultor Was im Voraufgegangenen als Kehrseite der Aphrodite sich abzeichnete, ihre Willkür und Besänftigung heischende Reizbarkeit, findet seinen sinnfälligsten Ausdruck in einem Topos, der, schon vorgezeichnet im Hippolytos des Euripides, im Hellenismus zu voller Blüte ersteht: dem einer eifernden Göttin, die Uberhebung grausam ahndet. Befragt man den Topos auf seinen Ursprung hin, so offenbart er sich als eine auf den Bereich der Liebe sich beschränkende Entfaltung jener im griechischen Volksglauben tief verwurzelten Furcht, daß die Einbildung, das eigene Schicksal gleichsam fest im Griff zu haben, und das Unterschätzen der Möglichkeiten göttlichen Eingreifens früher oder später ihre Strafe finden werden. Das beste Beispiel bietet die bei Herodot 1, 34 ff. erzählte Geschichte des Kroisos. Der König der Lyder, der sich mit großer Selbstgewißheit für den glücklichsten aller Menschen hält, muß erleben, wie sein Sohn von einem Fremden mit dem sprechenden Namen Adrastos, der Unentrinnbare", den er gastfreundlich bei sich aufgenommen hatte, bei einer Jagd ohne Absicht mit dem Wurfspieß getötet wird. 472 Die allzu selbstsichere Gesinnung, mit der Kroisos hier versehen wird, charakterisiert auch den Hippolytos des euripideischen Stephanephoros, von dem unsere Betrachtungen ihren Ausgang nehmen sollen: IV. 1. Euripides, Hippolytos Stephanephoros Bereits im ersten Epeisodion des Stückes sehen wir Hippolytos den Rat seines alten Dieners, Aphrodite die ihr gebührende Verehrung zu erweisen, ähnlich wie Kroisos die warnenden Reden des Solon über die neidischen Götter und die Unberechenbarkeit des Schicksals ungläubig in den Wind schlagen: Er, der er άγνός sei, grüße sie nur von ferne, 473 und im übrigen, Das ist zugleich die Erfüllung eines Orakels. Siehe dazu B. Manuwald, Oidipus und Adrastos. Bemerkungen zur neueren Diskussion um die Schuldfrage in Sophokles' König Oidipus", Rhein. Mus. 135, 1992, 5-8. Cf. 102 πρόσωθεν αυτήν άγνός ών ασπάζομαι.

140 132 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor so setzt er dem Gespräch mit dem Diener ein lakonisches Ende, könne ihm seine" Kypris gestohlen bleiben (113): τήν σήν δέ Κύπριν πόλλ' έγώ χαίρειν λέγω. Daß er damit eine innerhalb des Stückes als nur allzu real angenommene Göttin und deren Anspruch auf Verehrung leichtfertig ignoriert, schlägt später auf ihn selbst zurück. Seiner Fassungslosigkeit über den Entschluß des Vaters, ihn des Landes zu verweisen, ohne vorher den Wahrheitsgehalt der gegen ihn vorgebrachten Anklage durch Befragung eines Vogelschauers überprüft zu haben, begegnet Theseus mit den gleichen spöttisch aufgeklärten Worten, die Hippolytos zum Ausdruck seiner Aphrodite-Feindschaft verwendet hatte ( ): τούς δ' όπέρ κάρα / φοιτώντας δρνις πόλλ' έγώ χαίρειν λέγω. Das bewußte Sich-Absetzen von einem Imperativ, dem sonst alle Welt sich beugt, ist bei Hippolytos gepaart mit einem ausgeprägten Exklusivitätsanspruch. Uber die Frühlingswiese in der Kranzdarbringungsszene hören wir ihn sagen, nur wer das σωφρονεΐν von Natur aus besitze, dürfe von ihr Blumen pflücken. Seine kranzhaltende Rechte bezeichnet er selbst als εύσεβής, und es ist eben diese Selbstgewißheit, die den ihn umgebenden Menschen seine ohnehin schon mit Mißtrauen verfolgte Haltung noch anrüchiger scheinen läßt. Daß er nicht müde wird, seine Exklusivität, Keuschheit und Unbeflecktheit im Munde zu führen, macht ihm dann auch Theseus, als er unter dem frischen Eindruck des Verleumderbriefs seiner tot aufgefundenen Ehefrau steht, in zwei anklagenden Fragen zum Vorwurf σύ δή θεοΐσιν ώς περισσός ών άνήρ ξύνει; σύ σώφρων καΐ κακών άκήρατος; Hippolytos' Tendenz zu stolzer Absonderung ist für Theseus sogar Anlaß, ihn in die Nähe der Orphiker zu rücken ούκ αν πιθοίμην τοϊσι σοΐς κόμποις έγώ θεοΐσι προσθείς άμαθίαν φρονεϊν κακώς, ήδη νυν αδχει και δι' άψύχου βοράς σίτοις καπήλευ' Όρφέα τ' ανακτ' έχων βάκχευε πολλών γραμμάτων τιμών καπνούς έπεί γ' έλήφθης.... Nicht könnt' ich Glauben schenken deiner Prahlerei, die Götter zeihn des Unverstandes Torheit nicht. Nun red noch groß daher und treib mit Pffanzenkost dein wucherndes Geschäft und als des Orpheus Knecht

141 Euripides, Hippolytos Stephariephoros 133 schwärm in Verehrung vieler Bücher vagen du bist ertappt... Rauchs; Die Verse sollten nicht dazu verführen, sich Hippolytos tatsächlich als Anhänger der Lehren des Orpheus vorzustellen. Es gibt im ganzen Stück keine anderen Hinweise, und es wäre, wie bemerkt wurde, absurd, einen so leidenschaftlichen Jäger wie Hippolytos, der zu Beginn des Stückes seinen Diener mit der Zubereitung einer Fleischmahlzeit beauftragt, 474 zum Vegetarier machen zu wollen. Vielmehr hat Euripides die Orphiker hier wohl deshalb ins Spiel gebracht, weil sie beim athenischen Publikum für ihre streng geregelte Lebensführung in bewußter Distanzierung von der Masse und insbesondere ihre pflichtgemäße religiöse Keuschheit - άγνότης bekannt waren. Ob Theseus eine communis opinio wiedergibt, wenn er sie als Angeber bezeichnet, ist schwer zu sagen, jedenfalls ist der Gedankengang, der seinen Worten zugrunde liegt, etwa folgender: Um deiner Heuchelei und deinem exklusiven Getue die Krone aufzusetzen, fehlte nur noch, daß du dich den Orphikern, dieser Gruppe von prahlerischen Schwarmgeistern anschlössest!" 476 Mit seiner Absage an Aphrodite stellt Hippolytos sich also auch in ein gesellschaftliches Abseits, ja muß sich den, wiewohl im Affekt gesprochenen, Vorwurf religiösen Sektierertums gefallen lassen. Andererseits wird ihm von Artemis in der Dea-ex-machina-Szene durch die allgemein gefaßten Worte, daß für die Götter der Tod der Frommen keine Freude sei, 477 ευσέβεια bescheinigt. 478 Wenn sie aber fortfährt, die Schlechten würden von den Göttern mitsamt ihren Kindern und der ganzen Hausgemeinschaft zugrunde gerichtet, 479 so relativiert sich ihre Stellungnahme für Hippolytos, wenn man in Rechnung stellt, daß er durch sein Verhalten Aphrodite ja gerade zu der Vernichtung eines ganzen Hauses bewog Cf X0 χωρεϊτ' όπαδοί, και παρελθόντες δόμους / σίτων μέλεσθε τερπνόν έκ κυναγίας / τράπεζα πλήρης. Cf. Ε. Fehrle, Die kultische Keuschheit im Altertum, Gießen 1910, 226; mit Verweis auf A. Dieterich, Abraxas, Studien zur Religionsgeschichte des späteren Altertums, Leipzig 1891, 1 f; ferner E. Reitzenstein, Epigramm und Skolion, Gießen 1893, 208. Mit Recht hat D.W. Lucas, CQ 40, 1946, 65 die Imperative hier futurisch ausgedeutet: "In fact the force of the imperative is not 'go on being an Orphic', but 'become an Orphic'." τούς γάρ εύσεβεΐς θεοί / θνήσκοντας ού χαίρουσι. Vgl. auch 1419 σης εύσεβείας κάγαθης φρενός χάριν τούς γε μην κακούς / αύτοΐς τέκνοισι καΐ δόμοις έξόλλυμεν. Vgl. die Worte der Amme in Κύπρις ούκ αρ' ήν θεός, / άλλ' ει τι μείζον αλλο γίγνεται θεοϋ, / ή τήνδε κάμέ καΐ δόμους άπώλεσεν. Siehe dazu auch Α. Köhnken, Götterrahmen und menschliches Handeln in Euripides' Hippolytos",

142 134 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor Mit Recht hat man darauf hingewiesen, daß Artemis bis zu einem gewissen Grade Partei" ist, 481 und deshalb ihren Aussagen über ihren Schützling keine absolute Gültigkeit zukommt, wie ja auch ihre Drohung, für Hippolytos' Schicksal ihrerseits an einem Liebling der Aphrodite Rache zu nehmen, einer souveränen Gottheit, die ohne jede Leidenschaft Gerechtigkeit walten läßt, nicht wohl anstehen würde. Wie ist aber nun die ablehnende Haltung des Hippolytos gegenüber allem Aphrodisischen für den Unvoreingenommenen zu bewerten? Daß er seiner Uberzeugung bis zum Ende treu bleibt, ist kein vereinzelter Zug, denn das unerschütterliche Ausharren in einer bestimmten Haltung, mag sie auch einseitig ausgeprägt sein, zeichnet ja oft die tragischen Helden, wie schon Elektra und Aias bei Sophokles, in besonderer Weise aus. 482 Damit ecken sie an, erregen Aufsehen und Haß, und wie in der Elektra Chrysothemis, im Aias Odysseus, so ist im Hippolytos der Chor Vertreter einer gegenteiligen Sinnesart, wenn er im III. Stasimon ein wandlungsfähiges Gemüt frei von jeder δόξα άτρεκής sich wünscht: δόξα δέ μήτ' άτρεκής μήτ' αΰ παράσημος ένεΐη, άδ(.α δ' ήθεα τόν aöpiov μεταβαλλομένα χρόνον αίεΐ ßlov συνευτυχοίην. Keine unbeirrbare, noch in einer falschen Richtung ausgeprägte Meinung sei dort (i.e. in meinem Gemüt) zu finden, vielmehr werde mir mit leichter Sinnesart, die immer am nächsten Morgen sich wandelt, Glück zutei] im Leben. Ahnliches war schon von der Amme vorgebracht worden, als sie von der Schädlichkeit der άτρεκεϊς έπιτηδεύσεις sprach: βιότου δ' άτρεκεΐς έπιτηδεύσεις φασί σφάλλειν πλέον ή τέρπειν τή θ' ύγιεία μάλλον πολεμεΐν. Des Lebens unbeirrbare Bestrebungen sind, sagt man, eher schädlich als erfreulich, und setzen der Gesundheit stärker zu. 481 H. Herter, Hippolytos und Phaedra", in: Kleine Schriften, hrsg. v. E. Vogt, München 1975, B.W. Knox, The Heroic Temper. Studies in Sophoclean Tragedy, Berkeley and Los Angeles 1964,

143 Euripides, Hippolytos Stephanephoros 135 Wenn Hippolytos diese Art von Lebensklugheit" abgeht, so wird man das wohl kaum als Schuld bezeichnen, sondern eher als eine Form der Hybris, sofern man seine selbstgewählte Abstinenz als Versuch des sich auf die eigenen Kräfte stellenden Ichs, den Naturbedingungen des Daseins zu trotzen, betrachten kann. Seine ausschließliche Ausrichtung auf Artemis geht einher mit einem Fehlverhalten gegenüber Aphrodite, einer αμαρτία είς Αφροδίτην, die diese im Prolog ja auch zu vergelten androht (21-22): δ δ' είς 2μ' ήμάρτηκε, τιμωρήσομαι / Ίππόλυτον έν τηδ' ήμέρα. Aus soziologischer Sicht ist dieses Fehlverhalten die Weigerung eines Epheben, die von der Polis-Gemeinschaft für so wichtig erachtete Initiation in das Mannesalter zu durchlaufen. P. Vidal-Naquet hat gezeigt, daß das Jagen am Rande der Stadt Kennzeichen jenes Schwellenzustandes ist, der dem Eintritt in das Mannesalter mit seinen zwei wichtigen Komponenten der Heirat und der Teilnahme an der Hoplitenphalanx vorausgeht. 483 Hippolytos' Absage an Aphrodite kann also auch als Ausdruck eines eigensinnigen Verharren- Wollens in diesem Schwellenzustand betrachtet werden. Freilich steht sein schreckliches Ende in keinem Verhältnis zu seiner αμαρτία, und so ist die Bestürzung über sein Schicksal groß, aber keineswegs der letzte Eindruck, mit dem uns das Stück entläßt. Während der Kalyptomenos höchstwahrscheinlich in einen Makarismos mündete, in dem der Chor sich über Hippolytos' Heroenehren als Lohn seiner σωφροσύνη und sich allgemein über die Kraft der Arete begeisterte, 484 ist das Ende des Stephanephoros ungleich komplexer: In der Dea-ex-machina- Szene rühmt Artemis die εύσέβεια ihres Lieblings und kündigt nicht nur ihre Rache an einem Favoriten der Aphrodite an, sondern stellt Hippolytos auch einen Heroenkult in Aussicht: In Zukunft sollen junge Mädchen vor ihrer Heirat auf dem Altar seines Heiligtums eine abgeschorene Locke niederlegen. Dieser Brauch, der den Ubergang der Mädchen in ihr Leben als verheiratete Frauen in Gestalt einer rituellen Geste unterstreicht, wird in gewisser Weise auch den Mangel im Verhalten Hippolyts zu seinen Cf. P. Vidal-Naquet, Le chasseur noir. Formes de pen see et formes de societe dans le monde grec, Paris 1981; dort besonders 152: «Pour le jeune citoyen, l'<agregation definitive> a deux formes essentielles: le mariage et la participation ä la phalange des hoplites, ä l'armee ou ä la flotte.» Cf. fr. 446 Kannicht<i μάκαρ, οίας Ιλαχες τιμάς, / Ίππόλυθ' ήρως, δια σωφροσύνη ν / οδποτε θνητοϊς / άρετής άλλη δυναμις μείζων /ήλθε γαρ ή πρόσθ' ή μετόπισθεν / της εύσεβίας χάρις έσθλή.

144 136 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor Lebzeiten kompensieren, 485 seine Weigerung vor der Initiation, die ja immerhin auch in den Kompetenzbereich der Artemis fällt. 486 Und doch ist der Auftritt der Dea ex machina geprägt von der Distanz alles Göttlichen, die Hippolytos mit dem Knüpfen eines exklusiven Freundschaftsbundes durchbrochen zu haben glaubte. So quittiert er denn auch ihr Scheiden mit den wehmütigen Worten (1441): μακράν δέ λείπεις ραδίως όμιλίαν. Danach sehen wir den sterbenden Hippolytos allein mit seinem Vater Theseus, und die Konstellation erinnert an den Auftritt der liebeskranken Phaidra in Gesellschaft ihrer Amme unmittelbar nach der Parodos. Die Ähnlichkeit der beiden Szenen wird noch verstärkt, wenn beide, die Kranke und der Sterbende, mit fast gleichem Wortlaut die an ihrem Lager Sitzenden darum bitten, ihren Leib aufzurichten, ihr Gesicht zu verbergen. 487 Was Phaidra angekündigt hatte, 488 ist Wirklichkeit geworden: Sie hat Hippolytos zum Teilhaber ihrer Krankheit werden lassen, hat den von ihm selbst abgesteckten Bereich in den Sog ihrer Leidenschaft hineingezogen. 489 Und doch ist sein Ende nicht einfach das restlose Verschlungen-Werden von einer Göttin, der er sich widersetzen wollte, denn noch im Sterben bewahrt er sich die Souveränität eines weitgehend leidenschaftslosen Menschen. Er ist vollkommen gefaßt, und daß sein Tod von Vergebung, nicht von Verleumdung begleitet ist, unterscheidet ihn deutlich von Phaidra. Einem Menschen zu verzeihen, der einen dem Untergang anheimgegeben hat, zeugt von charakterlicher Größe, und da Hippolytos damit zugleich dem Geheiß der Artemis folgt, preist ihn nun auch sein Vater Theseus als εύσεβής, und an dieser Stelle dürfte das nicht als eine bloß parteiliche Äußerung abgetan werden. 490 Daß in seinem abschließenden Gespräch mit Theseus Hippolytos sich so eindeutig als ein ethisch hochstehender Mensch erweist, trägt erheblich zur Schmälerung des Triumphes der Aphrodite bei. Der, den sie gänzlich zu vernichten trachtete, wird als Kult-Heros fortleben. 485 Cf. Chr. Sourvinou-Inwood, Tragedy and Athenian Religion, Das bezeugt besonders der Kult der Artemis Brauronia bei Athen; dazu s. W. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epochc, 236. Gelegentlich wurden sogar der Göttin Artemis selbst die Haare der Bräute geopfert; s. dazu Anth. Pal. 6, 276/277 und L. Sommer, Das Haar in Religion und Aberglauben der Griechen, Diss. Münster 1912, 39 f. 487 Vgl κατόρθωσον δέμας mit 188 δρατέ μου δέμας und 1456 κρύψον δέ μου πρόσωπον mit 243 πάλιν μου κρύψον κεφαλήν. Auf die Parallele hat auch R. Padel, Whom Gods Destroy. Elements of Greek and Tragic Madness, Princeton 1995, 163 hingewiesen o_3i χής νόσου δέ τήσδέ μοι / κοινήι μετάσχων σωφρονεϊν μαθήσεται. 489 Siehe auch Hippolytos' Frage in 933 νοσοΰμεν δ' ούδέν δντες αίτιοι; 490 Vgl. oben, 134.

145 Der bezwungene Rebell: Theokrit, Idyll I 137 Man hat den Hippolytos als Paradebeispiel einer typisch euripideischen Göttersatire aufgefaßt. 491 Das mag daran liegen, daß uns das Aphrodite- Bild, von dem diese Tragödie beherrscht wird, äußerst fremdartig anmutet. Wie sehr es aber dem griechischen Denken entspricht, zeigen die zahlreichen, in Dichtung und Prosa immer neu variierten Geschichten von der Überwältigung oder Bestrafung jener, die dem Aphrodisischen trotzen zu können glaubten. Einige von ihnen sollen auch über die Grenzen der Tragödie hinaus den immer wieder anders sich gestaltenden Umgang mit dem Topos der Rache übenden oder auf andere Weise ihre Überlegenheit demonstrierenden Liebesgottheiten exemplarisch bezeugen. Die Geschichten lassen sich in drei Haupttypen auffächern. Die erste Variante, die wir die vom bezwungenen Rebellen nennen wollen, ist schnell skizziert: Ein junger Mann oder ein Mädchen widersetzt sich der Liebe - sei's der Liebe allgemein oder der Liebe einer ganz bestimmten Person und wird daraufhin von Aphrodite mit einer irgendwie unglückseligen Leidenschaft geschlagen oder auf andere Weise in ihren Bannkreis gezogen. Bei der zweiten Variante, den Versteinerungsgeschichten", wird eine vergebens umworbene Person für ihre Hartherzigkeit von Aphrodite mit der άπολίθωσις bestraft. Der dritten Variante gehören jene Erzählungen an, bei denen die Perspektive der unerhört Liebenden und ihr Wunsch nach einer rächenden Gottheit, die zuweilen den Namen Anteros erhält, zum Ausgangspunkt der Betrachtung wird. IV. 2. Der bezwungene Rebell IV. 2. a) Theokrit, Idyll I Begonnen werden soll mit dem Thyrsislied aus Theokrits erstem Idyll, das innerhalb des Typus vom bezwungenen Rebellen eine Sonderstellung einnimmt. Das Lied ist ein Klagegesang des Thyrsis um Daphnis, den sizilischen Rinderhirten, der sich in Liebe zu einem innerhalb dieses Idylls nicht genannten Mädchen verzehrt. 491 H. Herter, Hippolytos und Phaedra", 146 Anrri. 78 verweist u.a. auf R. Goossens, Euripide et Athenes, Brüssel 1962, ff; G. Soury, Rev. et. gr. LVI 1943, 29 ff.; D.F.W, van Lennep, Euripides, Amsterdam 1935, 79 ff.; L.H.G. Greenwood, Aspects of Euripidean Tragedy, Cambridge 1953, 45. Siehe auch M. Pohlenz, Die griechische Tragödie, Bd. I, 2. Aufl., Göttingen 1954, 273.

146 138 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor Im Einklang mit einer Gruppe von neueren Interpreten 492 bin ich der Meinung, daß die traditionelle Fassung des Daphnis-Mythos, die ihn mit einer Nymphe im Bund sein läßt, die ihn für seinen Fehltritt mit einer Sterblichen mit dem Verlust seines Augenlichts bestraft, 493 bei der Interpretation dieses Liedes nicht vorausgesetzt werden kann, denn es ist, wie wir noch sehen werden, in einer Weise von der unmittelbaren Auseinandersetzung des Daphnis mit Aphrodite geprägt, die das Einbringen des bekannten Elements der Beziehung des Rinderhirten zur Nymphe, und sei es auch in der Variante, daß Daphnis sie von Anfang an abwies, 494 als eine Störung der hier in besonderer Weise betonten Konfrontation zwischen der Göttin und ihrem sterblichen Widersacher empfinden lassen würde. 495 Dem Kernstück des Liedes, das lebhaft dialogisch gestaltet ist, geht in pointierter Vorwegnahme seines Todes eine Aufzählung der um Daphnis trauernden Tiere voran, jener Tiere, von denen wir ihn später selbst sich verabschieden sehen. Daß dabei Waldtiere wie Schakale, Wölfe, Löwen und Bären ebenso ihren Platz haben wie die Herdentiere und daß der scheidende Daphnis an wilde und zahme Tiere gleichermaßen sich wendet, ist auf dem Hintergrund der bei Theokrit sonst durchwegs üblichen Trennung dieser beiden Tiergruppen 496 bemerkenswert. Die Affinität auch zu wilden Tieren läßt Daphnis gleichsam zu einem Grenzgänger der beschaulichen Welt gezähmter Herden werden, und so beschreibt denn auch eine bei Diodor wiedergegebene Uberlieferung Daphnis als einen Gehilfen und Jagdgefährten der Artemis E.A. Schmidt, Bukolische Leidenschaft oder Über antike Hirtenpoesie, Frankfurt/Main 1987, 57 f.; K. Dover (1971), 85; R. Hunter (1999) 67, der die Umformung des Daphnis-Mythos zu ätiologischen Zwecken betont; G.O. Hutchinson, Hellenistic Poetry, Oxford 1988, 149. Cf. Aelian, V.H. 10, 18; Diodor 4, 84, 4; Timaios bei Parthenios 29 (J.L. Lightfoot, Parthenius of Nicaea. The poetical fragments and the 'Ερωτικά Παθήματα, Oxford 1999, 357). Cf. Servius Ad Verg. eel. 8, 68: Hunc igitur cum Nympha Nomia amaret et ille cam sperneret et Chimaeram potius sequeretur, ab irata Nympha amatrice luminibus orbatus est." und Schol. Theocr. id. 8, 93 έκτός εϊ μή αύτόν μέν φησιν άπείπεσθαι αύτήν, άλλης δέ έρασθήναι- 'ώς πόκα τας Ξενέας ήράσσατο Δάφνις'. In diesem Sinne auch G.O. Hutchinson, Hellenistic Poetry, Oxford 1988, 149 Anm. 13: "... Theocritus avoids the story whereby Daphnis and a nymph are in love so that he can heighten the contrast between god and mortal." Cf. R. Hunter (1999) 89. Cf. Diodor 4, 84 μυθολογοϋσι δέ τόν Δάφνιν μετά της 'Αρτέμιδος κυνηγεϊν ύπηρετοϋντα τήι θεώι κεχαρισμένως. Daß das Genre der Bukolik nach der Uberlieferung bei einem höchstwahrscheinlich von Theon stammenden Theokrit- Scholion (Ziegler, S. 1, 2), sowie bei Probus (S. 2, 8-4, 19 K.) und bei Diomedes (de poematibus III, 486, , 10 K.) im Zuge der von Hirten festlich begangenen Gründung des Artemistempels zu Tyndaris seinen Anfang genommen haben soll,

147 Der bezwungene Rebell: Theokrit, Idyll I 139 In seiner Hinwendung zu den Tieren der Wildnis ähnelt er dem Jäger Hippolytos, mit dem man denn auch sein Schicksal immer wieder in Verbindung gebracht hat. 498 Ebenso wie jener versucht er zunächst stolz und selbstgewiß, der Liebe zu trotzen, bis ihn, und das verbindet ihn mit Phaidra, eine verzehrende Leidenschaft ergreift. Anteilnehmend nähern sich ihm zunächst Hermes und seine Hirtenkollegen. Um wen er sich abhärmt, ist für Hermes eine ebenso ungeklärte Frage wie für den Leser des Idylls - nur Priap, der dritte in der Reihe der Besucher, scheint es zu wissen, und innerhalb der Grenzen, die einem Gott der bloßen Sinnlichkeit gesetzt sind, macht er sich seinen Reim auf den Zustand des Daphnis. Er entwirft ein Bild ähnlich dem im sechsten Idyll beschriebenen. Hier wie dort sehen wir einen Widerstrebenden hartnäckig umworben, ob nun ernsthaft, wie bei der namentlich nicht genannten Verehrerin des Daphnis, die ihn nach den Worten des Priap überall, an Quellen und in Hainen sucht, oder spielerisch, wie bei der mit Äpfeln werfenden Galatea. Die Umworbenen werden mit Geißhirten verglichen, doch während Polyphem sich tatsächlich tölpelhaft linkisch benimmt, verkennt der Priap mit seiner Anwendung des Topos vom ungeschickten αίπόλος auf Daphnis gänzlich die Situation. Er nennt ihn δύσερως, und es wäre sicherlich zu viel in dieses Wort hineingelesen, wenn man es, wie mit besonderem Nachdruck Ogilvie vorgeschlagen hat, als Ausdruck für verbotenes Lieben verstünde. 499 Diese Deutung setzt voraus, die Vulgata der Daphnis-Legende als Grundlage für dieses Idyll anzunehmen und ihn durch unbedingten Treueschwur an eine Nymphe gebunden zu sehen. 500 Da es dafür aber keinerlei Hinweise gibt, kann man dem Wort im Zusammenhang mit άμήχανος und im Vergleich mit Idyll 6, wo es heißt, daß Galateia Polyphem als δυσέρωτα und αίπόλον ävöpoc verspottet, wohl guten Gewissens die Bedeutung schwerfällig in der hat R. Reitzenstein (Epigramm und Skolion, Gießen 1893, 194) zu zeigen versucht. Auf solche Grundsatzfragen zur bukolischen Dichtung näher einzugehen, ist hier jedoch nicht der Ort. G.A. Gebauer, De Poetarum Graecorum Bucolicorum imprimis Thcocriti Carminibus in Eclogis a Vergilio adumbratis particula prima, Leipzig 1856, 75; A.S.F. Gow II (1952) 2: "... Daphnis is here playing a Hippolytus-like part, has vowed himself to chastity, and rather than break his vow, prefers to die." und neuerdings (leicht modifiziert) wieder K.-H. Stanzet, Liebende Hirten, Stuttgart, 1995, 267. Cf. R.M. Ogilvie, "The Song of Thyrsis", JHS 82, 1962, 107: "loving that which one ought not to love." Ibid., 108.

