5. Steife Differentialgleichungen 5.1 Was sind steife Differentialgleichungen?
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- Christian Junge
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1 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Es gibt keine zufriedenstellende Definition der Bauart eine DG heißt steif, wenn... Wir beschreiben nun verschiedene Aspekte des Phänomens Steifheit einer DG an Beispielen. Beispiel. Die beiden AWPe [ ] [ ] [ y sin t = y +, y() =, (AWP (cos t sin t) 3] ) [ ] [ ] [ ] y sin t = y +, y() =, (AWP (cos t sin t) 3 ) haben dieselbe Lösung. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 76
2 5. Was sind steife Differentialgleichungen? 3 [ y(t) = exp( t) + ] [ ] sin t. cos t.5 y.5 y Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 77
3 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Wir lösen beide Probleme für t [, ] mit der Matlab-Routine ode45 (die ein eingebettetes RKV, das Verfahren von Dormand-Prince, verwendet, bei dem zwei RKV der Ordnungen 4 bzw. 5 kombiniert werden), wobei wir eine relative Toleranz von. vorgeben. 3 System : 64 Schritte (ode45) 3 System : 44 Schritte (ode45).5.5 y y.5.5 y y Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 78
4 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Obwohl die exakte Lösung in beiden Fällen dieselbe ist, erfordert die Lösung von (AWP ) etwa -mal mehr Aufwand als die von (AWP ): AWP h min h max h Schritte (AWP ).7e-.3e-.56e- 64 (AWP ) 5.98e-4.88e-3 8.3e-3 44 Lösen wir die beiden Probleme mit der Matlab-Routine ode3tb (die die Trapezregel mit der Gear-Formel der Ordnung kombiniert), so ergibt sich (relative Toleranz wie oben =.): AWP h min h max h Schritte (AWP ).3e- 5.8e- 5.6e- 9 (AWP ).3e- 7.36e- 5.e- Beide Probleme werden ohne Schwierigkeiten gelöst... Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 79
5 5. Was sind steife Differentialgleichungen? 3 System : 9 Schritte (ode3tb) 3 System : Schritte (ode3tb).5.5 y y.5.5 y y Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 8
6 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Die Unterschiede zwischen den beiden AWPen werden sichtbar, wenn wir alle Lösungen der zugehörigen Systeme betrachten. Im ersten Fall ergibt sich [ [ [ ] sin t y = κ exp( t) + κ ] exp( 3t) +, ] cos t während im zweiten Fall y = κ exp( t) [ [ ] + κ ] exp( t) [ ] sin t cos t die allgemeine Lösung ist. (Beide Systeme sind inhomogene lineare Systeme mit konstanten Koeffizienten, wobei die Eigenwerte der Koeffizientenmatrix im ersten Fall λ =, λ = 3 und im zweiten Fall λ =, λ = sind.) Die Lösungen der konkreten AWPe sind jeweils durch κ = und κ = (!) gegeben. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 8
