Gips-Kalkputz. Materialbeschrieb. Hintergrund. Mineralische Werkstoffe > Gipswerkstoffe

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1 Materialgruppen: Mineralische Werkstoffe > Gipswerkstoffe Materialbeschrieb Moderne Gips-Kalkputze sind Werktrockenmörtel mit Gips und Kalk als Bindemittel sowie einem hohen Anteil an Sand als Zuschlagstoff und verarbeitungsverbessernden Zusätzen. Vor dem Aufkommen von Werktrockenmörteln wurden Putze direkt auf dem Bau angemischt. Das Anmischen und Verarbeiten traditioneller Putze wird von vielen Gipsern noch heute beherrscht, jedoch nur noch selten angewendet. Bei Neubauten kommen fast ausschliesslich Werktrockenmörtel zum Einsatz. Diese werden für grössere Projekte in Silos auf die Baustelle geliefert, dort mit Wasser angemischt und maschinell verarbeitet. Das Abbindeverhalten von Gipsputz ist genau auf die Anforderungen bei der Verarbeitung abgestimmt. Gipsputz beginnt nach ca. 30 Minuten anzusteifen, härtet danach aber relativ langsam aus. Gipskalkputze können viel Feuchtigkeit aufnehmen und schnell wieder abgeben. So wirken sie regulierend auf das Klima von Innenräumen. Gips-Kalkputze werden in der Regel als Unterputz oder Ausgleichsputz mit ca. 10 mm Schichtdicke verarbeitet. Mit gewissen Produkten lassen sich Putzdicken bis 50 mm problemlos einlagig erstellen. Als Untergrund eignen sich Backstein, Kalksandstein, Naturstein, Beton und Porenbeton. Auf Beton und schwachsaugende Untergründe muss eine Haftbrücke aufgetragen werden. Gips-Kalkputze werden überwiegend als Unterputze auf Mauerwerk im Innenbereich verarbeitet und in der Regel mit einem Deckputz oder einer Spachtelung überglättet. Es sind aber auch Mischungen erhältlich, die sich direkt zum Filzen und Glätten eignen. Wie bei Einschicht-Weissputz wird heute nach Oberflächenqualitäten Q1 bis Q4 unterschieden. Mit Gips-Kalkputzen lassen sich ohne speziellen Glätter in der Regel Oberflächenqualitäten bis maximal Q2 erreichen. Hintergrund Geschichte: Bis in die 1970er-Jahre wurden Putze direkt auf dem Bau angemischt und oft als reine Kalkmörtelputze ausgeführt. Auf wenig saugfähigen Untergründen wie MATERIAL ARCHIV / 6

