DFG. Laudatio. Laudatio auf Professor Dr. Miyoko Motozawa. Verleihung des Eugen und Ilse Seibold-Preises Professor Dr. Verena Blechinger-Talcott
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- Jörn Schubert
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1 Laudatio Verleihung des Eugen und Ilse Seibold-Preises 2015 Laudatio auf Professor Dr. Miyoko Motozawa Professor Dr. Verena Blechinger-Talcott Es gilt das gesprochene Wort! Akademisches Kunstmuseum der Universität Bonn, 7. Oktober 2015 Deutsche Forschungsgemeinschaft Kennedyallee Bonn Postanschrift: Bonn Telefon: Telefax: postmaster@dfg.de DFG
2 Eugen und Ilse Seibold-Preis 2015 Seite 2 von 5 Mit dem Eugen und Ilse Seibold-Preis ehrt die Deutsche Forschungsgemeinschaft Professor Miyoko Motozawa für ihr langjähriges und höchst erfolgreiches Engagement für den deutschjapanischen Wissenschaftsaustausch. Mit Professor Motozawa wird dabei eine Wissenschaftlerpersönlichkeit ausgezeichnet, die es auf vielerlei Weise verstanden hat, Deutschland und Japan näher aneinander zu rücken und zum gegenseitigen Verständnis beizutragen: zum einen durch ihre umfangreichen Schriften, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass deutsches Sozial- und Familienrecht in Japan rezipiert und diskutiert wird, zum anderen durch ihr großes Engagement im Bereich des Wissenschaftsaustausches und der Organisation und Durchführung von zahlreichen Tagungen, die dem Vergleich und der kritischen Diskussion deutscher und japanischer Perspektiven gewidmet waren, durch ihr großes Engagement im Bereich der Nachwuchsförderung und der Ausbildung junger Nachwuchswissenschaftlerinnen und wissenschaftler und, nicht zuletzt, durch ihr Hineinwirken in die japanische Politik und damit ihre Mitgestaltung gesellschaftlicher Prozesse im Kontext einer alternden Gesellschaft. Es findet sich kaum eine andere Forscherpersönlichkeit, die sich so engagiert, so nachhaltig und auf so vielfältige Weise für den deutsch-japanischen Wissenschaftsaustausch eingesetzt hat und immer noch einsetzt. Frau Professor Motozawa begann ihre wissenschaftliche Laufbahn als Juristin und Spezialistin für Familien- und Sozialrecht Mitte der 1970er Jahre mit eingehenden Studien zum deutschen Ehe- und Scheidungsrecht, zu Fragen des Versorgungsausgleichs in der Rentenversicherung sowie zu Erziehungsurlaub und Elterngeld forschte sie mit Fördermitteln der japanischen Society for the Promotion of Science (JSPS) an der renommierten juristischen Fakultät der Kansai-Universität in Osaka erhielt sie ein Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung, das sie für zwei Jahre an die Universität Bayreuth führte. Nach ihrer Rückkehr nach Japan war sie zunächst als Dozentin und dann von 1991 bis 2001 als Professorin für Bürgerliches Recht an der Universität der Präfektur Osaka tätig, bevor sie im Jahr 2001 einem Ruf an die Universität Tsukuba folgte. Dort war sie neben ihrer Tätigkeit als Professorin zwischen 2007 und 2012 auch in leitender Funktion als Dekanin und später als Provost (Oberdekanin) tätig und leitete ein im Rahmen des Global 30 -Programms des japani-
3 Eugen und Ilse Seibold-Preis 2015 Seite 3 von 5 schen Erziehungsministeriums gefördertes Zentrum. Derzeit leitet sie in Tsukuba ein international ausgerichtetes und interdisziplinäres Forschungszentrum mit dem Themenschwerpunkt Global Ageing, das von der JSPS gefördert wird. Seit ihrem ersten Forschungsaufenthalt in Bayreuth ist Frau Motozawa sehr regelmäßig nach Deutschland und insbesondere nach München an das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht zurückgekehrt und hat unter anderem gefördert durch renommierte Stipendien etwa der Max-Planck-Gesellschaft, der Alexander-von-Humboldt-Stiftung und der JSPS Forschungsaufenthalte durchgeführt. Frau Motozawa gilt als eine der führenden Sozial- und Familienrechtlerinnen Japans und hat zahlreiche Publikationen vorgelegt, von denen viele zu den Standardwerken im Fach gezählt werden müssen. Die der Preisjury vorliegende Publikationsliste umfasst sechs Monographien und 16 Sammelbände, darunter auch mehrere deutschsprachige Bände, die sich dem Rechtsvergleich zwischen Deutschland und Japan widmen, sowie über hundert Aufsätze in referierten Fachzeitschriften sowie Buchbeiträge auf Japanisch, Deutsch und Chinesisch. Besonders zu würdigen sind hierbei die gemeinsam mit Fachkollegen aus Deutschland, insbesondere Professor von Maydell vom Max Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht in München, gemeinsam herausgegebenen deutschsprachigen Sammelbände zum deutschen und japanischen Familienrecht sowie zu Fragen von Familie in der alternden Gesellschaft, zu Fragen von Pflegeversicherung wie auch zur rechtlichen Stellung von Menschen mit Behinderungen in Familie und Gesellschaft. Diese Bände sind aus von Frau Motozawa maßgeblich organisierten deutsch-japanischen Symposien hervorgegangen, die Wissenschaftler, aber auch Praktiker, Politiker und Medienvertreter beider Länder abwechselnd in Deutschland und Japan zusammenführten und die angesichts der gesellschaftlich hoch relevanten Thematik weit über akademische Kreise hinaus Wirkung zeigten. Für ihre wissenschaftlichen Leistungen ist Frau Motozawa bereits mehrfach ausgezeichnet worden zu nennen ist hier etwa der Preis des Präsidenten der Universität Tsukuba für besondere Beiträge zum Forschungsprofil der Universität, den sie 2013 und 2014 erhalten hat. Was ist nun das ganz Besondere an Frau Motozawas wissenschaftlichen Arbeiten? Und: Wie hat sich diese herausragende Wissenschaftlerin um die deutsch-japanischen Wissenschaftsbeziehungen verdient gemacht? Lassen Sie mich drei Punkte herausgreifen.
