statistisch fundierte Plausibilisierung von Abstimmungsresultaten ein Vorschlag

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1 Kanton Zürich Statistisches Amt des Kantons Zürich statistisch fundierte Plausibilisierung von Abstimmungsresultaten ein Vorschlag Dr. Peter Moser

2 Das Problem Geben die vorliegenden aggregierten Abstimmungsresultate, d.h. der Ja-Stimmenanteil einer Gemeinde die Willensäusserung der Urnengänger korrekt wieder? Zahlreiche denkbare Fehlerquellen: Fehlerhafte Auszählung (z. B. wegen verlorengegangener Stimmzettel) Fehlübermittlung von Resultaten (relativ häufig: Vertauschung von Ja- und Nein-stimmen) Manipulation von Resultaten durch gehacktes E-Voting In allen diesen Fällen kommt es zu einer Abweichung des beobachtbaren (x b ) vom hypothetischen korrekten Resultat (x k ). Die Eingangsfrage wird statistisch fassbar, wenn man sie etwas umformuliert: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Nullhpothese x b = x k verworfen werden muss?

3 Politische Willensäusserungen sind nicht chaotisch Die Urnengänger in den Gemeinden sind mit hoher Wahrscheinlichkeit immer etwa dieselben. Diese Urnengänger haben ziemlich kohärente ideologische Grundhaltungen, welche bei konkreten Vorlagen realisiert werden, und sich im Abstimmungsverhalten niederschlagen Die aggregierten Ja-Stimmenanteile in den Gemeinden reflektieren das zahlenmässige Mischungsverhältnis dieser Grundhaltungen Was bedeutet: sie sind modellierbar und damit auch mit recht hoher Sicherheit prognostizierbar Ein Modell ist eine vereinfachte Version der Wirklichkeit, welche deren entscheidungsrelevante Charakteristiken erfasst Ein statistisches Modell beruht auf einer nachvollziehbaren, methodisch transparenten Verarbeitung von Daten

4 Die politische Landkarte ist ein derartiges einfaches Modell des politischen Verhaltens der Gemeinden, bzw. ihrer Urnengänger Es beschreibt die politische Ausrichtung einer Gemeinden mit zwei Dimensionen jede Gemeinde hat einen relativ stabilen Ort in diesem Koordinatensystem Kultur <- progressiv konservativ -> Affoltern Andelfingen Bülach Dielsdorf Dietikon Hinw il Horgen Meilen Pfäffikon Uster Winterthur Zürich Weiach Benken Fischenthal Schlatt Truttikon Waltalingen Wila Hagenbuch Bauma Thalheim an der Thur Höri Trüllikon Adlikon Dorf Hüttikon Ellikon an der Thur Buch am Irchel Stadel Humlikon Oberembrach Bäretswil Hütten Wildberg Hochfelden Dinhard Altikon Berg am Irchel Niederglatt Turbenthal Oberglatt Glattfelden Dällikon Wil Hinwil Dänikon Ossingen Kappel am Albis Laufen-Uhwiesen Dägerlen Schöfflisdorf Henggart Neerach Rümlang Buchs Wasterkingen Kyburg Kleinandelfingen Rafz Dürnten Lufingen Schönenberg Oetwil am See Oberstammheim Gossau Russikon Nürensdorf Sternenberg Hittnau Pfungen Hombrechtikon Unterengstringen Wald Volketswil Rickenbach Zell Winkel Schleinikon Regensdorf Weisslingen Lindau Bachenbülach Unterstammheim Opfikon Wangen-Brüttisellen Niederhasli Neftenbach Seuzach Bubikon Embrach Oberweningen Oetwil an der Limmat Grüningen Weiningen Steinmaur Freienstein-Teufen Wetzikon Rüti Seegräben Bülach Kloten Boppelsen Rorbas Elsau Aesch bei Birmensdorf Feuerthalen Fehraltorf Niederweningen Geroldswil Dietikon Dielsdorf Dübendorf Wiesendangen Hettlingen Eglisau Illnau-Effretikon Elgg Otelfingen HirzelBirmensdorf Maschwanden Schlieren Hüntwangen Pfäffikon Brütten Urdorf Andelfingen Obfelden Egg Mönchaltorf Bassersdorf Dietlikon Wallisellen Oberengstringen Affoltern am Albis Hausen am Albis Stallikon Knonau Adliswil Wädenswil Horgen Mettmenstetten Uetikon am See Maur Dachsen Richterswil Dättlikon Langnau am Albis Herrliberg Uitikon Uster Meilen Rheinau Ottenbach Hedingen Wettswil am Albis Schwerzenbach Stäfa Küsnacht Bonstetten Männedorf Rüschlikon Fällanden Oberrieden Erlenbach Regensberg Zumikon Rifferswil Aeugst am Albis Thalwil Kilchberg Winterthur Greifensee Flurlingen Volken Marthalen Bachs Bertschikon Flaach Hofstetten bei Elgg Zollikon Zürich <-mehr Staat mehr Markt-> Ökonomie

