MUSTERBEISPIEL FÜR ERSTE KLAUSUR
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- Achim Otto
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1 UE Öffentliches Recht I WS 2009/10 Bruno Binder/Margit Mayr Fall II - Die Staatsbürgerschaft / MUSTERBEISPIEL FÜR ERSTE LAUSUR A. SACHVERHALT Teresa T wurde am in Oslo geboren und ist norwegische Staatsbürgerin, die österreichische Staatsbürgerschaft besaß sie noch nie. Als ausgewiesene Raffinerie-Expertin war die Fachfrau schon seit 1997 immer wieder für ihre Firma, die ÖL-AG, zwei bis drei Monate im Jahr in Österreich beruflich tätig. Im Mai 1999 zog Teresa nach Wien, um in der Niederlassung Österreich zu arbeiten. Da die ÖL-AG Teresas Dienstort nach Linz verlegte, bekam sie 2003 von ihrer Firma in Linz eine eigene Dienstwohnung zur Verfügung gestellt. Sie schloss viele ontakte mit Berufskollegen und hatte schon bald zahlreiche österreichische Freunde. Allerdings plagte Teresa von Zeit zu Zeit Heimweh, und sie besuchte jährlich für ein Monat im Sommer ihre Familie in Norwegen. Bei einer Firmenweihnachtsfeier im Winter 2006 verliebte sich Teresa in ihren Arbeitskollegen Martin aus Freistadt. Obwohl beide viel Arbeit und wenig Zeit hatten, begannen sie eine Beziehung miteinander. Im Sommer 2006 zog Teresa zu Martin nach Freistadt. Da das tägliche Pendeln zwischen Freistadt und Linz viel Zeit in Anspruch nahm, planten die beiden schon bald ein gemeinsames Haus in der Nähe von Linz zu bauen. Deshalb fragten Teresa und Martin bei der ÖL-AG Anfang 2008 nach einer Gehaltserhöhung. Als Teresa schon nicht mehr an eine Gehaltserhöhung glaubte, bot ihr die ÖL-AG im November 2008 eine Beförderung zur Abteilungsleiterin an. Teresa nahm das Angebot überglücklich an. Immerhin erhöhte sich ihr Jahreseinkommen damit auf ,-- und Teresas und Martins Traum vom eigenen Haus rückte ein Stück näher. Da Teresa nun endgültig bei Martin in Österreich bleiben möchte, beantragt sie am die österreichische Staatsbürgerschaft. Wie lautet die rechtlich relevante Frage zu diesem Sachverhalt? Erhält Teresa die österreichische Staatsbürgerschaft?
2 B. TATBESTANDSANALYSE 1. Tatbestandselemente a. Welcher Teil des Tatbestandes gehört zur Rechtsfolge? Die Staatsbürgerschaft darf [ ] nur verliehen werden in 10 Abs 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 b. Enthält der Tatbestand Verfahrensbestimmungen? (Wenn ja, bezeichnen Sie diese!) 39 Abs 1 und Abs 2 StbG enthält (zur Gänze) Verfahrensbestimmungen c. Enthält der Tatbestand erklärende Bestimmungen ohne normativen Inhalt? (Wenn ja, bezeichnen Sie diese!) soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist in 10 Abs 1 StbG d. Wie lautet der Tatbestand im engen Sinn? (ennzeichnen Sie alle Teile des Tatbestandes, die nicht zum Tatbestand im engen Sinn zählen!) e. Zerlegen Sie den Tatbestand im engen Sinn in einzelne Tatbestandselemente! 2. Bestimmte und unbestimmte Tatbestandselemente a. Welche der Tatbestandselemente sind bestimmt, welche unbestimmt? Die Tatbestandsmerkmale Fremder (1), rechtmäßiger (2), ununterbrochener (3), Niederlassung (4) und hinreichende Sicherung des Lebensunterhalts (5) sind unbestimmt. b. Legen Sie die unbestimmten Tatbestandselemente aus! Fremder : 2 Z 4 StbG enthält für diesen Begriff eine Legaldefinition. Danach ist Fremder ohne Unterschied des Geschlechtes eine Person, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Aufenthalt bedeutet nach dem Wortsinn sich aufhalten, sich an einem Ort oder in einem bestimmten Gebiet zu befinden. rechtmäßiger bedeutet, dass sich der Betreffende legal, also dem Recht entsprechend in Österreich aufhält, dh entweder aufgrund seiner Staatsbürgerschaft, oder als Fremder aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis (für max. 6 Monate) oder aufgrund eines Niederlassungsnachweises (unbefristet). ununterbrochener : Wann nicht mehr von einem einem ununterbrochenen Aufenthalt gesprochen werden kann, bestimmt 15 StbG. 15 StbG nennt nämlich jene Fälle, in denen es zu einer Unterbrechung des Aufenthalts kommt. So darf sich der Fremde während des Zeitraums seines legalen Aufenthalts bzw seiner Wohnsitznahme nicht mehr als ein Fünftel der Zeit außerhalb des Bundesgebiets aufgehalten haben, andernfalls wird die Frist unterbrochen. 15 StbG lautet: (1) Die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts nach diesem Bundesgesetz sowie der Lauf der Wohnsitzfristen nach den 12 Z 1 lit. a und 14 Abs. 1 Z 2 werden unterbrochen 3. wenn sich der Fremde innerhalb dieser Frist insgesamt länger als 20 v.h. der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat; in diesen Fällen beginnt die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen oder [ ]. Niederlassung : Niederlassung bedeutet nach dem Wortsinn sesshaft zu sein. Was Niederlassung bedeutet bestimmt 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz BGBl 2005/100 idgf.