148 140 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor Liebe" zuschreiben, denn eben diese Eigenschaft ist es, die den Spott des Priap auf besondere Weise herausfordern muß. 501 Die Schwerblütigkeit eines, der sich nicht zu helfen weiß, eines Sehnenden ohne Initiative, wird dann in zwei Bildern, grob sinnlich das eine, von unerwarteter Zartheit das andere, veranschaulicht: Zum grob animalischen Vergleich des Daphnis mit einem Ziegenhirten, der sich abhärmt, weil er nicht selber der Bock sein kann, der seine Ziegensich unvermittelt das Bild von Daphnis, der es nicht wagt, im Reigen tanzender Mädchen mitzutun. 502 Doch trifft die Annahme, das Leid des Daphnis beruhe auf einer Art Triebhemmung, durchaus nicht den Kern der Sache. Daphnis ist eben nicht jener linkische Melancholiker, als der er dem Priap mit seinem eingeschränkten Horizont erscheinen muß, sondern es geht ihm darum, sich von Eros, dem er seine Feindschaft erklärt hat, nicht niederzwingen zu lassen. So schweigt er denn auch zu den spöttischen Bemerkungen des Priap, die ihn doch nicht treffen können. Daß er seine ungestillte Sehnsucht bis zu Ende durchleidet, ist, wie die Schluß verse der Priapepisode nahelegen, Erfüllung seines ihm ganz persönlich zugesponnenen Geschicks: άλλα τόν αύτώ ανυε πικρόν έρωτα, και ές τέλος ανυε μοίρας. Wenn hier die leidvolle Liebe des Daphnis eng mit dem Begriff der μοίρα verknüpft wird und die Moiren als Göttinnen 139 f. für sein Ende verantwortlich gemacht werden, so schließt das Spekulationen, nach denen Daphnis als religiöser βουκόλος zu kultischer Keuschheit verpflichtet gewesen sein soll, von vornherein aus. 503 Vielmehr erhält seine ganz eigenartige Unnachgiebigkeit gegenüber der ihn quälenden Leidenschaft die Konnotation von etwas unausweichlich über ihn Verhängten, und wir werden noch zu fragen haben, welchen Sinn ein solches Schicksal haben kann. Nach den gescheiterten Versuchen des Hermes, der Hirten und des Priap, Daphnis zum Reden zu bringen, ist es nun Aphrodite selbst, die, auf dem höchsten Punkt des Spannungsbogens, der auch durch eine Änderung 503 Siehe auch A.S.F. Gow (1952) 19 zur Bedeutung von δυσερως im Zusammenhang mit άμήχανος: "gauche or backward in pressing a suit which, if pressed, will not be contested." Die Erklärung Μ. Fantuzzis, Muse e modelli, Rom 2002, 252 von δύσερως come collegato all' incapacitä di amare chi potrebbe effettivamente farsi riamare", scheint mir verfehlt, denn Daphnis wird ja geliebt. Auf den stilistischen Kontrast zwischen diesen beiden Bildern hat schon G.O. Hutchinson, Hellenistic Poetry, hingewiesen. So R. Reitzenstein, Epigramm und Skolion, 211, und in seiner Nachfolge G. Wojaczek, Daphnis. Untersuchungen zur griech. Bukolik, Meisenheim 1969, 36.

149 Der bezwungene Rebell: Theokrit, Idyll I 141 des Refrains gekennzeichnet ist, mit Daphnis sich ein lebhaft, man könnte fast sagen, dramatisch gestaltetes Wortgefecht liefert. Ihr erstes Auftreten ist von einer nicht leicht zu durchschauenden Doppelbödigkeit: ήνθέ γε μάν άδεια καΐ ά Κύπρις γελάοισα. λάθρη μέν γελάοισα, βαρύν δ' άνά θυμον χοισα, Das ihr besonders eigene, in der Formel φιλομμειδής zum Gemeinplatz gewordene Lächeln, für das der V. Homerische Hymnus auch schon die hier in leicht abgewandelter Form wiederkehrende Wendung ήδύ γελοιήσασα vorgeprägt hat, 504 wird im folgenden Vers durch λάθρη modifiziert. Ob das auf diese Weise in ihr Inneres verlegte Lächeln, wie Zuntz es behauptet hat, den Charakter eines schadenfrohen Frohlockens hat, 505 ist fraglich. Es könnte auch einfach ein Zeichen des Wissens um die eigene Überlegenheit sein. Aphrodite sieht ja, daß Daphnis hoffnungslos verliebt ist, und amüsiert sich heimlich darüber, nach außen hin tut sie aber so, als betrachte sie ihn als ernstzunehmenden Gegner. So scheint mir der Halbvers βαρύν δ' άνά θυμόν δχοισα auch nicht das Vortäuschen von Betrübtheit auszudrücken zu Recht hat K.-H. Stanzel darauf hingewiesen, daß eine solche Deutung von βαρύς weder mit Daphnis' Anrede der Aphrodite als Κύπρι βαρεία in ν. 100, noch mit der Charakterisierung des Eros als βαρύς θεός in id. 3, 15 vereinbart werden kann 507 -; vielmehr muß ja gemeint sein, daß Aphrodite im Gegensatz zu ihrer eigentlich heiter gelassenen Stimmung eine schwere", d.h. hier ernste Sinnesart" zur Schau trägt. Und so setzt sie denn auch an mit einer provokativen Frage, die Daphnis wirksam zu einer Entgegnung zwingt χεϊπε,,τύ θην τόν Έρωτα χατεύχεο, Δάφνι, λυγιξεϊν ή ούχ αύτός Έρωτος ύπ' άργαλέω έλυγίχθης;" sprach sie: du schwurst doch, Daphnis, du werdest den Eros bezwingen. wurdest du nicht etwa selbst vom schrecklichen Eros bezwungen?" Diejenigen Interpreten, die davon ausgehen, daß Theokrit dem Thyrsislied" die traditionelle Fassung der Daphnis-Legende zugrunde gelegt Zu φιλομμειδής s. II. 3, 424. Od. 8, 362. Vgl. auch das fr. 5 (Bernabe) aus den Kyprien, s. oben, 117. Die Wendung ηδύ γελοιήσασα in h. Ven. 49. Cf. G. Zuntz, CQ 10, 1960, 38. So Zuntz, ibidem. Cf. K.-H. Stanzel, Liebende Hirten, Stuttgart 1995, 259.

150 142 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor habe, sind hier gezwungen, in den Worten der Aphrodite eine Anspielung auf den Treueschwur zu sehen, mit dem Daphnis sich nach der Mythenversion bei Aelian an eine Nymphe gebunden hatte. 508 Doch wäre wohl der Treueschwur, wenn er an dieser Stelle hätte erwähnt werden sollen, nicht negativ, als Kampfansage an Eros formuliert, sondern vielmehr als eine Zusicherung an die Geliebte. Die Vertreter der Hippolytos-Theorie deuten dagegen κατευχεο als eine Art Keuschheitsgelübde, das Daphnis vor seiner Verliebtheit abgelegt habe. Selbst wenn hier grammatisch keine Vorvergangenheit gekennzeichnet wird, 509 können wir uns doch die Freiheit nehmen, die Verse in einer zeitlichen Abfolge zu verstehen. Daß hier kein klares Trennungssignal gesetzt wird, erklärt sich auch dadurch, daß sich der Kampf des Daphnis gegen Eros auch in seiner Verliebtheit noch fortsetzt. In dieser Situation ähnelt er der Phaidra aus Euripides' Hippolytos Stephanephoros; doch während jene aus Angst vor gesellschaftlicher Schande eine unerlaubte Leidenschaft zu unterdrücken sucht, ist auf Seiten des Daphnis die hartnäckige Verkapsulierung der Liebe in seinem Innern etwas, das den Interpreten von jeher Kopfzerbrechen bereitet hat. 510 Man hat als Ursache, und sicher nicht zu Unrecht, die auch für andere jugendliche Gestalten der Mythologie wie Hippolytos und Phaethon kennzeichnende Angst vor sexueller Initiation erwogen, 511 und es wurde darauf hingewiesen, daß das Lebensfeindliche und im Kern Selbstzerstörerische dieser Einstellung im Gegensatz steht zu der lebensfrohen Heiterkeit der beiden Hirten und der Vitalität ihrer Herden in der Rahmenhandlung des Idylls. 512 Daphnis jedenfalls ist es mit seiner Auflehnung gegen die Macht des Eros nur allzu ernst; und wollte man in Abrede stellen, daß er in seiner Konfrontation mit Aphrodite einen echten Kampf auszufechten gedenkt, Cf. Aelian, V.H. 10, 18. Bei Timaios (Parthenios 29) und Diodor 4, 84, 4 ist von einem Schwur nicht die Rede, lediglich von der Prophezeiung, daß Daphnis im Falle eines Treuebruchs sein Augenlicht verlieren werde. Dazu E.A. Schmidt, Bukolische Leidenschaft oder Über antike Hirtenpoesie (Studien zur klassischen Philologie 22), Frankfurt/Main 1987, 58. C. Zimmermann, The Pastoral Narcissus, Lanham 1994 geht so weit, daß er in Daphnis einen nach dem Vorbild eines böotischen Gedichts geformten "pastoral Narcissus" sehen will, der ebenso wie jener an der Liebe zu sich selbst zugrunde geht, doch ist seine These kaum zu vereinbaren mit der Priap-Rede (siehe seine Interpretationsschwierigkeiten auf Seite 50-55) und der Beschreibung von Daphnis' Tod, wo eine Selbstbespiegelung im Wasser von der Art, wie man sie aus Ovids Narziß-Episode kennt, in keiner Weise auch nur angedeutet wird. Ibidem, 53, mit Verweis auf K.J. Reckford, Phaethon, Hippolytus and Aphrodite", ΤΑΡΑ 103, 1972, 412 f. Zum ganzen Themenkomplex siehe ferner P. Vidal-Naquct, Le chasseur noir, Paris Siehe bes. C. Segal, "Sincc Daphnis Dies: The Meaning of Theocritus' First Idyll", ΜΗ 31, 1974, 1-22.

151 Der bezwungene Rebell: Theokrit, Idyll I 143 so hieße das, dem Idyll die Spitze abzubrechen; denn wenn Daphnis auf die Provokation der Aphrodite hin erstmals den Mund auftut, so spricht er nicht als einer, der sich seiner Unterlegenheit bewußt ist und bloß ein bißchen aufbegehrt, sondern er bezieht die Stellung eines trotzig widerständlerischen Opponenten. 513 Nach einem haßerfüllten Ausfall gegen Kypris setzt er zum Gegenschlag an: ήδη γαρ φράσδη πανθ' SALOV αμμι δεδύκειν; Δάφνις κήν ΆΙδα κακόν Ισσεται άλγος "Ερωτι. Daphnis' rhetorische Präge an die Göttin, sie glaube wohl, daß ihm schon jede Sonne untergegangen sei, ist sicher nicht ad litteram, im Sinne einer Vorausdeutung auf den Lohn des keuschen Mysten, das neue Leben im Hades - ό κάτω ήλιος - zu nehmen, 514 sondern einfach als metaphorische Umschreibung eines Sich-aufrecht-Haltens trotz widriger Umstände, wie wenn man sagen würde: Mein Stern ist noch nicht ganz gesunken." Auch noch im Hades wird Daphnis dem Eros ein κακόν άλγος sein - Er kann ihn zwar vernichten, aber nicht besiegen. Dieser Gedanke, den Gow in seinem Kommentar als abwegig verwirft 515 ist Ausdruck der verzerrten Perspektive eines Sterblichen, der glaubt, es mit den Göttern aufnehmen zu können. Zwar harrt er in seiner ungestillten Sehnsucht bis ans Ende aus und versagt sich eine Entladung nach außen, doch ist dabei sein Widerstand mehr Rebellion als erfolgversprechende Gegnerschaft, und er wird zum eindrucksvollen Beispiel einer titanischen Selbstüberschätzung in der Konfrontation mit den letztlich doch überlegenen Liebesgottheiten. Aphrodites göttliche Würde und den natürlichen Vorsprung an Macht versucht er mit Anspielungen auf ihre Affären und Niederlagen zu untergraben: oö λέγεται τάν Κύπριν ό βουκόλος - ϊρπε ποτ' "Ιδαν, ϊρπε ποτ' Άγχίσαν τηνεί δρύες ήδέ κύπειρος, 513 Siehe dagegen Ε.Α. Schmidt, ibid., 64: Daphnis hat sich nie mit einem Sieg über Eros gebrüstet, wie diese [i.e. Aphrodite] es ihm unterstellt." und... so ist es doch wegen dieses Bewußtseins, der Besiegte und dabei noch der Verspottete zu sein, verständlich, daß er [i.e. Daphnis] Aphrodite reizt und versucht, sie zu verletzen." In diesem Sinne R. Reitzenstein, Epigramm und Scholion, 214:,,ό κάτω ήλιος, das neue, selige Leben der μύσται im Hades, erwartet ihn." 515 Cf. Gow (1952) ad 103: "The meaning seems to be that in the next world Daphnis will be eis recalcitrant as in this, rather than that Eros will be plagued with the thought that he died sooner than yield."

152 144 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor αϊ δέ καλόν βομβεϋντι ποτί σμάνεσσι μέλισσαι. άρχετε βουκολικας, Μοισαι, πάλιν αρχετ' άοιδας. ώραϊος χώδωνις, έπεί και μήλα νομεύει και πτώκας βάλλει καΐ θηρία πάντα διώκει. In ν. 105 wird der Lesart der Handschriften oö vor der Konjektur von Graefe ού der Vorzug gegeben. Eine Aposiopese muß in beiden Fällen angenommen werden. Wenn man die Uberlieferung beibehält, lautet Daphnis' Aufforderung an Aphrodite sinngemäß: Wo der Rinderhirt der Kypris etwas angetan haben soll, was ich hier nicht erwähne, da geh' hin, nämlich zum Ida-Gebirge, geh' zu Anchises." Daphnis weist Aphrodite weit von sich und erinnert sie zugleich an eine Episode aus ihrem Leben, die ihre eigene Besiegbarkeit in erotischen Dingen und ihre höheren Erfolgschancen bei vielen seiner Zunftgenossen gleichermaßen demonstriert. Daß die anschließende Beschreibung eines locus amoenus mit Eichen und Zypergras, 516 die traditionelle Szenerie für das Wirken der Aphrodite, wahrscheinlich aus Idyll 5, 45 f. hierher versetzt worden sein dürfte, ist für die Interpretation nur von sekundärer Bedeutung Diese Pflanzen gehören im 4. Epigramm, v. 1 und 7 auch zum Hain des Priap. Das Satzgefüge ist in seiner hier aufgeführten und auch in die Edition der Bucolici Graeci von A.S.F. Gow übernommenen Form die Rekonstruktion eines nurmehr in seiner lateinischen Ubersetzung erhaltenen Zitats aus den Quaestiones Naturales des Plutarch (Longolius (V 3 p. 28 Hubert.): Te confer ad Idarn, / confer ad Anchisen, ubi quercus atque cypirus / crescit, apum strepitatque domus melliflua bombis." Die Handschriften bieten an Stelle von ήδέ und αί δέ zweimal ώδε, und in dieser Überlieferung entsprechen die Verse 106 f. fast wörtlich dem Satz, mit dem Komatas im 5. Idyll, 45 f. den von ihm für den Sängerwettstreit mit Lakon bevorzugten Platz beschreibt: ούχ έρψώ τηνεί. τουτεί δρύες, ώδε κύπειρος, / ώδε καλόν βομβεϋντι ποτί σμάνεσσι μέλισσα'.. Die Verse haben dort ihre wohlüberlegte Wirkung, hatte doch Lakon seinerseits in 31 ff. schon einen Platz vorgeschlagen, den aber der von Komatas favorisierte deutlich übertrifft: Zunächst einmal umfaßt die Beschreibung des Komatas rein quantitativ einen Vers mehr als die des Lakon, dem einzelnen Ölbaum bei Lakon stehen Eichen und eine Pinie bei Komatas gegenüber, kühlendes Wasser wird zu zwei Quellen, das Zirpen der Grillen zum Summen der Bienen und Schwatzen der Vögel, und es gibt unvergleichlich mehr Schatten. So wird das Schildern der Plätze, wo der Agon stattfinden soll, selbst zum Agon; jedoch was hier höchste Stilkunst ist, sieht im ersten Idyll eher nach Flickwerk aus: Wahrscheinlich war die zweite Hälfte von v. 106 in einer unserer Überlieferung zugrundeliegenden Handschrift korrupt oder unlesbar; ein Interpolator bediente sich zu ihrer Ergänzung der Verse aus dem 5. Idyll, indem er zunächst nur τουτεί in τηνεί umwandelte, ohne daran zu denken, daß dieses Ersatzwort nun nicht mehr die gleiche Örtlichkeit bezeichnen konnte wie das darauffolgendem^. Die Scharte wurde durch die oben aufgeführten weiteren Veränderungen ausgewetzt, und in ihrer geglätteten Form hat dann wohl Plutarch die Verse vorgefunden.

153 Der bezwungene Rebell: Theokrit, Idyll I 145 Natürlich darf auch eine Anspielung auf den jugendlichen Liebhaber der Aphrodite, Adonis, nicht fehlen; und es soll ihr einen Stich versetzen, daß Daphnis ihn gerade deshalb als ώραΐος - in der Jugendblüte stehend - bezeichnet, weil er alle Arten von wilden Tieren verfolgt", war ihm doch die Jagd auf einen Eber, von der sie, Aphrodite, ihn nicht abhalten konnte, zum tödlichen Verhängnis geworden. So ist es nicht nur ihre Schwäche, sich mit dem Sterblichen eingelassen zu haben, die Daphnis hier aufs Korn nimmt, sondern auch das Unvermögen, ihn vor seinem gewaltsamen Tode zu schützen. Den wundesten Punkt in der Vergangenheit seiner göttlichen Kontrahentin berührt Daphnis freilich mit der Erwähnung des Diomedes αΰτις δπως στάση Διομήδεος δσσον ίοϊσα, και. λέγε,,τόν βουταν νικώ Δάφνιν, άλλα μάχευ μοι". Die Verse erinnern an jene, für Aphrodite wenig rühmliche Episode aus der I]ias, in der ihr Diomedes, als sie sich mit ihm anlegen wollte, zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte der sonst unverwundbaren Götter eine Verletzung beibrachte. 518 Auf dem Hintergrund der fiktiven Vergegenwärtigung dieser Szene aus der Ilias wird Aphrodite neben der Prahlerei mit ihrem angeblichen Sieg über Daphnis eine erneute Kampfesaufforderung an den legendären Gegner Diomedes in den Mund gelegt und damit die Aussichtslosigkeit ihrer Anschläge auf den standhaften Rinderhirten demonstriert. 519 Indem er also Aphrodite als verführbar und verletzlich hinstellt, will Daphnis die Unumschränktheit ihrer Macht in Frage stellen. Er bereitet damit auch sich selbst den Boden, ihr weiterhin zu trotzen. Daß er seinen Widerstand mit dem Leben bezahlen muß, ist ihm selbst sehr wohl bewußt, wie es seine Ankündigung, auch noch im Hades ein Ärgernis für Eros zu sein (v. 103), beweist. So ist dann auch der dritte Teil des Liedes von Abschied und Tod des Daphnis bestimmt. In der zentralen Strophe 128 ff., der zum zweiten Male eine Änderung des Refrains voraufgeht, vermacht Daphnis dem Pan seine Syrinx, und diese feierliche Ubergabe ist, wie wir meinen, der Schlüssel zum Verständnis des Liedes. 518 Cf. Horn. II. 5, Eine ähnliche Pointe könnte auch mit dem Aufruf an Aphrodite, zu Anchises zu gehen, verbunden gewesen sein, denn ebenso wie Diomedes hatte ja auch er, wenn auch auf eine andere Art, die Göttin bezwungen. So mag denn die Fortführung von v. 106 sinngemäß gelautet haben: Geh' doch zu Anchises und sag' ihm, du, (die du ihm ja auf dem Ida selber erlegen warst), habest Daphnis mit Leidenschaft geschlagen."

