Schwulst mit sich und andererseits zu viel Schuld und nur wenig oder gar keine Unschuld. Am Missionssonntag jedoch kamen Prediger der einen oder
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- Jürgen Schneider
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2 Schwulst mit sich und andererseits zu viel Schuld und nur wenig oder gar keine Unschuld. Am Missionssonntag jedoch kamen Prediger der einen oder andern Missionsgesellschaft und erzählten auf der Kanzel etwas von anderen, fremdartigen Menschen. Das packte uns. Das war rüdig schön. In unserer Pfarrei wechselten sich die Vertreter der Benediktiner, Steyler, Immenseer und Pallottiner Missionsgesellschaften ab. Die Weißen Väter und die Jesuiten mochte unser Pfarrer nicht. Er sagte:»die einen sind mir zu französisch und die anderen zu intellektuell; für Bauernsöhne sind sie beide nicht geeignet.«die Kapuziner kamen nicht am Missionssonntag, sondern regelmäßig während des übrigen Jahres, lasen Messe, predigten kurz und träf und nahmen die Beichte für alle schweren
3 Sünden ab. Während des Zweiten Weltkriegs war hauptsächlich China das Thema der Missionspredigten. Lateinamerika, sagte man uns, müsste eigentlich schon katholisch sein und sei kein Missionsgebiet mehr. Afrika kam nur langsam und erst gegen Ende des Krieges hinzu. Aber der Kontinent im Süden wurde über Nacht zum Verkaufsschlager der Missionen. Afrikas Schicksal rührte alle Herzen. Einige Gläubige gerieten gar ins Schluchzen ob dieser armen Negerlein, waren sie doch von der Hitze und der Sonne ganz dunkel gebrannt.»ob wohl Pater Egli aus unserer Gemeinde von seiner Afrikamission als Schwarzer heimkehrt?«, fragten wir Kinder uns ernsthaft. Die Missionare predigten also am liebsten über Afrika. Und wir Kinder
4 hörten ihren Berichten wie den Märchen der Eltern vor dem Einschlafen zu. Denn zu den fremdartigen Menschen kamen die fremdartigen Tiere hinzu: Elefanten und Giraffen, lustige Affen und gefräßige Löwen. Kurz: Für diese armen und zugleich unterhaltsamen Menschen taten wir gerne etwas. Wir sparten von dem wenigen, das wir hatten, noch etwas für das Negerlein ab. In jeder Familie gab es dafür ein spezielles Kässeli: Ein ganz schwarzer kniender Neger in einem langen weißen Kleid nickte jedes Mal dankbar, wenn man eine Münze durch den Schlitz warf. Oh, besonders wir Kinder hätten von Herzen gern noch viel mehr für das nickende Negerlein getan. Es war uns nahe, denn wir selbst waren auch arm, ob nun getauft oder nicht. Ich dachte viel nach, wenn der Missionar erzählte, wie trocken es in
5 Afrika sei. Weder in den Hütten noch im Dorf gebe es Brunnen, berichtete er, die Frauen und Kinder müssten das Wasser von weit weg holen und mit Schüsseln, Kanistern und Kesseln aller Art auf dem Kopf heimtragen. Ja, wenn das Wasser so knapp ist, überlegte ich, warum muss man denn mit dem kostbaren Wasser taufen? Oder war etwa der liebe Gott so gütig, dass er nach der Taufe mehr Wasser sprudeln ließ? Vielleicht musste man die Afrikaner deshalb bekehren und taufen, um die Bekehrten wie es in den Predigten immer wieder hieß zu den Quellen des ewigen Wassers zu führen, das von den Bergen fließt. Ganz anders verhielt es sich mit China, dem zweiten Missionsgebiet, über das gepredigt wurde. Wie wir hörten, war es da sehr kalt, minus vierzig Grad im ewig langen Winter. Über Monate hinweg war
6 alles steinpickelhart gefroren. Die Menschen gingen immer gesenkten Blicks und waren tieftraurig. Das Land war von den Japanern überfallen worden, einer Nation von schrecklichster Grausamkeit. Dazu gab es überall Räuber, die uns an die Hunnen im Geschichtsunterricht erinnerten. Die Spitzbärte der Chinesen, sagte man uns Kindern, offenbarten eine gewisse Verschlagenheit. Wir konnten sie nicht verstehen, diese Gesichter, die nie lächelten. Und die chinesischen Kinder waren wohl wegen der Kälte so dick in wattierte Kleidung verpackt, dass sie sich kaum bewegen konnten. Als Kinder wollten wir auf keinen Fall in dieses feindliche China gehen. Für uns war nach den Predigten der China-Missionare klar: Im Fernen Osten spürte man die Gottverlassenheit aus allen Ritzen des Lebens heraus. Selbst der Himmel war
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