Erasmus-Bericht Paris 5 Descartes (Sept. 2012 März 2013) Anreise: Ich bin mit dem Zug nach Paris gefahren, was den Vorteil hat, dass man so viel Gepäck mitnehmen kann wie man möchte beziehungsweise tragen kann und außerdem direkt in der Stadt (am Gare de l'est) ankommt und nicht außerhalb am Flughafen Charles de Gaulle oder Orly. Von Berlin aus muss man, wenn man tagsüber fährt, mindestens 1x umsteigen; der Nachtzug fährt direkt. Sprache: Um mein Schulfranzösisch aufzufrischen, habe ich im Sommersemester vor meinem Erasmus-Aufenthalt einen B2-Kurs (4SWS) an der HU belegt und außerdem am ChICWochenendkurs francais médical teilgenommen. Vor Semesterbeginn gab es an der Fakultät eine ca. 10-tägige Einführungsphase, genannt "SILC" (stage intensif de cours de langue française et de civilisation) in der man vormittags Sprachkurs hatte und nachmittags an Stadtrundgängen und anderen kulturelle Aktivitäten teilnehmen konnte. Der Sprachkurs fand leider in recht großen Gruppen (etwa 30 Studierende) statt und bestand oft in Frontalunterricht unsere Lehrerin hat deutlich mehr gesprochen als wir, daher war der Lerneffekt eher gering. Um jedoch andere Erasmusstudierende kennen zu lernen, erste gemeinsame Unternehmungen zu planen und immer jemanden zu finden, der einem bei OrgaFragen weiterhelfen konnte, hat es sich aber auf jeden Fall gelohnt! Wohnen/CAF: Während des 1. Semesters (von September bis Januar) habe ich in einem Wohnheim des CROUS (Studentenwerk) gewohnt. Es war am nördlichen Rand von Paris im 18. arrondissement direkt an der Stadtautobahn periphérique gelegen. Von außen war es alles andere als einladend, die grauen Gänge erinnerten mitunter an Gefängnisflure, aber mein Zimmer war vollkommen in Ordnung. Da es so gut wie keine Gemeinschaftsräume gab, war es kaum möglich andere Studierende kennen zu lernen. Bei der Anmeldung konnte ich (obwohl ich bei der Bewerbung angegeben hatte, dass ich von September bis März bleiben wolle) nur auswählen, ob ich das Zimmer nur für das 1. Semester (Sept.-Jan.) oder auch noch für das 2. (Feb.-Juli) mieten wollte. Da nicht ersichtlich war ob man das Zimmer während des Semesters vorzeitig kündigen könnte oder ob man in jedem Fall für das gesamte Semester Miete zahlen müsste, hatte ich mich entschieden erstmal nur das 1. Semester anzugeben. Leider konnte ich meinen Vertrag dann nicht bis zum Ende meines Aufenthaltes verlängern und war so gezwungen mir für die letzten beiden Monate eine neue
Bleibe zu suchen: schließlich habe ich über ein Gesuch bei www.wg-gesucht.de ein kleines studio (möbliertes Zimmer) im 16. arrondissement gefunden. Nach der etwas nervigen Zimmersuche und einem Umzug per métro, bin ich jedoch im Nachhinein froh durch das Wohnen am anderen Ende der Stadt nochmal die Möglichkeit gehabt zu haben ein komplett gegensätzliches quartier kennen zu lernen. Den Antrag fürs Wohngeld findet ihr unter www.caf.fr, es dauert ein bisschen alles auszufüllen und die entsprechenden Unterschriften/Bescheinigungen zu bekommen, aber die Mühe lohnt sich! Bank: Es lohnt sich aus verschiedenes Gründen ein französisches Konto zu eröffnen: man kann kostenlos Geld abheben oder Daueraufträge für z.b. die monatliche imaginer-kartenabbuchung einrichten, bei der BNP Paribas aber auch bei vielen anderen Banken gibt es 50-100 Bonus für die Kontoeröffnung und das Konto ist im 1. Jahr kostenlos und für die stages-bezahlung (und ggf. CAF-Zahlung, wenn das Geld direkt an euch überwiesen wird und nicht mit dem Vermieter verrechnet wird) wird ein französches Konto erwartet (ob das stage-geld prinzipiell auch auf ein deutsches Konto überwiesen werden würde, weiß ich nicht, aber es ist mit Sicherheit komplizierter). Handy: Zur Kommunikation in Paris lohnt es sich eine französische SIM-Karte (und ggf. ein zweites Handy) anzuschaffen: Ich habe mich für den free-mobile 2 -Vertrag entschieden und konnte damit unbegrenzt sms auf französische Handys schreiben und 2 Stunden pro Monat telefonieren (inklusive Anrufe auf Festnetzanschlüssen in Deutschland und anderen europäsischen Ländern). Der Vertrag lässt sich übers Internet abschließen, die SIM-Karte wird nach wenigen Tagen zugeschickt und ist monatlich kündigbar. métro, bus, RER: Ein Semesterticket wie in Berlin gibt es in Paris nicht, aber man kann (nach Vorlage des Studentenausweises bzw. Immatrikulationsbescheinigung) eine carte imaginer (Dauerkarte für den öffentlichen Nahverkehr, Zonen frei wählbar) beantragen. Diese kostet z.b. für Zone 1-2 etwa 34 im Monat und gilt am Wochenende und in den Schulferien im gesamten Verkehrsnetz (Zone 1-5). Eigentlich handelt es sich um ein Jahres-Abo, dies kann allerdings vorzeitig gekündigt werden, wenn man nachweist, dass man die Ile de France verlässt. Ich habe hierfür einfach meinen contrat d'études beigefügt auf dem meine Aufenthaltsdauer in Paris vermerkt war und keine Probleme bei der Kündigung gehabt.