154 146 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor War es in seiner Ganzheit schon in v. 61 ausdrücklich als ύμνος angekündigt worden, so ist nun der Anruf des Daphnis an Pan ein Hymnos im kleinen, in diesem besonderen Falle ein kletischer. Er beginnt schon eine Strophe vor dem eigentlichen Vermächtnis: <5 Πάν Πάν, εΐτ' έσσί κατ' ώρεα μακρά ΛυκαΙω, είτε τύγ' άμφιπολεΐς μέγα Μαίναλον, νθ' έπΐ νασον τάν Σικελάν, Έλικας δέ λίπε jblov αΐπύ τε σαμα τήνο ΛυκαονΙδαο, τό καΐ μακάρεσσιν άγητόν. λήγετε βουκολικας, Μοϊσαι, 'ίτε Χήγετ' άοιδας. νθ' ώναξ, και τάνδε φέρευ πάκτοιο μελίπνουν έκ κηρώ σύριγγα καλόν περί χείλος έλικτάν ή γάρ έγών 5π' ϊρωτος ές "Αιδαν Ελκομαι ήδη. Die Grundelemente eines kletischen Hymnos sind anläßlich des I. Stasimon im Hippolytos des Euripides bereits besprochen worden. Auch hier wieder steht am Anfang eine epanaleptische invocatio, es folgt nach einem Schema, das schon bei Sappho und Alkman begegnet, 520 die Ortung des Gottes: ob du weilst auf den hohen Klippen des Lykaion oder umsorgst (bewachst?) das große Mainaion." Die Bitte, das durch lokale Eigentümlichkeiten umschriebene Arkadien zu verlassen, wird durch den zweimaligen Imperativ νθ' umrahmt, die für jeden kletischen Hymnos unerläßliche Aufforderung an die Gottheit zu kommen. 521 Sie ist hier der Auftakt für ein Geben, nicht, wie sonst üblich, ein Fordern: Komm, Gebieter, und nimm diese Syrinx, die vom erstarrten Wachse nach Honig duftet und schön um die Lippen herum sich ziehen läßt. Denn wahrlich schon werde ich von der Liebe in den Hades gezogen." Man hat diese Geste oft als Ausdruck der künstlerischen Resignation des Daphnis verstanden. Überwältigt von seinen erotischen Problemen, entäußere er sich hier der Möglichkeit, durch Musik und Gesang sich Linderung für seine Leiden zu schaffen, die Absage an Liebe und Leben sei zugleich auch eine Absage an die Kunst Cf. Sappho fr. 7 Diehl ή σε Κύπρος ή Πάφος ή Πάνορμος... - mag dich [i.e. Aphrodite] Kypros, Paphos oder Panormos [sc. festhalten]"; Alkman fr. 55 (i) Davies Κύπρον Ιμερταν λιποϊσα καΐ Πάφον κεριρρύταν. 521 Cf. supra, 69 mit Anm Cf. C. Zimmermann, The Pastoral Narcissus, 85: "When Daphnis gives back his syrinx, he renounces his only pharmaicon." Siehe ferner Κ.-Η. Stanzel, Liebende Hirten, 267: Hirtengesang ist Gesang liebender Hirten. Da sich Daphnis der Liebe verweigert, benimmt er sich auch der Möglichkeit des Hirtengesangs. Daher können ihm die Nymphen nicht helfen."

155 Der bezwungene Rebell: Theokrit, Idyll I 147 Doch erschöpft sich die Bedeutung der Syrinx-Übergabe nicht in der Besiegelung eines persönlichen Schicksals. Sie ist zugleich auch ein Vermächtnis - ein symbolischer Akt, der Daphnis als den Begründer des bukolischen Liedes offenbart. Er, der selbst ein Liebling der Musen ist, 523 hat durch sein Schicksal, seine sprichwörtlichen Leiden, 524 den ersten Gegenstand für ein neues dichterisches Genre gestellt. 525 So ist der Widerstand des Daphnis gegen die Liebesgötter nicht etwa nur ein neurotisches Phänomen. Der bis zum Ende unterdrückte ερως - so, und nicht etwa als den Gott Eros, wollen wir ihn in v. 130 verstehen erfüllt Daphnis mit einem taedium vitae, ja mit Sehnsucht nach dem Hades; doch durch sein Sterben entlädt sich das Potential einer unverwirklichten Liebe auf andere Weise: Sie wird zum ungeheuerlichen Gegenstand des Singens und Sagens, und es bleiben die Syrinx und das bukolische Lied. Sein eigenes Abscheiden läßt Daphnis begleitet sein von der Vorstellung einer verkehrten Welt, die in einer Reihe von Adynata entworfen wird: Dornen und Disteln mögen Veilchen tragen, die Narzisse am Wacholder erblühen, die Pinie Birnen hervorbringen. Man hat die Stelle so zu erklären versucht, als ob der Tod des Daphnis so überraschend käme, daß nach ihm nichts mehr unmöglich wäre. 527 Das ganze Idyll ist aber, wie wir gesehen haben, so angelegt, daß sein Ende nurmehr als der unumgängliche Schlußstein eines Prozesses erscheinen muß. 528 Auch dürfte hier wohl kaum das Motiv der Sympathie des Kosmos" ins Paradoxale zugespitzt worden sein, um dadurch eine besonders pathetische Wirkung zu erzielen, 529 geht doch die Aussagekraft gerade der Adynata traditionsgemäß über das rein Stilistisch-Ästhetische hinaus: Wenn beispielsweise bei Archilochos, fr. 74 ein Sprecher davon abrät, sich über irgendetwas zu wundern, nicht einmal dann, wenn die wilden Tiere im Meer, die Delphine dagegen in den Bergen wohnten, so scheint er sich Cf ϊκλυσε δίνα / τόν Μοίσαις φίλον άνδρα. Den sprichwörtlichen Charakter der Leiden des Daphnis erweist ein Ausspruch des Lakon im 5. Idyll, v. 20: αχ xoi πιστεύσαιμι, τά Δάφνιδος αλγε' άροίμαν. Daphnis als Erfinder der bukolischen Muse, s. Athen. 14, 619 a-b und Diod. 4, 84, Aelian, V.H. 10, 18; Seine Eigenschaft als Archeget und Prototyp in der Mythologie eines neuen Genres wird neuerdings wieder besonders hervorgehoben bei M. Fantuzzi - E. Hunter, Muse e modelli, Rom 2002, Siehe die Kleinschreibung bei Fritzsche-Hiller. Cf. Gow (1952) ad loc. Auch schon die liebeskranke Phaidra in Euripides' Hippolytos muß man sich wohl auf der Schwelle zum Tod vorstellen, wenn die Amme 496 f. im Gespräch mit ihrer Herrin erklärt, es gehe darum, ihr Leben zu retten:... vüv δ' άγων μέγας / σώσαι ßtov σόν... In diesem Sinne Ε. Dutoit, Le theme de l'adynaton dans la poesie antique, Paris 1936, 33/34.

156 148 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor damit, nach dem Zeugnis des Aristoteles, über das wohl in irgendeiner Weise widernatürliche Benehmen seiner Tochter hinwegzutrösten, 530 und das auch mit Berufung auf eine von Zeus auf überraschend-unerklärliche Weise verursachte Sonnenfinsternis am hellen Tage. Im I. Stasimon der Medea des Euripides 410 ff. steht das vom Scholion zu 134 a als Modell für Theokrits Adynata aufgeführte Bild der flußaufwärts fließenden Quellen für einen Umschwung in der überkommenen Wertung der Geschlechter: Unter dem Eindruck von Iasons Verrat an Medea singt der Chor von den nurmehr listenreichen, gottlosen Männern, denen gegenüber die traditionell mit übler Nachrede bedachten Frauen mit einem Male als die eigentlich Ehrbaren gelten. Hier wie dort hat die bildliche Verkehrung des Normalen, als natürlich Geltenden eine reale Entsprechung. So auch bei Theokrit: Die Adynata spiegeln auf bildlicher Ebene das konsequent bis ans Ende durchgefochtene Unterfangen des Daphnis wider, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen und sich gegen die Elementargesetze der Natur, die hier von Aphrodite verkörpert werden, unter Preisgabe des eigenen Lebens aufzulehnen. Daß Daphnis in seiner widerständlerischen Haltung bis zum Ende ausharrt und nahe daran ist, zugrunde zu gehen, ist für die angesichts einer solchen Leidensbereitschaft möglicherweise nun doch verblüffte Aphrodite Anlaß genug zu einem Versuch, dem störrischen Widersacher, der ihr Spiel mit ihm allzu ernst zu nehmen scheint, noch einmal neue Lebensgeister einzuhauchen. 531 Aber gegen die Vorsehung vermag sie nichts: Die Fäden der Moiren seien zu Ende gegangen - heißt es in Anknüpfung an jenen Vers vor der großen Auseinandersetzung mit Kypris, wo in pointierter Vorwegnahme schon davon die Rede war, daß Daphnis seine bittere, da unerfüllte, Liebe bis zu einem vom Schicksal verhängten Ende durchlitten habe (93): δνυε πικρόν έρωτα, και ές τέλος δνυε μοίρας. Die Art, wie Daphnis zu Tode kommt, wird am Ende des Thyrsislieds nur angedeutet: Cf. Arist. rhet. 3, 17, 1418 b 28 xai ώς 'Αρχίλοχος ψέγει ποιεί γαρ τόν πατέρα λέγοντα περί της θυγατρός έν τώι ίάμβωι χρημάτων δ' αελπτον ούδέν έστιν ούδ' άπώμοτον. Cf τόν δ' Άφροδίτα ήθελ' άνορθώσαι. Damit ist wohl nicht, wie Fritzsche- Hiller kommentieren, ein Wiederauferweckungsversuch gemeint, ebensowenig wie das voraufgegangene άπεπαύσατο den Tod des Daphnis bezeichnet. Vielmehr wird man es in Entsprechung zu id. 7, 90 wohl so verstehen, daß er zu reden aufhörte, um nurmehr sein Schicksal zu vollenden, und eben hier muß die Deutung von άνορθώσαι im Sinne eines Wiederherstellens der körperlichen und seelischen Lebenskräfte ansetzen; s. auch LSJ 147 s.v. άνορθόω 2. "restore to health or well-being."

157 Der bezwungene Rebell: Theokrit, Idyll I χώ Δάφνις gßa jboov. εκλυσε δίνα τον Μοίσαις φίλον δνδρα, τόν ού Νύμφοασιν άπεχθή. Man hat hier den nicht weiter benannten Strom als den Acheron und damit die Verse als eine metaphorische Umschreibung für das Sterben des Daphnis interpretiert. 532 Daß freilich der Name des Unterweltsflusses, wie sonst bei der Benutzung dieser gebräuchlichen Metapher, 533 hier nicht ausdrücklich genannt wird, läßt eine solche Deutung schon als zweifelhaft erscheinen. Wenn es dann im folgenden heißt, daß den Liebling der Musen der Strudel umspülte", kann die Verknüpfung dieses Bildes mit einem Fluß, der traditionell mit dem Nachen überquert wurde, kaum aufrecht gehalten werden. 534 Man hat andererseits angenommen, mit δβα p6o\ sei ein Gang des Daphnis zu dem am Liedanfang schon eine Rolle spielenden sizilischen Fluß Anapos gemeint. 535 Erwähnt wurde er in jener an die Nymphen gerichteten Strophe, in der sie mit unüberhörbar tadelndem Unterton nach ihrem Verbleib während des qualvollen Hinschwindens ihres Lieblings Daphnis gefragt werden. Weder beim Anapos waren sie, heißt es, noch auf dem Ätna, noch auch beim Akis. Dabei klingt mit, daß sie hätten helfen können, wenn sie zur Stelle gewesen wären, und so ist es denn auch nicht ausgeschlossen, daß das Ende des Daphnis als ein Tod durch Ertrinken konzipiert ist, 536 allerdings wohl kaum, wie man behauptet hat, unter dem zwingenden Einfluß der aus dem traditionellen Mythos bekannten Nymphe, 537 sondern einfach als letztes Stadium sinkender Lebensfähigkeit. Wie dem auch sei, vielleicht sollte man nicht der Versuchung erliegen, das bewußt in der Schwebe Gehaltene allzu veristisch auszuleuchten zu wollen. Letztlich hat der Tod durch Wasser auch Symbolwert: Als letztes Stadium des Dahinschmelzens (τάκεσθαι) ist er, ähnlich dem Ende des Narziß in Ovids Metamorphosen 3, , totale Auflösung im Bild 532 So u.a. Fritzsche-Hiller (1881) und Gow (1952) ad Joe. 533 Die Beispiele bei Gow (1952) ad loc. 534 Siehe auch C. Segal, "Death by Water: A Narrative Pattern in Theocritus", Hermes 102, 1974, 24: "Acheron does not usually 'wash over' its victim. Elsewhere in Theocritus Acheron is either mentioned by name as a synonym for Hades (15, 86 and 141), or else the deceased stands by it (16, 31) or passes over it (17, 47)." 535 Cf. R.M. Ogilvie, "The Song of Thyrsis", So Segal, ibidem: "Daphnis dies by drowning". 537 Cf. R.M. Ogilvie, "The Song of Thyrsis", 106 ff.

158 150 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor der Verflüssigung, 538 wie denn auch eine mythologische Tradition von der Verwandlung des Daphnis in eine Quelle berichtet. 539 Das standhafte Beharren auf einer Maxime, auch wenn sie zum eigenen Untergang führt, verleiht dem Daphnis des I. Idylls die Züge eines tragischen Helden. Sein trotziges Aufbegehren und das titanische Streben, stärker sein zu wollen als die Göttin, lassen ihn scheitern; doch in der beispiellosen Art, wie er zugrunde geht, hat er sich selbst ein Denkmal und, wie wir schon festgestellt haben, den ersten Gegenstand für das neue dichterische Genre der Bukolik gesetzt. Der offene Konflikt, in dem sich Daphnis mit Aphrodite befindet, gewinnt noch schärfere Konturen, wenn wir ihn, wie schon einmal im Zusammenhang mit dem I. Stasimon aus Euripides' Hippolytos, 540 gegen die fast freundschaftliche Unbefangenheit abheben, mit der Sappho sich an Aphrodite wendet. So wird die Auflehnung des Daphnis gegen die Göttin und den von ihr verkörperten Bereich lebensbejahender Vitalität zum Ausdruck der Erkenntnis, daß so manche Fortentwicklung in der Kunst mit einer stärkeren Zentrierung des Menschen und damit einem Opfer an Gottunmittelbarkeit und lebendiger Wirklichkeit einhergeht. Der so hervorstechende Zug der Aphrodite-Gegnerschaft tritt in späteren Bearbeitungen des Daphnis-Mythos, namentlich bei Vergil, gänzlich zurück, und zugleich damit schwindet auch die Bedeutung des Daphnis als Träger eines künstlerischen Potentials, das in der kämpferischen Unterdrückung von Leidenschaft und damit dem Ansturm gegen ein Elementargesetz der Natur seinen Anfang nimmt. In der fünften Ekloge wird Daphnis im Lied des Mopsus als ein bloßes Opfer hingestellt. Die Nymphen, so heißt es in v. 20, beweinten ihn als einen vom grausamen Tode Ausgelöschten - exstinctum... crudeli funere 541 -; und wenig später, in v. 34, wird das Schicksal für seinen Untergang verantwortlich gemacht: postquam te fata tulerunt. Demgegenüber war bei Theokrit das Moment der aktiven Schicksalserfüllung viel stärker hervorgetreten, wenn es v. 92 f. von Daphnis hieß: άλλα τόν αύτώ δνυε πικρόν έρωτα. In der zehnten Ekloge tritt Vergil noch einmal auf indirekte Weise in einen Wettstreit mit seinem Vorgänger in der Bukolik, indem er nun den befreundeten Dichter Gallus ähnliche Qualen erleben läßt wie den Daphnis des I. Idylls, nur daß sie nicht von unterdrückter, sondern von Siehe bes. Ov. met. 3, 489/90 (nachdem das Schmelzen von Wachs bei starker Hitzeeinwirkung beschrieben wurde): sie attenuatus a more liquitur. Cf. Servius auetus, Ecl. 5, 20. Cf. supra, 69. Das neutrale θανόντα, das bei Theokrit in v. 72 Daphnis als den Gegenstand der Klagen eines Löwen bezeichnet, wird so eindeutig ins Passivische gewendet.

159 Der bezwungene Rebell: Ovid, Metamorphosen 151 verschmähter Liebe herrühren. Über die Untreue seiner Lycoris grämt sich Gallus bis zum Tode -; ein Opfer des crudelis Amor. 542 Die Ekloge mündet in die von Gallus auf die gesamte Menschheit übertragene Kapitulation gegenüber dem Gott Amor (64. 69): non illum nostri possunt mutare labores,... omnia vincit Amor: et nos cedamus Amori. Diese conclusio betont das Weichen" vor einem Mächtigeren bei Theokrit dagegen hatte Daphnis in seiner trotzigen Haltung gegenüber Aphrodite bis zum Ende ausgeharrt. IV. 2. b) Ovid, Metamorphosen Vom Zugriff der Macht der Liebe auf einen ihr Widerstrebenden handeln auch zahlreiche Geschichten in Ovids Metamorphosen - ein Werk, das dem Hellenismus sehr verpflichtet ist. 543 Hier findet sich in vielfacher Abwandlung der Topos von der jagenden Artemis-Adeptin, der ein Liebhaber mit wechselndem Erfolg hartnäckig zusetzt. Von entscheidender Bedeutung für den Fortgang der jeweiligen Episode sind Zeitpunkt und Zweck der Gestaltveränderung: Zur Errettung vor ihren Verfolgern dient die Verwandlung in Lorbeer, Schilf und Quelle bei Daphne, Syrinx und Arethusa. 544 Uns interessiert jedoch hier besonders das Schicksal der Bezwungenen, und in ihrer Reihe steht Callisto an erster Stelle. Ahnlich wie Daphne wird sie als eine eifrige Artemis-Adeptin vorgestellt. Jene ist aemula, sie miles Phoebes, beiden gemeinsam ist das kunstlos zusammengebundene Haar und die Freude an der Jagd, wobei Callisto sogar zum engeren Kreis der Gefährtinnen der Artemis gehört - eine auserwählte Schar, die das Privileg eines ständigen Umgangs mit der Göttin mit dem euripideischen Hippolytos teilt. Die Mythe der Callisto spielt - und das hat sie mit der des Daphnis gemeinsam - in Arkadien. Schauplatz der gemeinsamen Streifzüge der Artemis und ihres Gefolges ist das Maenalus-Gebirge, 545 und wir werden 542 Cf. Verg. ecl. 10, nec lacrimis crudelis Amor nec gramina rivis / nec cytiso saturantur apes nec fronde capellae. 543 Cf. G.O. Hutchinson, Hellenistic Poetry, 329 ff. Nach einer bedenkenswerten Hyphothese Erwin Rohdes, Der Griechische Roman und seine Vorläufer, 3., durch einen 2. Anhang verm. Aufl., Leipzig 1914, 116 ff. (124 ff.) bildet die elegische Dichtung des Hellenismus mit ihrer Vorliebe für die Darstellung der erotischen Verstrickungen mythischer Gestalten eine wichtige gemeinsame Quelle sowohl für Ovids Metamorphosen als auch für den griechischen Roman. 544 Apollo und Daphne: Ον. met. 1, ; Pan und Syrinx: 1, ; Alpheus und Arethusa: 5, Cf. Ov. met. 2, 415 und : Ecce, suo cornitata choro Dictynna per altum / Maenalon Ingrediens...

160 152 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und dcus ultor noch sehen, daß in der Beschreibung des Hintergrunds der von uns in Augenschein genommenen Jägerinnen Gebirge und Felsgestein nicht nur integrativer Bestandteil sind, sondern mitunter auch Symbolwert haben und bei Nonnos schließlich auf eine als unbarmherzig-fühllos vorgestellte Göttin verweisen. 546 Die Katastrophe in der Callisto-Erzählung ereignet sich, wie bei vielen anderen Jägerinnen und auch Jägern Ovids, zur Stunde der fatalen Mittagshitze. Als die Sonne am höchsten steht und die von ihrer Tätigkeit Erschöpften zum Ausruhen nötigt, wird Narziß von tödlichem Verlangen zu seinem Spiegelbild in den Wassern eines zunächst nur Kühlung verheißenden Flusses ergriffen, ergeht sich Arethusa in einem erfrischenden Bad und wird dabei von Alpheus belauscht, begibt sich Actaeon zur Rast, ohne es zu wissen, in den Hain der Diana, und die Badende wird zur zürnenden Rächerin. 547 So ist es auch bei Callisto der Moment des entspannten Ruhens auf ihrem Köcher am Mittag, der ihr das Verhängnis bringt. In Gestalt der Diana nähert sich ihr Zeus und überwältigt sie, und wenn hier die Metamorphose als List dient, so wird sie in den Händen der eifersuchtsgeplagten Iuno, die ihre Nebenbuhlerin nach der Geburt des Areas in eine Bärin verwandelt, zu einem Mittel der Bestrafung. Der Verlust ihrer Jungfernschaft bringt Callisto zugleich auch in Zwiespalt mit ihren gewohnten Lebensumständen: Wald und Hain sind ihr nun verhaßt, und die für die Jagd unentbehrlichen Gerätschaften wie Köcher, Pfeil und Bogen hätte sie am Ort ihrer Niederlage beinahe liegengelassen. Was zunächst nur Entfremdung war, wird zu einem regelrechten Ausschluß, und diese zweite Stufe ist genau parallel zur ersten gestaltet: Auch hier wieder fällt die Katastrophe in die Zeit erschöpfender Hitze. 548 Beim erfrischenden Bade entdeckt Diana den Zustand ihrer Gefährtin und verbannt sie, als Steigerung der von Callisto ohnehin schon empfundenen Distanz zu Wald und Jagd, endgültig aus ihrem Gefolge. Die von Iuno in eine Bärin Verwandelte wird von Zeus verstirnt, doch kann diese nachträgliche recompensatio ihr Schicksal kaum beschönigen, und es steht fast wie eine Burleske neben den Geschichten der durch Verwandlung Erretteten wie Daphne und Syrinx, deren Metamorphosen zugleich auch die Sublimierung unerfüllten Liebesverlangens, hier zu Streben nach Ruhm, dort zu Musik, symbolisieren Cf. infra, 165. Cf. Ov. met. 3, 413; 5, 586; 3, 151 f. Die Beobachtung und Steilen bei L. Castiglioni, ASNP 1907, 230 f. Siehe auch 7, , wo Cephalus, als er sich, müde von der Jagd, ins Gras hinstreckt und zur Kühlung, wohl auch hier vor der Mittagshitze, aura herbeiruft, die durch die Büsche herannahende Procris, die er für ein wildes Tier hält, mit seinem Spieß tödlich verwundet. Vgl, 2, 417 f. mit 454 f.

161 Der bezwungene Rebell: Ovid, Metamorphosen 153 In der Geschichte von Callistos Bezwingung durch Zeus spielt Aphrodite keine Rolle, es ist die schöne Gestalt der Nymphe, die hier ebenso wie bei Daphne ein unangefochtenes Verfolgen der Maxime der Ehelosigkeit vereitelt. 549 So hat Ovid hier zwar den bereits vorgeprägten Typ einer der Artemis nacheifernden Person übernommen, nicht aber das damit oft in Verbindung stehende Motiv der zürnenden Aphrodite. Und noch eine andere Arkaderin verkörpert den Typ der Artemis- Adeptin auf beispielhafte Weise: die Jägerin Atalante. Nach Pausanias 5, 19, 2 stand sie auf der Kypseloslade neben Melanion und hielt ein junges Reh - ein Gestus, der auch der Artemis wohl anstünde, gilt sie doch als Beschützerin der Jungtiere. 550 Wie ihr göttliches Ebenbild frönt Atalante der Jagd. Ihre Geschichte findet sich am ausführlichsten bei Aelian, V.H. 13, 1: Sie wird von einer Bärin gesäugt. In einer Höhle lebend nährt sie sich vom Fleisch erlegter Tiere und eifert Artemis in schlichter Kleidung und dem Beharren auf ihrer Jungfräulichkeit nach. Ihre Schnelligkeit macht sie ebenso unentrinnbar wie unerreichbar. Zumeist hält sie sich in Wald und Gebirge versteckt und wird am ehesten dann gesehen, wenn sie dem Wild nachstellt. Ihre Schönheit ist geradezu legendär: Auch wer sie nur vom Hörensagen kennt, reiht sich in die Schar ihrer Freier ein. Die zudringlichen Kentauren Hylaios und Rhoikos erlegt sie mit zwei wohlgesetzten Pfeilschüssen. Diese Episode erwähnt auch Kallimachos, als er im Hymnus auf Artemis der Atalante als einer der liebsten Gespielinnen der Göttin Rechnung trägt. Bei ihm ist Atalante die Tochter des Iasion und damit Enkelin des Arkas. 551 Die Bluttat an den Kentauren lokalisiert er ausdrücklich auf dem arkadischen Mainalos 552 und steht damit in einer Tradition, die Atalante mit dem Gebirge im allmeinen 553 und dem Mainalos im besonderen eng verbunden sein läßt, ja sie sogar zu seiner Tochter macht Vgl. Ov. met. 2, (Iuno zu Callisto) adimam tibi n&niquc ßguram / qua tibi quaque places nostro, importuna, marito mit Ov. met. 1, 547 (Daphne zu ihrem Vater, dem Flußgott Peneus) qua nirnium placui, mutando perdc Rguram! Cf. A. Ag (über Artemis-Hekate) δρόσοις άέπτοις μαλερών λεόντων / πάντων τ' αγρονόμων φιλομάστοις / θηρών όβρικάλοισι τερπνά - spielenden Löwenjungen, ja den säugenden Kleinen aller im Feld weidenden Tiere freundlich." Cf. Call. Dian Cf. Call. Dian Cf. A. Sept. 532 (über Parthenopaios): μητρός έξ όρεσχόου βλάστημα. Cf. Ε. Phocn. 1162: τήι καλλιτόξωι μητρί Μαινάλου κόρηι. Im Sinne einer Bezeichnung für regelrechte Kindschaft wird κόρη schon von Apollod. 3, 109 verstanden. Siehe ferner Statius Theb. 6, 563: Macnaliae Atalantes.

