MURAT COSKUN: RHYTHMS OF LIFE 07. DEZ UHR, BOX

Transkript

1 MURAT COSKUN: RHYTHMS OF LIFE 07. DEZ UHR, BOX

2 1 MURAT COŞKUN: RHYTHMS OF LIFE / PROGRAMM/INTERVIEW Murat Coşkun: Rhythms of Life Murat Coşkun Rahmentrommeln Dauer ca. 1 Stunde 10 Minuten (keine Pause) Im Anschluss an die Vorstellung, Café Publik: Künstlergespräch mit Murat Coşkun Sich seine eigene Heimat erschaffen Murat Coşkun im Gespräch mit Lena Dražić Dein Hauptinstrument ist die Rahmentrommel, eines der ältesten Instrumente der Welt. Was fasziniert dich daran? Tatsächlich ist die Rahmentrommel neben der menschlichen Stimme wohl das älteste Instrument. Mich fasziniert daran das Archaische, Ursprüngliche, das einen in eine Zeit zurückversetzt, die ganz weit weg ist. Doch gleichzeitig spiele ich dieses Instrument in einer völlig neuen Art und Weise. Gerade diese Mischung finde ich spannend. Rahmentrommeln sind schlicht, dennoch erlauben sie fast unendliche Möglichkeiten im Spiel. Ich kann sie in der Hand halten, mich aber auch mit ihnen bewegen. Sie sind nicht nur ein Instrument, sondern können auch mein Tanzpartner sein und Projektionsfläche meiner musikalischen Ideen. Ebenso bin ich vom Klang fasziniert: Es schwingen so viele Obertöne mit, die Bassfrequenzen sind enorm, gehen tief in den Bauch hinein. Das spürt man durch und durch. Die großen Rahmentrommeln, die ursprünglich im Schamanismus verwurzelt sind, haben im Klang etwas Sehnsuchtsvolles, eine anziehende Magie. Die anderen, die ich benutze, sind Tamburine. Ihre Klänge implizieren Freude, werden vom Tanz dominiert. Diese beiden verschiedenen Rahmentrommelarten ergänzen sich und geben mir die Möglichkeit, sämtliche Gefühlszustände auszudrücken. Ebenso ergänzt sich der Klang der Rahmentrommel sehr gut mit meiner Stimme. Ich habe einfach Spaß mit ihr

3 INTERVIEW / MURAT COŞKUN: RHYTHMS OF LIFE 2 Du bist als Sohn türkischer Eltern in Deutschland aufgewachsen. Was bedeutet für dich kulturelle Identität? Kulturelle Identität ist für mich das Thema schlechthin, das mich seit meiner Kindheit begleitet. Ich befand mich immer im Spannungsfeld zweier Kulturen zum einen die türkische Kultur, die ich von meinen Eltern mitbekommen und mit ihnen gelebt habe, zum anderen die real existierende Kultur in Deutschland um uns herum. Damals habe ich es als eine Art Lebensaufgabe gesehen, mich in diesen beiden Kulturen zurechtzufinden und zwischen beiden Identitäten, die in vielen Bereichen entgegengesetzt waren, hin- und herzuswitchen. Ich denke, ich war überfordert. Nach und nach sah ich mich vor einer neuen Aufgabe: Die beiden Kulturen zusammenzubringen. So suchte ich stets nach den Schnittstellen, schaute immer, wie ich zwischen den Kulturen für mich eine Verbindung schaffen könnte und wie dann meine eigene kulturelle Identität aussehen würde. Diese Identität war für mich gekoppelt an die Heimatfrage. Ich hatte das Gefühl, meine Heimat ständig neu definieren zu müssen sie war etwas Unerreichbares, hatte fast etwas Paradiesisches. Ich denke, dass sich bei mir eine Sehnsucht entwickelt hat, die mir dann als Motor für all mein weiteres Schaffen diente. Diese Suche nach dem Verbindenden und auch die Notwendigkeit, zwischen Kulturen zu vermitteln, haben mich sehr geprägt. Und das drücke ich stark in meiner Musik aus: Ich erschaffe mir in jedem Augenblick meine eigene Heimat oder eine neue kulturelle Identität. In den letzten Jahren warst du immer wieder in St. Pölten zu Gast. Was verbindet dich mit dem Festspielhaus? Zunächst möchte ich mich an dieser Stelle bei Joachim Schloemer und dem gesamten Festspielhaus-Team ganz herzlich dafür bedanken, dass sie mir jahrelang ihr Vertrauen für eine gelungene Zusammenarbeit geschenkt haben! Das Festspielhaus bedeutet sehr viel für mich, das allererste Mal war ich 2004 zusammen mit Giora Feidman hier. Damals wusste ich nicht, dass ich noch öfter zurückkehren würde. Das hat vor allem Joachim Schloemer zu verantworten, der mich über die Jahre hinweg zu insgesamt zehn verschiedenen, teilweise sehr außergewöhnlichen Projekten eingeladen hat. In diesen Jahren durfte ich das Festspielhaus näher kennenlernen und kam in den Genuss, hier zu arbeiten. Was ich an dem Haus schätze, sind die Menschen und die einzigartige Atmosphäre, die große Hilfs- und Einsatzbereitschaft des Teams sowohl im Produktionsbüro als auch in der Technik. So etwas würde man von einem Festspielhaus nicht erwarten. Dafür komme ich sehr gerne aus Freiburg angeflogen oder angefahren!

