An der Brennhäuser Straße in Sulzdorf wurden einst Segelflugzeuge gebaut

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Jürgen Schmitz
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1 1 Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Sulzdorf a.d.l. (Folge 107) An der Brennhäuser Straße in Sulzdorf wurden einst Segelflugzeuge gebaut Einst wurden in Sulzdorf an der Lederhecke nicht nur Segelflugzeuge gebaut, sondern der nahe Weinberg diente auch als Startplatz. Initiator war der nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Sudetenland vertriebene Rudolf Schindler. Er hatte in seiner alten Heimat zunächst den Schreinerberuf erlernt, legte dann die Meisterprüfung ab und absolvierte zusätzlich noch eine Ausbildung als Flugzeugbauer bei der Fa. Edmund Schneider in Grunau/Schlesien (heute Jezow Sudecki/Polen). Schneider war der Vater des berühmten Segelfugzeugs Grunau Baby. Dieses war in der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg eines der meistgebauten Segelflugzeuge. Es bestand aus einem Holzrahmen und war teils sperrholzbeplankt, teils stoffbespannt. Der Flügel war zweiteilig und besaß einen Holm. Als Fahrwerk dienten eine gummigefederte Kufe und ein Federstahlsporn am Heck. Zwischen 1931 und 1945 wurden von diesem Flugzeugtyp in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern Exemplare hergestellt. Ein Flugzeug wird um 1955 vor der Fabrikationsstätte der Fa. Schindler in Sulzdorf verladen. Erhard Zimmer, Freund der Familie Schindler fotografierte. Die historischen Fotos dieses Beitrags schoss Erhard Zimmer. Die erste Ausführung Baby I hatte eine Spannweite von 12,87 m, 14 qm Flügelfläche und ein Leergewicht von 98 kg. Sie war in abgestrebter Hochdeckerbauweise ausgeführt und besaß ein offenes Cockpit mit Windschutzscheibe. Mit dem Baby I stellte übrigens Kurt Schmidt 1933 bei

2 2 Korschenruh in Ostpreußen einen Weltrekord im Dauersegelflug auf. Er landete erst nach 36 Stunden und 36 Minuten. Schneider überarbeitete 1932/33 seinen Entwurf nach einigen statischen Berechnungen völlig. Die Baby II erhielt nun einen um 70 cm verlängerten Tragflügel mit Hilfsholm und einen vergrößerten, stromlinienförmigeren Rumpf. Die meistgebaute Version war jedoch das Baby II b. Hiervon wurden allein in der DDR von 1952 bis Exemplare produziert und bis 1979 bei der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) eingesetzt. Nach dem Fall der Mauer wurden einige Babies reaktiviert und wieder lufttüchtig gemacht. Rosemarie und Peter Schindler erinnern sich an die Pionierzeit der Industrialisierung in Sulzdorf an der Lederhecke. Wie kam das Grunau Baby an die Lederhecke? Rudolf Schindler heiratete die Cousine der Frau Edmund Schneiders, auf deren Gelände die erste Produktionshalle für das Grunau Baby errichtet wurde. Auch Edmund Schneider, der 1901 in Ravensburg am Bodensee geboren wurde, erlernte zunächst den Schreinerberuf. Diese Ausbildung kam ihm später als einem der ersten Segelflugzeugbauer Deutschlands zugute. Schneider war flugbegeistert und bewarb sich während des Ersten Weltkriegs bei den Kampffliegern, wurde aber für fluguntauglich befunden. In der Rhön lernte er dann Gottlob Espenlaub kennen. Auf der Wasserkuppe in der Rhön wurde ja bekanntlich der Segelflug erfunden. Mit Espenlaub wechselte Schneider 22jährig zur Segelflugschule in Grunau/Schlesien.

3 1928 gründete Edmund Schneider dann eine eigene Firma, in der er eigene Segelflugzeuge und andere Segelfugzeugtypen in Lizenz baute.

