Predigt 3. Advent Lukas 1, (aus dem Lobgesang der Maria) Rainer Rudl

Transkript

1 Predigt 3. Advent Lukas 1, (aus dem Lobgesang der Maria) Rainer Rudl Liebe Gemeinde, soeben haben wir in dem bekannten Adventslied Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich Dir? in der letzten Strophe gesungen: Du kommst und machst mich groß und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut. Genau das hat Maria so erlebt. Maria, die junge Frau, präziser noch das junge Mädchen aus einfachen Verhältnissen aus dem unbedeutenden Gebirgsdorf Nazareth in der nördlichen Provinz Galiläa. Gott hat gerade dieses Mädchen Maria ausgewählt, seinen Sohn zur Welt zu bringen. Maria hat diese Erwählung angenommen. Sie hat sich dazu bereit erklärt, dass ihr das geschehe, was Gott ihr gesagt hat. Und Maria tut das nicht zähneknirschend, nicht widerwillig und nicht aus falschem frommen Pflichtbewußtsein. Über das, was Gott ihr gesagt hat, was Gott an ihr getan hat, wozu Gott sie bestimmt hat darüber formuliert, komponiert, arrangiert sie ein großes Loblied auf Gott. Mit ihrem Lied will sie Gott die Ehre geben, ihn rühmen, ihn preisen, ihn anbeten, ihm danken. Wir haben Maria s Loblied schon in der Schriftlesung gehört. Folgende Strophe daraus ist die Grundlage der Predigt: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen (Lukas 1,46-48) Meine Seele erhebt den Herrn. In einer anderen Übersetzung heißt das: Meine Seele macht groß den Herrn. Mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Meine Seele und mein Geist, d.h. meine ganze Person, mit allem

2 drum und dran, mit Denken, Fühlen und Wollen soll sich über Gott freuen und Gott großmachen. Warum freut sich Maria über Gott? Warum können wir uns über Gott freuen? Warum will Maria Gott groß machen? Warum sollen wir Gott groß machen? Dazu 2 Gedankengänge: 1.Der große Gott blickt auf das Kleine Normalerweise ist das immer umgekehrt: Die Kleinen gucken auf die Großen. Oft fasziniert: Wie man nur so groß werden kann? Oft neidisch: Wenn ich doch auch nur solch ein Großer wäre? Oft resigniert: Diese Größe werde ich wohl nie erreichen. Da gucken die Kleinen auf die Großen des grünen Rasens. Da schauen die Kleinen auf die Großen der Bühne oder Mattscheibe. Da blicken die Kleinen auf die Großen der Weltpolitik oder Geldpolitik. Selten blicken die Großen auf die Kleinen. Und wenn doch, dann meistens herablassend oder aus Berechnung oder um sich im Begeisterungsgetümmel feiern zu lassen. Maria erlebt das anders: Der Herr hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Der Herr und die Magd. Die Hoheit und die Niedrigkeit. Der große -Gott und die kleine Maria. Das ist kein Blick, der erniedrigt. Das ist kein Blick, der das Niedrige übersieht. Das ist ein Blick, der das Kleine wahrnimmt, bemerkt und beachtet. Das ist ein Blick, der das Niedrige erhöht und das Kleine groß macht. So wird uns Gott in der ganzen Geschichte mit der Menschheit vorgestellt. So und nicht anders. Gottes Blickrichtung geht immer nach unten. Gott liebt, sieht und erwählt das Niedrige, das Geringe, das Kleine, das Unscheinbare, aus Unauffällige. Dazu einige Beispiele: Gott erwählt sich als sein Bundesvolk das Volk Israel. Und dazu sagt das 5. Buch Mose: Nicht hat euch der Herr angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker denn du bist das Kleinste unter allen Völkern sondern weil er euch geliebt hat (5. Mose 7,7) Gott erwählt als Nachfolger für den König Saul den jüngsten, den kleinsten Sohn von Isai: David, der die Aufgabe hatte, die Schafe zu hüten.

3 Und Gott hat das im Blick auf das zukünftige Weihnachtsgeschehen durch den Propheten Micha so auf den Punkt gebracht: Und du, Bethlehem, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei (Micha 5,1). Gott erwählt sich ein Provinznest als Ort seiner Ankunft auf der Erde. Und so sieht Gott auch die kleine Maria vom Dorf und erwählt sie zur Mutter seines Sohnes. Und später sieht der großgewordene Jesus die kleinen Leute vom See die ungebildeten einfachen Nachtschicht-Malocher und erwählt gerade aus diesem Milieu die meisten seiner Nachfolger und Mitarbeiter. Der große Gott blickt auf das Kleine. Aber: Der große Gott blickt nicht nur auf das Kleine. Nein, der große Gott macht sich selbst ganz klein. Das ist das Besondere an unserem Gott. Das ist das Besondere des Weihnachtsgeschehens. Gott steigt ab. Gott steigt ab von seinem himmlischen Thron hinunter auf die Erde, wo wir Menschen leben. Wir haben einen heruntergekommenen Gott, einen Gott, der vom Himmel hoch zu uns Menschen runter auf die Erde gekommen ist. Der große Gott macht sich selbst ganz klein. Der große Gott kommt als kleines Baby auf die Welt. Und die Wiege des Gotteskindes steht nicht im 6-Sterne-King- David-Hotel in der Metropole Jerusalem. Die Menschwerdung Gottes beginnt in einer primitiven Futterkrippe im 1-Stern-Stall im Kaff Bethlehem Jesus, ein Stalljunge, der Sohn einfacher, kleiner Leute. So, wie der große Gott auf die kleine Maria blickt, so blickt Gott auch uns an. Das ist ein wohlwollender und liebevoller Blick, der uns sagt: Ich kenne dich. Ich bin für dich. Ich bin für dich da. Ich bin bei dir und mit dir! Und so, wie der große Gott sich einmal erniedrigt hat und im Stall von Bethlehem herunter zur Welt gekommen ist, so will Gott auch heute in die Niedrigkeit unseres kleines Lebens kommen, in unserem kleinen Lebenshaus absteigen und dort wohnen, leben und residieren. Auch wenn unser Leben vielleicht manchmal dem Stall von Bethlehem sehr ähnelt einfach, dreckig, tierisch stinkend, baufällig -, so hindert das Jesus nicht, dort immer wieder abzusteigen, auf Tuchfühlung mit uns zu kommen und bleiben. Gerade dann erst recht nicht. Der große Gott blickt besonders auf das Kleine. Der große Gott kommt besonders in das Kleine. Der große Gott macht sich selbst ganz klein.

