Predigt über Jakobus 5,7-11

Transkript

1 Predigt über Jakobus 5,7-11 Mancher muss zugeben: Geduld ist nicht meine Stärke. Kaderleute sagen etwa in einem Interview auf die Frage: Haben Sie auch Schwächen? Ich bin etwas ungeduldig. Damit meinen sie aber: Ich bin dynamisch und schnell, Ungeduld ist doch keine Schwäche. Wie hilfreich die Geduld ist, stellen wir fest, wenn wir einen Unfall erleiden oder plötzlich erkranken, aus dem Arbeitsprozess gerissen werden und im Spitalbett liegen müssen. Hier hilft uns nicht unsere Dynamik und Schnelligkeit, sondern allein die Geduld. Geduld ist uns nicht in die Wiege gelegt. Sie gilt in unserer hektischen Welt auch nicht als erstrebenswerte Tugend. Man hofft vielmehr, möglichst lange ohne sie auszukommen. Und doch ist man plötzlich enorm froh, Geduld zu haben im Umgang mit dem Säugling, der so lange braucht, bis er gestillt ist. Beim Hausaufgaben machen mit dem Teenager, der die Sekprüfung geschafft hat, jetzt aber hart arbeiten muss, um in seiner Klasse zu verbleiben. Mit der Ehefrau, die so viel zu erzählen hat, und dabei bis in die Details geht, was für den Mann unnötige Ausschmückungen sind. Und für die älteste Generation, deren Lebensrhythmus in den Augen der jungen Leute im Schneckentempo verläuft. Haben wir Geduld, so sind wir im Umgang mit den andern gut beraten. Geduld ist also sehr nützlich und wünschenswert. Aber wie bekommen wir sie, wenn wir nicht geduldig veranlagt sind? Die Geduld ist nicht machbar. Wir können sie nicht aus uns herauspressen. Geduld ist ein Geschenk Gottes. Sie ist eine Qualität, die der heilige Geist in uns schafft, wenn wir unser Leben Jesus anvertrauen. Dann kommt der Heilige Geist in unser Leben, wohnt in uns und beeinflusst unsere Charakterentwicklung. Paulus sagt: Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit. (Galater 5,22f) Die Geduld ist Frucht. An einem guten Baum wächst gute Frucht. Aus der Lebensverbindung mit Jesus wachsen gute Charaktereigenschaften. Lassen wir uns vom Heiligen Geist leiten, so stellen wir mit der Zeit fest, wie unsere Geduld zunimmt. Der Herr wirkt sie in uns, wenn wir es zulassen und unseren Teil dazu beitragen. Wir kommen zum Beispiel in folgende Situation: Wir sind auf dem Weg nach Hause, haben Hunger und wollen das Mittagessen zubereiten. Genau in dem Moment begegnet uns eine ältere Dame, die unbedingt ein paar Worte mit uns wechseln möchte. Wir spüren, sie hat es gerade nötig. Da 1