162 154 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor Aber auch Atalante gehört zu denen, deren Widerstand durchbrochen wird: Von Melanion, der auf der Frangoisvase ihr Jagdgefährte ist, 555 hören wir in Aristophanes' Lysistrate , daß er, ein zweiter Hippolytos, ebenso wie Atalante im Gebirge und in der Einsamkeit ein eheloses Jägerleben führte. Erscheint er hier als Misogyne, so hat er einer anderen Tradition zufolge, die zuerst bei Xenophon, cyn. 1, 2 überliefert ist, durch ausdauernde Dienstfertigkeit die widerstrebende Atalante sich geneigt gemacht. Nach Properz 1, 1 stellte er sich, um die Geliebte zu erringen, selbst wilden Tieren und Kentauren, und als Beispiel für die Erfolgsgarantie beharrlicher Behutsamkeit im Liebeswerben sehen wir ihn in Ovids ars amatoria 2, 189 ff. Atalante auf ihren Streifzügen begleiten und ihr die Netze tragen. Eine andere Sage ist für die boiotische Atalante überliefert: Wer sie heiraten wollte, mußte sie im Wettlauf besiegen. Das konnte nur durch eine List gelingen, und so schenkte Aphrodite einem ihrer Bewerber, in den meisten Quellen Hippomenes, drei goldene Apfel, die er der Läuferin zur Ablenkung in den Weg rollte. Die Namensschwestern sind, trotz mahnender Aufrufe zu einer strengen Trennung, 556 immer wieder miteinander kontaminiert worden. So wird zum Beispiel bei Aelian die Arkaderin ob ihrer Schnelligkeit gerühmt, Properz bezeichnet sie als velocem puellam und in der Anthologia Palatina steht einmal Μαιναλίας... Άταλάντας mit όρειδρομία in Verbindung. 557 Apollodor dagegen läßt den Arkader Melanion mit der Boioterin um die Wette laufen, 558 und das Hineinversetzen der boiotischen Atalante in die schattigen Wälder - opacas silvas - bei Ovid, met. 10, 567 würde besser zu der arkadischen Jägerin passen. Ob nun in Arkadien oder Boiotien, ob durch Ausdauer oder List, die Atalanten sind letzlich beide bezwungen worden. Bei der Darstellung ihrer Niederlagen wäre es ein Leichtes gewesen, auf den Topos der strafenden Aphrodite zurückzugreifen. Er ist aber in keiner der Bearbeitungen zu finden, und namentlich Ovid enthält sich ebenso wie schon in der Callisto-Episode einer solchen stereotypen Darstellungsweise. Bei ihm scheut die Boioterin die Männer auch nicht aus freien Stücken, sondern auf Grund eines, nur hier zu findenden, Orakelspruches, der ihr zugleich mit ihrer Eheschließung eine Art Persönlichkeitsverlust - teque ipsa viva carebis (566) - prophezeit - eine auf den ersten Blick etwas rätselhafte Vorausdeutung, die sich später mit ihrer Verwandlung in eine CC7 558 Cf. LIMC II, 2, S. 687, Abb. 2. Cf. Schol. Theoer. 3, 40 ff. p. 128 Wendel. Cf. Aelian, V.H. 13, 1 έπεφυκει ώκίστη τους πόδας; Properz 1, 1, 15; AP 7, 413. Cf. Apollod. 3, 108.

163 Der bezwungene Rebell: Nonnos, Dionysiaka 155 Löwin im Dienste der Cybele erfüllen wird. So ist ihre Forderung eines Sieges im Wettrennen als Bedingung für eine Heirat nichts anderes als der an Oedipus erinnernde Versuch, dem eigenen Schicksal zu entkommen. Aphrodites Wirken als Unterstützerin des Hippomenes muß somit auch nicht Angriff auf eine Gegnerin, sondern lediglich Eingriff sein. Ein paar golden glänzende Apfel reichen aus, die beim Anblick des Hippomenes bereits weich Gestimmte, der ein Sieg über ihn schon gar nicht mehr unbedingt erstrebenswert scheint, 559 in ihrem Lauf innehalten zu lassen. Man hat die traditionelle Apfel-Episode in der Erzählfolge bei Ovid als überflüssig empfunden, da ja Atalantes Verliebtheit schon in ihrem Entwicklungsmonolog vor Beginn des Wettlaufs sich abzeichne. 560 Tatsächlich aber wird damit nur der Boden bereitet, denn das im Monolog entfaltete seelische Geschehen erscheint als Voraussetzung für eine Empfänglichkeit gegenüber dem göttlich initiierten Ablenkungsmanöver, das man, wenn man so will, auch figurativ als ein Bild für das Werfen aus einer vormals unbeirrt verfolgten Bahn verstehen kann. So ist also die böotische Atalante, zumindest nach ihrer Darstellung bei Ovid, im Reigen der keuschen Jägerinnen und Jäger, die wir hier vorgestellt haben, eher eine Randerscheinung. Nichtsdestoweniger ließ sich eine klare Linie vom euripideischen Hippolytos über den Daphnis des ersten Idylls hin zu den Arkaderinnen Callisto und Atalante ziehen. All diese Gestalten stehen im Spannungsfeld zwischen Artemis, der sie sich ganz verschrieben haben, und Aphrodite, wobei das Schicksal der drei letzten sich auch auf dem gleichen Hintergrund, dem arkadischen Bergland, abspielt. Typologie und Milieu des Daphnis- Mythos werden also in Ovids Callisto-Erzählung und den verschiedenen Erwähnungen und Ausgestaltungen der Atalante-Sage getreulich weiter überliefert, losgelöst freilich vom Motiv der zürnenden Aphrodite. IV. 2. c) Nonnos, Dionysiaka Vereint finden sich die drei Komponenten der eros-feindschaft eines Jägers bzw. einer Jägerin, der Gebirgslandschaft als Hintergrund des Geschehens 559 Cf. 10, et dubitat, superari an vincerc mailt. 560 Cf. U. v. Wilamowitz, Kleine Schriften V 2, 96:... Sie [i.e. die Äpfel] waren ziemlich überflüssig, wenn Aphrodite das Mädchen verliebt werden ließ."

164 156 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor und des göttlichen Zorns erst wieder bei dem Ovid-Kenner Nonnos, 561 und zwar in der Hymnos-und-Nikaia-Episode seiner Dionysiaka. 562 Sie ist ein Innehalten inmitten der Schilderungen des Kampfes mit den Indern, mit denen sie auf den ersten Blick nur ein Motiv verbindet: Gegen Ende des Geschehens, nach ihrem Mord an Hymnos, trinkt Nikaia aus jenem Fluß, den Dionysos zur Uberlistung der Inder in Wein verwandelt hatte, und gerät in das Fangnetz des Gottes, den sie, so wie vorher Hymnos, abweisen zu können glaubte. 563 Unseren Betrachtungen zu der Episode wollen wir die Bemerkung vorausschicken, daß sie in hohem Maße symbolträchtig ist. Das zeigt sich schon daran, daß die Person des Hymnos offenbar als eine Allegorie für Hirtenmusik und -dichtung verstanden werden soll. 564 Man wird Nonnos also kaum gerecht, wenn man das Erzählte nur dem Wortsinn nach verstehen will und dabei die vielfältigen mythologischen Anspielungen als eine Demonstration von Gelehrsamkeit abtut, ohne nach ihrer symbolischen Bedeutung zu fragen. 565 Allegorisierende, über das Personale hinausweisende Züge eignen auch der Gestalt der Nikaia. Wurden Callisto und Atalante in den verschiedenen literarischen Zeugnissen als Artemis-Adeptinnen vorgestellt, so ist ihre bithynische Verwandte" eine ΚυβηλΙς νύμφη (15, 380) - Nymphe der Kybele. Dem Historiographen Memnon - vielleicht ein Zeitgenosse Plutarchs gilt sie sogar als die Tochter der Göttermutter, 567 deren Haupt- 561 Mit der Ovid-Rezeption des Nonnos befassen sich J. Braune, Nonnos und Ovid, Greifswald 1935 und G. d'ippolito, Studi Nonniani, Palermo Skeptisch gegenüber Braunes These äußert sich P. Maas, ByzZ 35, 1935, 385. L. Castiglioni, Studi intorno alle fonti e alia composizione delle Metamorfosi di Ovidio, Roma 1964, nimmt für die Ino-Episode bei Ov. met. 4, und Nonnos gemeinsame hellenistische bzw. alexandrinische Quellen an, während B. Otis, Ovid as an Epic Poet, Cambridge 1966, ausgehend von der gleichen Episode die deutlichen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Dichtern hinsichtlich bestimmter Details als Beweis für eine, freilich bloß im Motivischen verbleibende Ovid-Rezeption des Nonnos deutet (374): "He is, in fact, not influenced by Ovid's narrative or plot so much as by the piquantly Ovidian motifs." und "Nonnus, as it were, homerizes or hellenizes his Ovidian motifs." 562 Cf. 15, , Cf. 16, Siehe dazu P. Chuvin, Mythologie et geographie dionysiaques. Rechcrches sur l'oeuvre de Nonnos do Panopolis, Clermont 1991, Siehe z.b. J.F. Schulze, Beobachtungen zur Gcschichte von Hymnos und Nikaia bei Nonnos", Ziva Antika 18, 1968, 16: An das frühe Hinscheiden des Verstorbenen erinnerten Narzisse, Krokos, Milax und Anemone, womit der Dichter wieder einmal seine doctrina beweist." Darüber, was es mit diesen Blumen genau auf sich hat, informiert uns Schulze nicht. Cf. ibid., 149. Cf. Memnon, Περί Ήρακλείας XV, F. Jacoby, FGrHist III B, S. 357 Ή μέν ούν ναίς ή Νίκαια λέγεται, φύναι Σαγγαρίου του κατα τήν χώραν δυνάστου και Κυβέλης.

165 Der bezwungene Rebell: Nonnos, Dionysiaka 157 kultstätte, der phrygische Berg Dindymon, denn auch zum Schauplatz ihres Mordes an Hymnos wird. Die Vorstellung Nikaias entspricht in Typologie und Milieu dem uns schon bekannten Schema: Dionys. 15, Ένθά τις άγκυλότοξος, έρημάδι σύννομος QXrj, παρθένος ΆστακΙδεσσιν όμότροφος ήνθεε Νύμφαις καλλιφυής Νίκαια, λαγωβόλος "Αρτεμις άλλη, άλλοτρίη φιλότητος, άπειρήτη ΚυθερεΙης, θήρας όιστεύουσα καΐ ίχνεύουσα κολώναις- Dort stand in Blüte mit krummem Bogen, Genossin dem öden Wald, eine Jungfrau, genährt mit den astakischen Nymphen, schön von Gestalt, Nikaia, Hasen jagende zweite Artemis, fremd der Liebe, unkundig der Kythereia, wilde Tiere schießend und aufspürend auf den Hügeln. Nikaia erscheint also zunächst als eine bloße weitere Repräsentantin des aus Ovid schon sattsam bekannten Typus der im Wald und auf den Hügeln lebenden und dem Wild nachstellenden keuschen Jägerin. Wir sehen sie hineinversetzt in den Kreis der Nymphen von Astakos, dem späteren Nikomedeia, der Hauptstadt von Bithynien, das in 16, 405 ausdrücklich als ihr Geburtsort aufgeführt wird. Im Einklang mit der Tradition steht ihre Bezeichnung als zweite Artemis, "Αρτεμις Άλλη, war doch die enge Verbindung mit Artemis schon für die ovidischen Jägerjungfrauen notorisch. Ebenso toposhaft ist im folgenden die Abgrenzung vom gewöhnlichen Frauenleben mit seinen typischen Beschäftigungen: Wenn es 174 ff. heißt, daß Nikaia das Mädchengemach mied und ihre Fäden Pfeile, ihr Webstuhl der Holzrahmen der Stellnetze waren, so erinnert das nicht nur an die Art, wie Ovid die unweibliche Sinnesart beispielsweise einer Callisto veranschaulicht, 568 sondern darüber hinaus auch an die Darstellung der Kyrene in Pindars IX. pythischer Ode: P. P. 9, ά μέν οΰθ' Ι- στών παλιμβάμους έφίλησεν όδους, οδτε δείπνων οίκοριαν μεθ' έταιραν τέρψιας, αλλ' άκόντεσσίν τε χαλκέοις φασγάνω τε μαρναμένα κεράιζεν αγρίους θήρας Cf. Ον. met. 2, non erat huius opus lanam mollire trahendo / nec positu variare comas...

166 158 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor... Doch sie liebte nicht des Webstuhls Wege, die hingehn und her, Noch im Haus der Festmähler Freuden im Kreis der Freundinnen; Nein, mit Speeren, ehernen, und 569 Mit dem Schwerte kämpfend, erlegte sie wilde Tiere... Nikaias Umgang mit der Göttin Artemis hingegen wird mit Worten beschrieben, die deutlich auf den euripideischen Hippolytos und seine Präsentation im Prolog der Aphrodite verweisen. Man vergleiche Nonnos, Dionys. 15, 179 και καθαρή συνάεθλος όμίλεεν Ιοχεαίρτ) mit Ε. Hipp χλωράν δ' άν (5λην παρθένω ξυνών άεί κυσίν ταχείας θήρας έξαιρεϊ χθόνος, μείζω βροτείας προσπεσών όμιλίας. 570 Dann aber werden Töne angeschlagen, die Nikaia im Bruch mit der Typologie der sie präfigurierenden Gestalten in eine Art aemulatio mit Artemis treten lassen. Aus dem Kreis der in Frage kommenden Beutetieren der Nymphe, von der es eben noch hieß, sie sei eine λαγωβόλος Άρτεμις άλλη, werden mit einem Male neben dem Hasen auch das schwache Hirschkalb" und die Gazelle ausgeschlossen; 571 und in Opposition zur Vorstellung eines maßvollen Jagens, die man an Artemis-nahe Gestalten zu knüpfen sich gewöhnt hatte, begegnet nun ein Bild von ungestümer Wildheit und Kraftentfaltung: Wir sehen Nikaia, wie sie Löwen unter ihr Wagenjoch zwingt und Artemis tadelt, weil sie ihrerseits mit Hirschen vorlieb nimmt άλλα περιζεύξασα δαφοινήεντι χαλινω γλαυκά δασυστέρνων έπεμάστιε νώτα λεόντων, πολλάκι δ' ϊγχος δείρε καταντία λυσσάδος άρκτουμέμφετο δ' Ιοχέαιραν έκηβόλον, δχτι λιποϋσα στικτών πορδαλίων γενεήν καΐ φϋλα λεόντων ούτιδαναΐς έλάφοισιν έήν ϊζευξεν άπήνην. Aber zusammen sie jochend mit blutrotem Zaume peitschte sie die glänzenden Rücken der Löwen mit behaarter Übersetzung aus Pindar. Siegesgesänge und Fragmente, griech. u. dt., hrsg. u. übers, v. O. Werner, München 1967, 191. Übersetzung cf. supra, 57. Cf. 15,

167 Der bezwungene Rebell: Nonnos, Dionysiaka 159 Brust, und erhob oft das Schwert entgegen dem wütenden Bären, tadelte aber die Pfeilfrohe, fernhin Treffende, da sie ließ der gefleckten Pardel Geschlecht und die Stämme der Löwen und mit nichtigen Hirschen ihren Wagen bespannte. Hier wird das urtümliche Schema der Tierherrin" lebendig. Daß Artemis, die ja als Göttin der unberührt-wilden Natur ihren Anfang nahm, vor ihrer allmählichen Domestizierung entgegen dem hier entworfenen Bild durchaus auch mit Löwen in Verbindung gebracht wurde, zeigt beispielsweise die Frangois-Vase, auf der Artemis als geflügelte Tierbändigerin gezeichnet ist, die in heraldischem Gestus zu beiden Seiten je einen Löwen gepackt hält; 572 und wenn wir bei Nonnos wenig später Nikaia in Gesellschaft eines Löwenjungen sehen, dessen Mutter sie für die vorher als raubtierscheu geltende Artemis hält, 573 so zeugt dieser Wechsel von einem großzügig eklektizistischen Vorgehen des Nonnos im Aufgreifen disparater Traditionen. Daß er aber Nikaia gerade im Hinblick auf ihren Wagen so deutlich von Artemis sich absetzen läßt, ist nicht etwa reine Willkür, sondern hat an dieser Stelle eine besondere Funktion: Es wird eine Brücke geschlagen zu einer Szene aus dem 9. Buch der Dionysiaka, wo der Dionysosknabe, den Nonnos in bewußter Abwandlung der Mythentradition nicht in Ino Leukotheias, sondern in Kybeles Obhut aufwachsen läßt, 574 seiner Ziehmutter im bekannten heraldischen Gestus eines πότνιος θηρών ein Paar lebendiger Löwen präsentiert, auf daß sie es ihrem Wagen anschirre: 9, σμερδαλέους δέ λέοντας έτι ζώοντας έρύσσας μητέρι δώρα τίται,νεν, Ίνα ζεύξειεν άπήνη δίζυγας άμφοτέρτ)σι. πόδας παλάμτ)σι πιέζω ν. Furchtbare Löwen, noch lebende, schleifte und hielt er empor, der Mutter zum Geschenk, daß sie anschirre sie ihrem Wagen, jeweils paarweis mit beiden Händen die Läufe packend. Den heranwachsenden Gott sehen wir wenig später Panther unter das Joch seines eigenen Wagens zwingen, 575 aber auch den Löwenwagen seiner Pflegemutter lenken. Daß dies ein Bild für einen sich anbahnenden Machtwechsel ist, wird sich im Laufe unserer Interpretation bestätigen. Wir haben also gesehen, daß die an Kraft und männlichem Mut überbordende Nikaia, die die Züge einer Tierherrin" trägt, im Spannungsfeld Cf. LIMC II, 2, S. 445, Abb. 33 (a). Cf. 15, Cf. Dionys. 9, Dionysos als Zögling der Ino z.b. bei Ov. met. 4, Dionysos mit Tigergespann s. Verg. ecl. 5, 29; Aen. 6, 805; Hör. c. 3, 3, 14.

168 160 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und dcus ultor zwischen Artemis und Kybele steht. Die Behauptung, sie sei eine bacchische Figur", 576 verträgt sich kaum mit ihrer abweisenden, sich abgrenzenden Haltung gegenüber Dionysos. 577 Dieser schillernden Gestalt nun wird der in wenigen Zeilen charakterisierte Hirte Hymnos zur Seite gestellt, um nicht zu sagen, untergeordnet. Auch er steht in einer Tradition, nämlich derjenigen des dem Hirtenmilieu entstammenden Liebhabers einer Göttin, und so wird denn auch der Vergleich mit Anchises ausdrücklich gezogen: 15, εις βαθύν ήλθεν έρωτα και ούκέτι τέρπετο ποίμντ), εΐκελος Άγχίστ) ^οδοειδέι, τοϋ ποτε Κύπρις άργεννήν ένόμευεν όρεσσινόμων στίχα ταύρων κεστόν έλαφρίζουσα βοοσσόον... Heftige Liebe befiel den Hirt, und er freute sich nicht mehr, ähnlich dem rosigen Anchises, dessen auf dem Berge reihweis grasende Stiere vormals weidete Kypris, schwingend den rindertreibenden Riemen... Das Bild einer aus Liebe zum Hirtendasein sich herablassenden Gottheit ist traditionell eher mit Apoll und seinem Werben um Admet verbunden. 578 Hier beschwört es, in Übertragung auf Aphrodite, die Wunschvorstellung erwiderter Liebe, aber auch ein Sich-Hinneigen der Geliebten zur Welt des Liebenden, und in diesem Sinne sehen wir Hymnos in seiner, freilich nur fiktiven, da zwar in Sicht-, aber nicht in Hörweite Nikaias 579 gesprochenen Antragsrede 580 die Geliebte dazu auffordern, ihren Pfeil gegen den Krummstab einzutauschen: 15, [πτε βέλος καί ψαύε καλαύροπος, δφρά τις εΐπτ) 'Ύμνου μηλονόμοιο βόας Κυθέρεια νομεύει.' Cf. Β. Harries, "The Pastoral Mode in the Dionysiaca", in: Studies in the Dionysiaca of Nonnus, Supplementary Vol. no. 17, ed. by N. Hopkinson, Cambridge 1994, 73: "Nikaia is a Bacchic figure, quite alien to the traditional bucolic picture, who will eventually find an appropriate (if unwelcome) partner in Dionysus himself." Siehe dazu unten, 166. Siehe z.b. Ον. met. 2, In diesem Sinne ist wohl v γείτονα θηρεύουσαν ίδών ύψαύχενα κούρην - zu verstehen. Daß man davon ausgehen muß, daß Nikaia seine Rede nicht gehört haben kann, zeigt die in den vv sich anschließende Bemerkung, daß Hymnos sich fürchtete, ihr seine Liebe zu gestehen. Cf. 15,

169 Der bezwungene Rebell: Nonnos, Dionysiaka 161 Weg wirf den Pfeil und ergreife den Krummstab, auf daß jemand sage: Hymnos', des Schafhirten, Rinder führt Kythereia zur Weide." Zwei Welten prallen hier aufeinander: das wilde rastlos schweifende Jägerdasein Nikaias und die seßhafte Tätigkeit des Hymnos als Hüter der Herden, der hier, ganz im Gegensatz zu Theokrits erstem Idyll, wo die unbeugsame Aphrodite-Feindschaft des Daphnis ihn als Grenzgänger zwischen Hirten- und Jägerexistenz erscheinen ließ, wieder ganz das Klischee der Beschaulichkeit bukolischen Lebens verkörpert vor dem Einbruch freilich, den die Liebe zu Nikaia für seinen friedlichen Alltag bedeutet. Die beiden Daseinsformen bleiben unversöhnlich, und was bei der euripideischen Phaidra ein Sich-Hineinträumen in die Jagdwelt des Hippolytos und damit der Versuch eines ihrer selbst sich entäußernden Verstehens war, ist bei den Streifzügen des Hymnos auf den Fährten seiner Geliebten eine im bloß Sinnlichen verbleibende Mischung aus Fetischismus und Voyeurtum: Es gefällt ihm, Pfeil und Bogen der Nymphe zu berühren und sie zu belauschen, wenn die Winde ihr Gewand emporwehen. 581 Das Wind-Motiv ist, wie man gezeigt hat, aus Ovid entlehnt; 582 und der in der fiktiven Antragsrede in vielfacher Variation geäußerte Wunsch, einer der Gegenstände zu sein, mit denen die Geliebte ständig umgeht, knüpft an die Tradition des εΐθε-γενοίμην-motivs an. 583 Daß seine Ausführung von einem Wechsel zwischen zweiter und dritter Person geprägt ist, der auch im weiteren Verlauf der Rede noch fortgeführt wird, bekräftigt den Eindruck der Distanz. 584 Ein wirklicher Bezug kann nicht geschaffen werden; und das Nebeneinander der beiden Welten wird sogar optisch faßbar, wenn es von Hymnos heißt, daß er zu reden anfing, als er das Mädchen in seiner Nähe, γείτονα, beim Jagen sah, wobei diese Nachbarschaft durch die Charakterisierung Nikaias als ύψαυχήν, hochmütig", 581 Cf. 15, Cf. G. d' Ippolito, Studi Nonniani, Cf. e.g. PMG 900 (Page) είθε λύρα καλή γενοίμην...; 901 εΐθ' απυρον καλόν γενοίμην μέγα χρύσιον; Theoer. id. 3, 12 f. αΐθε γενοίμαν & βομβεϋσα μέλισσα καΐ ές τεόν οίντρον ίκοίμαν; Das Motiv findet sich auch in dem Epigramm A.P. 12, 142, wo der Dichter sich wünscht, der Vogel zu sein, den er in Dexionicus' Händen gefangen sieht, und (leicht abgewandelt, da von einer direkten Identifikation nicht die Rede ist) bei dem Sophist und Epigrammatiker Meleager von Gadara, der in A.P. 5, 171 einen Becher glücklich preist, den sein Geliebter an die Lippen setzt. Weitere Stellen bei J.C. McKeown, Ovid: Amores, vol. III, A Commentary on Book Two, Leeds 1998, 316 ff. Siehe ferner Ο. Hiltbrunner, Gymn. 77, 1970, und W.D. Lebek, ZPE 23, 1976, zu Ovids aniwus-gedicht (am. 2, 15) im Vergleich mit einem pompeianischen Epigramm : dritte Person; : zweite Person, mit der fiktiven Anrede παρθένε eingeleitet; : dritte Person, wobei Nikaia in v. 271 wie schon in v. 256 mit dem Distanz schaffenden Adjektiv ύψαυχήν beschrieben wird; : zweite Person, wieder mit παρθένε eingeleitet.

