Modernes Schindelhaus

Transkript

1 Der Baukörper öffnet sich auf drei Ebenen über Eck mit verschiedenen Aussenbereichen. Modernes Schindelhaus Wie eine kubische Skulptur steht dieses moderne Schindelhaus in einem kleinen Dorf im Bregenzerwald. Der Bau wurde kürzlich mit dem Vorarlberger Holzbaupreis prämiert. 6 Raum und Wohnen /0 /0 Raum und Wohnen 7

2 _Die Wohnterrasse im Erdgeschoss wird von einem Trog aus Cortenstahl flankiert. Im Untergeschoss befindet sich das Büro. _Das Haus ist in einen sanften Hang eingebettet. Das mittlere Fenster gehört zum Wohnbereich. _Das aufgebrochene, unregelmässige Dach sorgt für architektonische Spannung. _Der angebaute Carport aus Sichtbeton deckt auch den Hauseingang. 8 Raum und Wohnen /0 /0 Raum und Wohnen 9

3 _Die Wohnterrasse ist in das Erdgeschoss eingeschoben. Blick von der Küche mit Essplatz. _Blick vom Wohnbereich nach Südosten auf die Kanisfluh. _Der Wohnbereich mit Aussicht nach Nordosten auf den bewaldeten Gopf. 0 Raum und Wohnen /0 /0 Raum und Wohnen

4 _Küche und Essplatz sind von schmalen Horizontalfenstern umgeben. _Auch im Inneren des Hauses zeigt sich viel wohnliches Holz. _Das Treppenhaus im Obergeschoss erhält sein Licht über ein grosses Fenster bei der Terrasse. MODERNES SCHINDELHAUS Am Anfang war die Sehnsucht nach saftigen Wiesen, blühenden Obstbäumen und Ausblicken in eine fantastische Bergwelt. Diesen Wunsch hat sich der Vorarlberger Architekt Jürgen Haller mit seinem selbstgebauten Holzhaus erfüllt. Es steht in Mellau, einem kleinen Dorf im Bregenzerwald, am Fusse der bekannten Kanisfluh. Die Ortschaft hat 00 Einwohner, an Weihnachten kommen noch einmal so viele Touristen hinzu. Schon in den Anfängen des Tourismus wurde dieses Dorf zum bedeutenden Ferienort, der vor allem Gäste aus dem süddeutschen Raum beherbergt. Mellau ist mittlerweile das grösste Skigebiet im Bregenzerwald. Ganz zentral Das Grundstück hat der Bauherr vom Vater geerbt. Es befindet sich an geradezu privilegierter Lage und ist nur eine Minute vom Dorfzentrum und drei Minuten von der Skiliftstation entfernt. Letzteres kommt natürlich dem begeisterten Skifahrer sehr entgegen. Früher stand da das Haus seiner Grosseltern. Es wurde abgebrochen, da es grosse wärmetechnische Mängel aufwies und über die Jahre unschöne Anbauten erhielt. «Das Haus war verbaut, hatte überhaupt keinen funktionellen Grundriss mehr. Es gab eine schäbige Eternitfassade, an der schon die Schindeln runtergefallen sind, und eine riesige Kubatur. Viele Räume standen leer, da man früher Fremdenzimmer eingerichtet hatte. Das Haus war schlichtweg nicht mehr erhaltenswürdig», fasst der Architekt und Bauherr zusammen. Deshalb baute er ein neues Holzhaus, das vor allem durch seine Ästhetik und Ökologie überzeugt. Die Bauzeit betrug neun Monate. Haller hat auch sehr oft selbst Hand angelegt. «Alles, was man selber machen kann, habe ich zusammen mit meinem Vater gemacht und dadurch auch Kosten eingespart. Er ist Schlosser und handwerklich sehr begabt», erklärt Haller. Sanft eingebettet Das strassenseitig zweigeschossige Gebäude befindet sich an einer leicht abfallenden Lage und ist sanft in den Hang eingebettet. «Dadurch, dass der südliche Teil des Hauses im Hang liegt, entsteht ein gutes Klima in meinen Büroräumen», erklärt Haller. Er hat sich dieses Haus nicht nur zum Wohnen, sondern auch zum Arbeiten gebaut. Die Planung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit seinem Südtiroler Architekten- Kollegen Peter Plattner. Dieser lieferte den Entwurf und das Konzept für das Gebäude. Die beiden haben bewusst an die lokale Tradition anknüpft. Das Einfamilienhaus, das mit dem Vorarlberger Holzbaupreis ausgezeichnet wurde, ist denn auch komplett geschindelt. Holz erfreut sich in Vorarlberg nach wie vor grosser Beliebtheit. «Dieser biologische Baustoff wächst ständig nach und ist somit erneuerbar, ohne die Umwelt zu belasten. Im Gegenteil, der Baum trägt, solange er lebt, zur Verbesserung der Luftqualität bei», erläutert Haller. Im Einklang Trotz seiner eigenwilligen und äusserst kompakten, kubischen Form wirkt das Haus zwischen all den von der Sonne braungebrannten, traditionellen Bregenzerwald-Holzhäusern nicht wie ein Fremdkörper. Das zeitgenössische Gebäude steht im Einklang mit den alten Häusern, deren Schindelfassaden über Jahrzehnte verwitterten und dadurch Raum und Wohnen /0 /0 Raum und Wohnen