3 gründete Edmund Schneider dann eine eigene Firma, in der er eigene Segelflugzeuge und andere Segelfugzeugtypen in Lizenz baute. Ab 1929 fertigte die Firma Schneiders berühmten Schulgleiter, die Grunau 9. Sie wurde zum Standard- Anfänger-Gleitflugzeug in der Segelflugausbildung. Im Winter 1930/31 konstruierte der findige Flugzeugbauer dann das Grunau Baby I, das Vorgängermodell seines beliebten Grunau Baby II von Durch die steigende Nachfrage waren in Schneiders zwei Werken 1939 etwa 370 Mitarbeiter beschäftigt. Rudolf Schindler am Steuer eines Segelflugzeugs. Er gründete in Sulzdorf eine Firma, in der Segelflugzeuge gebaut wurden. Am Ende des Zweiten Weltkriegs musste Edmund Schneider seine Betriebe in Schlesien zurück lassen und floh mit seiner Familie. In Mühlhofen am Bodensee fanden sie kurzzeitig eine neue Heimat. Auf Einladung des australischen Aero- Klubs wanderte die Familie Schneider 1951 nach Australien aus. Bei einem Deutschlandbesuch verstarb Edmund Schneider 1968 in Rottach-Egern. Wie kam nun Rudolf Schindler auf die Idee in Sulzdorf Segelflugzeuge zu bauen? Während des Zweiten Weltkriegs war er bei der Luftwaffe auf verschiedenen Flugplätzen eingesetzt, so u.a. in Marienbad im Sudetenland und in Merseburg in Sachsen. Nach Kriegsende verschlug es die Familie Schindler, gebürtige Sudetendeutsche, zunächst nach Kimmelsbach und dann nach Sulzdorf an der Lederhecke. In der schweren Nachkriegszeit 1947/48 baute Rudolf Schindler in Sulzdorf einen holzverarbeitenden Betrieb auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmten die Siegermächte, dass die Deutschen keine Flugzeuge fliegen durften. Die Lufthoheit lag bei der jeweiligen Besatzungsmacht. Erst ab 1950 wurde der Segelflugsport und ab 1955 der gesamte Flugsport in Deutschland wieder zugelassen fuhr das Ehepaar Schindler deshalb auf einer Zündapp mit Beiwagen zu ihrem Verwandten Edmund Schneider nach Mühlhofen am Bodensee. Schindler erhielt nicht nur die Pläne zum Bau des Grunau Baby von diesem geschenkt, sondern zudem die Erlaubnis dieses bauen zu dürfen.

4 Startplatz der Schindler schen Segelflugzeuge war der Weinberg bei Sulzdorf.

4 4 Startplatz der Schindler schen Segelflugzeuge war der Weinberg bei Sulzdorf. Ab 1952 wurde dann das Grunau Baby in einer Holzbaracke an der Brennhäuser Straße in Sulzdorf gebaut. Die Tragfläche wurde aus Platzgründen im Saalbau des Gasthauses Eckhardt mit Leinwand bespannt und glasiert. Lore Eckhardt erinnert sich, dass ihr Tanzsaal deshalb zum Bespannen des Flugzeugs benutzt wurde, weil dieser große Eingangstore aufwies. Ein Blick in das Cockpit des in Sulzdorf gebauten Segelflugzeugs.

5 5 Der Jungfernflug eines Grunau Baby an der Lederhecke erfolgte 1953 am Weinberg in Sulzdorf. Dieser terrassenförmig ansteigende Berg zwischen Sulzdorf und Schwanhausen/Zimmerau an der heutigen B 279 war damals noch nicht mit Bäumen und Sträuchern bewachsen und außerdem gab es noch keine Umgehungsstraße, so dass dort ideales Gelände vorgefunden wurde. Um den Start des Segelflugzeugs zu ermöglichen, wurde ein V-Gummiseil am Bug eingehängt, das auf jeder Seite mit Männerkraft gespannt wurde. Gleichzeitig wurde das Flugzeug am Hecksporn gehalten. Und dann ließen alle auf Kommando los. Jetzt zischte das Flugzeug über die Bergkuppe, flog einige hundert Meter und landete dann sanft im ausgedehnten Wiesengrund. In jenen Jahren wurden zahlreiche Flugsportclubs in Deutschland gegründet, so u.a. in der Kreisstadt Königshofen im Grabfeld. Dessen Gründungsmitglieder waren, so erinnert sich Peter Schindler, u.a. sein Vater Rudolf, Heinz Kneuer, Inhaber der Brauerei Kneuer (er wanderte später nach Amerika aus) sowie Elektromeister Willi Mayr. Ein historisches Foto aus dem Jahre 1953 zeigt ein von der Sulzdorfer Firma Rudolf Schindler konstruiertes Segelflugzeug, mit dem auf dem Marktplatz in Königshofen Werbung für das Fluggerät, bzw. den Flugsport betrieben wurde. Werbeveranstaltung für das Sulzdorfer Segelflugzeug in Königshofen um Die Fa. Rudolf Schindler verfügte damals über keine großen finanziellen Mittel, so dass der Absatz des Grunau Baby nicht so recht in Schwung kam und die Produktion bei der Fa. Schindler in Sulzdorf eingestellt werden musste, nachdem ein Kunde seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllte. An der Lederhecke wurden ca. zehn Segelflugzeuge des Typs Grunau Baby gebaut, ebenso ein Flugzeugtyp Schulgleiter für Schulungszwecke, der ebenfalls von Schneider konstruiert wurde, erinnert sich Peter Schindler in unseren Tagen. Reinhold Albert

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