170 162 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor eine Annäherung von vornherein ausschließt. Und doch wird am Ende der Antragsrede mit Berufung auf mythische Beispiele von Hirten, die in der Gunst einer Gottheit standen, die Fiktion einer möglichen Erhörung des Liebenden ausgesprochen. 585 Wenn dabei die berüchtigten Paare Tithonos und Eos, Ganymed und Zeus, Endymion und Selene genannt werden, wenn ferner Nikaia in der oben aufgeführten Schlußpointe der Verse als Kythereia bezeichnet und damit der Vergleich des Hymnos mit Anchises nahegelegt wird, so steht dies in der Tradition des Exemplifizierens für die Liebesverbindung von Mensch und Gottheit, die im homerischen Aphrodite-Hymnos ihren Anfang nimmt, und, wie wir viel früher einmal gesehen haben, beispielsweise auch im II. Stasimon der Troerinnen des Euripides sich niederschlägt. 586 Doch bleibt die an den Mythos sich klammernde Hoffnung eine Utopie, denn schließlich ist Hymnos nicht der von einer Göttin Umworbene, sondern der um eine Nymphe Werbende, und so wird denn auch von Nikaia, als Hymnos sich ihr endlich offenbart, ein ganz anderer Mythenstrang aufgegriffen: der des abgewiesenen Liebhabers. Die Form, in die der Antrag des Hymnos gekleidet ist, steht im Einklang mit seinem Namen. Er spielt ein Hochzeitslied auf seiner Hirtenflöte, 587 und so ist denn auch für das Liebeswerben jener Verschmähten aus dem Mythos, auf die Nikaia in ihrer Antwort sich beruft, das musische Element in besonderer Weise kennzeichnend: Pan und Daphnis, die ja die Haupt Vertreter der bukolischen Muse sind, ließen vergeblich Flötenspiel und Gesang ertönen, und Daphne blieb von Apollos Liedern unbeeindruckt. 588 Die Art, in der wir Nikaia verachtungsvoll von der Erfolglosigkeit musischen Werbens sprechen sehen, ist in hohem Maße symbolträchtig und läßt sie als die Verkörperung des Wilden, Unmusischen, Unzivilisierten erscheinen. Der Eindruck wird erhärtet durch die Anweisungen, die Hymnos, von Nikaia tödlich verwundet, ihr für seine Bestattung gibt: Nicht Flöte und Syrinx, nicht den Krummstab, Zeugen seines Metiers, soll sie ihm auf sein Grab legen, sondern den von seinem Blut noch triefenden Pfeil. 589 Das ist nichts anderes als ein Bild für den Sieg der Barbarei über die feinere Gesittung, oder anders gesagt: des wilden und rohen Jägertums über das beschaulich-poetische Hirtendasein. CQtv Cf. 15, ; vgl. die mythologisierende Einlage in Theokrit, id. 5, 40-51, wo der Komast der von ihm umworbenen Amaryllis die Erfolge einiger Gestalten des Mythos in exernpla vorführt. Cf. h. Veil., und E. Th, ; dazu s. oben, 72. Cf. 15, Cf. 15, Cf. 15,

171 Der bezwungene Rebell: Nonnos, Dionysiaka 163 Hier lebt ein Gedankengut auf, dem wir schon bei Euripides begegnet waren. Im fr. 897 ist, wie wir gesehen haben, Eros Beförderer der Arete, während die in seine Mühen Uneingeweihten als Repräsentanten wilder Sitten gelten. 590 Bedeutungsschwer ist auch die Zusammenstellung der Blumen, die Hymnos sich auf seinem Grab wünscht: 15, δός δέ μοι ύστατίην έτέρην χάριν όψόθι τύμβου ανθεα ΝαρκΙσσοιο ποθοβλήτοιο γενέσθω ή κρόκος ίμερόεις ή Μίλακος άνθος 'Ερώτων, είαρινήν δέ φύτευε μινυνθαδίην άνεμώνην πασιν άπαγγέλλουσαν έμήν μινυώριον ήβην. Gib aber mir einen andern, letzten Gefallen, auf dem Grabe seien die Blumen des sehnsuchtsgeschlagnen Narzissus, Krokus, verlangender, oder die Liebesblume, die Winde; pflanze aber die Lenz-Anemone von kurzer Dauer, allen Künderin meiner kurz nur blühenden Jugend. Die Blumen stehen allesamt für mythische Gestalten, die in der Jugendblüte starben, sei es der an der Leidenschaft für sich selbst zugrunde gegangene Narziß, der Jüngling Krokos, der nach seinem frühzeitigen Tod ebenso wie seine Geliebte Smilax in eine Blume verwandelt wurde, 591 oder aber Adonis, der sterbliche Favorit der Aphrodite, aus dessen Blut die Anemone entsprossen sein soll. 592 Eine bekanntere Version läßt die Blume aus den Tränen der über Adonis' Tod weinenden Aphrodite erwachsen sein. 593 In jedem Falle galt sie als Symbol der schnell verblühenden Jugend, 594 und so wird hier deutlich auf jene Mythen angespielt, in denen einer großen und machtvollen Natur- und Muttergöttin ein sterblicher Liebhaber zur Seite tritt, der frühzeitig einen gewaltsamen Tod erleidet. 595 In unserem Fall vertritt Nikaia die phrygische Bergmutter, und Hymnos ist der ihr untergeordnete Repräsentant des Hirtenlebens. Daß er mit seinem Wesen Kultur und Musik, exemplifiziert durch die bukolische Muse, geradezu verkörpert, wird noch einmal deutlich in dem Klagelied, Cf. supra, 118/119. Cf. Ov. met. 4, 283 f.; Plin. n.h. 16, 35, 63. Siehe dazu J. Murr, Die in der griechischen Mythologie, Groningen 1969, 255. Pflanzenwelt Cf. Nicand. in Schol. Theoer. 5, 92; Ov. met. 10, 735; Serv. Verg. Aen. 5, 72. Cf. Bion, id. 1, 64 ff. Cf. Ov. met. 10, 737 ff.; Nonn. 8, 210 f.; siehe dazu K. Lembach, Die Pflanzen bei Theokrit, Heidelberg 1970, 168. Siehe dazu R. Merkelbach, Nikaia in der römischen Kaiserzeit, Opladen 1987, 34 f. 41.

172 164 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor das seinen Tod besiegelt. 596 Βούτης καλός δλωλε, καλή δέ μιν κτανε κούρη - Dieser Vers kehrt innerhalb des Liedes refrainartig immer wieder, und diese Technik erinnert ganz bewußt an die theokriteische Dichtung. Das Motiv der Klage um den verstorbenen Rinderhirten stellt sogleich die Verbindung zu Daphnis her, und wenn auch die Todesart des Hymnos von der seines Vorgängers aus dem I. Idyll Theokrits entschieden abweicht, so ist die Situation des Abschieds doch die gleiche. Hier wie dort bekunden Wald- und Herdentiere ihre Trauer, und daß bei Theokrit von ihnen nur die Rede ist, während sie bei Nonnos selbst als Sprecher auftreten, ist nur eine formale Spitzfindigkeit. Ganz verschieden aber ist die Ausdeutung, die dem Schicksal der beiden Hirten jeweils zukommt. Daphnis übergibt im Sterben dem Pan seine Syrinx und erweist sich damit als Begründer des Hirtenliedes. Seine Leiden sind nicht sinnlos, sondern der erste Gegenstand für ein neues dichterisches Genre. Der Tod des Hymnos dagegen ist zugleich auch ein Schlußstein. An die Stelle eines Vermächtnisses tritt die Kapitulation, und der Aufforderung des Sterbenden, ihm seine Musikinstrumente nicht aufs Grab zu legen, 597 entspricht der Abgesang der Götter Pan und Apollo auf den Toten: 15, αύλός άλάσθω. πτ] Νέμεσις; πτ) Κύπρις; Έρως, μή ψαϋε φαρέτρης σύρινγξ, μηκέτι μέλπε λιγύθροος ώλετο βούτης... Fern (oder: verbannt?) sei die Flöte. Wo sind Nemesis, Kypris? Eros, rühr' an nicht den Köcher, Syrinx, erklinge nicht mehr, es starb der hell singende Rindshirt. Die Vorstellung von Eros als einer kultivierenden Kraft kommt hier wieder zum Tragen: Ist die Musik einmal verstummt, muß auch er seine Tätigkeit einstellen. Bis jetzt haben wir die Begegnung zwischen Hymnos und Nikaia hauptsächlich im Sinne einer Konfrontation der zwei Lebensformen des Jagens und Weidens interpretiert. Die mit dem Mord an Hymnos ins Monströs- Unmenschliche gesteigerte Härte Nikaias muß aber auch in ihrem kultischreligiösen Zusammenhang gesehen werden. Sie ist eine Nymphe der Kybele, steuert, wie jene, das Löwengespann, doch trägt sie in typisch eklektizistischer Manier auch Züge der Aphrodite, denn wenn Hymnos in seiner Abschiedsklage sie anspricht (v. 357): εί δέ σε μή τέκε πόντος άμείλιχος ήέ κολώναι - wenn nicht das erbarmungslose Meer oder Felsen dich geboren haben", so ist die Anspielung auf den bei Hesiod und den Orphikern Cf. 15, Cf. supra, 162.

173 Der bezwungene Rebell: Nonnos, Dionysiaka 165 überlieferten Mythos von der Geburt der Aphrodite aus dem Wasser unüberhörbar. 598 Der besondere Ton auf dem grausamen Zug des Meeres, der in einem feierlichen Anruf der Venus als diva non miti generata ponto auch schon bei Seneca begegnet, 599 zusammen mit der Erwähnung von Felsgestein, mit dem man ja Härte und Kälte verbindet, macht Nikaia zur Exponentin einer als unbarmherzig-fühllos und furchterregend vorgestellten matriarchalischen Gottheit, mag sie nun Aphrodite oder Kybele heißen. So ist Nikaia in jeder Hinsicht als bedrohlich und zivilisationsfern gezeichnet, und natürlich muß in der Erzählung auf ihren Triumph die Niederlage folgen. In ihrem Abgesang auf Hymnos rufen Pan und Apollo die beiden Göttinnen Nemesis und Aphrodite auf den Plan. Daß Aphrodite in ihrer Eigenschaft als Rächerin hier gemeinsam mit Nemesis genannt wird, ist keinesfalls Ausdruck einer festen Verbindung, sehen wir doch die gleiche Göttin im 48. Buch der Διονυσιακά als Anwältin der von Aura geschmähten Artemis auftreten. Im Zuge der besonders für den Hellenismus bezeichnenden Tendenz, die Funktion der Nemesis auf die Bestrafung von Hybris festzulegen, 600 erscheint sie auch bei Nonnos immer dann, wenn es ein hochmütig-verletzendes Verhalten zu rächen gilt. Daß sie dabei freilich nur die Personifikation eines abstrakten Gedankens ist, wird durch die Auswechselbarkeit ihres Namens nahegelegt. Sie kann ebensogut als Adrasteia auftreten, oder, wie in Hymnos' schadenfroher Bemerkung über Nikaias erzwungenes Ehelager, als die Ερινύες (294): είσί και ίμείροντος έρινύες, εδγαμε κούρη. Den Vollzug der Rache übernimmt Eros, und hier häufen sich die Gemeinplätze: Wenn Dionysos beim Anblick der badenden Nikaia von Liebe entflammt wird, so erinnert das an eine ähnliche Situation in der Alpheus-Arethusa-Episode bei Ovid. 601 Das Werben des Gottes trägt die Züge des aus der römischen Liebeselegie hinreichend bekannten servitium amoris. Er bietet sich ihr als Begleiter und Diener auf ihren Streifzügen an, und steht mit seiner Bereitschaft, ihre Jagdutensilien zu tragen, nicht nur in der Nachfolge des von ihm selbst zitierten Apoll, sondern auch des netzetragenden Melanion aus dem obsequium-kapitel der ovidischen ars Zu diesem Geburtsmythos s. oben, 2. Cf. Sen. Phae Als Warnung vor einer heftigen Reaktion des Liebhabers gegenüber einem potentiellen Verräter wird bei Tibull 1, 2, neben der Anspielung auf Aphrodites blutige" Entstehung als Folge der Entmannung des Kronos das Reißende" ihres Geburtselementes betont: Nam fuerit quicumque loquax, is sanguine natam, / is Venerem et rapido sentiet esse mari. Cf. H. Posnansky, Nemesis und Adrasteia. Eine mythologisch-archäologische Abhandlung, Breslau 1890, 32 ff. Vgl. Nonnos, Dionys. 16, mit Ov. met. 5,

174 166 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor amatoria. 602 Doch verfehlt das in Tibulls Elegie über die Knabenliebe 1, 4, 40 als unbedingt erfolgversprechend angepriesene Rezept - obsequio plurima vincet amor - hier seine Wirkung. Am Ende der kniefälligen Bemühungen des Gottes um die Nymphe steht das Anerbieten an sie, den Thyrsus zu ergreifen; 603 und obwohl damit keinesfalls, wie bei dem ihr von Hymnos zugedachten Krummstab, eine Absage an ihre bisherigen Lebensgewohnheiten verbunden wäre, ja Dionysos mit der Aufforderung νεβροφόνος δέ γένοιο (141) ihr sogar eine Beteiligung an seinem eigenen Weidwerk in Aussicht stellt, weist Nikaia seine Vorschläge doch zurück. Daß sie in ihnen den Versuch eines Sich- Anbiederns des doch eigentlich der Welt des Theaters zugehörigen Gottes sieht, legen die Worte nahe, mit denen sie seine Nachstellungen verspottet. 16, τΐ σπεύδεις; δρόμος ούτος έτώσιος- έν σκοπέλοις γαρ ένδρομίδες πολύ μάλλον άρείονές είσι κοθόρνων. Warum eilst du? dein Lauf ist zwecklos. Hier in den Bergen Sind ja Stiefel besser als deine Kothurne zu brauchen. 604 So bleibt zuletzt nur noch die Zuflucht zu einer List, und wie vorher die Inder, so trinkt nun auch Nikaia von den in Wein gewandelten Wassern des astakischen Meerbusens. 605 Berauscht von dem ungewohnten Trank, schläft sie ein, 606 und Dionysos macht sie zu seiner Geliebten. 607 Durch die Parallelität ihres Schicksals zu den Indern wird Nikaia gemeinsam mit ihnen noch einmal nachdrücklich auf die Stufe des Unzivilisierten, Rohen, das es zu besiegen gilt, gestellt. Ihr Schicksal ist dem des euripideischen Hippolytos vergleichbar: Ähnlich wie er gegen seinen Willen in den Sog der Leidenschaft Phaidras hineingezogen wurde, erfährt sie, die sich allem Aphrodisischen gegenüber erhaben glaubte, nun eine erzwungene Initiation. Ihr Jägerdasein in den Bergen und die Gemeinschaft mit Artemis sind damit beendet. 608 Sie wird Mutter einer Tochter, die sie Telete - die Weihe - nennt Cf. Nonnos, Dionys. 16, 82-87; Ov. ars amat. 2, 189. Zum Motiv des Netze-Tragens s. ferner Tibull 1, 4, Cf. 16, 140. Übersetzung aus: Nonnos. Dionysiaka, verdeutscht v. T. v. Scheffer, Wiesbaden o.j., 264. Cf. 16, Cf. 16, Cf. 16, Cf. 16, άρχαίην δ' άέκουσα λίπεν θηροχρόφον δλην, / αίδομένη μετά λέκτρα φανήμεναι ΙοχεαΙρηι. Cf. 16,

175 Versteinerungsgeschichten: Hermesianax und Ovid 167 Zeuge ihrer unfreiwilligen Hochzeit mit Dionysos ist Pan - der Gott der Hirten und glücklose Verehrer Echos; und wenn er angesichts der Geschehnisse die der Milch überlegene Wirkung des Weines preist (16, ), so ist das ein innerhalb der Dionysiaka auch andernorts zu findendes Symbol für den Siegeszug des rauschhaft Dionysischen über die gemäßigte, musische Welt der Bukolik und ihre göttlichen Patrone Pan und Apollon. 610 Die Spitze gegen das Pastorale ist aber hier nur ein Nebeneffekt, denn die eigentliche Konfrontation findet zwischen Dionysos und Nikaia statt. Wenn wir uns in diesem Zusammenhang noch einmal die im neunten Buch geschilderten Szenen aus dem Leben des heranwachsenden Dionysos, insbesondere die häufigen Fahrten auf dem Löwengespann seiner Ziehmutter Kybele vergegenwärtigen, zeichnet sich eine klare symbolische Bedeutung des erzwungenen Beilagers ab. Daß Nikaia in ihrer Eigenschaft als Tierbändigerin" und auch ihrerseits als Lenkerin des Löwengespanns Repräsentantin der Kybele ist, hatten wir gesehen. Daß Dionysos ihr das Magdtum raubt und sie damit im Kern vernichtet, wie ihre Selbstmordversuche im folgenden bezeugen, ist ein Bild für die Ablösung des als wild und chaotisch, ja als ebenso primitiv wie die besiegten Inderstämme empfundenen Kybelischen mit seinen rohen Kultgebräuchen durch das Dionysische. Kommen wir nun zu jener Gruppe von Geschichten, in der die Strafe für Sprödigkeit sich in Form von άπολίθωσις vollzieht. IV. 3. Versteinerungsgeschichten - die Sage von der salaminischen Jungfrau bei Hermesianax und Ovid Dieser Typus ist seinem Ursprung nach in Zypern anzusiedeln. Im kyprischen Salamis spielt die Lokalsage von der hartherzigen Jungfrau, die, ungerührt von allen Liebesbezeugungen eines Verehrers, zuletzt bei dessen Leichenbegängnis sich aus dem Fenster lehnte und in dieser Haltung die άπολίθωσις erfuhr. Die Sage ist uns in mehrfacher Form überliefert. Betrachten wir zunächst die auf dem elegischen Sammelgedicht Leontion" des Hermesianax fußende Erzählung bei dem Mythographen Antoninus Liberalis (39). Die handlungstragenden Personen sind dort Arsinoe, die Tochter des griechischen Stadtherrschers Nikokreon, dessen Familie auf den Ahnherr Siehe die Szene der Einkehr des Dionysos bei dem Hirten Brongos, wo er seinen Gastgeber, nachdem er sich abfällig über die ihm kredenzte Milch geäußert hat, in die Kunst der Weingärtnerei einweiht: 17, Der Hinweis auf die Stelle bei B. Harries, "The Pastoral Mode in the Dionysiaka", 77.

176 168 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor Teukros zurückgeht, und der um sie werbende Arkeophon, ein Sohn phönizischer Eltern, den seine Abkunft zum Angehörigen einer von den kyprischen Griechen verachteten Minderheit stempelt. Die Eltern verweigern dem unliebsamen Freier die Hand der Tochter, und er lagert eine Nacht lang vergeblich vor ihrer Tür. Die zur Kupplerin ausersehene Amme wird von Arsinoe an ihre Eltern verraten und von ihnen grausam verstümmelt, was den Zorn der Aphrodite erregt. Nachdem alle Annäherungsversuche fehlgeschlagen sind, hungert Arkeophon in seinem Kummer sich zu Tode. Am Tage seines Leichenbegängnisses schaut Arsinoe vom Hause her (έκ των οίκων έκκύψασα) bei der rituellen Verbrennung zu und wird zur Strafe für ihre Sinnesart von Aphrodite versteinert. Plutarch erwähnt die hartherzige Jungfrau aus Zypern unter dem Namen Leukomantis, weist aber darauf hin, daß sie als Sagengestalt die Parakyptusa" genannt wird. Nach dem Vergleich mit einer uns sonst unbekannten Lokalsage aus Kreta beschreibt er noch einmal deutlich den Gestus des Ausschauens nach dem toten Liebhaber, als er im Trauerzug vorbeigetragen wird, und macht damit hinreichend deutlich, daß der populäre Name des Mädchens von eben diesem Gestus herrührt (Amat. 20, 766 CD): τί γαρ αν λέγοι τις Εύξυνθετον και Λευκομάντιδα τήν έν Κυπρω Παρακυπτουσαν έτι νϋν προσαγορευομένην; άλλα τήν Γοργούς ίσως ποινήν ούκ άκηκόατε της Κρήσσης παραπλήσια τή Παρακυπτούση παθούσης- πλήν έκείνη μέν άπελιθώθη παρακυψασα τόν έραστήν Ιδεϊν έκκομιζόμενον. Die Version bei Ovid, Metamorphosen 14, stimmt in ihren groben Zügen mit der Hermesianax-Erzählung überein, ist aber im Dienste einer Rahmenerzählung, in der der Gott Vertumnus um die widerstrebende Nymphe Pomona wirbt, um einige Detailschilderungen vermehrt. Die soziale Herkunft von Iphis und Anaxarete, so der Name der beiden ovidischen Hauptdarsteller, ist gleich geblieben, doch ist die Bedeutung des Standesunterschiedes für Anaxaretes abweisende Haltung zurückgetreten zugunsten einer sehr stark moralisierenden Darstellungsweise, in der Vertumnus den Widerstand des Mädchens seinem Zweck entsprechend als verurteilenswerte Grausamkeit darstellt. Die Ablehnung der Umworbenen ist nicht mehr, wie bei Hermesianax, von den Eltern vorgegeben, sondern selbstgewählt, und wird so zum Exemplum für ihre Unbarmherzigkeit, die dem Leser in einem dreifachen Vergleich vor Augen tritt (14, ): saevior ilia freto surgente cadentibus Haedis durior et ferro, quod Noricus excoquit ignis, et saxo, quod adhuc vivum radice tenetur, spernit... Wilder als Meer, das aufbraust beim Untergange der,böcklein', härter als Eisen auch, das norisches Feuer läßt schmelzen,

177 Versteinerungsgeschichten: Hermesianax und Ovid 169 und als Stein, der lebend bis jetzt noch im Grund ist verwurzelt, weist sie ihn ab... " Nicht genug, daß Meer, Eisen und Stein genannt werden, das Hinzufügen besonderer äußerer Bedingungen wie des Sturmes, der das Meer aufwühlt, der Essen von Noricum, die selbst dem härtesten Eisen zusetzen können, und der festen, die Unerschütterlichkeit noch steigernden Verankerung des Felsens trägt dazu bei, daß die Haltung des Mädchens nicht nur als Unbeugsamkeit, sondern als Starrsinn erscheinen muß. Die Wahl der zum Vergleich herangezogenen Objekte steht in einer Tradition: Als Beispiel für die Vorstellung des Grausamen in Verbindung mit dem Meer hatten wir oben schon den Anruf der Venus als Diva non miti generata ponto bei Seneca, Phae. 274 erwähnt. Ein θυμός σιδήρεος, ein eisernes Gemüt", ist für die homerische Kalypso Kennzeichen eines Mitleidlosen, der außerstande ist, sich in die Lage eines anderen hineinzuversetzen. 611 Als λάινε παΐ καΐ έρωτος άνάξιε adressiert in [Theoer.] 23, 20 ein fiktiver Liebhaber einen Knaben, der unempfänglich ist für seine Huldigungen. Breit ausgemalt ist bei Ovid zur Förderung des Eindrucks einer regelrechten Verstoßung das Paraklausithyron-Motiv. Was bei Antoninus Liberalis nur ein kurzer Hinweis auf eine vergebens durchwachte Nacht vor der Türschwelle der Angebeteten ist, findet sich hier zum Rührstück ausgestaltet: Das Bild des Umwindens der Türpfosten mit tränenfeuchten Kränzen muß ebensosehr die Anteilnahme des Lesers erwecken wie das der weichen Hand, gelegt auf eine Schwelle, die dem Mädchen, das sie abschirmt, an Härte nicht nachsteht. In hellenistischer Manier schließt die Episode, ähnlich wie schon das anonyme Gedicht [Theoer.] 23, das ebenfalls von verschmähtem Liebeswerben handelt, mit einer Abschiedsrede des exclusus amator. Hier wie dort setzt sie ein, als die Qualen des fiktiven Liebhabers die Grenze des Erträglichen erreicht haben. 612 In beiden Fällen wird die vergebens geliebte Person als Instigator zum Selbstmord, die Schlinge als letzte Liebesgabe betrachtet, 613 was bei Ovid, in wirkungsvoller Umdeutung der zur Standard-Ausrüstung des ausgesperrten Freiers gehörenden Girlanden, in der sarkastischen Frage des Mißachteten unmittelbar vor seiner Erhängung am Türrahmen (736) Das läßt sich erschließen aus Od. 5, : καΐ γάρ έμοί νόος έστίν έναίσιμος, ουδέ μοι αύτήι / θυμός ένΐ στήθεσσι σιδήρεος, άλλ' έλεήμων. Vgl. [Theoer.] 23, 16 λοίσθιον ούκ ήνεικε τόσαν φλόγα τας Κυθερείας mit Ον. met. 14, 716 non tulit inpatiens longi tormenta doloris. Cf. [Theocr.] 23, δώρά τοι ήνθον / λοίσθια ταϋτα φέρων, τόν έμόν βρόχον.

