Entwicklung einer Fußmatte mit Leitsystem-Funktion durch Zusammenarbeit von Herstellerfirma und Sehbehindertenverbänden.

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1 Entwicklung einer Fußmatte mit Leitsystem-Funktion durch Zusammenarbeit von Herstellerfirma und Sehbehindertenverbänden. Mag. Aaron Banovics, Weitläufige Eingangsbereiche großer Gebäude bedeuten für blinde und sehbehinderte Menschen große Barrieren: Stark wechselnde Beleuchtungsverhältnisse, wenig Raumorientierungsmöglichkeiten erschweren das Navigieren mit dem Taststock und das Orientieren mit vermindertem Sehvermögen erheblich. Eine Fußmatte, welche blinde und sehbehinderte Menschen über ein integriertes Leitsystem sicher durch diesen Bereich führt, erleichtert dieser Personengruppe nicht nur das Betreten von Gebäuden, sondern stellt auch ein wichtiges Bindeglied zwischen Outdoor- und Indoorleitsystemen dar. Durch die damit konsistente Implementation dieses Infrastrukturmerkmals steigt die Nutzbarkeit und Akzeptanz von optisch-takilen Leitsysteme durch Betroffene erheblich an. (vgl. Banovics 2012a 129ff.) In Österreich können davon etwa Menschen profitieren, die als blind oder sehbehindert gelten. 1

2 Eine Fußmatte mit integriertem Leitsystem 2012 trat die Fa. EMCO an Blinden- und Sehbehindertenorganisationen heran, um ein neues Produkt zu evaluieren. Es handelte sich dabei um eine modular aufgebaute, ca. 2cm hohe Fußmatte, auf der ein Leitsystem für blinde und sehbehinderte Menschen verlegt werden kann. Die Fußmatte besteht dazu aus einem schienenartigen Grundgerüst, auf das Aluträger aufgeschoben werden, an denen wiederum die Florelemente fixiert sind. Kaputte Elemente lassen sich damit austauschen, ohne die gesamte Matte wechseln zu müssen. Für die Leitsystem-Florelemente werden geringfügig höhere Aluträger verwendet. Beim Pendeln mit dem Taststock erhalten Nutzer_Innen daher taktiles und akustisches Feedback, um dem Leitsystem zu folgen. Eine Stolpergefahr besteht jedoch nicht. Um Menschen mit Sehbehinderung zu unterstützen, sollten die Elemente des Leitsystems mit andersfarbigen Florstreifen ausgestattet werden, sodass sich hier auch ein optischer Kontrast ergibt. Diese Möglichkeit wurde in Tests im Dezember 2012 als unzureichend erkannt. Zwar lieferten die auf empirischem Wege ermittelten besten verfügbare Farben Orange und Mittelgrau unter guter Beleuchtung für manche Testpersonen gerade noch wahrnehmbare Kontraste, doch reicht dies im Sinne einer adäquaten Unterstützung sehbehinderter Personen bei weitem nicht aus. Es wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Fa. EMCO die Aluträger als Kontrastträger nutzen könnte, indem diese weiß lackiert oder pulverbeschichtet werden. So würden sie, gemeinsam mit den Florelementen eine hellere Mischfarbe bilden, welche den Kontrast zur übrigen (dunklen) Fußmatte deutlich anhebt. Durch die Beschichtung könnte auch die Glanzreflektion der blanken Aluträger vermindert werden. Glanzreflektionen blenden vor allem Menschen mit Sehbehinderung, und die beim Gehen mitlaufenden Reflektionen wirken irritierend, da Bezugspunkte zur Orientierung am Boden verloren gehen. Die Nutzung der Alu-Profile als Kontrastträger ist möglich, weil sie vom Flor nur geringfügig überragt werden. Eine Verdeckung ist daher erst ab einem Betrachtungswinkel von weniger als 15 möglich. Das entspricht einer Augenhöhe von 1,3m auf eine Mindest- Wahrnehmungsdistanz von 5m und ist daher konsistent mit unseren anderen Empfehlungen hinsichtlich der Wahrnehmungsschwellen von optischen Markierungen. (vgl. Banovics 2013) Entlang des Leitsystems existiert keine Beschränkung des Betrachtungswinkels. 2