5 _Das Schlafzimmer im Obergeschoss steht mit einer der zwei Obergeschossterrassen in Kontakt. _Ein Wannenpodest mit Stufen erschliesst im Bad die grössere Obergeschossterrasse neben dem Treppenhausfenster. immer schöner wurden. In unmittelbarer Nähe des Neubaus befindet sich unter anderem ein 50 Jahre altes Holzgebäude, das von einem bekannten Vorarlberger Architekten renoviert wurde und jetzt als kleines Gasthaus genutzt wird. Im unteren Geschoss des neuen Schindelhauses wurde ein 0 m grosses Büro für vier bis fünf Mitarbeiter eingerichtet. «An meinem Arbeitsplatz schätze ich vor allem den Ausblick in die ungestörte Natur, das viele Licht, welches ins Haus gefiltert wird, und das angenehme Raumklima», erklärt Haller. Die lokale Prägung des Hauses zeichnet sich durch eine Interpretation aus, die grossen Wert auf ästhetische Details legt, ohne funktional Abstriche machen zu müssen. Durch blosse Einschnitte wird Licht in die Innenräume geleitet. Auf horizontale Traufund Firstkanten wurde verzichtet, um die markante Formensprache zu bewahren. Der First läuft schräg über den rechteckigen Grundriss bei bleibender Dachneigung. Durch die Abrundungen wirken die Räume weniger hart und vermitteln stärker das Gefühl der Geborgenheit. «Diese Situation musste man im Elementbau exakt berechnen, was letztlich auch perfekt geklappt hat», so der Architekt und Bauherr. Im Innenbereich wurden die Decken und Aussenwände mit Weisstanne verkleidet. Die Einbauten und Möbel sind mit weissen Schichtholzplatten versehen, um eine gewisse Lockerheit zu erzielen. Im Schlafzimmer wird man am Morgen von der Sonne geweckt. Von dort aus kann man die Sicht auf die 0 Meter hohen Kanisfluh und den etwas niedrigeren und deshalb bewaldeten Gopf geniessen. Edelstahlküche Die Küche hat der Architekt selbst geplant und in Edelstahl konzipiert. Man ging so vor, dass der Architekt die groben Pläne zeichnete und der Tischler, der schon seit Jahren für Haller arbeitet, diesen den letzten Schliff gab und danach die Schreinerarbeiten millimetergenau ausführte. Detailfragen haben die beiden gemeinsam gelöst. Die Garderoben- und Badmöbel sind ebenfalls aus weissen Schichtholzplatten, für die Betten, die Schlafzimmermöbel sowie in der Ankleide wurde hingegen wie bei den Fensterrahmen Weisstanne gewählt. Der Architekt hat eine Vorliebe für dieses Holz, das seine Ahnen schon verwendet haben und das so wundervoll altert. Die Treppe hingegen ist aus Eichenholz, das mit ökologischen Mitteln geölt wurde und dadurch samtig warm wirkt. Das Haus ist windgeschützt. Auf der überdachten Terrasse kommt keine Zugluft auf, so dass man auch bei schlechtem Wetter draussen sitzen kann. Im Garten fällt dem Besucher ein langer, rostbrauner Trog aus Cortenstahl auf, der sich in einen Brunnen und in einen Kräutergarten unterteilt. Dieser Trog benötigt keinen Unterhalt und wird mit den Jahren immer schöner. Um das Areal des Hauses hat Haller Obstbäume gepflanzt. Diese gedeihen prächtig und blühen im Frühling wunderschön. Clevere Konstruktion Die Konstruktion des Hauses besteht aus Holzriegelelementen, die beidseitig mit Plattenwerkstoffen beplankt sind. Die Schindeln an den Fassaden sind aus Weisstanne, die auf dem Dach aus Alaskazeder. Bei den traditionellen «Wälderhäusern» wurde die Wetterseite auch immer geschindelt. Im Bregenzerwald gibt es noch immer Schindelmacher, die von Hand Schindeln schneiden. Die Böden in den Nasszellen sind aus einer drei Millimeter dünnen Hartharzschicht. Dieses Material lässt sich gut und leicht putzen. Für die Dusche und das Badezimmer wählte der Architekt Glaselemente statt Fliesen. Raum und Wohnen /0 /0 Raum und Wohnen 5