2 Holzlatten- oder Schilfrohrdecken war reiner Kalkputz jedoch zu langsam, und es bestand die Gefahr, dass er sich vor dem Abbinden wieder vom Untergrund ablöste. Um die Abbindezeit zu verkürzen, wurde dem Mörtel aus Sumpfkalk, Sand und Wasser Gips beigemischt. Dann musste der Putzmörtel rasch verarbeitet werden. Für Grundputze wurde grober Sand verwendet, für Oberputze zum Filzen und Glätten oder für Stuckaturen gab man dem Putzmörtel feinen Flusssand bei. Heute stehen für die unterschiedlichen Anwendungsgebiete speziell abgestimmte Werktrockenmörtel zur Verfügung. Ökonomie: In Europa hat sich die Werkmörtelindustrie seit den 1960er-Jahren als neuer Wirtschaftsfaktor innerhalb der Bauindustrie entwickelt. Die Anlagentechnik erlaubt inzwischen eine wirtschaftliche Produktion nicht nur von Massenprodukten, sondern auch von einer grossen Anzahl spezifischer Produkte, die teilweise just in time hergestellt werden. Die Materialkosten für Werktrockenmörtel sind höher als für herkömmliche Mörtel, sie lassen sich jedoch mit geringerem Zeitaufwand und in genormter Qualität verarbeiten. Ökologie: Gips-Kalkputz wird aus dem Naturprodukt Gips hergestellt. Er enthält keinerlei Leime oder andere gesundheitsgefährdenden Stoffe und ist ökologisch und baubiologisch unbedenklich. Wie organische Werkstoffe dürfen Gipsabfälle aber nicht auf Inertstoffdeponien entsorgt, sondern müssen in geschlossenen Deponien abgelagert werden, denn Wasser kann aus dem Gips Sulfate herauslösen, die bei fehlender Abdichtung das Grundwasser belasten. Recycling: Gipskalkputze fallen beim Rückbau meist zusammen mit Mauerwerk an. Dieser Bauschutt kann auf Inertstoffdeponien abgelagert werden. Wegen des hohen Anteil an Sand lohnt sich das Recycling von Gipskalkputz nicht. Herstellung Fertigung: Gips-Kalkputze sind genau rezeptierte Mörtel-Fertigmischungen, sogenannte Werktrockenmörtel. Bindemittel, Zuschlagstoffe und Zusätze werden im Herstellerwerk exakt gemischt und in Papiersäcke oder Silos abgefüllt. Werktrockenmörtel müssen auf der Baustelle lediglich mit Wasser angemischt werden und weisen klar definierte Eigenschaften auf. Eigenschaften Kennwerte beziehen sich auf: Wenn nichts anderes angegeben, beziehen sich die Kennwerte auf den festen, trockenen Endzustand. Zusammensetzung/Analyse: Bindemittel: Beta-Halbhydrat, Anhydrit und Kalkhydrat (>30%) Zuschlagstoffe: Kalksteinsande, Brechsande, Steinmehl (<70%) Zusätze: Wasserrückhaltemittel, Luftporenbildner, Abbinderegler (<1%) MATERIAL ARCHIV / 6

3 Besonderheiten: Mit Wasser angerührter Gipsmörtel bindet zu einer festen Masse ab. Beim Abbinden handelt es sich um einen Kristallisationsprozess. Dabei wird das durch Brennen ausgetriebene Kristallwasser wieder aufgenommen und eine neue Kristallbildung herbeigeführt. Bei der Kristallisation entsteht ein feines Gipsnadelgewebe, das für die Verfestigung und Verhärtung des Gipsbreis verantwortlich ist. Der Abbindevorgang des Kalkhydrates verläuft langsamer als der von Gips. Die Kombination beider Bindemittel ermöglicht eine genaue Regulierung des Abbindevorgangs. Nachweis: Gips-Kalkputz ist mit dem Fingernagel ritzbar. Europäische Normen (EN): EN Gipsbinder und Gips-Trockenmörtel SIA 242/1 Verputz und Gipserarbeiten DIN DIN Erscheinung Farbe: Geruch: Beigetöne, Grautöne, Weisstöne neutral trocken, feinkörnig, sandig Beständigkeit Gipskalkputz ist in Innenräumen beständig, jedoch nicht für Nassräume oder im Aussenbereich mit hoher Feuchtigkeitsbelastung geeignet. Biologische Schadensfaktoren: Nässe und stehendes Wasser Temperaturwechselbeständigkeit: unbeständig Mechanische Eigenschaften Abbindezeit: Biegezugfestigkeit: Dichte [ρ]: Druckfestigkeit: Einstreumenge in 1 Liter Wasser: Elastizitätsmodul: Härte nach Mohs: bis min 1.00 bis 2.00 N/mm bis kg/m bis 3.50 N/mm bis g/l 2.00 bis 3.00 N/mm Mohs MATERIAL ARCHIV / 6