7 5. Was sind steife Differentialgleichungen? In beiden Fällen ist die Lösung aus einem Gleichgewichtsanteil, nämlich [sin t, cos t], und einem transienten Anteil der Form exp(λ t)a + exp(λ t)a zusammengesetzt. Die Unterschiede liegen in der Geschwindigkeit, mit der der transiente Teil (für t ) verschwindet. Obwohl in der exakten Lösung der AWPe gar nicht erkennbar ist, wie schnell der abklingende Anteil verschwindet (κ = ), bestimmt er die erforderliche Schrittweite. Würde man in (AWP ) die AB in y() = [, ] ändern, so würde κ = κ = folgen, d.h. der transiente Teil ist in der Lösung y(t) = [sin t, cos t] vollständig unsichtbar. Selbst dann wäre ode45 nur mit extrem kleiner Schrittweite in der Lage, die Aufgabe zu lösen. Wir betrachten die Stabilitätsbereiche R A : Für ode45 kann man zeigen, dass R A R [ 3, ] (Stabilitätsintervall). Will man für (AWP ) also λh R A (für alle Eigenwerte λ) garantieren, genügt es, h < zu fordern (die durchschnittliche Schrittweite von h.56 resultiert aus der geforderten Genauigkeit!). Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 8
8 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Dagegen muss für (AWP ) h <.3 gefordert werden, damit λh R A für alle λ folgt und es sind Stabilitätsprobleme, die zu der kleinen durchschnittlichen Schrittweite von h.8 führen. Das Verfahren ode3tb ist absolut stabil, so dass hier λ h für alle h > (in jedem der beiden Fälle (AWP ) und (AWP )) im Stabilitätsbereich liegt. Für y = Ay + b(t) heißt max Re λ / min Re λ λ Λ(A) λ Λ(A) Steifigkeitsquotient des linearen DG-Systems. Ein lineares DG-System mit konstanten Koeffizienten heißt steif, wenn seine Eigenwerte alle negativen Realteil besitzen und sein Steifigkeitsquotient groß ist. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 83
9 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Um die Problematik dieser gebräuchlichen Definition zu erläutern, betrachten wir ein weiteres AWP (mit derselben Lösung): [ ] [ ] [ y sin t = y +, y() =. (AWP (cos t sin t) 3] 3 ) Die Matrix dieses Systems besitzt die Eigenwerte λ =, λ =. und sein Steifigkeitsquotient beträgt (wie bei (AWP )). Trotzdem hat ode45 keine ernsten Probleme: AWP h min h max h Schritte (AWP 3 ).9e-.5e-.7e- 44 (ode45) (AWP 3 ).5e- 4.9e- 4.55e- (ode3tb) Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 84
10 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Ob ein System steif ist oder nicht kann also nicht immer aus dem Steifigkeitsquotienten abgelesen werden. Auch Definitionen wie ein System ist steif, wenn max Re λ groß ist (etwa max Re λ ) sind natürlich wenig hilfreich (die Variablentransformation t.t macht aus (AWP ) ein Problem, das dieselbe Steifigkeit besitzt, bei dem aber max Re λ = gilt). Pragmatische Definitionen für Steifigkeit sind: Ein System ist steif, wenn Stabilitätsanforderungen und nicht Genauigkeitsanforderungen die Größe der Schrittweite bestimmen. Ein System heißt steif, wenn gewisse Komponenten der Lösung sehr viel schneller abklingen als andere. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 85
11 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Beispiel. Die Differentialgleichung y (t) = λ(y(t) g(t)) + g (t) ( ) besitzt die allgemeine Lösung y(t) = γ exp(λt) + g(t) (γ R). Wir wählen g als glatte Funktion, z.b. g(t) = arctan t und λ =. Auch hier setzt sich die Lösung aus einem glatten (g(t) = Gleichgewichtsanteil) und einem schnell abklingenden Teil (γ exp(λt) = transienter Anteil) zusammen. Wir wählen die AB y() = und approximieren die exakte Lösung y(t) = arctan t für t [, 5] mit dem expliziten Euler-Verfahren (R A = {ĥ : ĥ + < }) und dem impliziten Euler-Verfahren (R A = C \ {ĥ : ĥ }). Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 86
