INFORMATIONSWESEN; ARCHIVE, BIBLIOTHEKEN, MUSEEN

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1 A AP APB ALLGEMEINES INFORMATIONSWESEN; ARCHIVE, BIBLIOTHEKEN, MUSEEN Bibliotheken; Bibliothekswesen Deutschland Universitäts- und Stadtbibliothek <KÖLN> Personale Informationsmittel Hermann Corsten 13-1 Bibliotheksdirektor im Nationalsozialismus : Hermann Corsten und die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln / Christiane Hoffrath. - Köln : Universitäts- und Stadtbibliothek, S. : Ill., graph. Darst. ; 23 cm. - (Kleine Schriften der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln ; 36). - ISBN : EUR [#3036] Unter den deutschen Bibliotheken war die Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek eine der ersten, deren Schicksal im Nationalsozialismus wissenschaftlich untersucht wurde. 1 Rund 20 Jahre später knüpfte Christiane Hoffrath in einer Vorstudie zur nun vorliegenden Darstellung an Hans-Gerd Happel an. 2 Schon vorher hatte sie sich intensiv mit dem unter fragwürdigen Umständen zustande gekommenen Erwerb der Richter-Bibliothek beschäf- 1 Die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln im Dritten Reich / Hans-Gerd Happel. // In: Die Universitätsbibliotheken Heidelberg, Jena und Köln unter dem Nationalsozialismus / hrsg. von Ingo Toussaint. Mit Beitr. von Lothar Bohmüller...- München [u.a.] : Saur, S. : Ill. ; 25 cm. - (Beiträge zur Bibliothekstheorie und Bibliotheksgeschichte ; 2). - ISBN S Dazu auch die kritische Stellungnahme von Severin Corsten, dem Neffen Hermann Corstens und von 1971 bis 1986 selbst Direktor des Hauses: Die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln im Dritten Reich : Ergänzungen und Berichtigungen / Severin Corsten. // In: Mitteilungsblatt des Verbandes der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen. - NF. 39/40 (1990), S Hermann Corsten in Köln / Christiane Hoffrath. // In: Wissenschaftliche Bibliothekare im Nationalsozialismus : Handlungsspielräume, Kontinuitäten, Deutungsmuster / hrsg. von Michael Knoche. - Wiesbaden : Harrassowitz, S. : Ill. ; 25 cm. - (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens ; 46). - ISBN : EUR [#2321]. - Hier S Rez.: IFB

2 tigt. 3 Die jüdischen Philologinnen Helene und Elise Richter aus Wien hatten ihre wertvolle Privatbibliothek vor ihrer Deportation zu einem Spottpreis verkaufen müssen, wovon man in Köln profitierte. Wer über die Kölner Bibliothek unter der braunen Diktatur arbeitet, stößt sehr schnell auf Hermann Corsten ( ), den Direktor des Hauses von 1933 bis Wie so vielen Bibliothekaren war es auch Hermann Corsten nicht an der Wiege gesungen worden, einmal Bibliothekar zu werden. Wie wir noch sehen werden, gehörte auch er zu den Spätberufenen. Corsten stammte aus einer kinderreichen katholischen Familie im rheinischen Geilenkirchen. Nach dem Besuch der Gymnasien in Neuß, von dem er 1910 sogar verwiesen wurde, und Saarlouis legte er erst 1912 das Abitur ab. Als Student der Mathematik, Physik und Chemie begegnet er uns dann an der Technischen Hochschule in Aachen. Nach fünf Semestern mußte er mit vielen seiner Kommilitonen in den Krieg ziehen. An einem der letzten Kriegstage, im November 1918, wurde er schwer verletzt. Ein Unterschenkel mußte amputiert werden. Für einen Kriegsinvaliden ohne abgeschlossenes Studium und ohne Beruf war die Lage um 1920 besonders hoffnungslos. Immerhin konnte Corsten 1922 sein Studium als Diplom-Ingenieur abschließen. Durch die Heirat mit der Tochter eines Industriellen 1923 verbesserte sich seine wirtschaftliche Lage deutlich. Zudem arbeitete er einige Jahre in der Firma seines Schwiegervaters. Unzufriedenheit mit seiner Tätigkeit, aber auch Differenzen mit seinem Schwiegervater veranlaßten Corsten, noch einmal zur Universität zurückzukehren und Wirtschaftswissenschaften zu studieren zum Dr. rer. pol. promoviert, stellte sich mit fast 40 Jahren erneut die Frage nach einer beruflichen Tätigkeit. Warum Corsten sich damals entschloß, den Höheren Bibliotheksdienst anzustreben, kann nicht mehr im Detail geklärt werden. An der Universitätsbibliothek Bonn, der Preußischen Staatsbibliothek (Fachprüfung 1928) und an der Technischen Hochschule Berlin bewährte er sich so gut, daß man ihm 1933 nach nur sechsjähriger Berufserfahrung die Leitung der Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek anbot. Obwohl sicher kein überzeugter Nationalsozialist trat Corsten 1933 kurz vor dem Aufnahmestopp der NSDAP bei, zählte somit zu den von den Machthabern verächtlich als Märzgefallene bezeichneten Volksgenossen. Sein Opportunismus hat ihm beim Erlangen der Kölner Direktorenstelle sicher nicht geschadet. Der neue Direktor und seine Mitarbeiter standen vor riesigen Aufgaben. Die 1919 geschaffene Bibliothek bestand aus drei Abteilungen, der Stadtbibliothek, der Bibliothek der ehemaligen Handelshochschule und jetzigen Universitätsbibliothek sowie der Bibliothek der Akademie für Praktische Medizin. Deren Vereinigung war eine Mammutaufgabe und überforderte Corstens Vorgänger Klemens Löffler ( ) offensichtlich. Zahlreiche Monita kamen aus der Universität. Es war Corstens bedeutende 3 Bücherspuren : das Schicksal von Elise und Helene Richter und ihrer Bibliothek im "Dritten Reich" / Christiane Hoffrath. - Köln [u.a.] : Böhlau, 2009 [ersch. 2008] S. : Ill. ; 25 cm. - ISBN : EUR [0124]. - Rez.: IFB 08-1/ , durchges. und erg. Aufl