4 Kornfeinheit: bis 1.20 mm Porenvolumen: bis % Schüttdichte: bis kg/m3 Strichfarbe: weiss Verarbeitungszeit: bis min Hygrische Eigenschaften 2.00 bis 5.00 Wasserdampfdiffusionswiderstandszah l [µ]: Thermische Eigenschaften Brandverhalten: nicht brennbar Längenausdehnungskoeffizient: 2.00 x /K Spezifische Wärme [c]: bis 1.10 KJ/KG*K Wärmeleitfähigkeit/-zahl [λ]: bis W/mK Zersetzungstemperatur: bis C Chemische Eigenschaften ph-wert: 8.00 bis Verträglichkeit Bioverträglichkeit: Gips-Kalkputz ist alkalisch und kann Hautreizungen verursachen. Kompatibilität: Um die definierten Eigenschaften eines Werktrockenmörtels nicht negativ zu beeinflussen, sollen ihm keine zusätzlichen Stoffe beigemischt werden. Gips-Kalkputze sind leicht alkalisch und können Stahl vor Korrosion schützen. Dagegen werden Aluminium, Zink und Blei von Kalk angegriffen. Quellen der Kennwerte Bundesverband der Gipsindustrie e. V. (Hrsg.) (2006). GIPS-Datenbuch. Darmstadt. Merkblätter des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verbandes SMGV. Merkblätter sowie Produkte- und Sicherheitsdatenblätter diverser Weissputz-Hersteller. MATERIAL ARCHIV / 6

5 Bearbeitung Lieferformen: Abgefüllt in Säcke zu kg Loseware in Containern oder Silos Besonderheiten: Manche Hersteller bieten zum Filzen und Glätten verschiedene Gips-Kalkputze an. Formen und Generieren: frei auftragen, spachteln, streichen filzen, glätten Oberflächenbehandlung: Trennen und Subtrahieren: bemalen bohren, feilen, fräsen, raspeln, sägen, schneiden Arbeitsschutz: Gips-Kalkputze sind alkalisch und können reizend wirken. Atemschutz: Beim Umgang mit getrocknetem Gips wird bei hoher Staubentwicklung eine Atemschutzmaske empfohlen. Augenschutz: Bei Spritzgefahr Schutzbrille tragen. Körperschutz: Arbeitskleidung tragen. Handschutz: Handschuhe tragen. Nach der Arbeit Hände waschen, evtl. mit etwas Essig benetzen und erneut waschen. Konservierung Schutz und Pflege: Sackware soll nicht gefrieren und ist im Trockenen 3 Monate lagerfähig. Abgebundener, noch feuchter Gips darf nicht gefrieren. Anwendung Anwendungsgebiete: Bauindustrie, Innenausbau Anwendungsbeispiele: Unterputz, Ausgleichsputz Sammlungen Muster in folgenden Sammlungen: ETH Zürich Baubibliothek, Gewerbemuseum Winterthur, HSLU T+A Campus Horw, Sitterwerk St. Gallen, ZHdK Medien- und Informationszentrum Standort in der Sammlung MATERIAL ARCHIV / 6

6 ETH Zürich Baubibliothek: BG-PU Bindemittel Gips > Putze Gewerbemuseum Winterthur: Mineralische Werkstoffe > Schublade 11 Quellennachweis Verwendete Quellen: Bundesverband der Gipsindustrie e. V. (Hrsg.) (2006). GIPS-Datenbuch. Darmstadt. Leixner, S., & Raddatz, A. (1985). Der Stukkateur. Stuttgart: Julius Hoffmann. Schwiete, H. E., & Knauf, A. N. (1968). Gips, Alte und neue Erkenntnisse in der Herstellung und Anwendung der Gipse. Merzig: Merziger Druckerei und Verlag GmbH. Heusinger von Waldegg, E. (1906). Der Gips. Leipzig: von Theod. Thomas. Lade, K., & Winkler, A. (1952). Putz Stuck Rabitz. Stuttgart: Julius Hoffmann. Binder, P., Schaumann, F., Haas, M., & Läppe, K. (Hrsg.) (1985). Stukkateur-Handbuch - Die Gipserfibel. Reprint nach der 3. Auflage von ca Hannover: Th. Schäfer. Szednyi, I., & Brandhuber, D. (2007). Stand der Technik zur Kalk-, Gips- und Magnesiaherstellung. Beschreibung von Anlagen in Österreich. Wien: Umweltbundesamt GmbH. (Stand ). Merkblätter des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verbandes SMGV. Produkte- und Sicherheitsdatenblätter diverser Hersteller von Gipskalkputz. Expertin / Experte: Walter Keller Material-Archiv-Signatur: MIN_WER_GIP_4 Stand: (Online-Schaltung: ) Permalink: materialarchiv.ch/detail/1252 MATERIAL ARCHIV / 6