178 170 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor seinen Ausdruck findet: haec tibi serta placent, crudelis et impia?" 614 Im hellenistischen Gedicht gar wird das Vorhaben, sich das Leben zu nehmen, ausdrücklich als Vollstreckung eines Urteils hingestellt (22-23): άλλά βαδίζω / ένθα τύ μευ κατέκρινας... Doch während hier der Scheidende sich der Illusion hingibt, sein Tod werde den Peiniger nicht unberührt lassen, ja ihn sogar zu vormals standhaft verweigerten Zärtlichkeiten bewegen, bleibt in der Abschiedsrede bei Ovid die mit der Anrede als ferrea vorgegebene Vorstellung einer unbeugsamen Härte auf Seiten des Mädchens durchweg bestehen, und der für die Geschichte so entscheidende Augenblick des Blickens auf den Toten wird pointiert vorweggenommen: nec tibi fama mei Ventura est nuntia leti; ipse ego, ne dubites, adero praesensque videbor, corpore ut exanimi crudelia lumina pascas. Und zu dir wird nicht Fama als Todeskünderin kommen, selbst werd' ich dasein, damit du nicht zweifelst, und leibhaft zu sehen, daß am entseelten Leichnam die grausamen Augen du weidest." Unmittelbar bevor das schon hier als ein frevelhaftes Tun Vorweggenommene und Verurteilte tatsächlich eintritt, wird die vom Lärm des vorbeiziehenden Trauerzuges aufgerührte Anaxarete schon in den Wirkbereich eines namenlosen deus ultor hineingestellt forte viae vieina domus, qua Hebilis ibat pomp a, fuit, duraeque son us plangoris ad au res venit Anaxaretes, quam iam deus ultor agebat. Zufällig war das Haus dem Wege benachbart, wo der weinenende Zug ging, und des Jammers Geräusch an die Ohren drang der Anaxarete, die ein rächender Gott schon umtrieb." Den Spuren dieses nicht näher bestimmten Rachegottes in der römischen Dichtung werden wir noch nachgehen; hier steht er als treibende Kraft am Beginn eines jener typisch ovidischen Vorgänge, in denen, wie wir schon oben am Beispiel des Aus-der-Bahn-geworfen-Werdens in der Atalante- Hippomenes-Episode zeigen konnten, etwas Innerseelisches - sei es nun ein Zustand oder eine Entwicklung - nach außen hin sichtbare Gestalt annimmt: 614 Zur Girlande in ihrer ursprünglichen Bedeutung als Schmuck an der Tür der umworbenen Person siehe Cat. 63, 66; Lucr. 4, ; Tib. 1, 2, 13-14; Prop. 1, 16, 7; Ον. am. 1, 6, 38; ars amat. 2, 528; 3, 72; met. 14,

179 Versteinerungsgeschichten: Hermesianax und Ovid vixque bene inpositum lecto prospexerat Iphin, deriguere oculi, calidusque e corpore sanguis inducto pallore fugit, conataque retro ferre pedes haesit, conata avertere vultus hoc quo que non potuit, paulatimque occupat artus, quod fuit in duro iam pridem pectore saxum. Kaum hatte Iphis erblickt sie, gelegt auf die Bahre, starrten die Augen, und schwand das warme Blut aus dem Körper, dem von Blässe befallnen, und beim Versuch, zurück die Füße zu ziehen, hing sie fest, beim Versuch, das Antlitz abzuwenden, gelang ihr auch das nicht, und es besetzte langsam die Glieder der Stein, der schon längst in der harten Brust war." Die Versteinerung ist hier also Manifestation einer immer schon vorhandenen Charaktereigenschaft. An dieser Stelle könnte die Geschichte zu Ende sein, doch Ovid schickt ihr gleichsam als Schlußpointe eine ätiologische Sinngebung hinterher neve ea Ret a putes, domin ae sub imagine Signum servat adhuc Salamis, Veneris quoque nomine templum Prospicientis habet.... Daß du dies nicht für Erfindung hältst, in der Gestalt der Herrin bewahrt ein Standbild bis heut' Salamis, und es hat auch einen Tempel benannt nach der Ausschau haltenden Venus." Zweifellos wird hier auf einen bekannten salaminischen Aphrodite-Kult Bezug genommen - ein Detail, das bei der Widergabe der Hermesianax- Erzählung bei Antoninus Liberalis fehlte -; und man hat angenommen, daß mit der domina des Ovid die im X. homerischen Hymnus als θεά Σαλαμίνος έυκτιμένης μεδέουσα angerufene Schutzpatronin und Herrin der Stadt Salamis gemeint sein dürfte. 615 Die archäologischen Spuren, auf die man sich zur Rekonstruktion des Kultes einer ausspähenden Aphrodite" zu stützen versuchte, sind nicht nur spärlich, sondern auch um einige Jahrhunderte älter als die erste schriftliche Uberlieferung der Parakyptusa-Sage, was eine Verknüpfung erheblich erschwert. Als ältestes Zeugnis gilt ein bronzenes Kesselwagengestell aus Zypern mit Doppelfenstern auf allen vier Seiten, aus deren beiden Öffnungen 615 Cf. Ch. Picard, CRAI 1958, 298.

180 172 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor jeweils ein Frauenkopf mit langen gedrehten Haarlocken herausschaut. 616 Das mit Sicherheit ins 11. Jahrhundert v.chr. datierbare Stück wurde in einem spätmykenischen Grab aus der Nekropole Enkomi, unweit des antiken Salamis, gefunden. Ferner hat man das Fragment eines spätmykenischen Kraters aus Kurion an der Südküste Zyperns angeführt, auf dem mehrere, im Profil dargestellte Frauengestalten in voller Größe in fensterähnlich abgeteilten, jeweils zu Vierergruppen zusammengefaßten Rechtecken zu sehen sind. 617 Aus dem Vorderen Orient und dem babylonisch-assyrischen Raum gibt es zahlreiche Darstellungen weiblicher Köpfe mit Hathorlocken auf den Elfenbeinpaneelen aus Nimrud, 618 Khorsabad, Arslan-Tash und Samarien aus der Zeit zwischen 850 und 700 v.chr, bei denen das Fenstermotiv durch das architektonische Detail einer kleinen Säulenbalustrade unmißverständlich herausgearbeitet ist. 619 R. Herbig war der Erste, der in den Frauen im Fenster" Tempelhetären erkannte, die im Dienste der phönikischen Astarte bzw. einer ähnlichen Göttin auf Zypern, die er durch das Epitheton Parakyptusa" bezeichnet glaubt, mit der Geste des Ausspähens Liebhaber anzuziehen suchten. Das scheint um so näher zu liegen, als es Fensterdarstellungen auch von Astarte selbst, ferner auch von der kyprischen Aphrodite in den Nachbildungen ihres Taubentempels gibt. 620 Ausgehend von den Berichten des Pausanias 1, 14, 7 und Herodot 1, ist man sich weitgehend einig darüber, daß der mit sakraler Prostitution verbundene Kult der Aphrodite Urania vom Orient aus, höchstwahrscheinlich durch die Vermittlung der Phöniker aus Askalon, nach Zypern gelangte. 621 Da aber die phönikische Kolonisation Zypern erst im 9. Jh. erreicht hat, 622 können wir über die Bedeutung der Frauendarstellungen auf den beiden oben erwähnten kyprischen, aus der Zeit der 616 Dazu s. A.S. Murray - H.B. Walters - A.H. Smith, Excavations in Cyprus, London 1900, 10, Abb. 18; A. Furtwängler, Sitz. Ber. Bay. Ak., Phil. Hist. Kl. 1899, 2, 413 ff.; F. Poulsen, Arch. Jahrb. 26, 1911, 232 ff.; H.W. Catling, Cyprian Bronze Work in the Mycenean World, 1964, Murray-Walters-Smith, Excavations in Cyprus, 73, Abb. 127; F. Poulsen, Arch. Jahrb. 26, 1911, 232 f. Abb. 16, R. Herbig, OLZ 30, 919, Abb Siehe besonders R.D. Barnett, A Catalogue of the Nimrud Ivories, with other examples of Ancient Near Eastern Ivories, London 1957, 118 u Cf. R. Laffineur, L'orfevrerie rhodienne orientalisante, Paris 1978, 56 mit weiterführenden Literaturhinweisen. 620 Cf. R. Herbig, OLZ 11, 1927, Cf. E. Langlotz, Aphrodite in den Gärten (Sitzungsberichte der Heidelb. Akad. der Wiss., phil.-hist. Klasse, Jg. 1953/54, 2. Abh.), Heidelberg 1954, 28; W. Fauth, Hierodulie", RAC 15, 1989, 75; vgl. auch H. Hertcr, Die Ursprünge des Aphroditekultes", in: Kleine Schriften, hrsg. v. E. Vogt, München 1975, 35/ Cf. W. Burkcrt, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, 239.

181 Versteinerungsgeschichten: Hermesianax und Ovid 173 achäischen Einwanderer stammenden Fundstücke wenig sagen. Immerhin gibt es für die Importierung des Motivs der Frau im Fenster" in Verbindung mit Astarte durch die phönikischen Einwanderer einen klaren Beleg, auf den schon W. Fauth in seiner Studie über die Aphrodite Parakyptusa" hingewiesen hat: 623 Auf den fünf Goldblechen eines Armbands aus der Zeit um 900 v.chr., das von der "Swedish Cyprus Expedition" in Lapethos gefunden wurde, 624 wird die innere Dreiergruppe von Darstellungen der Frau im Fenster" mit der bekannten ägyptischen Frisur eingenommen, während die äußeren Bleche die orientalische Nackte Göttin" mit erhobenen Armen zeigen. Angesichts der Tatsache, daß es den Bildtypus der Astarte im Fenster" gibt 625 und daß in Lapethos ein Astarte-Heiligtum existierte, 626 wird man W. Fauth wohl zustimmen können, wenn er sich dafür ausspricht, daß hier die Identität der Frau im Fenster" mit der «Deesse Nue» demonstriert wird. 627 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Abbildung eines geflügelten Hathorkopfes oberhalb einer als Tierherrin stilisierten Astarte auf der runden Plakette eines Pferdezaumzeugs aus dem auslaufenden 8. Jh. v.chr., das in einem Grab der Nekropole Enkomi-Salamis mit deutlich orientalisierenden Beigaben 628 gefunden wurde. 629 Wird vielleicht auch hier eine Identität der beiden Gestalten nahegelegt? Auf die weiteren Beispiele, die W. Fauth als repräsentativ für den Bildtypus der Frau im Fenster" anführt, möchte ich hier nicht näher eingehen. 630 Sie deuten allesamt auf eine Fruchtbarkeitsgöttin, sei es Astarte oder Aphrodite Urania, deren Darstellung im Fenster oder auch in einer Türnische 631 die typische Stellung ihrer hetärischen Dienerinnen widerspiegelt Cf. W. Fauth, Aphrodite Parakyptusa. Untersuchungen zum Erscheinungsbild der vorderasiatischen De a Prospiciens, Mainz 1967, 353. Swedish Cyprus Expedition ( ) 1, 1934, 187/188 Tf (Tomb 403). Cf. R. Herbig, OLZ 11, 1927, 920 verweist auf ein Steinrclief aus dem Hauran, s. auch Abb. 6. Cf. Honeyman, Museon 51, 1938, 295. Cf. W. Fauth, Aphrodite Parakyptusa, 353. St.M. Lubsen-Admiraal - J. Crouwel, Cyprus & Aphrodite, s'-gravenhage Cf. J. Karageorghis, La grande deesse et son culte, Lyon 1977, 161; V. Karageorghis, Excavations in the Necropolis of Salamis III, Nicosia , pi. LXXXIX. W. Fauth, Aphrodite Parakyptusa, Siehe ein Räuchergefäß aus Kition-Larnaka, das von M. Ohnefalsch-Richter, Kypros, die Bibel und Homer, Berlin 1893, 168 f. 287 als Miniatur eines mit Fluglöchern versehenen Taubenturms gedeutet wurde, in dessen Türnische die kyprophönizische Taubengöttin Aphrodite-Astarte zu sehen sei. Vgl. auch R. Herbig, OLZ 11, 1927, 920.

182 174 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor Wie kommt es aber dazu, daß die Stein gewordene Jungfrau der salaminischen Lokalsage gerade das Gegenteil einer freimütig Liebeserfüllung Gewährenden ist? Ist etwa das Motiv des hartherzig-erbarmungslosen Blickens bloß eine späte Fiktion, die den ursprünglichen Sinn des Sich- Zeigens am Fenster, den der verführerischen Anlockung nämlich, bewußt verkehrt oder gründlich mißversteht? W. Fauth hat die Sage als interpretatio Graeca eines nicht mehr verstandenen Brauches aufgefaßt, mit der man im Zuge der zunehmenden Gräzisierung des Aphroditekultes auf Zypern, zu der auch das Ausrotten spezifisch phönizischer Elemente wie der Tempelprostitution gehörte, die an das Fenster" geknüpfte Form ihrer Verehrung im nachhinein ätiologisch zu deuten versuchte. 632 Für diese Deutung spricht auch, daß in der bei Antoninus Liberalis überlieferten Version des Hermesianax der verachtete Liebhaber ein Phöniker, die hartherzige Jungfrau dagegen die Tochter des Stadtkönigs ist, die, ganz im Sinne einer Ablehnung des Hierodulentums, dem Wesen der Fenstergöttin" in ihrer Eigenschaft als Patronin der Liebeserfüllung gerade entgegen handelt. Sieht man also in der Erzählung von der salaminischen Jungfrau den Versuch, eine nicht mehr verstandene oder auch verabscheute Eigenheit im Kult einer Göttin nachträglich zu erklären, so sind ihr die Propoitiden- Sage bei Ov. met. 10, 238 ff. und die Kinyraden-Sage bei Apollod. 3, 182 und Plut. Maxime cum princ, philos. 2, 777 D an die Seite zu stellen, wo die Prostitution dieser Königstöchter, die ursprünglich nichts anderes ist als der Ausdruck des von Herodot in Babylon und auf Zypern lokalisierten Brauchs der öffentlichen Preisgabe junger Mädchen vor ihrer Heirat, 633 in interpretatio Graeca als eine von Aphrodite verhängte Strafe erklärt wird. Nun gibt allerdings im Falle der Parakyptusa" der merkwürdige Ubergang der Epiklese von der Sterblichen auf die Göttin nach wie vor Rätsel auf. Ausgehend von Plutarch, amat. 20, 766 D, wo das Schicksal des kyprischen Mädchens mit dem der kretischen Gorgo" in Verbindung gebracht wird, hat man versucht, die Ambivalenz der versteinernden und steingewordenen Gorgo als Erklärung heranzuziehen. 634 Kult und ätiologische Tradition wären dann doch nicht so disparat, wie das erste Interpretationsmodell es nahe legt, und man müßte einen hartherzig-grausamen Zug auch auf Seiten der Göttin im Fenster" annehmen Cf. W. Fauth, Aphrodite Parakyptusa, 362. Cf. Hdt. 1, 199, 1-5. Cf. W. Fauth, Aphrodite Parakyptusa, 9.

183 Versteinerungsgeschichten: Hermesianax und Ovid 175 Einem späten Autor wie Nonnos bereitet es, wie wir gesehen haben, keine Schwierigkeiten, Hymnos in seiner Abschiedsklage das erbarmungslose Meer und Felsen in einem Atemzug als mögliche Ursprungselemente Nikaias nennen zu lassen. Daß bei dieser Anspielung auf Aphrodites Geburt aus dem Wasser der Ton auf dem grausamen Zug des Meeres zusammen mit der Erwähnung von Felsgestein, mit dem man ja Härte und Kälte verbindet, Nikaia als Exponentin einer unbarmherzig-fühllosen Göttin erscheinen muß, hatten wir bereits erwähnt. Der Zug, der hier im Bild des Felsgesteins eingefangen ist, gehört aber schon von jeher zum Profil jener machtvollen Natur- und Fruchtbarkeitsgöttin, die wir in der Einleitung durch die Aphrodite des V. homerischen Hymnus und die Kirke aus der Odyssee vertreten sahen. Dort wurde auch auf das Motiv der Schädigung des Liebhabers" hingewiesen, das in immer neuen Varianten in all jenen Geschichten auftritt, die exemplarisch die Willkür der Göttin im Umgang mit einem sterblichen, und schon allein deshalb inferioren, Partner zeigen. Wir erinnern noch einmal an die Reaktion des Gilgamesch, als er der Göttin Ischtar auf ihren Antrag hin in einer langen Liste vorhält, wie sie ihre vergangenen Liebhaber bis hin zur Verwandlung in Tiere erniedrigt habe, 635 an die Angst des Anchises, als er in seiner Geliebten die Göttin Aphrodite erkennt, 636 sowie an die rohen Gepflogenheiten der Göttin Kirke im Umgang mit ihren Besuchern. Die Kastration, vor der sich Anchises fürchtet und die Odysseus mit Hilfe des Hermes vermeiden kann, war in den Kulten der De a Syria Atargatis von Hierapolis-Bambyke und der phrygischen Kybele nach dem Beispiel des Attis ein gängiger Brauch. Der Atargatis wurden nach Lucians Bericht sogar Menschenopfer dargebracht. 637 Wie sollte da nicht einer hetärischen Göttin, die höchstwahrscheinlich durch Vermittlung der Phöniker aus dem Orient nach Zypern kam, ein ähnlich grausamer Zug eigen gewesen sein? Wenn wir nun den Vergleich mit dem Mädchen der kyprischen Sage versuchen, ist das tertium comparationis eben die erbarmungslose Härte, mit der beide, Jungfrau und Göttin, ihre Machtposition beweisen wollen; die eine, indem sie sich versagt, die andere durch ihre Willkür. Was auch immer ihr kultischer Hintergrund sein mag, die Sage von der salaminischen Jungfrau war uns ein weiteres Beispiel für die weite Verbreitung des genuin griechischen Gedankens von der zürnenden Aphrodite, die jeden straft, der sich ihrem Imperativ stolz zu entziehen sucht. 635 Cf. Das Gilgamesch Epos. Eingeführt, rhythmisch übertragen und mit Anmerkungen versehen von H. Schmökel, 2. Aufl., Stuttgart 1971, Cf. h. Ven Vgl. oben, Cf. Luc. Syr.D. 58.

184 176 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor IV. 4. Die Rache der unerhört Liebenden Der Topos erhält eine etwas andere Akzentuierung, wenn die Betrachtung weniger auf den direkten Konflikt zwischen der Göttin und ihrem Verächter sich richtet, sondern von den leidtragenden Dritten, den unerhört Liebenden, ihren Ausgang nimmt. So wendet sich beispielsweise die von Aeneas verlassene Dido mit ihren Bitten an einen Anwalt göttlicher Prägung, dessen Existenz und Identität jedoch durch einen Konditionalsatz als eher fragwürdig hingestellt werden (Verg. Aen. 4, 520 f.): si quod non aequo foedere amantis / curae numen habet - wenn sich dessen, der liebt in ungleichem Bunde, sorgend annimmt ein Gott, gerecht und mit gutem Gedächtnis." Der Wunsch nach Genugtuung, der in Didos Verhalten sich äußert, wurzelt in der Auffassung von Liebesverrat als einer juridischen Angelegenheit. Schon bei Sappho und Theognis begegnet der Gedanke, einem Liebenden, dessen Worte auf taube Ohren stoßen, geschehe Unrecht; 638 und daß auch der Treuebruch, wohl noch in weitaus größerem Maße, als schwerwiegende άδικία galt, wird in Euripides' Medea durch die Versicherung des Chores bestätigt, die von Iason Verratene werde in Zeus einen Anwalt finden (E. Med. 158): Ζευς σοι τάδε συνδικήσει. 639 Es lag nun nahe, das Phänomen der verschmähten Liebe, wenn es schon so entschieden als Unrecht aufgefaßt wurde, in den Zuständigkeitsbereich einer ganz bestimmten Gottheit hineinzustellen. Das konnte Aphrodite sein, noch häufiger freilich Eros, insbesondere in seiner Ausprägung als Anteros, in der ihm in Athen ein Altar errichtet wurde. Die von Pausanias mit diesem Altar verknüpfte ätiologische Sage zeichnet in klaren Umrissen einen Rache-Eros: 640 Der Metöke Timagoras habe um die Gunst des Atheners Meies geworben, sei aber schroff abgewiesen, ja sogar dazu aufgefordert worden, sich von einem Felsen zu stürzen. Nachdem Timagoras, wohl wider Erwarten seines Peinigers, sich auf diese Weise zu Tode gebracht habe, sei Meies ihm zerknirscht und von Reue ergriffen nachgefolgt. Seither werde der Rachegeist des Timagoras von seinen Standesgenossen in Gestalt des Gottes Anteros verehrt. Das Wirken der rächenden Gottheit ist vielfältig. Hier weckt sie das Schuldbewußtsein des zunächst so Überheblichen; sie kann aber auch die Strafe unmittelbar vollstrecken, wie in jenem pseudo-theokriteischen Gedicht XXIII, in dem ein Jüngling, der, ungerührt noch vom Tod eines 638 Cf. Sappho 1, 1 (L.-P.), v τις σ' ώ Ψάπφ', άδικήει; und Theognis 1283 ώ παΐ, μή μ' άδίκει. 639 Ygj g Gentiii, II Letto Insaziato di Medea e il tema dell'adikia a livello amoroso nei lirici (Saffo, Teognide) e nella Medea di Euripide", St. CI. e. Or., 21, 1972, Cf. Paus. 1, 30, 1.