12 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 87
13 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Explizit: h= h= h= Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 88
14 5. Was sind steife Differentialgleichungen? Implizit: h= h= h= Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 89
15 5. Weitere Stabilitätsbegriffe Erinnerung. Ein numerisches Verfahren zur Lösung von y = f (t, y), y() = y, heißt A-stabil, wenn folgendes gilt: Wendet man das Verfahren auf ein lineares Problem y = Ay (t [, )) an und liegen die Eigenwerte von A alle in der linken Halbebene {ζ : Real ζ < }, dann soll für die Näherungslösung (unabhängig von der gewählten Schrittweite h) stets lim n y n = gelten (die exakte Lösung erfüllt lim t y(t) = ). In konkreten Fällen wird die äquivalente Bedingung R A {ĥ : Real ĥ < } überprüft. Zur Definition des Stabilitätsbereichs R A vergleiche Abschnitt 3.5 für lineare Mehrschrittverfahren und Abschnitt 4.3 für RKV (oder allgemeine Einschrittverfahren). Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 9
16 5. Weitere Stabilitätsbegriffe Abgeschwächte Stabilitätsbegriffe sind A(α)-stabil für α (, π/) R A {ĥ : α < π arg ĥ < α}, A -stabil R A (, ), steif-stabil R A R (β) R (β, γ) für positive β und γ, wobei R (β) := {ĥ : Real ĥ < β} und R (β, γ) := {ĥ : β Real ĥ <, Imag ĥ γ}. Außerdem heißt ein Einschrittverfahren L-stabil, wenn es A-stabil ist und zusätzlich gilt: Bei Anwendung auf die Testgleichung y = λy, Real λ <, resultiert eine Näherung y n+ = R(hλ)y n mit lim hλ R(hλ) =. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 9
17 5. Weitere Stabilitätsbegriffe A stabil A(α) stabil steif stabil Imag ζ Imag ζ Imag ζ γ Real ζ α Real ζ β Real ζ α γ Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 9
18 5. Weitere Stabilitätsbegriffe Offensichtlich gilt ( < α arg(β + iγ)) L-stabil A-stabil steif-stabil A(α)-stabil A -stabil. Die Trapezregel y n+ = y n + h(f n+ + f n ), d.h. R(ĥ) = ( + ĥ/)/( ĥ/), ist A-stabil, aber nicht L-stabil. Das implizite Euler-Verfahren y n+ = y n + hf n+, d.h. R(ĥ) = /( ĥ), ist dagegen L-stabil. Wir illustrieren den Unterschied, indem wir mit beiden Verfahren die Lösung von (AWP ) aus Abschnitt 5. approximieren. Um den transienten Anteil der Lösung besser sichtbar zu machen, werden die ABen y() = [, ] vorgeschrieben. Die exakte Lösung ist dann [ ] [ ] [ ] sin t y(t) = 999 exp( t) exp( t) cos t Die folgende Abbildung zeigt die zweite Komponente der (Näherungs)lösung für h =.. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 93
19 5. Weitere Stabilitätsbegriffe.5 h=. exakte Loesung Trapezregel implizites Euler Verfahren Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 94
20 5. Weitere Stabilitätsbegriffe Das Beispiel y = y, y() =, mit der exakten Lösung y(t) = exp(.8t) sin(8t) + exp( 5t) exp(.t) cos(8t) exp( 5t) exp(.t) (sin(8t) + cos(8t)) + exp( 5t) zeigt, dass L-stabile Verfahren nicht immer besser sind als A-stabile. Die folgende Abbildung zeigt die erste Komponente der (Näherungs)lösung für h =.4 und t [,.5]. Beim impliziten Euler-Verfahren müsste man h <.3... wählen, um eine akzeptable Näherung zu erhalten (warum?). Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 95
