Neustadt an der Weinstraße, den 5. Dezember 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen Lüftungskonzepte nach DIN 1946-6 Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 1
Veränderungen in der Baukultur Neue Baustoffe und Bauweisen Wandel bei der Einrichtung Erhöhte Behaglichkeitsanforderungen Entwicklungsphasen im 20. Jahrhundert 1900 bis etwa 1950: Einzelofen, Teilbeheizung oft Schimmelbildung 1950 bis Ölkrise: Zentralheizung, Überheizung mangels Thermostatventilen, undichte Fenster selten Schimmelbildung, Zugerscheinungen Ölkrise bis heute: Energieeinsparung (WSVO, EnEV), Anforderungen an Bauteile, Fenster luftdichter häufiger Schimmelpilzbildung Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 2
Konstruktiver Mangel -5 C 20 C 11,6 C < 12,6 C -5 C Ausführungsdetail Rechenmodell Temperaturverlauf Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 3
Können Wände atmen? Dieser Irrtum geht auf Max von Pettenkofer (1818 1901) zurück. Auszug aus Die Luft in Wohnungen und die Ventilation Schliesslich wendet sich der Herr Verf. zur Betrachtung der Wichtigkeit der Porosität der Wandungen der Wohnungen für die Diffusion der Kohlensäure. Man hatte bisher, abgesehen von Oeffnungen, welche geradezu zur Ventilation angebracht werden, lediglich den Thüren, Fenstern und anderen gröberen Undichtheiten, die natürliche Ventilation der Zimmer überlassen. Der Herr Verf. glaubt, dass ein bedeutender Austausch der Luft in und ausserhalb der Wohnungen durch Mörtel und Mauersteine der Wände hindurch stattfinde.... Max von Pettenkofer ca. 1860 Kerzenversuch nach von Pettenkofer Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 4
Feuchtequellen 9.000 Mittlere tägliche Feuchteabgabe [g/d] 8.000 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 625 240 240 840 300 700 1-Personen- Haushalt berufstätig Wäschetrocknen Sonstiges Pf lanzen Küche Bad Personen 625 240 240 840 300 1200 1-Personen- Haushalt ganztägig anwesend 1250 480 480 840 600 1600 2-Personen- Haushalt 1875 720 480 1140 750 2550 3-Personen- Haushalt 1875 840 480 1140 1200 3400 4-Personen- Haushalt Quelle: Fachbericht DIN 4108-8 Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 5
Infiltration über Fenster Beispiel: Unsaniertes Mehrfamilienhaus Gebäudesteckbrief A NGF = 57 m² V L = 143 m³ U AW = 1,1 W/(m²K) U W = 2,7 W/(m²K) A W = 12 m² Schnitt Einstufung der Fenster in Klasse 1 nach DIN EN 12207 Zwei berufstätige Bewohner Grundriss 1. OG Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 6
Feuchtequellen Raum Eltern 16 m² bzw. 40 m³ 23:00 h Abends 18 C und 50 % rf 7,7 g/m³ Absolute Feuchte: 308 g Belegung: 2 Personen 40 g/(person h) Absolute Feuchte: 560 g 06:00 h Morgens Absolute Feuchte: 868 g oder 21,7 g/m³ 18 C und >100 % rf Die Feuchtigkeit wird einerseits weggelüftet (Fenster und Undichtheiten) und andererseits in Bauteilen und Einrichtungsgegenständen gespeichert (Pufferung). Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 7
Infiltration über Fenster Referenzluftdurchlässigkeit bei 100 Pa bezogen auf die Gesamtfläche des Fensters nach DIN EN 12207 : 2000-06 Klasse Referenzluftdurchlässigkeit bei 100 Pa q 100Pa [m³/(hm²)] 0 nicht geprüft 1 50 2 27 3 9 4 3 100Pa Anforderung nach EnEV 2009 für Gebäude mit bis zu 2 Vollgeschossen. für Gebäude mit mehr als 2 Vollgechosse. Keine Anforderungen an die Fugendurchlässigkeit in EnEV 2014. q p q p p q p 100 2 3 Luftdurchlässigkeit bei einer Druckdifferenz von p Druckdifferenz Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 8