5 ordnet Abstimmungsresultate Die Ja- Stimmenanteile von Abstimmungen lassen sich einordnen von Ihnen leitet sich auch die Bezeichnung der Achsen her Kultur <- progressiv konservativ -> IV-Revision Minarette BVG ALV Personenfreizügigkeit Ausschaffung <-mehr Staat mehr Markt-> Ökonomie

6 Wahlresultate Die Wähleranteile der grossen Parteien in den Nationalratswahlen 2007 lassen sich in die politische Landkarte projizieren SVP Ökonomie <-mehr Staat mehr Markt-> SP Ökonomie <-mehr Staat mehr Markt-> <-mehr Staat mehr Markt-> <- progressiv konservativ -> Kultur <- progressiv konservativ -> Kultur <- progressiv konservativ -> Kultur SVP Wähleranteil in % Ökonomie <-mehr Staat mehr Markt-> SP Wähleranteil in % Ökonomie <-mehr Staat mehr Markt-> 5 FDP FDP Wähleranteil in % Ökonomie <-mehr Staat mehr Markt-> <- progressiv konservativ -> Kultur <- progressiv konservativ -> Kultur <- progressiv konservativ -> Kultur Ökonomie

7 und sogar die anderen Kantone ein auch die anderen (deutschschweizer) Kantone können im politisch vielfältigen Kanton Zürich verortet werden

8 Wie kommt die Landkarte zustande? Sie basiert auf der statistischen Verarbeitung und Zusammenfassung einer grossen Zahl von Abstimmungsresultaten der Vergangenheit, mit einem sog. Dimensionsreduktionsverfahren Die Hauptkomponentenanalyse fasst die Information, die in den Abstimmungen steckt, in wenige Dimensionen, eine Art virtueller abstrahierter Abstimmungen zusammen und ordnet sie nach ihrer Wichtigkeit (Beitrag zur Gesamtvarianz, die in den Daten steckt) n-dimensionen (Abstimmungen) werden in der politischen Landkarte reduziert auf zwei, die sich graphisch darstellen lassen Man kann aber für andere Zwecke auch drei, vier oder fünf Dimensionen zu Beschreibung der politischen Position der Gemeinden verwenden.

9 Eine Anwendung: Hochrechnungen bereits um 12 Uhr Mittags konnte das kantonale Schlussresultat der Ausschaffungsinitiative auf wenige Zehntelsprozente genau hochgerechnet werden Zum selben Zeitpunkt hätten die ausgezählten Gemeinden einen Ja-Stimmenanteil von 60% ausgewiesen - in Wirklichkeit lag er bei 50.7% JaStimmenanteil in % Anteil ausgezählte Stimmen/Gemeinden in % Uhrzeit