4 3 MURAT COŞKUN: RHYTHMS OF LIFE / INTERVIEW Als Artist in Residence leitest du in der aktuellen Saison auch die Rhythmusgruppe im Rahmen von alles bewegt, dem großen Kulturvermittlungsprojekt des Festspielhauses. Wie laufen die Proben bis jetzt? Und in welcher Form wird eure gemeinsame Arbeit in die abschließende Bühnen-Show einfließen? Zunächst bin ich sehr glücklich darüber, dass dieses einzigartige Kulturvermittlungsprojekt stattfindet. Die Kulturvermittlung ist, denke ich, im Festspielhaus gewachsen und gehört unbedingt hierher, weil sie neben den ZuschauerInnen vor allem auch von den Teilnehmenden sehr gut angenommen wird. Entsprechend gut ist die Stimmung beim Projekt selbst. Wir sind im Moment mitten im Entstehungsprozess, langsam kristallisiert sich heraus, in welche Richtung es gehen könnte, es ist alles noch sehr offen und man ist noch weit weg von einer konkreten Bühneninszenierung. Was im Moment auch gut so ist! Ich selber arbeite mit einer Amateur-Trommel-Gruppe, die aus ca. 20 Leuten besteht. Wir lernen erst einmal wichtige Basis-Rhythmen und Techniken, danach werden wir kleinere Kompositionen und einfache Trommelchoreografien lernen. Es sind natürlich AmateurInnen, entsprechend muss ich schauen, was überhaupt machbar ist. Manche werden die wichtigeren Parts trommeln, andere wiederum, die sich etwas schwerer tun, werden einfachere Begleitungen übernehmen. Im Frühjahr werden Maurizio Grandinetti und ich die Musik fertiggestellt haben, die ChoreografInnen werden dann ihre Tänze zur Musik festlegen. Ebenso werde ich sehen, wie sich die Trommelgruppe in das Ganze einfügt. Das wird mit Sicherheit eine der spannendsten Produktionen dieses Jahr. Ich hoffe deshalb, dass diese Arbeit der Kulturvermittlung in den kommenden Jahren fortgeführt wird. Crossing Borders heißt die neue Ausgabe des Rahmentrommel-Festivals Tamburi Mundi, mit dem du kommenden April zum dritten Mal im Festspielhaus gastierst. Dabei werden wir alten Bekannten wiederbegegnen, es werden aber auch neue Gesichter dabei sein. Auf welche deiner Gäste darf sich das Publikum besonders freuen? Das Festival Tamburi Mundi wird diese Spielzeit aller Voraussicht nach das letzte Mal im Festspielhaus gastieren. Insofern wird es dieses Jahr ein besonderer Lekkerbissen werden! Zum einen bietet Tamburi Mundi in Zusammenarbeit mit der Kulturvermittlung des Festspielhauses Workshops zum Thema Rahmentrommeln und mehr an. Es wird ein Familienkonzert stattfinden und auch ein Familienworkshop. Das eigentliche Konzertprogramm steht unter dem Motto Crossing Borders. Speziell für den Abend werden Stücke geschrieben und in St. Pölten von MusikerInnen einstudiert, die sich von diesem Thema inspirieren lassen. Dabei