2 gibt uns der Heilige Geist den Impuls: Bleib stehen und nimm dir fünf Minuten Zeit, ich helfe dir, ich gebe dir die Geduld, ruhig und aufmerksam zuzuhören. Folgen wir seinem Impuls und wenden wir uns der Dame zu. Der Herr segnet uns mit Geduld, belohnt uns mit Freude, dass wir ihm gehorsam waren und der Dame Liebe geschenkt haben, und er gibt uns die Zeit zurück, die wir ihr geschenkt haben. Geduld bringt Rosen, wie ein blumiges Sprichwort sagt. Geduld brauchen wir nicht nur im Umgang mit den Menschen. Geduld ist besonders wichtig im Glauben. Wir leben ja in der Zeit zwischen der Himmelfahrt und der Wiederkunft des Herrn. Jesus kam ein erstes Mal auf die Erde und verkündigte die frohe Botschaft: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Busse und glaubt an das Evangelium! (Markus 1,15) Jesus heilte die Kranken und machte die Gebundenen frei. Zeichenhaft liess er aufleuchten, wie es im Reich Gottes einmal sein wird. Jesus ist gekommen, um allen Sündern das Heil zu bringen. Er starb stellvertretend für uns, um uns unsere Sünden zu vergeben und uns Frieden mit Gott zu schenken. Allen, die im Glauben annehmen, was er für sie getan hat, gibt Jesus das ewige Leben. Jesus ist auferstanden. Er lebt. Er kehrte zurück zum Vater im Himmel und sandte uns den Heiligen Geist. Durch ihn ist er immer und überall bei uns, bis das Ende dieser Welt gekommen ist. (Matthäus 28,20) Jesus wird wiederkommen, das ist eine der bestüberlieferten Tatsachen im Neuen Testament. In dieser Zwischenzeit leben wir. Wir warten darauf, dass der Herr wiederkommt. Und da ist Geduld gefragt, dauert es doch schon 2000 Jahre, seit Jesus seine Wiederkunft vorausgesagt hat. Sie ist unsere Perspektive. Das Ziel unseres Glaubens. Sie bildet den Horizont für unser Leben mit Jesus. Und sie ist eine so starke Hoffnung, dass sie unsere Gegenwart bestimmt. Die Wiederkunft des Herrn ist der Tag des Gerichtes. Dieser Horizont ist aber nicht nur erschreckend, sondern auch tröstlich. Und er nimmt uns in die Pflicht, schon jetzt so zu leben, dass wir unser Denken, Reden und Handeln vor Gott verantworten können. So sind wir bereit, wenn der Herr wiederkommt. So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. (Jakobus 5,7), fordert Jakobus die Christen auf. Er richtet sich an die Brüder, das sind alle, die zur Familie Gottes gehören. Alle, die durch den Glauben an Jesus Gottes Kinder und auch untereinander Geschwister geworden sind. Was nötig ist in der Familie, ist Geduld. Wir haben eine unübertreffliche Hoffnung und Gewissheit: Der Herr kommt bald. Sie weckt in uns Vorfreude auf den Tag seiner Wiederkunft. Diese Vorfreude ist wie ein strahlendes Licht, das den dunkelsten Tag hell macht. Und wir haben die Verpflichtung, unser Leben auf die 2

3 Wiederkunft des Herrn auszurichten. Denken wir immer daran: Der Herr kommt bald. Leben wir so, dass wir ihm jederzeit begegnen können. Wir wissen: Gott ist der Schöpfer und der Vollender. Er hat die Welt durch sein Wort ins Leben gerufen. Genauso spricht er einmal das letzte Wort über sie. Darum können wir einen langen Atem haben. Und wir haben die Gewissheit, dass Gott das, was er in unserem Glaubensleben angefangen hat, auch vollenden wird; deshalb können wir durchhalten auch in schwierigen Zeiten. Gott hat zuerst Geduld mit uns gehabt, lange bevor wir geduldig sein können. Unsere Geduld lebt von der Geduld, die der Herr mit uns hat. Wir bestimmen den Tag der Wiederkunft Jesu mit. Gott wartet, bis sein Haus voll ist (Lukas 14,22f), bis die volle Zahl von Menschen aus den anderen Völkern den Weg zu Christus gefunden hat. (Römer 11,25) Nicht Gott lässt uns warten, sondern wir ihn. Natürlich dürfen und sollen wir Jesus bitten, dass er bald wiederkommt. (Offenbarung 22,17) Einem Bauern muss man nicht sagen, was Geduld ist. Er weiss: Die Wachstumsprozesse in der Natur brauchen Zeit. Der Bauer bringt die Saat aus. Dann muss er warten, bis Gott Regen schenkt. So beginnt die Saat zu keimen. Wieder braucht sie Regen, und so wächst und reift die Frucht heran. Kein Bauer käme auf die Idee, die Saat, die er im Herbst ausgebracht hat, schon nach dem Frühregen zu ernten. Da gäbe es noch nichts zu ernten. Weit und breit keine Frucht. Geduldig wartet der Bauer, bis der Wachstumsprozess fortgeschritten ist. Erst nachdem der Spätregen im Frühling gefallen ist, ist Erntezeit. Der Bauer muss in der Zwischenzeit nicht verzweifeln, weil der Herr treu ist. Er hat Noah nach der Sintflut versprochen: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (1 Mose 8,22) Lernen wir von den Bauern. Haben wir Geduld. Machen wir uns keine Sorgen. Die Saat wird eine Ernte geben, wenn es Zeit ist. Der Herr lässt den Frühregen und den Spätregen fallen und gibt der Saat, was sie nötig hat zum Wachsen und Reifen. Und er gibt uns durch sein Wort und seinen Geist, was wir brauchen, um im Glauben zu wachsen und zu reifen. Machen wir uns keine Sorgen. Tun wir treu und sorgfältig unsere Arbeit, und überlassen wir den Rest dem Herrn. Stärkt eure Herzen (Jakobus 5,8), sagt Jakobus. Stark werden wir nicht aus eigener Kraft, sondern in der Kraft des Herrn. (Epheser 6,10) Die 3