185 Die Rache der unerhört Liebenden: Ovid, Metamorphosen 3, älteren Verehrers, zu sportlichen Wettkämpfen mit seinen Freunden sich begibt, beim Baden von einer herabfallenden Eros-Statue erschlagen wird, oder den Widerstrebenden seinerseits mit einer irgendwie unglückseligen Leidenschaft erfüllen. Die Beispiele für die letzte Variante mögen aus einer Urerfahrung erwachsen sein, die ein unbekannter Sprecher in Euripides' Stheneboia so formuliert (frg. 665 Kannicht): νουθετουμενος δ' έρως μάλλον πιέζει - Unterdrückte Leidenschaft bedrängt um so mehr." Was hier als psychologisches Phänomen erfaßt wird, kann ebensogut auch in mythologischen Erzählformen seinen Ausdruck finden. Mit Daphnis, dem Begründer der Bukolik, der in Theokrits erstem Idyll als Folge seiner Verachtung gegenüber Aphrodite von einer verzehrenden Leidenschaft heimgesucht wird, hatten wir uns oben schon ausgiebig beschäftigt. Doch während er das Trotzige, Widerständlerische seiner Auflehnung gegen Aphrodite bis zum Schluß beibehält, ist Narziß aus Ovids Metamorphosen ein Beispiel dafür, daß eine rächende Gottheit, in seinem Fall im Dienste eines Verschmähten, eine Persönlichkeit durchaus auch völlig vernichten kann. IV. 4. a) Ovid, Metamorphosen 3, Wenn die mythologische Tradition Daphnis von einer Nymphe abstammen und unter Nymphen aufwachsen ließ, 641 so ist Narziß bei Ovid der Sohn und Bruder von Wassernymphen, Najaden, 642 und diese wesenseigene Verbindung mit dem feuchten Element wird ihn später auf grausame Weise einholen. Zunächst jedoch wird auch er in den bereits bekannten Kategorien des keuschen Jägers geschildert, wenn es heißt, daß er auf einem einsamen Streifzug durch den Wald die Liebe der Nymphe Echo erregte. 643 Echo, die nur bereits gesprochene Worte wiederholen kann, ist auf seine Initiative angewiesen, und ausgehend von der Frage des Vereinzelten nach seinen zurückgebliebenen Begleitern - ecquis adest? - entspinnt sich ein Wortwechsel, der im Wunsch des Narziß, sich zu treffen - coeamus- ausmündet. Als Echo das Wort im Sinne einer Aufforderung zur Liebesvereinigung mißversteht, wird sie von Narziß harsch abgewiesen und härmt sich in ihrem Kummer so sehr ab, daß sie schließlich zur körperlosen Stimme wird Cf. Aelian, V.H. 10, 18; Serv. ad Verg. Buc. 5, 20; vgl. auch Theokr. id. 1, 141 τόν ού Νύμφαισιν άπεχθή. Cf. met. 3, ; Cf. met. 3,

186 178 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor sed tarnen haeret amor crescitque dolore repulsae: attenuant vigiles corpus miserabile curae, adducitque cutem macies, et in aera sucus corporis omnis abit; vox tantum atque ossa supersunt: vox manet; ossa ferunt lapidis traxisse ßguram. Aber es bleibt doch die Liebe und wächst noch aus Schmerz der Verschmähten, es verzehren den elenden Leib die nächtlichen Sorgen, Magerkeit zieht zusammen die Haut, und es schwindet des Körpers ganzer Saft in die Luft; nur Stimme und Knochen sind übrig: Vor hält die Stimme; die Knochen, sagt man, sind Stein geworden." Echo, deren Schicksal hier ausführlich geschildert wird, ist freilich nur eine von vielen Zurückgewiesenen, und so wird denn auch die Forderung nach Rache nicht ihr, sondern einem enttäuschten männlichen Verehrer in den Mund gelegt (405): sic a met ipse licet, sic non potiatur amatol Als Vollzieherin der Rache entfacht Nemesis, auch hier wieder in einem Moment verhängnisvoller Rast an einer kühlenden Quelle, die Liebe des Narziß zu seinem eigenen Spiegelbild im Wasser. Die leidenschaftliche Fixierung auf das eigene Ich zehrt ihn, ähnlich wie vorher Echo, völlig aus: non tulit ulterius, sed, ut intabescere ßavae igne levi cerae matutinaeque pruinae sole tepente solent, sic attenuatus a more liquitur et tecto paulatim carpitur igni, et neque iam color est mixto candore rubori nec vigor et vires et quae modo visa placebant, nec corpus remanet, quondam quod amaverat Echo. Länger ertrug er's nicht, sondern, wie zu schmelzen pflegt gelbes Wachs an leichtem Feuer und Morgentau an warmer Sonne, so vergeht er, von Liebe geschwächt, und allmählich wird er verzehrt von verborgenem Feuer und hat schon nicht mehr die Farbe, gemischt aus Weiß und Rot, und auch nicht Schwung und Kräfte und alles, was eben gefiel, als sie's sahen, noch blieb übrig der Leib, den einstmals geliebt hatte Echo." Gemeinsam ist den geschilderten Vorgängen einer allmählichen Auszehrung die durch Formen von attenuare ausgedrückte Verdünnung" bis hin zur Körperlosigkeit, die sinnfällig einen Persönlichkeitsverlust demonstriert.

187 Die Rache der unerhört Liebenden: Anthologia Palatina XVI 251 und XII Die Schicksale der beiden glücklos Liebenden sind jedes auf seine Weise Beispiele für die Folgen einer unausgewogenen Haltung zum eigenen Ich. Echo ist so wenig sie selbst, daß sie nur resonieren", nur reagieren kann. Diesem Mangel an eigener Substanz, diesem bloß auf die Umwelt Bezogen- und von ihr Abhängigsein steht auf Seiten des Narziß die ausschließliche Fixierung auf sich selbst gegenüber. Die Fremdbestimmte endet als körperlose Stimme, der Egozentriker als zarte Blume, denn als Personen hatten sie keinen Bestand. Beide Verfaßtheiten sind Grenzüberschreitungen, die den Verlust eines ausgleichenden Gegenpoles mit sich bringen und dadurch die Lebensfähigkeit beeinträchtigen. Wer ganz in der Umwelt aufgeht, hat ihr nichts eigenes mehr entgegenzusetzen. Wer dagegen nur sich selbst bespiegelt, ist unfähig, die Außenwelt als solche wahrzunehmen und mit ihr in Kontakt zu treten. 644 Die fatale Selbstliebe des Narziß war ihm von einem Enttäuschten angewünscht worden. In zwei Epigrammen aus der Anthologia Palatina richtet sich das Verlangen derer, die Liebesqualen durchleiden müssen, unmittelbar auf den Verursacher dieser Qualen, auf Eros: IV. 4. b) Anthologia Palatina XVI 251 und XII 144 A.P. XVI 251 Πτανω πτανόν Έρωτα τ [ς άντίον έπλασ' Έρωτι; Ά Νέμεσις, τόξω τόξον άμυνομένα, ώς χε πάθτ) τά γ' έρεξεν ό δέ θρασύς, ό πριν άταρβής, δακρύει, πικρών γευσάμενος βελέων, ές βαθύν χρίς κόλπον άπέπτυσεν. r A μέγα θαϋμα, φλέξει τις πυρί πΰρ ήψατ' Έρωτος Έρως. Wer hat geflügeltem Eros geschaffen geßügelten Gegner? Nemesis war's, als sie schlug Bogen mit Bogen zurück, daß, was er wirkt', er nun leide. Der Kühne jedoch, der ehmals Unerschrockene weint, kostend den bitteren Pfeil, dreimal spuckt' er in weite Gewandesfalte. Ο Wunder, Brand wird Hammen von Brand, Eros hat Eros gepackt. In diesem, von einem unbekannten Verfasser stammenden Gedicht wird der Anteros-Gedanke leicht abgewandelt, ja zugespitzt. Galt Anteros in 644 Ähnlich auch H. Frankel, Ovid: A Poet between two worlds, Berkeley and Los Angeles 1945, 84-5: "While Narcissus was caught in the net of mere sameness and was touched by nothing but his own unsubstantial reflection, Echo is mere otherness and is herself only an unsubstantial reflection. He is too much prepossessed with his own self to share it with others, and she has no self of her own which she might share."

188 180 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor der Regel nach der oben angeführten ätiologischen Erzählung zu seinem Altar in Athen als der Rachegeist eines Verschmähten, der das hochmütige Abweisen von Liebeswerben straft, so wird er nun als rächender Dämon dem Eros selbst, gleichsam als Dämpfer ungezügelten Mutwillens, gegenübergestellt. Ins Leben ruft das neue Wesen Nemesis, und das im Einklang mit ihrer Funktion, immer dann einzugreifen, wenn jemand, und sei es auch ein Gott, ähnlich wie der Kroisos des Herodot, sich allzu selbstgewiß über göttlich veranlaßtes Unheil erhaben fühlt. Das Speien in den Gewandbausch, mit dem der verstörte Eros auf sein Unglück reagiert, ist ein konventioneller übelabwehrender Gestus. Hier dient er dazu, die Göttin Nemesis versöhnlich zu stimmen, mit der er ausgehend von seinem Auftreten als ikonographisches Detail ihrer Doppelstatue in Smyrna immer häufiger unmittelbar in Verbindung gesetzt wurde. 645 Sieht man einmal von der Zutat der Nemesis ab, so wird man zugestehen, daß das Motiv der Verliebtheit einer Liebesgottheit so alt ist wie der homerische Aphrodite-Hymnus. Bei seiner Übertragung von Aphrodite auf ihren Sohn mag der anonyme Dichter von dem im Hellenismus weit verbreiteten Bild-Typus des trauernden Eros beeinflußt gewesen sein. 646 In Sprache gefaßt, findet sich die Vorstellung bei Ovid, am. 3, 9, wo wir Amor den verstorbenen Elegiker Tibull mit entleertem Köcher, zerbrochenem Bogen und lichtloser Fackel, mit herabhängenden Flügeln und reichlich fließenden Tränen beklagen sehen. Beide Motive, ausführlich beschriebene Trauergestik und Verliebtheit des Eros, sind allerdings schon in einem Epigramm des syrischen Dichters Meleager vereint: A.P. XII 144 Τί κλαίεις, φρενολτ]στά; τΐ δ' αγρία τόξα χαΐ Ιούς έρριψας διφυή ταρσόν άνείς πτερύγων; ή >ά γε χαΐ σέ ΜυΙσκος ό δύσμαχος δμμασιν αΐθει; ώς μόλις, οϊ' έδρας πρόσθε, παθών Ιμαθες. Warum weinst du, Verstandesdieb? Was warfst du den wilden Bogen und Pfeile hinweg, lassend die Flügel nun schlaff? 647 Sengt denn auch dich Myiskos, schwer zu bekämpfen, mit Blicken? Daß du mit Schmerz, was du tatst vormals, erleidend gelernt. 645 Cf. LIMC VI, 1, s.v. Nemesis, 756. Vgl. auch A.P. XII 229, 1-2 Ώς άγαθή θεός έστι, δι' ήν ύπό χόλπον, "Αλεξι, / πτυομεν υστερόπουν άζόμενοι Νέμεσιν. (Straton). 646 Cf. Meleagro. Epigrammi, a cura di G. Guidorizzi, Milano 1992, 128 Anm. 101: Statuette di Eros triste sono caratteristiche della coroplastica ellenistica; un altro esempio tipico e l'affresco pompeiano che si trova nella casa dell'amore." 647 Aus metrischen Gründen wurde diese freie Übersetzung gewählt. Wörtlich: die doppelgestaltige Fläche der Flügel erschlaffen lassend".

189 Der Gott der Gegenliebe: Eunapios von Sardes, Vita Iamblichi 181 Wie in seinen Versen auf den steckbrieflich gesuchten Eros, der schließlich in den Augen einer der Geliebten des Dichters, Zenophila, gesichtet wird, 648 so gibt Meleager auch hier der Beschreibung eines mythischen Geschehens, in diesem Falle der Verstrickung des Eros in Leidenschaft, eine persönliche Wendung: Es ist des Dichters Lieblingsknabe Myiskos, der den Gott mit seinen Blicken betört. Die Lektion, die Eros erteilt wird, ist in diesem und in dem anonymen Epigramm die gleiche: Er soll leidend und passiv erfahren, was er bisher nur bei andern bewirkt hat. 649 IV. 5. Der Gott der Gegenliebe bei Eunapios von Sardes, Meleager von Gadara und Themistios Die oben behandelten Geschichten hatten allesamt den Wunsch nach Genugtuung unerhört Liebender zum Gegenstand. Dabei war jene Kraft, die Quälende zu Leidenden werden ließ, durchweg als etwas göttliches erschienen und zuweilen mit dem Namen Anteros benannt worden. Anteros kann aber neben der für unsere Belange besonders interessanten Ausprägung als Rache-Eros auch einfach nur Gegenliebe verkörpern. In Piatons Phaidros 255 d erklärt Sokrates seinem Gefährten, wie das Gefühl der Gegenliebe im Herzen desjenigen, der geliebt wird, zustande kommt: Und zwar wenn dieser (der Liebende) anwesend ist, wird er gerade so wie dieser von Schmerz frei; wenn er aber abwesend ist, so sehnt er sich wieder geradeso, wie er ersehnt wird, der Liebe Abbild, die Gegenliebe, in sich tragend" - τό Έρωτος εΐδωλον άντέρωτα έχων. Ob Piaton hier beabsichtigte, das Gefühl, das im Geliebten erweckt wird, zu vergöttlichen, sei dahingestellt. Immerhin hat seine Anwendung des εΐδωλον-gedankens auch auf den Bereich der Liebe so viel Anklang gefunden, daß Plutarch sich in seiner Vita Alcibiadis, als er die allmähliche Entstehung eines erwidernden Gefühls auf seiten des Sokrates-Lieblings beschreibt, ausdrücklich auf Piaton beruft: έλάνθανεν εΐδωλον έρωτος, ώς φησιν ό Πλάτων, άντέρωτα κτώμενος. 650 Haben wir es hier mit rein abstrakten Begriffen zu tun, so werden Eros und Anteros in einer Anekdote, die Eunapios von Sardes (um n.chr.) in den Βίοι φιλοσόφων και σοφιστών erzählt, 651 zu einem 648 Cf. A.P. 5, Vgl. A.P. 16, 251, 3 ώς κε πάθηι τά γ' ϊρεξεν mit 12, 144, 4 ώς μόλις, of ϊδρας πρόσθε, παθών ϊμαθες. 650 Cf. Plut. Ale. 4, Philostratus and Eunapios. The Lives of the Sophists, w. an engl, transl. by W.C. Wright, London 1952,

190 182 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor mit Händen greifbaren Paar: Der Philosoph Iamblich kam einmal mit seinen Schülern zu den warmen Quellen von Gadara in Syrien. Als sie beim Baden auf einem Wunderzeichen von ihm bestanden, ließ er sie die Einheimischen nach dem Namen zweier kleinerer Quellen befragen. Ihre Namen, Eros und Anteros, nahm er zum Anlaß für einen Beweis seiner magischen Fähigkeiten, indem er aus der einen Quelle einen blonden Knaben, aus der anderen, gleichsam als Pendant des ersten, einen schwarzhaarigen entsteigen ließ. Die beiden schmiegten sich an ihn, als sei er ihr Vater, bis er jeden von ihnen wieder seinem Ursprung zuführte. Die genaue örtliche Festlegung der Geschichte, wie auch die Nennung der beiden Quellen läßt darauf schließen, daß hier eine Lokaltradition im Hintergrund steht. Einen möglichen Niederschlag der gleichen Tradition hat man auch in einem Epigramm des Meleager, der ja aus Gadara stammte, gesehen: 652 A.P. 12, 165 Λευκανθής Κλεόβουλος, ό δ' άντία τοϋδε μελίχρους Σώπολις, ot δισσοί Κύπριδος άνθοφόροι. τοΰνεκά μοι παίδων έπεται πόθος ot γαρ "Ερωτες πλέξειν έκ λευκοϋ φασί με χαΐ μέλανος. Weiß blühend ist Kleobulos, doch schwarzhäutig ihm entgegen Sopolis, beide sind Träger der Blüten Kypris'. Daher kommt mir nach Knaben das Sehnen, denn die Eroten, sie sagen mir, aus weiß solle ich flechten und schwarz. Die beiden Kontrastfarben schwarz und weiß, kennzeichnend auch für Eros und Anteros aus der Erzählung des Eunapios, werden hier zum Anlaß vielfältiger Assoziationen: Sie sind charakteristisch für zwei Lieblinge des Dichters, sind aber auch die Farben, aus denen die Eroten - und hierin mag sich die Anspielung auf die Lokaltradition von Gadara verbergen - den Dichter flechten heißen. Gemeint ist prima facie wohl das Flechten von Kränzen aus weißen und schwarzen Blüten als Metapher für das Ineinanderwinden von Worten zu Versen, doch da die Knaben selbst mit Blumen verglichen werden, klingt auch ihr fiktives Miteinander-Verflechten zu Liebesbeziehungen in den Gedichten an. Als besondere Pointe scheint in der Verbindung von schwarz und weiß ein Wortspiel auf den Namen des Meleagros enthalten, der ja selbst aus schwarz", μέλας, und weiß", αργός, besteht. Etwa zur gleichen Zeit wie Eunapios läßt auch Themistios das mythische Gespann zur Geltung kommen. In seinem Προτρεπτικός werden die 652 Cf. J. Geiger, Eros und Anteros. Der Blonde und der Dunkelhaarige", Hermes 114, 1986,

191 Der Gott der Genugtuung bei Seneca, Tibull und Ovid 183 beiden zur Illustration seiner These herangezogen, daß Philosophie und Rhetorik sich gegenseitig ergänzen und befruchten: Aphrodite, besorgt über die Kleinwüchsigkeit ihres Sohnes Eros, gebiert ihm auf Rat der Themis in Delphi einen Bruder, Anteros, und von nun an ist das Wachstum ihres ersten Sohnes abhängig von der Intensität der Gegenwart seines Bruders: δεΐται δέ άε'ι τάδελφοϋ συνόντος, και μέγαν μέν έκεϊνον όρων μείζων φαίνεσθαι φιλονεικεϊ, σμικρόν δέ καΐ όλίγον φωράσας πολλάκις ουδέ έθέλων άπομαραίνεται. 653 Daß Eros und Anteros hier ein Brüderpaar bilden, ist Ausläufer einer langen Tradition. Ein weitaus früheres Beispiel war uns schon in der Bezeichnung Cupidos als geminus im ersten Canticum von Senecas Phaedra begegnet. 654 Die Frage nach der Identität des hier mit implizierten, aber namentlich nicht erwähnten Bruders führt uns zum Abschluß noch einmal in den Bereich der römischen Dichtung: IV. 6. Der Gott der Genugtuung bei Seneca, Tibull und Ovid Der poetische Singular zur Benennung eines Brüderpaares findet sich auch im Zusammenhang mit den Zwillingen Castor und Pollux. 655 Geminus muß freilich nicht unbedingt Zwilling" heißen, 656 und so können wir der Formulierung Senecas nicht viel mehr als den unbestimmten Hinweis auf ein brüderliches Pendant zu Cupido entnehmen. Dem Römer nachaugusteischer Zeit - und nicht nur ihm, findet sich doch die gleiche Wendung schon in Ovids Fasten muß dagegen die Vorstellung einer Zweizahl von Liebesgöttern derart geläufig gewesen sein, daß es ihrer näheren Ausführung nicht bedurfte. Auf der Suche nach der Identität des in den Fasten genannten Brüderpaars hat A. Wlosok, ausgehend von den beiden Bezeichnungen für den römischen Liebesgott, Cupido und Amor, von denen die eine der nachweislich ältere Kultname, die andere dagegen eine rein literarische Schöpfung ist, 658 eine Zweiheit zu rekonstruieren versucht, die sinnliches Begehren, cupido, und eine eher gemüthafte Hingabe an die geliebte Person, amor, 653 Cf Themistios, Προτρ. Nix. 305 a-c Cf. Sen. Phae. 275; s. oben, 100. Coffey-Mayer (1990) ad. Joe. verweisen auf Hör. carm. 3, 29, 64 geminus... Pollux; vgl. auch V. Fl. 2, 427 gemino a Castore. Siehe ferner Ov. Fast. 4, 810 gemino sub duce, auf Romulus und Remus bezogen. Cf. OLD 756 s.v. geminus. Cf. Ov. Fasten 4, 1 (über Venus): Geminorum mater Amorum. Cf. A. Wlosok, "Amor and Cupid", HSCPh 79, 1975,

192 184 Eros-Feindschaft Zürnende Göttin und deus ultor umfaßt. 659 In ihrer Argumentation stützt sie sich auf einzelne Stellen insbesondere bei den Komikern Afranius 660 und Plautus, in dessen Curculio einmal Phaedromus sagt, er gehe quo Venus Cupidoque imperat / suadetque Amor. 661 Die Festlegung der Sphäre triebhaften Zwanges auf Venus und Cupido, die hier begegnet, ist aber keineswegs eine allgemeingültige. Namentlich bei Seneca stößt eine solche Deutung, wie Wlosok selber einräumt, 662 auf unüberwindliche Schwierigkeiten, sind doch im ersten Canticum der Phaedra Cupido und Amor austauschbare Namen für ein und denselben, die ganze Natur beherrschenden Trieb zur Paarung; und so wird denn auch die treibende Kraft, die die punischen Löwen erregt, ausgerechnet Amor genannt (v. 348/49): Poeni quatiunt collaleones / cum movit Amor. Von einer Andeutung des gemütsbetonten Zwillingsbruders Amor als Gegengewicht zum triebhaften Cupido durch die Formulierung geminus Cupido zu Beginn des gleichen Liedes kann also nicht die Rede sein -; viel näher liegt es, an ein Zurückgreifen auf populäre Vorstellungen von der Zwiefalt des Liebesgottes insbesondere im Bereich der Tragödie zu denken. An erster Stelle steht hier die euripideische Idee des zweifachen Eros", die wir im II. Teil schon ausführlich behandelt haben. Dort waren wir bei der Besprechung des I. Stasimons der Iphigenie in Aulis bezeichnenderweise den zwiefachen Pfeilen" - δίδυμ' [α]... τόξ[α] - des Eros begegnet, von denen der eine auf ein glückliches Leben - έπ' εύαίωνι πότμω - der andere dagegen auf die Zerrüttung des Daseins - έπϊ συγχύσει βιοτας - abzielt. Ist bei diesem Beispiel nur von zweierlei Geschossen des Eros die Rede, so kennt Euripides auch schon die Aufspaltung des Gottes selbst in zwei Personen, wie das Fragment 661, (Kannicht) aus der Stheneboia beweist, das wir der Anschaulichkeit halber noch einmal hierher setzen wollen: tδιπλοί γάρ έρωτες έντρέφονται χθονί:]" ό μέν γεγώς έχθιστος εις "Αδην φέρει, ό δ' είς τό σώφρον έπ' άρετήν τ' αγων έρως, ζηλωτός άνθρώποισιν, ών εΐην έγώ. 663 Ein erstrebenswerter Eros, der zu Besonnenheit und Tugend führt, wird einem verderblichen, in den Hades treibenden, gegenübergestellt, und Ibidem, 178. Zitiert bei Servius, Schol. Dan. Aen. 4, 194. Cf. Plaut. Cure. 3. Cf. A. Wlosok, Geminorum Mater Amorum (Ovid, Fasten 4, I)", in: Monumcntum Chiloniense. Studien zur augusteischen Zeit, Kieler Festschrift für E. Burck zum 70. Geburtstag, hrsg. ν. E. Lefevre, Amsterdam 1975, 523 Anm. 39. Vgl. dazu oben, 121.

193 Der Gott der Genugtuung bei Seneca, Tibull und Ovid 185 eine solche Teilung läßt sich mutatis mutandis auch in Senecas Phaedra feststellen. Als Phaedra der Amme ihre Liebe zu Hippolytus entdeckt hat, geht diese nach den ersten Äußerungen der Empörung angesichts einer derart verwerflichen Leidenschaft zu allgemeineren Betrachtungen über, in denen sie ganz im Sinne des Euripides die Liebe in eine maßlose und eine genügsame aufspaltet und dabei den Uberfluß wohlhabenderer Häuser zum Nährboden schrankenloser Begierde erklärt 664 : quisquis secundis rebus exultat nimis ßuitque luxu, semper insolita appetit. tunc ilia magnae dira fortunae comes subit libido: non placent suetae dapes, non tecta sani moris aut vilis eibus. cur in penates rarius tenues subit haec delicatas eligens pestis domos? cur saneta parvis habitat in tectis Venus mediumque sanos vulgus affect us tenet et se coercent modica? contra divites regnoque fulti plura quam fas est petunt? quod non potest vult posse qui nimium potest. Wer, stehn die Dinge günstig, allzu sehr frohlockt und schwimmt im Prunk, begehrt stets Ungewöhnliches. Dann folgt die schreckliche Gefährtin großen Glücks, die Lust: gewohnte Mähler sagen nicht mehr zu, nicht mehr gesunder Sitte Häuser noch auch schlichte Kost. Warum entsteht bei kärglichen Penaten seltner diese Seuche, die die üppigen Häuser sich erwählt? Warum wohnt heiige Liebe unter schlichtem Dach und hält gemeines Volk sich Neigungen gesund, beschränkt sich Mäßiges; jedoch begehrn, die reich sind und auf Königsmacht gestützt, mehr als erlaubt? Was er nicht kann, will können, wer zuviel vermag." Aber nicht nur die hier von der Amme vollzogende Zweiteilung der Liebe in eine schädliche libido und eine bescheidene und gesunde saneta Venus spielt in Senecas Phaedra eine Rolle. Gleiches Gewicht hat auch der im griechischen Brüderpaar Eros - Anteros schon vorgezeichnete Gedanke von der Liebe als einer Art Imperativ, der Gegenliebe geradezu fordert. In diesem Sinne sagt Phaedra über Hippolytus (415): amare discat, mutuos 664 Auch dieses Detail scheint in Euripides' Hippolytos schon angelegt, wenn es in Phaidras Rede an die troizenischen Frauen heißt, daß der Ehebruch in den Häusern der Vornehmen seinen Anfang nahm (409/10) έκ δέ γενναίων δόμων / τόδ'ήρξε θηλείαισι γίγνεσθαι κακόν.