Freizeit Da sich die stages fast immer auf den Vormittag beschränken, bleibt nachmittags genügend Zeit um Paris zu erkunden und/oder Hobbies nachzugehen: Uni-Sport : Um sich beim SUAPS (service des sports de l'université Paris Descartes) anzumelden bedarf es neben eines obligatorischen Passbildes auch eines medizinischen Attestes (den Vordruck gibt es auf der Homepage, das Attest kann jeder beliebige Arzt ausstellen. An der Uni ist es nach Terminvereinbarung kostenlos beim médecin préventive möglich). Die Mitgliedschaft geht für ein Jahr und kostet 50 (egal ob ein oder mehrere Kurse belegt werden). Es stehen zahlreiche Sportarten zur Verfügung, in vielen Mannschaftssportarten besteht zusätzlich die Möglichkeit in der Uni-Liga zu spielen (compétition). Eine gute Möglichkeit um französische Studierende kennen zu lernen! Wer lieber Musik macht, findet verschiedene Uni-Chöre und -Orchester. Meistens sind sie für alle offen und nicht nur für die Studierenden der jeweiligen Hochschule. Es bestehen gute Zug- und Busverbindungen in alle Himmelsrichtungen also auf zu Wochenendtrips beispielsweise in die Normandie, ans Mittelmeer, an die Loire oder auch in die BeNeLux-Länder...! Gerade in der kalten (und nassen) Jahreszeit bietet es sich an die kulturellen Angebote von Paris zu nutzen: ob Museum, Theater, Oper oder einfach Kino es ist für alle etwas dabei! Die Schwierigkeit besteht manchmal einfach darin sich in dem riesengroßen Angebot einen Überblich zu verschaffen. In vielen Kinos gibt es Rabatt für Studierende, die staatlichen (und einige andere) Museum sind für unter 26-Jährige aus EU-Ländern kostenlos und an Theater- und Opernkassen gibt es oft sehr günstige Tickets an der Abendkasse, aber manchmal auch im Vorverkauf. Tipps: Beim Schlendern über den riesigen Flohmarkt Marché aux Puces (métro 4: Porte de Clignancourt) gibt es zwischen Antiquitäten und Krimskrams zahlreiche Kuriositäten zu entdecken! Im Finnigan's (métro 7/10: Jussieu) ist jeden Donnerstag Studentenabend es gibt günstiges Bier und man trifft unter den vielen (meist) Erasmusstudenten immer wieder bekannte Gesichter. Wer neben croissant, pain au chocolat und patisserie auf der Suche nach Torten und Cupcakes ist, wird im sugarplum (métro 10: Cardinal Lemoine) fündig. Sehr lecker!