21 5. Weitere Stabilitätsbegriffe h= exakte Loesung Trapezregel implizites Euler Verfahren.5.5 Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 96
22 5.3 Ordnungssterne Wendet man ein Einschrittverfahren (ESV) auf die Testgleichung y = λy an, so gilt y n+ = R(λh)y n. Dabei ist R ein Polynom (bei expliziten Verfahren) oder eine (gebrochen) rationale Funktion in ĥ = λh. Besitzt das ESV die Konsistenzordnung p, so ist R(ĥ) exp(ĥ) = O(ĥp+ ) (ĥ ). Natürlicher Ansatz: Bestimme eine rationale Funktion R vom Typ (k, l) (k = Zählergrad, l = Nennergrad), so dass der Exponent µ in R(ĥ) exp(ĥ) = O(ĥµ ) maximal wird. Es zeigt sich, dass das Maximum µ = k + l + durch die in Abschnitt.4 eingeführten Padé-Approximationen (k, l) exp realisiert wird. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 97
23 5.3 Ordnungssterne (k, l) exp (ζ) für k, l 3: k, l 3 ζ ζ+ ζ ζ+ ζ 6 ζ3 +ζ + ζ + 3 ζ + ζ 3 ζ+ 4 ζ 6 ζ 3 4 ζ+ 4 ζ 4 ζ3 +ζ+ + 3 ζ+ 6 ζ + ζ ζ+ ζ + 3 ζ ζ+ 5 ζ+ ζ ζ 3 5 ζ+ 3 ζ 6 ζ3 3 +ζ+ ζ ζ+ 4 ζ ζ3 + 6 ζ3 5 ζ+ 3 ζ + 6 ζ3 + 4 ζ 5 ζ+ ζ+ ζ + ζ3 ζ ζ+ ζ ζ3 Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 98
24 5.3 Ordnungssterne Eine rationale Approximation R(ζ) an exp(ζ) heißt A-akzeptabel, wenn R(ζ) < für alle ζ C mit Re ζ <, A -akzeptabel, wenn R(ζ) < für alle ζ R mit ζ <, L-akzeptabel, wenn R A-akzeptabel ist und R(ζ) für ζ gilt. Theorem 5. Es gilt. (k, k) exp ist A-akzeptabel (G. Birkhoff, R.S. Varga 96).. (k, l) exp ist A -akzeptabel für k l (R.S. Varga 96). 3. (k, l) exp ist L-akzeptabel für k {l, l } (B.L. Ehle, 969). 4. (k, l) exp ist genau dann A-akzeptabel, wenn k {l, l, l } (Ehle-Vermutung; G. Wanner, E. Hairer, S.P. Nørsett 978). Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 99
25 5.3 Ordnungssterne Der Beweis der vierten Aussage basiert auf der Theorie der Ordnungssterne. Ist R(ζ) eine rationale Funktion, so heißt S R := {ζ C : R(ζ) > exp(ζ) } der zugehörige Ordnungsstern. Sei T R := C \ S R sein Komplement. Vier Eigenschaften:. R ist genau dann eine Approximation der Ordnung p an die Exponentialfunktion (d.h. R(ζ) exp(ζ) = O(ζ p+ ) für ζ ), wenn Folgendes gilt: Für ζ besteht sowohl S R als auch T R aus genau p + Sektoren mit Winkel jeweils π/(p+). Die Sektoren von S R und T R trennen sich. (p = 5) Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4
26 5.3 Ordnungssterne. Der Rand von S R enthält genau zwei unbeschränkte Zweige. 3. Komponenten von S R, die k Sektoren enthalten, nennt man Finger der Ordnung k. Komponenten von T R, die k Sektoren enthalten, heißen duale Finger der Ordnung k. Es gilt: Jeder beschränkte Finger der Ordnung k enthält mindestens k Pole von R (Vielfachheiten mitzählen). Jeder beschränkte duale Finger der Ordnung k enthält mindestens k Nullstellen von R (Vielfachheiten mitzählen). 4. R ist genau dann A-akzeptabel, wenn S R keine Punkte der imaginären Achse enthält und R keine Pole in der linken Halbebene Real ζ < besitzt. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4