4 Batterie unserer eigenen Kraft ist schnell leer. Laden wir sie immer wieder an der Stromquelle beim Herrn. Bleiben wir an seine Kraft angeschlossen, so halten wir durch. Achten wir auf diesen Kontakt. Die Hoffnung, die wir haben, ist grossartig. Verhalten wir uns auch entsprechend. Was nützt uns die Hoffnung auf den Tag des Herrn, wenn wir bei seiner Wiederkunft nicht bereit sind? Unsere Bereitschaft schwindet, wenn wir Sünde tolerieren in unserem Leben. Konkret erwähnt Jakobus das Seufzen gegen einander. Das gibt es leider auch in der christlichen Gemeinde. Gemeindeglieder fangen an, über andere zu murren und sie zu kritisieren. Sie reden vor Dritten schlecht über sie und zerstören die Gemeinschaft. Statt zusammenzuhalten und einander beizustehen, fällt man einander in den Rücken. Hüten wir uns vor diesem destruktiven Reden und Verhalten. Hören wir heute damit auf, wenn wir bisher gegen andere schlecht geredet haben. Bitten wir den Herrn um Vergebung und fangen wir neu an. Gehen wir auf Gemeindeglieder zu, über die wir schlecht gedacht oder geredet haben. Versöhnen wir uns mit ihnen. Achten wir sie, auch wenn sie uns vom Typ her nicht sympathisch sind. Der Herr kommt bald. Der Richter steht vor der Tür. (5,9) Seien wir bereit, ihm zu begegnen. Vielleicht kommt uns das Warten auf den Tag des Herrn lang vor. Denken wir daran: Wir sind nicht die Ersten, die Geduld haben müssen. Vor uns gab es schon viele, die dasselbe erlebten wie wir, ja die sogar im Leiden geduldig waren. Lernen wir von ihnen. Lassen wir uns von ihrem Vorbild motivieren dranzubleiben, bis wir das Ziel erreichen. Ein Beispiel geben uns die Profeten. Sie mussten leiden, weil sie den Mut hatten, die Wahrheit zu sagen und ihre Zeitgenossen mit einer unbequemen Botschaft zu konfrontieren. Hätten sie geschwiegen, so hätten sie sich nicht unbeliebt gemacht und leiden müssen. Hätten sie den Leuten nach dem Mund geredet, so hätte man ihnen Beifall geklatscht. Doch sie blieben dem Herrn treu und nahmen ihren Auftrag wahr. Wer sich klar zum Herrn bekennt und kein Blatt vor den Mund nimmt, stösst auf Widerstand. Aber bei aller Ablehnung, die ihnen begegnete, hielten die Profeten an ihrem Auftrag fest. Sie vertrauten dem Herrn und bewährten sich mit ihrer Geduld und Ausdauer. Darin sind sie uns ein Vorbild. Hiob ist sicher das Beispiel par excellence, wenn es um Geduld und Ausharren geht, der leidende Gerechte im Alten Testament schlechthin. Die Hiobsbotschaften folgten Schlag auf Schlag, doch er sagte: Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen; der Name des Herrn sei gelobt. 4

5 (Hiob 1,21) Oder: Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? (Hiob 2,10) Natürlich war auch Hiob nicht über alle Zweifel erhaben. Auch ihm lag das Hadern zu gewissen Zeiten nahe. Aber er wurde trotz allem, was er nicht verstehen konnte, nicht an Gott irre. Und er erlebte, dass Gott voll Mitleid und Erbarmen ist. Er wandte Hiobs Geschick schliesslich und führte es zu einem gnädigen Ende; er brachte ihn durch alles Leiden zum Ziel. (Hiob 42,10-16) Der Herr Jesus selber ist durch Leiden gegangen. (Philipper 2,5-11) Darum versteht er uns durch und durch, wenn wir durch Leiden gehen und unsere Geduld hart geprüft wird. Er leidet mit uns. (Hebräer 4,15) Für uns ist eines wichtig: Das Leben mit Jesus geht zwar durch Leiden und Geduldsproben, aber wir haben einen barmherzigen Herrn. Er will uns durch alles zu einem herrlichen Ziel führen. (Jesaja 28,29; 1 Korinther 10,13) Amen , Madeleine Koch-Stoll, Pfrn., Adelboden 5