Studium/Uni/stages Über das Studiensystem inklusive des externat in Frankreich findet ihr schon ausführliche Informationen in früheren Erfahrungsberichten, ich schreibe daher nur etwas zu meinen stages: Médecine interne, IMM (Dr. Gayraud) (6 Wochen) Gerade am Anfang war es gut in einem kleinen übersichtlichen Krankenhaus, dem Institut Mutualiste Montsouris, anzufangen. Auf der Station waren wir Studierenden auf die normale Station, Wochenstation und Tagesklinik aufgeteilt. Da es keine internes (Assistenzärzte) gab, haben wir auf der Station die Patienten aufgenommen, untersucht und waren fast täglich bei der oft langen, aber sehr interessanten Visite dabei. Es bestand auch die Möglichkeit mit in die Sprechstunde zu gehen. Etwa ein Mal pro Woche gab es Kurse (teilweise in Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen). Der Schwerpunkt lag auf rheumatischen Erkrankungen, Diabetes und Hämatologie/Onkologie, aber besonders auf der normalen Station war das Spektrum sehr breit gefächert. Im Nachhinein wäre ich hier gerne länger geblieben, da es natürlich am Anfang auch ein bisschen gedauert hat in die Sprache und das System im Krankenhaus (Abkürzungen, Krankenakten verstehen/schreiben usw) hineinzukommen und das stage insgesamt wirklich vielfältig war. Alles in allem habe ich es aber nicht bereut die normalerweise 3monatigen stages aufzuteilen. So musste man zwar immer mal wieder sich und sein "Erasmus-Sonderding" erklären, hatte aber die Chance doppelt so viele Fachbereiche zu sehen. Chirurgie viscérale, HEGP (Pr. Berger) (6 Wochen) Im OP bestand die Aufgabe der externes (Studierende im klinischen Abschnitt des Studiums) hauptsächlich darin Instrumente anzureichen, manchmal ein bisschen nähen zu dürfen und mit viel Glück etwas erklärt zu bekommen. Auf der Station ging es eigentlich nur darum Arztbriefe zu schreiben und vorher in der Morgenbesprechung zu sitzen. Visite gab es keine und auch sonst waren selten Ärzte in Sicht. Der Ton war oft unfreundlich, die Stimmung insgesamt eher schlecht. Ich war froh nur 6 Wochen zu bleiben und nicht 3 Monate wie die französischen Studierenden. Pédiatrie endocrinologie, Necker (Pr. Polak) (6 Wochen) Sehr gute Einbindung der externes und sehr nette Atmosphäre insgesamt. In der Tagesklinik haben wir die Kinder (und/oder ihre Eltern) erst allein befragt und untersucht, dann den internes vorgestellt und sind anschließend nochmal gemeinsam zu den kleinen Patienten gegangen. Auf der Station war der Ablauf ähnlich, hier zusätzlich noch Visite. Einmal wöchentlich stellten wir "unsere" Patienten im staff vor. Das Spektrum der Erkrankungen war eher klein (vor allem Diabetes, Wachstumsstörungen und verschiedene genetische Erkrankungen) und es gab viele Patienten mit seltenen Krankheiten, aber insgesamt fand ich es sehr interessant! 2-3 mal die Woche gab es die Möglichkeit morgens an Kursen teilzunehmen, bei denen es um allgemeine Themen der Pädiatrie ging, so dass man einen Überblick über das gesamte Fach bekommen konnte. Gynécologie/Obstétrique, St. Joseph (Dr. Sauvanet) (6 Wochen) Die Station besteht aus verschiedenen Bereichen: Kreißsaal, OP (umfasst neben Kaiserschnitten das gesamte Spektrum der Gynäkologie), Wöchnerinnenstation, pränatale Versorgung (Betreuung von Patientinnen mit Risikoschwangerschaften etc)
und gynäkologische Rettungsstelle. Die externes wechseln durch die verschiedenen Bereiche. Da ich erst in der zweiten Hälfte des Trimesters dazu kam (was anscheinend nicht bekannt war), hatten sie sich schon aufgeteilt, so dass es für mich teils etwas schwierig war einen sinnvollen Aufgabenbereich zu finden. Kurse gab es keine, dafür haben die internes und Hebammen viel erklärt, wenn man Interesse gezeigt hat. Aufgaben der Studierenden: im OP Haken halten, Anreichen von Instrumenten; auf der Station Anlegen von CTGs (Cardiotokogramme), Visite, staff (Frühbesprechung); in der Rettungsstelle Patientinnen aufnehmen/untersuchen (mit oder ohne interne). Anesthésie, IMM (Dr. Bourel) (2 Wochen nachmittags) Dieses stage habe ich mir selbst organisiert (einfach vorbeigegangen, mit dem zuständigen Anästhesisten gesprochen und zwei Tage später konnte ich anfangen). In den OPs herrschte überwiegend ein sehr nettes und entspanntes Klima. Auf Nachfrage habe ich viel erklärt bekommen; da ich immer erst (nach)mittags nach meinem anderen stage kommen konnte, liefen die (letzten) Operationen oft schon, daher waren die Möglichkeiten selbst etwas zu tun (bis auf ein paar Flexülen legen und etwas beatmen) eher begrenzt. Beim Blick über das Tuch ließ sich nebenbei einiges über Herz-, Lungen- oder urologische Chirurgie lernen. Urologie, IMM (Pr. Cathelineau) (1 Woche nachmittags) Auch hier gestaltete sich die Bewerbung unkompliziert; einfach bei der Sekretärin Mme. Lafitte anfragen. Das Ärzte-Team ist international, da es zahlreiche inner- und außereuropäische Kooperationen gibt, die Atmosphäre sehr nett und die Verständigung vielsprachig. Sie haben selten externes und freuen sich daher über Studierende. Während der Woche habe ich verschiedene Operationen und Untersuchungen gesehen besonders stolz waren alle auf den Roboter! Am Semesteranfang gab es einen von Studierenden der Fakultät organisierten Bücherflohmarkt, bei dem man recht aktuelle französische Fachbücher/Skripte für wenig Geld bekommen konnte.