27 5.3 Ordnungssterne o: Pole, +: Nullstellen o: Pole, +: Nullstellen Ordnungssterne der Padé-Approximationen (, 3) exp (links) und (, 4) exp (rechts). Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4
28 5.3 Ordnungssterne o: Pole, +: Nullstellen o: Pole, +: Nullstellen Ordnungssterne der Padé-Approximation (, 5) exp (links) und einer (nicht A-akzeptablen) (4, 5)-Approximation R der Ordnung 5 (rechts) (R(ζ) = [ 4 4 ζ ζ3 9ζ + 4ζ 5]/[ζ ζ4 + 8ζ 3 5 ζ + 9ζ 5]). Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 3
29 5.4 Lineare MSV für steife Probleme Theorem 5. (Zweite Dahlquist Barriere) Es gilt: Kein explizites lineares MSV ist A-stabil. Ein A-stabiles lineares MSV besitzt höchstens die Ordnung. Das A-stabile lineare MSV mit Konsistenzordnung und kleinster Fehlerkonstante ist die Trapezregel. Theorem 5.3 (C. W. Cryer, 973) Es gilt: Kein explizites lineares MSV ist A -stabil. Es gibt A -stabile lineare MSV beliebig hoher Konsistenzordnung. Beispielsweise sind die Gear-Verfahren aus Abschnitt 3.6 alle A -stabil. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 4
30 5.5 RKVV für steife Probleme Entscheidend (vgl. Abschnitt 4.3) R(ĥ) = + ĥb (I ĥa) e = det(i ĥ(a ebt )) det(i ĥa). Ordnung Typ von R Stabilität Gauß m (m, m) A-stabil Gauß-Radau m (m, m) L-stabil Gauß-Lobatto m (m, m ) A-stabil Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 5
31 5.6 Bemerkungen Alle bisher getroffenen Stabilitätsaussagen basieren auf der Untersuchung linearer Systeme mit konstanten Koeffizienten (lineare Stabilitätstheorie). Oft wird versucht, diese Aussagen mit folgender Argumentation zu verallgemeinern: Die Lösung y des AWPs y = f (t, y), y(t ) = y kann durch die Lösung der linearen Variationsgleichung y = f (t, y (t)) + f y(t, y (t))[y y (t)] ( ) approximiert werden. Lokal ist f y(t, y ) nahezu zeitunabhängig, so dass ( ) näherungsweise die Form y = Ay + g(t) besitzt. Zwei Beispiele sollen zeigen, dass Skepsis gegenüber diesem frozen Jacobian argument angebracht ist. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 6
32 5.6 Bemerkungen Beispiel. [ ] 9 cos y = (6t) + 6 sin(t) cos (6t) sin(t) sin (6t) sin(t) 9 sin y. (6t) 6 sin(t) Die Systemmatrix A(t) besitzt die (t-unabhängigen!) Eigenwerte λ =, λ =. Obwohl die Eigenwerte negativ sind, ist die allgemeine Lösung [ ] [ ] cos(6t) + sin(6t) sin(6t) cos(6t) y(t) = κ exp(t) + κ cos(6t) sin(6t) exp( 3t) sin(6t) + cos(6t) sicher nicht monoton fallend für t. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 7
33 5.6 Bemerkungen Beispiel. y = [ t t t 3 t ] y, t. ( ) Die Systemmatrix A(t) besitzt die Eigenwerte λ, = ( ± i)/(t), die für t negativen Realteil besitzen. Die allgemeine Lösung ist [ ] [ ] t 3/ t y(t) = κ + κ 3/ ln(t) t/ t /. ( ln(t)) Für κ =, κ = ist y = t t streng monoton wachsend (für t /4 = ). Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 8
34 5.6 Bemerkungen Definition 5.4 Das System y = f (t, y) heißt dissipativ in [t, t end ], wenn f (t, y) f (t, ỹ), y ỹ für alle t [t, t end ] und alle y, ỹ aus dem Definitionsbereich von f gilt., bezeichnet ein (z.b. das Euklidische) Innenprodukt im R n. Theorem 5.5 Ist das System y = f (t, y) dissipativ in [t, t end ], dann ist es auch kontraktiv in [t, t end ]. Bedeutet: Für je zwei Lösungen y, ỹ von y = f (t, y) mit Anfangsbedingungen y(t ) = y, ỹ(t ) = ỹ, y ỹ, gilt y(t ) ỹ(t ) y(t ) ỹ(t ) für alle t, t mit t t t t end. ( :=, / ) Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 9