4 2. Das Kleine macht Gott groß. Die kleine Maria spricht: Meine Seele erhebt den Herrn Die kleine Maria singt: Meine Seele macht groß den Herrn. Die kleine Maria macht Gott groß. Das darf jetzt nicht missverstanden werden. Gott ist von sich aus groß. Gottes Größe ist nicht davon abhängig, ob Menschen ihn groß machen oder nicht. Folgende Begebenheit macht deutlich, worum es geht: Vor einer großen Evangelisationswoche in Deutschland schreibt der weltweit bekannte amerikanische Evangelist Billy Graham dem ebenso bekannten Theologieprofessor in Deutschland Karl Barth einen Brief: Lieber Karl, ich freue mich sehr, nach Deutschland zu kommen, um Euch Jesus zu bringen. Karl Barth schreibt daraufhin zurück: Lieber Billy, wir freuen uns auch auf Dein Kommen aber Jesus ist schon hier. Du musst es den Menschen nur noch sagen. Menschen müssen Gott nicht bringen und Menschen müssen Gott nicht groß machen. Gott ist schon da bei uns persönlich, bei uns auf dem Tackenberg, überall auf der Welt. Und Gott ist von sich aus groß. Gott groß machen, heißt, immer wieder neu selbst aufmerksam werden dafür, dass Gott da ist, dass Gott groß ist, dass Gott durch das Weihnachtsgeschehen großes getan hat und dass Gott großes an mir tun will und großes mit mir vor hat. Gott groß machen, heißt, andere darauf aufmerksam zu machen, dass Gott da ist und was Gott großes für die Menschheit und auch großes für mich persönlich getan hat. Gott groß machen, heißt, Menschen im Gemeindebezirk der APO darauf aufmerksam zu machen, was Weihnachten ist, was Weihnachten geschehen ist, was Weihnachten bedeutet durch den abendlichen auf die Menschen zugehenden Tackenberger Adventskalender. Das Kleine macht Gott groß. Die kleine Maria macht Gott groß. Sie empfindet das nicht als lästige Aufgabe und als fromme Pflicht sondern als hohe Auszeichnung. Darüber freut sie sich riesig und deshalb singt sie aus vollem Herzen. Das Kleine macht Gott groß. Die kleine APO, die kleinste Gemeinde in Oberhausen von der Gemeindegliederzahl, macht Gott groß und das schon seit 4 Jahrzehnten, seit 40 Jahren. Gott hat die kleine APO im nicht besonders attraktiven Stadtviertel Tackenberg erwählt so wie Gott Israel erwählt hat und Bethlehem und die kleine Maria. Gottes Blick richtet sich

5 nach unten, auf die Kleinen. Und Gott gebraucht das Kleine, damit seine Größe sichtbar wird, hörbar wird, erlebbar wird auch seit 40 Jahren auf dem Tackenberg. Sonst würden die meisten von uns heute Morgen nicht hier im Gottesdienst in der APO auf dem Tackenberg sein. Ich auf jeden Fall nicht. Gott hat die kleine APO auf dem Tackenberg erwählt, damit seine Größe und Wirklichkeit hier sichtbar wird. Das ist für uns alle eine große Auszeichnung, eine große Würde, eine große Beauftragung und eine große Verpflichtung. Ich wünsche es uns allen für den heutigen 3. Advent und für die vor uns liegende Weihnachtszeit, dass wir ganz neu und ganz tief begreifen, dass wir so viel Grund haben, wie die kleine Maria aus vollem Herzen zu singen: Meine Seele erhebt den Herrn. Meine Seele macht groß den Herrn. Mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd, die Niedrigkeit seines Knechtes angesehen. Das wäre groß, das wäre eine große Freude wenn das wieder neu groß in uns werden würde. Maria hat aus vollem Herzen ihr Lied gesungen. Lasst uns nun ebenso das Adventslied singen: Nun jauchzet all ihr Frommen. Auch in diesem Adventlied wird besungen, auf welche besondere Weise der große Gott zu uns kleinen Menschen gekommen ist, dass der große Gott sich ganz klein gemacht hat: Nun jauchzet all ihr Frommen zu dieser Gnadenzeit, weil unser Heil ist kommen, der Herr der Herrlichkeit und zwar ohne stolze Pracht. Amen

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