Der Isidor der erste Paragleiter

Transkript

1 Der Isidor der erste Paragleiter aus der Serie Geschichten aus Tirol von Emo Lenz 1

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3 Der Isidor der erste Paragleiter aus der Serie Geschichten aus Tirol von Emo Lenz 3

4 In unserem kleinen Dorf Fiss im Oberinntal, auf einem sonnigen Hochplateau auf 1450 m hoch gelegen, gab es den Isidor. Dieser war ein Dorforiginal. Jeder nannte ihn s Isala. Pale Isidor war sein ganzer Name. Er wurde am geboren, und gestorben ist er am im Kloster in Ried im Oberinntal. Das verträumte Tiroler Bergdörflein Fiss, heute ein im Winter und Sommer beliebter Fremdenverkehrsort. 4

5 Er war altledig. Nicht alle Söhne eines Bauern konnten es sich früher leisten zu heiraten. Dem Isidor war es versagt geblieben, ein Weib zu ehelichen. Ob seine Eigenart und Eigenwilligkeit daran schuld waren oder ob die Mittel im Elternhaus dazu nicht gereicht hatten, wissen wir nicht. Eher aber denke ich an das Erstere. Denn ein eigener Kauz war er schon. Eines der wenigen Fotos, die von Isidor existieren. 5

6 Das zum Museum umfunktionierte Wohnhaus. Der geräumige Innenraum mit Aufgang zu Isidors Kammer. 6

7 So lebte er im Haushalt seines Bruders, der mit meiner Tante verheiratet war. Die von Isidor mitbenützte urgemütlich getäfelte typisch tirolerische Bauernstube. 7

8 Ursprünglich gab es eine geräumige von zwei Parteien genutzte Rauchküche, an deren Decke der Speck und die Würste geselcht wurden. Später wurde sie abgeteilt in zwei kleine Räume, aber immerhin hatte jetzt jede Familie seinen eigenen Herd! 8

9 Der noch in seiner Ursprünglichkeit erhaltene Paule`s Stall. Isidor half in der Landwirtschaft mit und verdiente sich zusätzlich ein paar Kreuzer als Nachtwächter und Totengräber. Durch Jahrzehnte hat er unser Dorf vor Bränden bewahrt, indem er gewissenhaft stündlich seine nächtlichen Kontrollgänge machte, jahrein, jahraus, Sommer wie Winter. Und hunderten Bewohnern hat er das Grab geschaufelt. 9

10 Der Friedhof von Fiss Und wenn er beides verbinden konnte, so tat er dies mit Vorliebe. So hat er auch oft nächtliche Fußgänger auf ihrem späten Heimweg vom Wirtshaus oder Huangert, die die Abkürzung durch den Friedhof gewagt hatten, zu Tode erschreckt, wenn er - mit einem weißen Kopftuch bedeckt - just vor ihnen aus einem offenen Grab heraus kroch. Hatte er doch 10

11 ausprobieren müssen, ob es wohl groß genug war. Ein verschmitztes Lächeln konnte er dabei nicht unterdrücken. Er war ein rechtschaffener Mensch und fürchtete sich selber weder vor Tod noch Teufel. In echter Religiosität hat er den Armen Seelen ein Lied geschrieben. Und wie oft hat er es ihnen am Friedhof bei seiner Arbeit wohl vorgesungen. Doch konnte er sich, als ich ihn kurz vor seinem Tode im Altersheim besuchte, nicht mehr an alle Strophen erinnern. Leider, denn diese waren von erstaunlicher Qualität. Ich habe sie mit einem tragbaren Tonbandgerät vor der Vergessenheit bewahrt. Ich erinnere mich noch, als er mich fragte, was ich da für eine Maschine mit hätte. Ich erklärte ihm, dass man damit alles, was er jetzt sage, später wieder hören könne. Ach so, sagte er, schlecht hören tust. 11

12 Das würdige Grabmal von Isidor auf dem Friedhof in Fiss. 12

13 Das Armenseelenlied 1. Habt Erbarmen mit uns Armen, tönt s aus jenem Schmerzensreich, wo die armen Seelen brennen, die sich selbst nicht helfen können und darüber Sehnsucht klagen an das Herz der Christen tragen. Habt Erbarmen mit uns Armen, Hilfe suchen wir bei euch! 2. Oh wie kläglich und beweglich klingt das Wort aus jenem Ort! Kannst du da gefühllos bleiben? Muss es nicht mit Macht dich treiben, jenen ihren Schmerz zu lindern, der Verbannung Zeit zu mindern, die so kläglich und beweglich Hilf erflehen fort und fort! 13

14 3. Nein, wir wollen jetzt und sollen beten, büßen Tag und Nacht, dass von Jesu heiligem Blute die Erlösung kommt zugute all den lieben armen Seelen, die schon jede Stunde zählen, wo wir sehnen ihre Tränen in des Himmels Pracht. 4. Christi Glieder, unsere Brüder, sind es ja, die zu uns fleh n, die Geliebten treu hinieden, die der Tod von uns geschieden, die uns sind vorausgegangen, wo auch wir einst hin gelangen. Muss ihr Klagen aus den Plagen nicht ins tiefste Herz uns geh n? Die nächsten Strophen fielen ihm leider nicht mehr ein, doch an die letzte konnte er sich noch erinnern: 14