10 Die Mathematik dahinter für die Hochrechnung wird an die verfügbaren Gemeinderesultate ein Regressionsmodell angepasst mit den Hauptkomponenten als unabhängige Variablen und dem Ja- Stimmenanteil der aktuellen Abstimmung als zu Erklärende: (X k )= a 0 + a 1 *pc 1 + a 2 *pc 2...a n *pc n geschätzt werden dabei die Parameter a 1...a n d.h. die Multiplikatoren, die anzeigen, ob eine bestimmte Dimension zur Erklärung des Abstimmungsresultats beiträgt Insgesamt beschreibt dieses Modell das Abstimmungsverhalten in jeder Gemeinde D. h. man kann auf seiner Grundlage für jede Gemeinde ein hypothetisches Resultat für eine bestimmte Abstimmung errechnen Für die Hochrechnung braucht man diese fiktiven Resultate nur für die noch nicht ausgezählten Gemeinden Aus den bereits ausgezählten Resultaten und den hochgerechneten kann ein fiktives Kantonsresultat hochgerechnet werden

11 Wie würde eine Plausibilisierung funktionieren? Womit wir bei der Anwendung sind, die hier und heute interessiert Dieser Modellwert ist nämlich so etwas wie ein hypothetisches Resultat einer Gemeinde, dass sich aus der Kenntnis von deren normaler politischer Position in der konkreten Abstimmung ergibt. also eine Näherung für das eingangs postulierte wahre Resultat, das man erhält, wenn man die verfügbare Information über das Abstimmungsverhalten der Gemeinde x in der Vergangenheit als Grundlage für eine Schätzung verwendet, Im Prinzip kann man nun postulieren, dass der Vergleich des tatsächlich gemeldeten mit diesem hypothetischen Resultat eine Aussage darüber erlaubt, wie plausibel ersteres ist.

12 Qualität der Prognose auf Gemeindeebene Die Differenz zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Resultat kann für jede Gemeinde dargestellt werden Macht man das für die Vergangenheit, so lässt sich auch abschätzen, in welchem Bereich die Abweichungen üblicherweise liegen und entsprechend auch, wenn eine Differenz extrem unwahrscheinlich ist (siehe Dichtefunktion) Bei Obfelden z.b. beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Abweichung von mehr als +-5 Prozentpunkten etwa 2 von 100 Abstimmungen Obfelden Abweichung Prognose/Resultat

13 unterschiedliche Prognosequalität Jede Gemeinde hat ihr eigenes Prognoseprofil Die Streuung der Differenzen um den Mittelwert ist bei jeder Gemeinde unterschiedlich Kyburg Hofstetten bei Elgg Greifensee Kreis

14 Je grösser desto besser die Prognose Die Streuung der Abweichung von Prognose und Resultat (Standardabweichung) ist umso kleiner, je grösser die Gemeinde ist D.h. in grossen Gemeinden sind bereits kleinere Abweichungen unwahrscheinlicher als in kleinen Durchschnittliche Abweichung 'Prognose'/Resultat Kyburg Hofstetten bei Elgg Greifensee Kreis Stimmberechtigte (log-skala)

15 Fazit Pro Das Verfahren beruht auf einem transparenten statistischen Modell, Subjektive Bewertungen sind keine involviert. Dieses Modell enthält alle in den Resultaten enthaltenene Information über das politische Verhalten einer Gemeinde Mit dem Verfahren lassen sich grobe Abweichungen von plausiblen Resultaten erkennen. z.b. wenn bei einer stark polarisierenden Vorlage Ja- und Nein- Stimmen vertauscht werden. In diesem Sinne wird das Verfahren bei uns auch in der Plausibilisierung eingesetzt Contra Die Trennschärfe des Tests ist je nach Gemeindegrösse unterschiedlich, hoch in grossen Gemeinden, gering in kleinen. Gut daran ist, dass Fehler in grossen Gemeinden fürs Schlussresultat stärker ins Gewicht fallen schlecht, dass Fehler eher in kleinen Kommunen vorkommen, wo sie dann unentdeckt bleiben Voraussetzung für eine korrekte Modellbildung sind selbstverständlich korrekte Vergangenheitsdaten.

16 Weiterführende Informationen Abstimmungsanalysen, in denen die politische Landkarte als Hilfsmittel verwendet wird sowie weitere Publikationen unter