35 5.6 Bemerkungen Ob ein System dissipativ (kontraktiv) ist, kann mit Hilfe logarithmischer Normen entschieden werden. Sei eine (von einer Vektornorm induzierte) Matrixnorm im R n n. Dann heißt I n + ha µ(a) = µ (A) := lim (A R n n ) h + h die zu gehörige logarithmische Norm. Ist = p, so schreibt man µ p ( ) für die zugehörige logarithmische Norm.. Die logarithmische Norm ist trotz ihres Namens keine Norm.. Wird von einem Innenprodukt, induziert, so gilt µ(a) = max x = Ax, x. 3. µ (A) = ρ( (A + A )) (ρ = Spektralradius). 4. Ist f (t, y) = A(t)y, so ist f (t, y) f (t, ỹ), y ỹ = A(y ỹ), y ỹ µ(a) y ỹ. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4
36 5.6 Bemerkungen Theorem 5.6 Seien eine Norm im R n und ν(t) : R R eine stückweise stetige Funktion mit µ(f y(t, y)) ν(t) für alle t [t, t end ] und alle y aus dem Definitionsbereich von f. Dann gilt für je zwei Lösungen y, ỹ von y = f (t, y) mit Anfangsbedingungen y(t ) = y, ỹ(t ) = ỹ, y ỹ, ( t ) y(t ) ỹ(t ) exp ν(s) ds y(t ) ỹ(t ) t für alle t, t mit t t t t end. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4
37 5.6 Bemerkungen Beispiel. Für das System ( ) von Seite 9 gilt: Es folgt f y(t, y) = A(t) = [ t t t 3 t µ (A(t)) = ρ( (A(t) + A(t) )) = max { t ± ( ) } t t 3 4 und damit µ (A(t)) genau dann, wenn t [t, t ] [.,.8] mit t, = ( 5 ) /. Das System ist daher in [t, t ] dissipativ (und kontraktiv). Folglich ist y(t) für jede Lösung y in [t, t ] monoton fallend. ]. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4
38 5.6 Bemerkungen y(t) / y() als Funktion von t κ =, κ =.5 κ =, κ =.54 κ =, κ = t_ t_ Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 3
39 5.6 Bemerkungen Definition 5.7 (Algebraische Stabilität) Ein Runge-Kutta-Verfahren gegeben durch die Butcher-Matrix c A b T heißt algebraisch stabil, wenn die symmetrischen Matrizen B := diag(β, β,..., β m ) und M := BA + A T B bb T beide positiv semidefinit sind. Theorem 5.8 Seien y = f (t, y) ein dissipatives System und {y n }, {ỹ n }, y ỹ, Näherungslösungen, die aus der Anwendung eines Runge-Kutta-Verfahrens resultieren. Dann gilt: Ist das Verfahren algebraisch stabil, so sind die Näherungen kontraktiv, d.h. y n+ ỹ n+ y n ỹ n (n =,,...). Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 4
40 5.6 Bemerkungen Beispiele. Die m-stufigen Gauß-Formeln (m {,, 3}) aus Abschnitt 4.5 sind alle algebraisch stabil (hier ist M die Nullmatrix!). Die Gauß-Radau-Formel ist algebraisch stabil, denn: M =, d.h. Λ(M) = {, /8}. 6 Die Trapez-Regel (aufgefasst als implizites zweistufiges RKV) ist nicht algebraisch stabil (Λ(M) = {±/}) Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 3/4 5
4 Runge-Kutta-Verfahren
Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen 43 4 Runge-Kutta-Verfahren 4. Konstruktion Ausgangspunkt wie immer (Substitution: s = t + τh, 0 τ ) y(t + h) = y(t) + [y(t + h) y(t)] = y(t) + = y(t) + h 0
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