5 INTERVIEW/BIOGRAFIEN / MURAT COŞKUN: RHYTHMS OF LIFE 4 werden verschiedenste Grenzen überschritten, sowohl in Hinblick auf musikalische Genres als auch auf den kulturellen Kontext. MusikerInnen beschäftigen sich mit Fragen wie: Was passiert mit mir, wenn ich Grenzen überschreite? Wo komme ich her? Wo komme ich an? Komme ich zurück? Ein Highlight ist das koreanische Perkussions- und Tanzensemble Noreum Machi aus Seoul, das einen Hauptpunkt des Abends bildet. Daneben sind Gäste aus dem Iran, aus Brasilien, Spanien und Italien mit dabei. Als Kontrapunkt zum Thema Rahmentrommeln und Tradition ist der Schlagzeuger Fritz Hauser aus der Schweiz eingeladen. Es wird mit Sicherheit ein fulminantes Tamburi-Mundi-Festival in St. Pölten, auf das ich mich jetzt schon freue! Murat Coşkun Der renommierte Perkussionist Murat Coşkun ist eine äußerst vielseitige Künstlerpersönlichkeit: Spielend bewegt er sich in den verschiedensten Stilrichtungen der Weltmusik, der Alten Musik, des Jazz und der experimentellen Perkussion. Er hat Orientalistik studiert und sich eingehend mit der Musik Vorderasiens und Osteuropas beschäftigt, sein Hauptinstrument ist die Rahmentrommel. Der Musiker konzertiert weltweit mit seinem Oriental Jazz Ensemble FisFüz, mit Soloprogrammen, als Perkussionist von Giora Feidman und mit dem Ensemble für Frühe Musik Freiburger Spielleyt. Außerdem arbeitet er mit bedeutenden Künstler- Innen wie dem 5-fachen Grammy-Gewinner Glen Velez zusammen und wird immer wieder als Soloperkussionist von Orchestern wie dem NDR Sinfonieorchester eingeladen. Darüberhinaus ist er ein gefragter Studiomusiker und Komponist für CD- und Theaterproduktionen erschien der Dokumentarfilm Sufismus Eine Reise nach Konya über ihn und seine Arbeit. Murat Coşkun ist Gründer und Leiter des Rahmentrommel-Festivals Tamburi Mundi, das jährlich an diversen internationalen Spielstätten gastiert und kommenden April bereits zum dritten Mal im Festspielhaus Station machen wird. Hier ist der Musiker regelmäßig zu Gast, zuletzt im Mai 2012 im Rahmen des Konzerts Mozart im Morgenland. In der aktuellen Spielzeit ist er Artist in Residence im Festspielhaus St. Pölten und im Zuge dessen auch am Tanz- und Musikprojekt alles bewegt beteiligt.

6 Festspielhaus St. Pölten Kalendarium Dezember 2012 / Jänner 2013 So 09. Dez. Weihnachtskonzert Reiss, Goodwin, Tonkünstler, Wiener Kammerchor u. a Uhr, Großer Saal /Vokal Do 13. Dez. Angel Voices** Allen, mediva:pure, u. a Uhr, Bühne Musik/Vokal/Mittelalter Fr 14. Dez. Folk Fever** Allen, Nox Illuminata Band Uhr, Bühne Musik/Vokal/Folk Sa 15. Dez. Baroque Ball** Allen, mediva:plugged u. a Uhr, Bühne Musik/Tanz/Fest So 16. Dez. Der gestiefelte Kater Familienvorstellung Pichler, Minetti Quartett Uhr, Box Musik/Literatur Mo 17. Dez. Auferstehung Banse, Baechle, Orozco- Estrada, Tonkünstler u. a. Fr 21. Dez. Box Spezial Francis International Airport/Nils Frahm/ Panda Eyes/Ceen* Uhr, Box Konzert/Party/DJ Line Di 01. Jan. Neujahrskonzert Reiss, Eschwé, Tonkünstler Uhr, Großer Saal So 06. Jan. Neujahrskonzert Reiss, Eschwé, Tonkünstler Uhr, Großer Saal ** Festival Nox Illuminata So 06. Jan. Neujahrskonzert Schwarz, Salemkour, Tonkünstler Uhr, Großer Saal Mo 14. Jan. Wiener Klassiker Zehetmair, Tonkünstler Do 17. Jan. Kreutzersonate Beil, Merlin Ensemble Wien Uhr, Box Musik/Literatur Sa 19. Jan. Sidi Labi Cherkaoui: Puz/zle Eastman, A Filetta u. a. Tanz/Live-Musik Sa 26. Jan. Mnozil Brass goes Wagner Musik/Blech Medienpartner Karten & Info: +43(0)2742/ karten@festspielhaus.at IMPRESSUM Herausgeber, Verleger und Medieninhaber Niederösterreichische Kulturszene Betriebs GmbH, Kultur be zirk 2, 3100 St. Pölten, T+43(0)2742/ , F +43(0)2742/ , Für den Inhalt verantwortlich Thomas Gludovatz, Johannes Sterkl. Redaktion Lena Dražić. Termin-, Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten. Fotografieren, Ton- und Videoaufzeichnungen nicht gestattet.