4 Eugen und Ilse Seibold-Preis 2015 Seite 4 von 5 Erstens, Frau Motozawa ist eine Juristin, deren Erkenntnisinteresse über die akademischen Debatten hinausreicht und die immer auch nach den Effekten der von ihr untersuchten Rechtsnormen auf das Alltagsleben der Bürger und der Familien fragt. So reiste Frau Motozawa etwa im Jahr 1993 für drei Monate an die Universität Leipzig, um vor Ort in den neuen Bundesländern Juristen, aber auch Behördenvertreter und Bürger zu den sozialpolitischen Herausforderungen in der Zeit nach der Wiedervereinigung zu befragen. Auch für ihre vielbeachtete Studie zur deutschen Pflegeversicherung, die 1996 erschien, führte sie zahlreiche Interviews mit Akteuren der deutschen Pflegeversicherung vom Versicherungsträger bis zu Heimleitungen und Heimbewohnern - zu den tatsächlichen Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen und zu deren praktischer Umsetzung. Sie nimmt in ihrer Forschung stets auch eine soziologische Perspektive ein und hinterfragt rechtliche Regelungen oder leitet aus der Kritik daran praktische Handlungsempfehlungen ab. Dies ist ein Grund dafür, warum das Buch in der Folge als Grundlage für die Novellierung der japanischen Pflegeversicherung herangezogen wurde. Diese interdisziplinäre Herangehensweise an wissenschaftliche Fragestellungen prägt auch das aktuelle Forschungsprojekt von Frau Motozawa, das bereits erwähnte Forschungszentrum zum Thema Global Ageing an der Universität Tsukuba, das nicht nur Juristen und Soziologen zusammenführt, sondern den Kreis noch viel weiter spannt und auch Mediziner und Sozialarbeiter mit einbezieht, um sich aus interdisziplinärer und international vergleichender Perspektive mit Fragen der gesellschaftlichen Folgen von Alternsprozessen zu befassen. Hier kommen wir auch zur zweiten Stärke von Frau Motozawa: dem Netzwerken. Um solch große, interdisziplinäre und international vergleichende Projekte erfolgreich durchführen zu können, braucht es engagierten Einsatz, Beharrlichkeit und viel Energie. Beides bringt Frau Motozawa in hohem Maße mit, und so ist es ihr gelungen, zahlreiche interdisziplinäre und internationale Workshops, Konferenzen und Symposien zu organisieren, die wechselweise in Deutschland und Japan stattfinden und die führenden Fachvertreter aus den jeweiligen Bereichen beider Länder, aber auch Praktiker, Medienvertreter und Politiker mit einbeziehen und so über akademische Kreise hinaus gesellschaftliche Wirkung entfalten. Gerade die Berichterstattung großer japanischer Tageszeitungen wie etwa der Yomiuri Shinbun über vor ihr durchgeführte Konferenzen und Workshopreihen hat in Japan in den vergangen Jahren auch gesellschaftliche Diskussionen zu Fragen von Alter und Pflege, aber auch der Rolle von Familie und der Position von Frauen in der Familie angestoßen, bei denen Deutschland als Vergleichsbeispiel wie selbstverständlich genannt wurde.
5 Eugen und Ilse Seibold-Preis 2015 Seite 5 von 5 Die dritte Stärke von Frau Motozawa schließlich ist ihr sehr großes Engagement im Bereich der Nachwuchsförderung und der Einbeziehung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus beiden Ländern in ihre Projekte, Tagungen und Konferenzen. Auf diese Weise trägt sie nicht nur zu einem nachhaltigen Austausch beider Länder bei, sondern legt auch selbst die Grundlage dafür, dass es im Bereich des Familien- und Sozialrechts wie auch der interdisziplinären Auseinandersetzung mit den Bereichen Alter und Pflege auch in Zukunft wissenschaftliche Kooperationen geben wird. Der Rahmen ihrer Aktivitäten in der Nachwuchsförderung geht dabei weit über Deutschland und Japan hinaus und bezieht u.a. auch China mit ein.
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