3 Nach 2 bedeutet Niederlassung der zur Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht, zur Begründung des Mittelpunkts seines Lebensinteresses oder zur Aufnahme einer ständigen Erwerbestätigkeit. 2 NAG lautet: 2) Niederlassung ist der tatsächliche oder zukünftig beabsichtigte zum Zweck 1. der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht; 2. der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen oder 3. der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit. Lebensunterhalt sind die Ausgaben, die durch das eigene tägliche Leben (die laufenden beruflichen und privaten Tätigkeiten) immer wieder anfallen. Dazu zählen die osten für Nahrungsmittel, Miete, Fahrtkosten zum Arbeitsplatz, osten für Hobbys etc. hinreichende Sicherung des Lebensunterhalts bedeutet für die eigenen osten des täglichen Lebens durch ein entsprechendes und ausreichendes Einkommen ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen aufkommen zu können. 3. umulative und alternative Tatbestandselemente Stellen Sie die strukturelle Beziehung der einzelnen Tatbestandselemente zueinander dar!
4 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) BGBl 1985/311 idgf 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet: 2. Staatsbürgerschaft: die Staatsbürgerschaft der Republik Österreich (österreichische Staatsbürgerschaft); 3. [ ] 4. Fremder: ohne Unterschied des Geschlechtes eine Person, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Verleihung 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn 1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war; 2. [ ] 7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist und [ ] 39. (1) Zur Erlassung von Bescheiden in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ist [ ] die Landesregierung zuständig. (2) Örtlich zuständig ist jene Landesregierung, in deren Bereich die Person, auf die sich der Bescheid bezieht, ihren Hauptwohnsitz hat. bestimmt unbestimmt Tatbestandsmerkmal alternativ kumulativ 1 x Fremder 2 x seit mindestens zehn Jahren rechtmäßiger 3 x seit mindestens zehn Jahren ununterbrochener 4 x davon zu mindest fünf Jahre Niederlassung 5 x hinreichende Sicherung des Lebensunterhalts
5 C. SUBSUMTION 1. Welche Teile des Sachverhalts sind im Hinblick auf welche Tatestandselemente relevant? (Bereiten Sie den Sachverhalt für die Subsumtion vor!) Teresa T wurde am in Oslo geboren [ - ] und ist norwegische Staatsbürgerin [ 1 ], die österreichische Staatsbürgerschaft besaß sie noch nie [ - ]. Als ausgewiesene Raffinerie-Expertin war die Fachfrau schon seit 1997 immer wieder für ihre Firma, die ÖL-AG, zwei bis drei Monate im Jahr in Österreich beruflich tätig [ 2, 3, 4 ]. Im Mai 1999 zog Teresa nach Wien [ 2, 3, 4, Ort ], um in der Niederlassung Österreich zu arbeiten [ 4 ]. Da die ÖL-AG Teresas Dienstort nach Linz verlegte, bekam sie 2003 von ihrer Firma in Linz eine eigene Dienstwohnung zur Verfügung gestellt [ 2, 3, 4, Ort ]. Sie schloss viele ontakte mit Berufskollegen und hatte schon bald zahlreiche österreichische Freunde [ 4 ]. Allerdings plagte Teresa von Zeit zu Zeit Heimweh [ - ], und sie besuchte jährlich für ein Monat im Sommer ihre Familie in Norwegen [ 3 ]. Bei einer Firmenweihnachtsfeier im Winter 2006 verliebte sich Teresa in ihren Arbeitskollegen Martin aus Freistadt [ 4 ]. Obwohl beide viel Arbeit und wenig Zeit hatten, begannen sie eine Beziehung miteinander [ 4 ]. Im Sommer 2006 zog Teresa zu Martin nach Freistadt [ 2, 3, 4, Ort ]. Da das tägliche Pendeln zwischen Freistadt und Linz viel Zeit in Anspruch nahm, planten die beiden schon bald ein gemeinsames Haus in der Nähe von Linz zu bauen [ - ]. Deshalb fragten Teresa und Martin bei der ÖL-AG Anfang 2008 nach einer Gehaltserhöhung [ - ]. Als Teresa schon nicht mehr an eine Gehaltserhöhung glaubte, bot ihr die ÖL-AG im November 2008 eine Beförderung zur Abteilungsleiterin an [ - ]. Teresa nahm das Angebot überglücklich an [ 4 ]. Immerhin erhöhte sich ihr Jahreseinkommen damit auf ,-- [ 5 ] und Teresas und Martins Traum vom eigenen Haus rückte ein Stück näher [ - ]. Da Teresa nun endgültig bei Martin in Österreich bleiben möchte [ 4 ], beantragt sie am die österreichische Staatsbürgerschaft [ Datum ].