3 Verbesserung der Fußmatte Im Jänner 2013 wurde die modifizierte Fußmatte erneut zur Evaluation präsentiert. Die Trägerprofile der Leitsystemelemente wurden mit weißer Heizkörperfarbe lackiert. Sie sollen im fertigen Produkt pulverbeschichtet werden. Die folgenden Fotos zeigen, wie sich die Lackierung auf die Funktionalität des Leitsystems auswirkt: Abbildung 1: Die Fußmatte unter diffuser Beleuchtung Unter diffusem Licht (ca. 2700K) bietet das Leitsystem dank der Aluträger einen hervorragenden Kontrast. Im Gegensatz zu den Florelementen ist die weiße Farbe auch relativ unempfindlich gegenüber verschiedenen Farbtemperaturen: Bereits bei einer Farbtemperatur von etwa 2700 Kelvin können die mittelgrauen Florelemente kaum noch reflektieren. Sie wirken fast dunkelgrau und heben sich kaum von der restlichen Fußmatte ab, wie die folgende Detailaufnahme zeigt: 3

4 Abbildung 2: Detailaufnahme vom unteren Rand der Fußmatte Man sieht hier gut, wie ausschließlich die weißen Aluträger kontrastbildend wirken. Unter noch wärmerer Beleuchtung mit schlechterem Farbwiedergabe-Index, wie z.b. Natriumdampflicht (ca. 1800K, Ra = 6-30) würden die Florelemente völlig schwarz erscheinen. Ein optisch-taktiles Leitsystem muss seine Funktion jedoch unter einer Vielzahl an Beleuchtungssituation erfüllen können, sodass die hier erarbeitete Lösung sehr fruchtbar erscheint. Zu einer Vielfalt an Beleuchtungssituationen zählen auch die in Gebäuden gerne angebrachten Gasentladungslampen, welche als Punktlichtquellen sehr schnell Reflektionen hervorrufen. Diese gilt es, wie bereits beschrieben, weitestgehend zu vermeiden. In den nächsten beiden Bildern wird daher die Reflektivität der vormals blanken und nunmehr weiß lackierten Aluträger betrachtet. Die Beleuchtungsstärke beträgt dabei annähernd Lux. Die Fotos wurden unterbelichtet, um ausschließlich die Reflektionen einzufangen. Die Umgebung wirkt daher sehr dunkel. 4

5 Abbildung 3: Metallische Glanzreflektion auf den unbehandelten Aluträgern Die unbehandelten Aluträger des Leitsystems weisen wie alle Metalle kaum diffuse Reflektion auf und erscheinen daher eher dunkel, doch sie besitzen einen hohen Grad der Glanzreflektion ( Spiegeln ) und sind daher als Bestandteil eines Leitsystems für sehbehinderte Menschen denkbar ungeeignet: Blendungen und der Verlust von Bezugspunkten durch die mitlaufenden Reflektionen sind auf jeden Fall zu vermeiden. 5

6 Abbildung 4: Stark verminderte Glanzreflektion auf den lackierten Aluträgern Die Oberflächenbeschichtung vermindert den Anteil metallischer Glanzreflektion erheblich. Gleichzeitig wird die diffuse Reflektionseigenschaft der Oberfläche verbessert, sodass die Streifen insgesamt heller sind, ohne zu blenden. Damit die Vergleichbarkeit gewährleistet bleibt, wurden beiden Bilder identisch belichtet. Weitere optische Evaluationen bezügl. der Wirkung von Verschmutzung, verschiedener gängiger Lichtquellen und -formen sowie kontrollierten Beleuchtungsstärken ließen sich in der optischen Sandkiste realisieren. (vgl. Banovics, 2012b) Im vorliegenden Fall kann aber davon ausgegangen werden, dass mit der Pulverbeschichtung der Leitsystemträger das technische Optimum dieser Fußmatte erreicht wurde. Durch die enge Zusammenarbeit der Fa. EMCO mit Expert_Innen im Bereich Sehbehinderung und Blindheit konnte hier ein äußerst funktionales Produkt geschaffen werden. Da vor allem die Aluträger als Konstrastmerkmale dienen, kann die Fa. EMCO die Florelemente der Fußmatten sogar in den Corporate-Farben ihrer Kund_Innen anbieten und auf diese Weise attraktiv vermarkten. Eine Win-Win Situation für alle Beteiligten! 6

7 Rückfragehinweis: Mag. Aaron Banovics / aaron@banovics.info /

8 Quellennachweise Banovics, Aaron. 2012a: Strukturelle und intervenierende Kompensationsstrategien: Ausgewählte Partizipationschancen von sehgeschädigten Personen in Österreich. Eine qualitative Studie ( Banovics, Aaron. 2012b: Optimierung visueller Merkmale zur Unterstützung sehbehinderter Menschen durch verbesserte Analyseverfahren. ( Banovics, Aaron 2013: Anforderungen an visuelle Sicherheitsmarkierungen unter Berücksichtigung physiologischer Grundlagen. ( 8