6 6 5 7 Obergeschoss Gang Zimmer Terrasse Bad 5 Schlafen 6 Ankleide 7 Bad Erdgeschoss Gedeckter Eingang Entree Carport Geräte 5 Gäste-WC 6 Vorrat 7 Kochen 8 Essen 9 Wohnen 0 Gang Gedeckter Sitzplatz Terrasse Altpapier dämmt das Haus Auf Solarkollektoren wurde verzichtet, da im Winter wegen der hohen Berge relativ wenig Sonne scheint und man in gewissen Zeiten nur die gegenüberliegenden Berge im Sonnenlicht bewundern kann. Dafür wurde auf die Wärmedämmung des Hauses grossen Wert gelegt. Es wurde mit Isocell gearbeitet, einem Material, das aus Altpapier hergestellt wird. Man zerfasert sortiertes Zeitungspapier und gibt mineralische Salze bei, die vor Schimmel- und Schädlingsbefall schützen. Isocell hat zudem einen hohen Brandschutzwert. Die Flocken werden in die jeweiligen Hohlräume setzungssicher eingeblasen und füllen auch engste Spalten völlig aus. Das Einblassystem ermöglicht eine fugenlose Dämmmatte ohne Verschnitt. Nicht nur das Ergebnis ist ökologisch, da Heizenergie gespart wird, auch in der Produktion ist Zellulose aus ökologischer Sicht unschlagbar. Andere Dämmmaterialien wie Polystyrol oder Glasfaser benötigen einen deutlich höheren Primärenergieeinsatz. Dank der Dreifachverglasung und einer verstärkten Isocell-Dämmung der Holzrahmenwände hat das Holzhaus eine bemerkenswerte Energiekennzahl und das trotz der grosszügigen Glasfronten. Um die Wohn- und Arbeitsqualität zu steigern, gibt es zwei Komfortlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Eine Wärmepumpe mit 60 Meter Tiefenbohrung sowie ein Kaminofen ergänzen sich. Letzterer leistet vor allem in der Übergangszeit vorzügliche Dienste. Vielseitige Ausbildung Jürgen Haller ist gelernter Zimmermann und ist spezialisiert auf Planung, Bauleitung, Baukoordination und Ausführungsplanung. Zurzeit betreut er zirka 0 Baustellen. Er besuchte die Volksschule in Mellau und die Hauptschule in Bezau. Dann folgte die Höhere Technische Lehranstalt in Bregenz. Zehn Jahre war er Projektleiter bei der Berlinger Holzbau GmbH in Alberschwende, wo er Bauprojekte in ganz Europa abgewickelt und betreut hat. Im Jahr 00 absolvierte er die Bau- und Zimmermeisterschule, danach einen Planungs- und Baukoordinationslehrgang. Schliesslich gründete er vor vier Jahren sein eigenes Büro, das sich auf den Bau von energieeffizienten Wohngebäuden spezialisiert hat. Durch die grosse Erfahrung im ökologischen und nachhaltigen Bauen arbeitet das Büro Haller auch mit bekannten Architekten zusammen und versucht deren Wünsche und Vorstellungen baulich und detailgetreu nach den neusten Parametern umzusetzen. JÜRGEN HALLER PETER PLATTNER A-688 Mellau Nord-Ost-Ansicht Kellergeschoss Gang Büro Lager/EDV Dusche/WC 5 Technik/Waschen 6 Vorratskeller 7 Keller 8 Archiv Büro 9 Lichtschacht FOTOS: Albrecht Schnabel TEXT: Lore Kelly Harmonisch fügt sich das Haus in die Bregenzerwald-Landschaft und die bauliche Umgebung ein. 6 Raum und Wohnen /0 Leserdienst 8