194 186 Eros-Feindschaft - Zürnende Göttin und deus ultor ignes ferat - er lerne lieben und ertrage beiderseit'ge Glut". Freilich wohnt diesem Anspruch, vorgebracht von der Angehörigen eines fluchbeladenen Geschlechts, gleich schon ein Frevel inne; 665 und das Verhängnis des Hippolytus liegt eben darin, daß ein freimütiges Geben des Geforderten in diesem Falle gar nicht möglich wäre. 666 Eine erfüllte Zweier-Beziehung ist dagegen der Hintergrund, auf dem der doppelte Cupido" an anderer Stelle innerhalb der senecanischen Tragödien nochmals in Erscheinung tritt. Im II. Canticum des Oedipus ist er es, der bei der Vermählung des Dionysos mit Ariadne, der Schwester Phaedras, die Fackeln schwingt (500/501):... et geminus Cupido / concutit taedas. Mit diesem bekannten hochzeitlichen Gestus besiegelt also ein Paar von Cupido-Knaben die wechselseitige Liebe zwischen dem Gott und der Sterblichen. Nach der genauen Identität des namentlich nicht genannten Cupido- Bruders zu fragen, scheint mir hier eher müßig, ist doch die ganze Szene so plastisch beschrieben, daß die beiden Fackelschwinger eher wie ein ikonographisches Detail anmuten, wie man es bei Hochzeitsdarstellungen häufig antrifft. 667 Die Zweizahl der Knaben mag dabei nicht zuletzt auch deshalb gewählt sein, weil sie in wirkungsvoller Symmetrie dem Paar der beiden Vermählten entspricht Daß Venus als Rache für die Bloßstellung ihrer Verbindung mit Mars alle weiblichen Nachfahren des Sonnengotts mit frevelhaften Leidenschaften schlägt, wird von Phaedra, gleichsam zur Erklärung ihrer Machtlosigkeit gegenüber dem eigenen Gefühl, im Gespräch mit der Amme, vv , ausgeführt. Ein ikonographisches Beispiel für eine Phaedra-Hippolytus-Szenerie mit zwei Eroten bildet ein von M. Lawrence, In memoriam Otto J. Brendel, Mainz 1976, 173 ff. auf die Zeit zwischen 185 und 195 n. Chr. datierter Sarkophag in Pisa (s. Arias / Cristiani / Gabba, Camposanto Monumentale di Pisa. Le Antichitä, Pisa o.j., 135 ff.). Dort wird die sitzende Phaedra von zwei Eroten flankiert, von denen der eine, im Bildvordergrund zu ihrer Rechten stehend, sich dem Betrachter zuwendet, der andere hingegen sein Gesicht seitlich auf sie gerichtet hält. Doch während dieser Erosknabe, gleichsam wie eine Personifikation der erhofften Gegenliebe, seinen Ellbogen zutraulich auf ihr Knie gestützt hält, demonstriert der in etwas weiterer Entfernung ebenfalls im Profil dargestellte Hippolytos mit abwehrend erhobenem Arm deutlich sein Mißfallen. So tritt z.b. das in der Vasenmalerei schon ab dem 3. Viertel des 5. Jh. belegbare Motiv der Aphrodite auf einem Wagen, der von einem Erotengespann gezogen wird (s. LIMC III 1, 1986, 117, Nr. 1191, Abb. III 2, 119) um die Mitte des 4. Jh. wiederholt in Verbindung mit einer Vermählungsszene auf; s. LIMC III 1, 118, Nr und Im besonderen Kontext der Hochzeit von Ariadne und Bacchus verweist Töchterle (1994) ad loc. u.a. auf einen aus dem späten ersten Jahrhundert v. Chr. stammenden Kameo aus Paris (s. LIMC III 1, 1986, 556, Nr. 215, Abb. III 2, 450): Hier wird der Festzug des Bacchus und der Ariadne von einem fackelschwingenden Cupido-Knaben angeführt und von einem anderen beschlossen.

195 Der Gott der Genugtuung bei Seneca, Tibull und Ovid 187 Für eine Interpretation des Cupido-Gespanns im Sinne des euripideischen Konzepts des doppelten Eros oder gar als Cupido und Anteros gibt es also hier keinerlei Anhaltspunkte. Dennoch dürfte es wohl verfehlt sein, wenn man behauptet hat, daß der Gott Anteros eine rein griechische Prägung und für römisches Denken gänzlich ohne Belang sei. 668 Ausdrücklich und mit seinem griechischen Namen genannt wird er freilich nur bei Cicero, der ihm im dritten Buch seines Werkes De Natura Deorum (59) unter drei weiteren Cupidines seinen genealogischen Platz als Sohn der Venus und des Mars anweist; ferner in den beiden Scholien des Servius Danielis zu Vergils Aeneis 4, 33 und 4, 520 f., von denen letzteres uns näher beschäftigen soll. Didos Frage nach einem Gott der nicht Widergeliebten wird darin als Anrufung des Gottes Anteros erklärt: Άντέρωτα invocat contrarium Cupidini, qui amores resolvit, aut certe cui curae est iniquus amor, scilicet ut inplicet non amantem. Anteros erscheint hier als ein Gott, der entweder Liebe erlöschen läßt oder den nicht Wider liebenden auf irgendeine Weise in Verwirrung stürzt" bzw. verstrickt"; ob in Liebe zu dem ursprünglich Abgewiesenen oder zu einer anderen Person, geht aus inplicet nicht klar hervor. Anteros umfaßt offenbar, wie die Vorsilbe ant- es nahelegt, die ganze Spannbreite der Gefühle eines Liebenden im Hinblick auf ein Gegenüber, von der Hoffnung auf Erfüllung bis hin zum Wunsch nach Vergessen oder Genugtuung bei vergeblichem Werben. So schickt in Theokrits viertem Epigramm das lyrische Ich einen Hirten aus, um den Priap um Erlösung von seiner Liebe zu Daphnis zu bitten, spielt aber im gleichen Moment auch mit dem Gedanken, den Ersehnten doch gewinnen zu können. Zwar fällt der Name Anteros hier nicht, doch das in ihm begriffene Vorstellungsgeflecht ist in seinen Schattierungen, freilich ohne die des Grolls, auf subtile Weise wiedergegeben, nicht zuletzt in der Ausmalung des heiligen Bezirks um das Xoanon des Priap, wo der Wechselgesang der Nachtigallen mit den Amseln, sinnreich durch άνταχεϋσαι beschrieben, eine möglicherweise günstige Reaktion des Geliebten pointiert vorwegnimmt. In Ovids Remedia amoris, 551/52 tritt das Element des Vergessen- Machens isoliert auf, verkörpert in der Gestalt des Amor Lethaeus auf dem römischen Schrein der Venus Erycina: Est illic Lethaeus Amor, qui pectora sanat; / Inque suas gelidam lampadas addit acquam - Dort ist der Amor des Vergessens, der heilet die Herzen; / in seine Fackeln hinein schüttet er eisiges Naß." Cf. A. Wlosok, "Amor and Cupid", 167: "Anteros does not play any part in Roman literature or in Roman thought and life."

196 188 Eros-Feindschaft Zürnende Göttin und deus ultor Wenn nun Servius das Loslösung spendende Vermögen dem Anteros zuschreibt, so geschieht das wohl nicht etwa aus Unsicherheit in der Darstellung eines kaum mehr bekannten Gottes, sondern scheint vielmehr Ausdruck der Absicht, ihn entgegen Isolierungstendenzen als möglichst umfassende Gottheit erscheinen zu lassen. Am geläufigsten ist freilich seine rächende Funktion, und so begegnet er denn auch als deus ultor - zwar ohne einen Namen, der dem griechischen Άντέρως äquivalent wäre, aber doch unverkennbar die Züge des Vorgängers tragend - wiederholte Male in der römischen Dichtung. Schon etwas weniger vage als Didos Frage nach einem Gott der nicht Widergeliebten ist die Drohung, die in Tibull 1, 5, 57/58 eine Reihe von Flüchen gegen eine Kupplerin abschließt, nachdem sie die Geliebte des Dichters einem anderen Mann in die Hände gespielt hat: Eveniet. Dat signa deus. Sunt numina amanti, / saevit et iniusta lege relicta Venus - Die abstrakten numina, von denen hier zunächst die Rede ist, nehmen im Pentameter die Gestalt einer unrechtmäßig verlassenen Venus an, wobei die Göttin, gleichsam als Anwältin, direkt an die Stelle des verschmähten Liebhabers tritt. Die gleiche Funktion hat dann auch der deus ultor, wie wir ihm schon in der Iphis-und-Anaxarete-Episode bei Ovid begegnet waren. Als Wunschgestalt erscheint er einem enttäuschten Liebhaber aus Ovids amores; als reale Bedrohung sieht ihn dagegen bei Tibull 1, 8 der Dichter über dem Haupt des Marathus schweben, als dieser sich über die unglücklich Liebenden lustig macht. 669 Daß der Gott, der den nicht Widergeliebten Genugtuung verschaffen soll, in der lateinischen Literatur nicht namentlich bestimmt wurde, ist bezeichnend, steht er doch in der Tradition der Rachegötter, die zwar über eine feste Funktion, nicht aber eine klar umrissene Identität verfügen. So hatten ja nach griechischer Vorstellung nicht nur die unerhört Werbenden und damit in ihren vitalen Bedürfnissen Frustrierten, sondern auch die gewaltsam Getöteten einen göttlichen Anwalt, dessen namentliche Identität zwischen Nemesis, Erinys im Falle eines besonderen Tons auf der Blutschuld und dem abstrakten Alastor ( Rachedämon") stetig wechselt Cf. Ovid, am. 3, 8, 65: ο si neclecti quisquam deus ultor amantis... und Tibull 1, 8, 71-72: Hic Marathus quondam miseros ludebat amantes, / nescius ultorem post caput esse deum. Zu Nemesis s. S. El. 792 mit Jebb ad loc. Ferner R. Lattimore, Themes in Greek and Latin Epitaphs, Iiiini Books 5, 1962, 109: φθιμένων ώκυτάτη Νέμεσις; zu Erinys s. A. Ag τέκνον δ' έπεισφέρει δόμοις / αιμάτων παλαιτέρων / τίνειν μύσος χρόνωι κλυτά / βυσσόφρων Έρινύς; zu Alastor s. Α. Ag ό παλαιός δριμύς άλάστωρ Άτρέως.

197 Conclusio Das Kernstück dieses Buches bildete eine Betrachtung über das Wesen und Wirken der beiden Liebesgötter Aphrodite und Eros in der griechischen und römischen Tragödie. Dabei konnte in doppelter Hinsicht ein Oszillieren zwischen zwei Polen beobachtet werden: 1. Insbesondere für Aphrodite gilt die Spannung zwischen einer machtvollen, in ihrer realen Existenz unangezweifelten Göttin und einer zunehmend zur traditionellen Hülse verblassenden fagon de parier, aufgeführt als Entschuldigung für menschliche Schwäche. Es wurde betont, daß Aphrodite bei Aischylos, der Eros als ihren Sohn und Gehilfen nicht aufführt, in fr. 44 als Göttin von kosmischer Wirkkraft auftritt sowie von den Dienerinnen in den Hiketiden im Rahmen einer göttlichen Rangordnung mit Zeus auf eine Stufe gestellt wird. Als Ausläufer dieser Vorstellung einer absolut herrschenden Liebesgottheit, die auch für das Eros-Lied aus Sophokles' Antigone prägend ist, wurde das νόσος-motiv, die Idee von der Liebe als göttlich verursachte Krankheit, behandelt. Wie bei der Gestaltung dieses Motivs zunehmend auch der menschliche Koeffizient in den Blick rückt und damit die ausschließlich externalisierende Erklärung für Liebesleidenschaft allmählich ins Wanken gerät, konnte mit Blick auf Sophokles' Trachinierinnen sowie auf einschlägige Fragmente des Euripides und seine Dramen Hippolytos und Troades gezeigt werden. Als Sprachrohr für Entmythologisierung und Verlegung des Ursprungs von Leidenschaft ins rein Innermenschliche treten bei Euripides einzelne Personen wie z.b. Hekabe in den Troades auf, die aber nicht unbedingt die Meinung des Autors widerspiegeln. So konnten wir, bei zusätzlicher Berücksichtigung von Fragmenten aus dem Alexandros, beobachten, daß Aphrodite im Gesamtzusammenhang der Trojanischen Trilogie durchaus eine tragende, handlungssteuernde Rolle zukommt: Mythologische Rahmenhandlung und das Handeln der Personen aus charaktereigenen Neigungen entsprechen sich. In Senecas Phaedra ist Venus im Vergleich zur Aphrodite des euripideischen Hippolytos eher eine Randfigur. Ihr Fluch über das Geschlecht des Sol bildet den äußeren Rahmen, innerhalb dessen sich auf menschlicher

198 190 Conclusio Ebene Phaedras passives, aber zugleich willentliches 671 Sich-Beugen unter die Macht des furor - lateinisches Äquivalent zu νόσος - abspielt. Zur Veranschaulichung der Art, wie die Leidenschaft auf Phaedra einwirkt, bedient sich Seneca des leitmotivisch immer wiederkehrenden Bildes von der lastenden Schwere. 2. Beide Liebesgottheiten haben ein Doppelgesicht: Der einerseits maßvoll-wohlwollenden, andererseits unheilvoll-verheerenden Aphrodite kann der zweifache Eros bei Euripides an die Seite gestellt werden. Es zeigte sich, daß in der Tragödie das Destruktive als Kehrseite des Wirkens der Aphrodite und des Eros, die ihr doppeltes Vermögen mit den meisten Göttern des griechischen Pantheons teilen, in besonderer Weise betont wird. So kreist zum Beispiel das Eroslied" aus Sophokles' Antigone um das chaotische, altehrwürdige Ordnungen auflösende Element des Eros, und bei Euripides findet sich im Bild des zweierlei Geschosse versendenden Eros, das der Chor in der Iphigenie in Aulis 548 ff. zeichnet, die Wendung έπΐ συγχυσει βιοτας - zur Zerrüttung des Daseins" als Bezeichnung der verheerenden Auswirkungen des zweiten Pfeils. Im Falle der euripideischen Iphigenie in Aulis kristallisierte sich eine Parallelisierung des besonders leicht erotisierbaren Paris und des in Aulis versammelten, kriegswütigen Griechenheeres heraus. Dieses Phänomen ist ein Beispiel für das weit verbreitete Motiv der Verbindung von Liebesleidenschaft und Kampfgeist, das sowohl literarische 672 als auch kultische Exponenten 673 hat. Die Medea des Euripides konnte als Zwischenstufe auf dem Wege zur Entwicklung seines Gedankens vom zweifachen Eros erwiesen werden: Zwar findet die Ambivalenz der Liebe noch nicht im Bild des einen Gottes Eros in doppelter Gestalt ihren Ausdruck, doch weiß der Chor, als Gegengewicht zu schrankenloser Leidenschaft, im II. Stasimon 630 f. schon von einer maßvollen Κυπρις εύχαρις zu singen, und im III. Stasimon 844 f. von einer Aphrodite, die ihre Begleiter, die Eroten, der Weisheit als Beisitzer schickt und sie dadurch zu Mitwirkern der άρετή macht. Der hier noch ganz gegenwärtige Gedanke einer Verflechtung der Tätigkeiten der beiden Liebesgottheiten erfährt eine Brechung in der Idee des zweifachen Eros, der wir innerhalb des uns überlieferten Schrifttums des Euripides in klaren Umrissen erstmals in einem Fragment aus der zwischen 428 und 425 v.chr. entstandenen Stheneboia begegnet waren. Diese Idee, die mit der Fiktion Cf. supra, 98/99. Zu dieser Verbindung bei Sappho s. L. Rissmann, Love as war: Homeric allusion in the poetry of Sappho, Königstein 1983; s. auch oben, 126 Anm Cf. Flemberg, J., Venus Armata. Studien zur bewaffneten Aphrodite in der griechisch-römischen Kunst, Stockholm 1991.

199 Conclusio 191 der doppelten Eris in Hesiods Erga und der Spaltung der Aphrodite in Urania und Pandemos in der Rede des Pausanias in Piatons Symposion in eine Reihe gestellt werden kann, sahen wir von einer sokratisch anmutenden Teleologie geprägt: Der förderliche Eros unterscheidet sich vom verderblichen dadurch, daß er auf ein τέλος - das Gute, wie es in σωφροσύνη und άρετή sich manifestiert - gerichtet ist. In der Einleitung wurden jene frühen literarischen Zeugnisse vorgestellt, die für die nachfolgenden Darstellungen von Aphrodite und Eros in der Tragödie prototypische Bedeutung haben: Als Ausgangspunkt für eine Aphrodite, deren reale Existenz, insbesondere in den Troades des Euripides, zum Gegenstand offener Kritik wird, galt uns die von Zeus ausdrücklich auf die Domäne der έργα γάμοιο verwiesene Bereichsgöttin der homerischen Ilias. 674 Die machtvolle, naturbeherrschende Aphrodite wurde dagegen faßbar in ihrem Geburtsmythos bei Hesiod. Eine Zwischenstellung erwies sich als Charakteristikum des V. Homerischen Hymnus. Dort hatten wir in der Schilderung der drei Göttinnen Athene, Artemis und Hestia, die sich der Liebe standhaft widersetzten, das Motiv der Aphrodite-Gegnerschaft, im Gang der Göttin über den Ida das Motiv der Tierherrin" präfiguriert gesehen. Auch im Hinblick auf den Gott Eros zeigten sich zwei in ihrer genealogischen Bindung und Funktion deutlich verschiedene Gestalten: Aus dem primordialen Urwesen, das bei Hesiod, weit vor der Geburt der Aphrodite, gleichsam aus sich selbst heraus entsteht und in den Lehren des Parmenides und Empedokles sowie bei den Orphikern die Funktion eines weltschöpfenden Prinzips hat, wird in einer anderen, bei Sappho und Ibykos für uns erstmals greifbaren Tradition ein der Aphrodite deutlich, bisweilen auch in Kindschaft untergeordneter Bezwinger des Individuums; sei es als der Liebreiz, der vom schönen Menschen ausgeht, oder als die Wirkkraft der Aphrodite, die ihn als Boten und Gehilfen sich dienstbar macht. Den Abschluß der Arbeit bildeten Betrachtungen über das Motiv des Widerstands gegenüber den Liebesgottheiten - ein Motiv, dem wir in extenso im Hippolytos des Euripides, aber auch schon in den Hiketiden des Aischylos und im V. Homerischen Hymnus begegnet waren. Dabei beschäftigte uns die Frage, ob der von Pierre Vidal-Naquet am Beispiel der mythologischen Gestalt des Melanion aufgezeigte Topos des jugendlichen Jägers, der in seinem Dasein am Rande der Gesellschaft verharrt und sexueller Initiation sich verweigert, mutatis mutandis auch auf den euripideischen Hippolytos und den Daphnis aus Theokrits erstem 674 Cf. H. Erbse, Untersuchungen zur Funktion der Götter im how. Epos, Berlin 1986, 90.

200 192 Conclusio Idyll zutrifft. Dieser, so stellte sich heraus, nimmt eine Mittlerfunktion ein, indem er einerseits in der Unbedingtheit, mit der er an der Maxime des Widerstands gegen Eros festhält, einem tragischen Helden gleicht, andererseits mit seinem Leiden bis zum Tode den ersten Gegenstand für das neue literarische Genre der Bukolik setzt. Uber die zahlreichen Beispiele für spröde Jägerinnen und Jäger bei Ovid gelangten wir zur Hymnos-und-Nikaia-Episode in den Dionysiaka des Nonnos, in der wir die Welt der Hirtendichtung, verkörpert durch Hymnos, und das Kybelisch-Matriarchalische, vertreten durch Nikaia, gleichermaßen dem Triumph des Dionysos zum Opfer fallen sahen. Als repräsentativ für die Sondergruppe der Versteinerungsgeschichten", in denen die Bestrafung der Sprödigkeit sich in Form von άπολίθωσις vollzieht, wurde die kyprische Sage von der hartherzigen salaminischen Jungfrau besprochen. Für die 'Αφροδίτη Παρακυπτουσα, das göttliche Pendant zur menschlichen Sagengestalt, mit der sie das Epitheton die Ausspähende" teilt, wurde ein grausamer Zug postuliert, wie er auch dem Mädchen eignet. Bei der Betrachtung einer dritten Gruppe von Geschichten, bei denen die Perspektive der unerhört Liebenden den Ton angibt, wurde untersucht, wie sich in ihnen das Wirken einer rächenden Gottheit zeigt. Die Palette der verschiedenen Erscheinungsformen reichte dabei von einer herabfallenden leblosen Eros-Statue bei Ps.-Theokrit über Anteros bei Pausanias und in der Anthologia Palatina bis hin zum namenlosen, sei es bloß erwünschten, sei es als real empfundenen deus ultor" bei Ovid und Tibull und schließlich zur Nemesis von Rhamnus bei Ovid. Als eine neue Variante konnten wir das Wecken von Schuldbewußtsein beim zunächst Überheblichen ausmachen, das sich, nachdem der Abgewiesene Hand an sich gelegt hat, als ein Selbstmord aus Reue und nachträglicher Sympathie äußert. Bekannte Modelle waren der schon in den Versteinerungsgeschichten" aufgetretene unmittelbare Vollzug der Strafe sowie jenes auch auf das Schicksal des Daphnis aus Theokrits erstem Idyll zutreffende Erzählmuster, nach der ein Widerstrebender seinerseits mit einer irgendwie unglückseligen Leidenschaft erfüllt wird. Als Beispiel hierfür wurde die Narziß- Episode aus Ovids Metamorphosen besprochen und auf die Ähnlichkeit des aus Selbstliebe dahinschmelzenden Narziß mit seinem theokriteischen Vorläufer hingewiesen, die man sogar zum Anlaß genommen hat, in Daphnis einen "Pastoral Narcissus" zu sehen, der nach dem Vorbild eines verlorenen boiotischen Gedichts gezeichnet sei Cf. C. Zimmermann, The Pastoral Narcissus. Α Study of the First Idyll of Theocritus, Lanham Zu den Schwachpunkten seiner Argumentation in Kurzform siehe A. Köhnken, Lustrum 37, 1995, 257.

201 Conclusio 193 Im Zusammenhang mit dem Fragen nach einer rächenden Gottheit" interessierte uns insbesondere die Schöpfung des Gottes Anteros, der von Pausanias in einer ätiologischen Erzählung als Rachegeist des verschmähten Metöken Timagoras erstmals erwähnt wird. Bei der Auswertung mehrerer relevanter Textzeugen stellte sich heraus, daß dieser neue Gott, wie die Vorsilbe ant- es nahelegt, die ganze Spannbreite der Gefühle eines Liebenden im Hinblick auf ein Gegenüber, von der Hoffnung auf Erfüllung bis hin zum Wunsch nach Vergessen oder Genugtuung bei vergeblichem Werben, umfaßt -; mit anderen Worten, daß mit der Schaffung dieses Gottes der Versuch gemacht wurde, etwas eminent Subjektives in eine objektive Sphäre zu rücken. Der Vorgang ist ein eindrucksvolles Beispiel für eine Gegenströmung zu entmythologisierenden Tendenzen, wie sie schon in Euripides' Troades angeklungen waren. Der besondere Ton auf der je persönlichen geglückten oder auch verfehlten Zweierbeziehung, der mit dem Anteros-Konzept einhergeht, zeigt aber auch eine zunehmend egozentrische Auffassung der Liebe, die an die Lyrik anknüpft, mit den weit ausholenden, auf Allgemeingültiges abzielenden Betrachtungen aus den Chorliedern der Tragödie jedoch nichts mehr gemein hat.

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