3 Leistung, in der Folgezeit die Vereinigung der beiden erstgenannten Abteilungen im neuen Universitätsgebäude vollzogen zu haben. Auch ein gemeinsamer alphabetischer Katalog machte schnell gute Fortschritte. Eine geschickte Personalpolitik sicherte dem neuen Direktor zudem die Loyalität seiner Mitarbeiter. Selbst altgediente Abteilungsleiter wie Joseph Gotzen ( ), seit 1904 in der Stadtbibliothek, und Georg Witzel ( ), zunächst Leiter der Handelshochschulbibliothek, dann der Abteilung Universitätsbibliothek, opponierten in keiner Weise gegen den neuen Chef. Ihre frühzeitige Pensionierung hatte andere Gründe. Auch die Zusammenarbeit mit dem Theologen Paul Körholz ( ), seit 1935 Stellvertreter Corstens, gestaltete sich vertrauensvoll. Konzessionen mußte allerdings auch Corsten machen. Gegen die Protektion des überzeugten Nationalsozialisten Wilhelm Rohlfink durch den Gauleiter und den Oberbürgermeister konnte er wenig ausrichten. Mit der Ernennung zum Bibliotheksrat stieg der ehemalige Inspektor 1935 in den Höheren Dienst auf. Festzuhalten bleibt das Faktum, daß es nach heutigem Kenntnisstand keine Entlassungen aus politischen oder rassistischen Gründen gab. Die Gesetze und Verordnungen der Machthaber konnte auch Corsten natürlich nicht ignorieren. Er scheint aber Spielräume etwa zugunsten jüdischer Benutzer und Lieferanten durchaus ausgenutzt zu haben. Der zunächst noch komfortable Etat sank bald immer mehr. Aus Devisenmangel konnte ausländische Literatur immer weniger gekauft werden. Im Mai 1937 konnte man die Fachwelt zum 33. Deutschen Bibliothekartag begrüßen. Wie Hoffrath treffend feststellt, zählte Bibliographie zu den Steckenpferden des Bibliotheksdirektors (S. 115). Man denke nur an die wichtigen Regionalbibliographien, die leider unvollständig gebliebene Rheinische Bibliographie 4 und die Bibliographie des Ruhrgebietes, 5 deren erster Band mitten im Krieg herauskam und von Corsten noch im Ruhestand weiter bearbeitet wurde. Die Kölner Universität verlieh dem langjährigen Dozenten für Buch- und Bibliothekswesen 1938 den Titel eines Honorarprofessors. Der Zweite Weltkrieg brachte dann eine völlig neue Situation. Deutsche Bibliothekare wurden Mitglieder des Okkupationsregimes in vielen Ländern Europas. Corsten hatte großes Interesse, Leiter einer neu zu gründenden Landesbibliothek von Luxemburg zu werden, ein Projekt, das sich dann aber zerschlug. 6 Einkaufsfahrten führten ihn 1941 auch für mehrere Wo- 4 Rheinische Bibliographie : das wissenschaftliche Schrifttum über das Rheinland und seine Grenzgebiete seit Erfindung der Buchdruckerkunst bis zum Jahre 1933 einschließlich / hrsg. von Hermann Corsten. - Köln : Schroeder. - (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde ;...) Archäologie bis Geologie XIX, 940 S. 5 Bibliographie des Ruhrgebietes : das Schrifttum über Wirtschaft und Verwaltung / Hermann Corsten. - Düsseldorf : Bagel /1939(1943). - Corsten bearbeitete noch die weiteren Bände bis /63 (1966). 6 Davon ist nicht die Rede in: Die nationalsozialistische Kunst- und Kulturpolitik im Großherzogtum Luxemburg / Catherine Lorent. - Trier : Kliomedia, S. : Ill. ; 24 cm. - Künstlerbiographien S Zugl.:

4 chen nach Belgien und Nordfrankreich. Wie schon der Fall Richter zeigte, profitierte man beim Erwerb von Privatbibliotheken von der Zwangslage der Besitzer. In Köln erwarb man ohne Zweifel auf diese Weise NS-Raubgut. In guter Zusammenarbeit mit den Dominikanern in Walberberg bei Bonn gelang es Corsten, die bedeutende Ordensbibliothek von etwa Bänden durch einen Scheinvertrag zu sichern und vor dem Zugriff der Gestapo zu schützen. In deren Visier war Corsten schon länger geraten. Die rechtzeitige Auslagerung umfangreicher Bestände in 17 Orte verhinderte größere Verluste durch Bombenangriffe. Im Gegensatz zur Situation an anderen Orten war das Kriegsende in Köln zumindest bibliothekarisch nicht der brutale Einschnitt wie an anderen Orten. Man überstand den Nationalsozialismus nahezu unbeschadet (S. 167) und konnte sich unmittelbar dem Wiederaufbau widmen. Hermann Corsten, dem man keine schwerwiegenden Verfehlungen nachweisen konnte, wurde in seinem Amt bestätigt. 7 Sein Verhalten beim Erwerb der Richter-Bibliothek verdient allerdings das Prädikat anstössig (S. 167). Corsten konnte sich bis zu seiner Pensionierung ganz den vielfältigen Aufgaben des Wiederaufbaus in Köln und im deutschen Bibliothekswesen widmen. Er legte den Grundstein zum Nordrhein-Westfälischen Zentralkatalog, zum Bibliothekar-Lehrinstitut und spielte eine führende Rolle im Verband der Bibliotheken des Landes NRW. Eingebettet in einen einleitenden Überblick über das wissenschaftlichen Bibliothekswesens der NS-Zeit schildert die Autorin das Schicksal einer bedeutenden Hochschulbibliothek, deren Direktor es verstand, den Einfluß einer dezidiert nationalsozialistischen Bibliothekspolitik in Grenzen zu halten. Es ist Hermann Corstens bleibendes Verdienst, die heutige Universitätsund Stadtbibliothek mit seinen Mitarbeitern in schwierigen Zeiten aus ihren Vorgängerinnen geformt und über die Wirren des Zweiten Weltkrieges weitgehend gerettet zu haben. Zwar mußte auch er Kompromisse eingehen, doch zeigt sich an seinem Beispiel, daß auch leitende Beamte trotz aller Vorgaben aus Berlin gewisse Spielräume hatten. Dies alles schildert Christiane Hoffrath detailliert in einer gekonnt an den Quellen entlang geschriebenen, reich illustrierten sowie mit Tabellen und Diagrammen angereicherten Abhandlung. Manfred Komorowski QUELLE Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft Heidelberg, Univ.; Luxembourg, Univ., Diss., ISBN : EUR [#2779]. - Rez.: IFB Corsten war aber längst nicht der einzige Bibliotheksdirektor, der von 1933 bis 1945 im Amt war (S. 171). Heinrich Uhlendahl an der Deutschen Bücherei Leipzig oder Fritz Rohde an der Universitätsbibliothek Marburg wirkten sogar von der Weimarer Republik bis zur Bundesrepublik in ihren Häusern.

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