Infiltration über Fenster Ausschließliche Bewertung der Undichtheiten über die Fenster, ohne Berücksichtigung der Einbausituation. Vor der Sanierung: Klasse 1 Nach der Sanierung: Klasse 4 Luftdurchlässigkeit q 50 31,5 m³/(hm²) 1,9 m³/(hm²) p = 50 Pa Luftwechselrate n 50 Luftdurchlässigkeit q 2 2,6 h -1 3,7 m³/(hm²) 0,16 h -1 0,2 m³/(hm²) p = 2 Pa Luftwechselrate n 2 0,16 h -1 0,01 h -1 Bewertung der Luftdichtheit Wirksamer Infiltrationsanteil an der Lüftung Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 9
Infiltration über Fenster Ausgangszustand Raumtemperatur: 20 C Nachtabsenkung: 18 C Lüftungsverhalten Lüftungsprofil Wochentag Lüftungsprofil Sams- und Sonntag Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 10
Infiltration über Fenster Ausgangszustand Raumtemperatur: 20 C Nachtabsenkung: 18 C Mittelwert über 120 h Quelle: Hartwig M. Künzel, Feuchtigkeitsschäden aus technischer Sicht, nzm.de Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 11
Infiltration über Fenster Zustand nach Fenstertausch Raumtemperatur: 20 C Nachtabsenkung: 18 C Lüftungsprofil Wochentag Lüftungsprofil Sams- und Sonntag Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 12
Infiltration über Fenster Zustand nach Fenstertausch Raumtemperatur: 20 C Nachtabsenkung: 18 C Mittelwert über 120 h Quelle: Hartwig M. Künzel, Feuchtigkeitsschäden aus technischer Sicht, nzm.de Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 13
Fensterlüftung Fenster geschlossen Nutzungszustand Relative Raumluftfeuchte steigt sowie Feuchtespeicherung in Möbeln und Bauteilen. Fenster öffnen (Stoßlüften) Abfuhr von Lastspitzen Austausch von feuchter Raumluft durch trockene Außenluft; max. einfacher Luftwechsel; darüber hinausgehend keine Entfeuchtung, nur Erhöhung des Heizwärmebedarfs Hygrometer zur Überprüfung der Raumluftfeuchte Fenster geschlossen Aufwärmen der kühleren Außenluft Aufnehmen der gespeicherten Feuchte durch die Raumluft. Wie kann eine nachhaltige Entfeuchtung erfolgen? Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 14
Einflüsse auf den Feuchtehaushalt in Wohngebäuden Gebäude Gebäudeart (Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus, Wohnheim) Lage der Nutzungseinheit (Souterrain, Dachgeschoss) Bauweise (Massiv- oder Holzbauweise) Baulicher Wärmeschutz (Neubau, unsaniertes, teilsaniertes oder kernsaniertes Bestandsgebäue) Oberflächenbeschaffenheit (Putz, Tapete, Fliesen etc.) Möglichkeiten der Feuchtepufferung Baufeuchte Baufeuchte niedrig Baufeuchte hoch Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 15
Einflüsse auf den Feuchtehaushalt in Wohngebäuden Anlagentechnik Art der Beheizung (Einzelofen, Zentralheizung) Lüftungskonzept (freie Lüftung, ventilatorgestützte Lüftung) Sonstiges Außenklima (Kälteperioden) Jahreszeit Nutzer (Lüftungskompetenz, Teilbeheizung) Komplexe Zusammenhänge vs. einfacher Bewertung Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 16
Was ist eine lüftungstechnische Maßnahme? Bei einer lüftungstechnischen Maßnahme handelt es sich im Sinne der DIN 1946-6 um geplante Einrichtung zur freien oder ventilatorgestützten Lüftung für die Sicherstellung eines nutzerunabhängigen Luftaustausches. Freie Lüftung - Querlüftung Ventilatorgestützte Lüftung Zu- und Abluftsystem Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 17
Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen Es sind lüftungstechnische Maßnahmen in einer Nutzungseinheit erforderlich, wenn der notwendige Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz den Luftvolumenstrom durch Infiltration überschreitet. Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz > Luftvolumenstrom durch Infiltration Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 18
Außenluftvolumenstrom durch Infiltration Jede Gebäudehülle besitzt eine bestimmte, bautechnisch nicht vermeidbare Undichtheit, die bei Auftreten eines natürlich verursachten Differenzdruckes zur In- und Exfiltration von Außenluft führt. Bei der Auslegung von Lüftungssystemen im Sinne der DIN 1946-6 ist der für die Auslegung wirksame Außenluftvolumenstrom durch Infiltration q V,inf,wirk zu berechnen bzw. der zugehörige Infiltrations-Luftwechsel ist zu berücksichtigen. Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 19
Außenluftvolumenstrom durch Infiltration f wirk,komp f wirk,lage V NE n 50 p n Faktor für den wirk. Infiltrationsluftanteil der Lüftungskomponente Faktor für den wirk. Infiltrationsluftanteil abhängig von der Gebäudelage Raumluftvolumen der Nutzungseinheit Luftwechsel bei 50 Pa Druckdifferenz Auslegungsdruckdifferenz für Gebäude Druckexponent Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 20
Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz Die Ermittlung des Luftvolumenstroms zum Feuchteschutz erfolgt in Abhängigkeit des Wärmeschutzstandards des Gebäudes (f WS ) und der Fäche der Nutzungseinheit A NE. Der Faktor f WS berücksichtigt den Wärmeschutz des Gebäudes. Für Gebäude, die mindestens der Wärmeschutzverordnung 1995 ( Wärmeschutz hoch ) entsprechen, ist f WS = 0,3 und für alle anderen ( Wärmeschutz gering ) gilt f WS = 0,4. Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 21
Außenluftvolumenstrom Mindestwerte der Gesamt-Außenluftvolumenströme 350 300 q V,ges,NE,NL 0, 001 A 2 NE 115, A NE 20 Luftvolumenstrom 250 200 150 100 50 0 0 30 60 90 120 150 180 210 240 270 Fläche der Nutzeinheit FLh FLg RL NL IL Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 22
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Notwendigkeit Lüftungstechnischer Maßnahmen Ausschließliche Bewertung der Undichtheiten über die Fenster, ohne Berücksichtigung der Einbausituation. p = 50 Pa p = 2 Pa Luftdurchlässigkeit q 50 Luftwechselrate n 50 Luftdurchlässigkeit q 2 Luftwechselrate n 2 Vor der Sanierung: Klasse 1 31,5 m³/(hm²) 2,6 h -1 3,7 m³/(hm²) 0,16 h -1 Nach der Sanierung: Klasse 4 1,9 m³/(hm²) 0,16 h -1 0,2 m³/(hm²) 0,01 h -1 Erforderlicher, nutzerunabhängiger Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz (Wärmeschutz niedrig) nach DIN 1946-6: q v,ges,ne,fl = 0,4 (-0,001 57² + 1,15 57 + 20 ) = 33 m³/h n FL = 33 m³/h / 143 m³ = 0,23 h -1 Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 25
Fazit Bei Abbildung komplexer Vorgänge durch einfache Rechenverfahren kommt es zwangsläufig zu Unschärfen. Lüftungsrelevante Maßnahmen an der Gebäudehülle machen eine Überprüfung des Lüftungskonzeptes erforderlich. Lüftungstechnische Maßnahmen sollen mindestens den Bautenschutz nutzerunabhängig sicherstellen. Das Stoßlüften dient der Abfuhr von Lastspitzen. Für eine Raumentfeuchtung bedarf es einer kontinuierlichen Lüftung. Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 26
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. www.i-f-ee.de Energieberatertag 2013 Von der Notwendigkeit lüftungstechniischer Maßnahmen 6. Dezember 2013 27