6 2. Subsumtion: Überprüfen Sie, ob der relevante (!) Sachverhalt unter den gesetzlichen Tatbestand (unter die einzelnen Tatbestandselemente) passt! bestimmt unbestimmt Tatbestandsmerkmal alternativ kumulativ 1 x 2 x Fremder seit mindestens zehn Jahren rechtmäßiger 3 x seit mindestens zehn Jahren ununterbrochener 4 x davon zu mindest fünf Jahre Niederlassung 5 x hinreichende Sicherung des Lebensunterhalts D. RECHTSFOLGE 1. Tritt die Rechtsfolge zwingend ein oder nicht (Muss das Verwaltungsorgan handeln oder kann das Verwaltungsorgan bloß handeln?)? Wie ist die Rechtsfolge an das Vorliegen des Tatbestandes geknüpft? ( Die Staatsbürgerschaft darf nur [ ] verleihen werden )? Aufgrund des Gesetzmäßigkeitsgebots der Bundesverfassung (Art 18 Abs 1 B-VG) gehen wir von einer gebundenen Entscheidung (= Rechtsentscheidung) als Regelfall des verwaltungsbehördlichen Gesetzesvollzugs aus (der Verwaltung soll beim Gesetzesvollzug kein eigener Spielraum für die nach dem Gesetz zu treffenden Anordnungen zukommen). Wenn der Gesetzgeber in einem konkreten Fall ausnahmsweise eine aufgrund des Art 130 Abs 2 B-VG zulässige Ermessensentscheidung anordnet, so müssen wir dafür Hinweise im Gesetzestext gegebenenfalls im Wege der Auslegung finden. Ein derartiger Hinweis auf eine Ermessensentscheidung ist im Text des 10 Abs 1 StbG (mit dem Wort darf ) vorhanden. Allerdings will der Gesetzgeber einer Behörde durch die Verwendung des Wortes darf oder kann häufig bloß eine ompetenz einräumen, die Behörde zu einem bestimmten Verhalten ermächtigen ( ompetenz-darf ), uzw insbesondere dann, wenn wie in 10 Abs 1 StbG das Behördenverhalten sehr eingehend geregelt und der Behörde dadurch jeder Spielraum genommen ist. Nur wenn alle genannten Voraussetzungen erfüllt sind, darf die Behörde eine Bewilligung erteilen, der Behörde kommt kein Ermessen zu. Sie muss (im Sinne einer gebundenen Entscheidung) die Staatsbürgerschaft verleihen, wenn Teresa alle Voraussetzungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes erfüllt. Die Rechtsfolge des 10 Abs 1 StbG ist somit in Form einer Rechtsentscheidung (= gebundene Entscheidung) zu ziehen.
7 2. Welche Verwaltungsbehörde ist zuständig, die Rechtsfolge zu ziehen? 39 Abs 1 StbG bestimmt: Zur Erlassung von Bescheiden in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ist [ ] die Landesregierung zuständig. Sachlich zuständige Behörde ist also die Landesregierung. 39 Abs 2 StbG bestimmt: Örtlich zuständig ist jene Landesregierung, in deren Bereich die Person, auf die sich der Bescheid bezieht, ihren Hauptwohnsitz hat. Der Bescheid, mit dem die Staatsbürgerschaft verliehen wird, bezieht sich auf Teresa ( die Person, auf die sich der Bescheid bezieht ). Auf den Hauptwohnsitz von Teresa kommt es also für die örtliche Zuständigkeit an. Teresa hat seinen Hauptwohnsitz in Freistadt. Freistadt liegt in Oberösterreich. Örtlich zuständige Behörde ist daher die oberösterreichische Landesregierung.
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