Fachforum: Energiespeicher im Kontext der Energiewende IHK Akademie Mittelfranken, Nürnberg, 11. November 2015 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Matthias Luther
Übersicht Systemdienstleistungen und Regelleistung Speichertechnologien und Einsatzbereiche Kapazitätsbetrachtungen zum Speicherbedarf Simulation von Batteriespeichersystemen in elektrischen Verteilnetzen Zusammenfassung Quelle: htw Berlin Quelle: Schwab - 2 -
Systemdienstleistungen Als Systemdienstleistungen werden diejenigen für die Funktionstüchtigkeit des Systems erforderlichen Dienstleistungen bezeichnet, die die Netzbetreiber zusätzlich zur Übertragung und Verteilung elektrischer Energie erbringen um damit die Qualität der Stromversorgung sicherzustellen. Dies sind im Einzelnen: Frequenzhaltung ÜNB Spannungshaltung Versorgungswiederaufbau Betriebsführung ÜNB & VNB Systemdienstleistungen werden im Wesentlichen von den ÜNB erbracht und sind deshalb im Transmission Code ausführlich beschrieben. - 3 -
Regelleistung und zeitliche Bereitstellung f 50 Hz Frequenz 5 s 30 s 15 min 1 h P R 5 s 30 s 15 min 1 h ÜNB Primärregelung Sekundärregelung Minutenreserve Stundenreserve BKV Quelle: Schwab, Amprion... - 4 -
Diversifizierung der Regelleistung und Vorhaltung Beschleunigungs -leistung der Schwungmasse konventioneller Kraftwerke Anlaufzeitkonstante: 8-9 s Primärregelung rotierend vorgehalten: ± 3.000 MW (CE) ± 570 MW (DE) Sekundärregelung rotierend vorgehalten: ± 1.900-2.100 MW (DE) Tertiärregelung Minutenreserve und Intraday (nicht) rotierend vorgehalten: ± 2.400-2.800 MW (DE) Millisekunden Sekunden 15 Minuten Stunden Tertiärregelung Day-Ahead Planung Zeit - 5 -
Speichertechnologien und Einsatzbereiche Quelle: Fraunhofer ISE - 6 -
Klassifizierung von Speichern Kurzzeitspeicher (Sekunden bis Minuten) Hohe Zyklenzahl Hohes Leistungs-Energieverhältnis Volllast für weniger als 15 min Hoher Wirkungsgrad z.b. Batteriespeicher, Kondensatoren Mittelfristige Energiespeicher (Tagesspeicher) Langzeitspeicher (Wochen bis Monate) Ein bis zwei Zyklen pro Tag Ausgleich für Lastschwankungen innerhalb eines Tages Energiebereitstellung von einer bis zehn Stunden z.b. Batteriespeicher, Pumpspeicher Energiebereitstellung über viele Tage bis zu einem Monat Ausgleich langer Flauten oder saisonale Schwankungen Wenige Zyklen pro Jahr z.b. Kavernenspeicher (H 2, Methan, etc.) Quelle: Sterner, Stadler - modifiziert - 7 -
Lastverlauf und Pumpspeicherkapazität in Deutschland 85 GW Last in GW JAN FEB MÄR Kapazität aller Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland APR MAI JUN JUL Jahreshöchstlast: 85 GW Pumpspeicherleistung: 7 GW Jahresverbrauch: 536 TWh Speicherkapazität: 0,037 TWh AUG SEP OKT NOV DEZ Quelle: NEP, Amprion (modifiziert) - 8 -
Kapazitätsbetrachtungen zu Energiespeichern Fiktive Betrachtung zum volatilen Speicherbedarf: 50 GW für 2 Wochen = 16,8 TWh Vorhandene Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland: 7 GW mit einer Gesamtkapazität von 0,04 TWh 2 Millionen Elektroautos mit 20 kwh = 0,04 TWh Kapazität des deutsches Erdgasnetzes: ca. 220 TWh (thermisch) entspricht ca. 88 TWh elektrisch nutzbarer Energie** Fazit: Lösung für Langzeitspeicher: Power-to-Gas (Nachteil: Wirkungsgrad ca. 60%, zusätzliche Verluste für die Rückverstromung) ** ohne Nutzung der bei der Umwandlung von Gas in elektrische Energie anfallenden Abwärme - 9 -
Batteriespeichersysteme (BSS) Aufbau und Komponenten: Batteriemodule Betriebsmanagementsystem Bidirektionaler AC/DC-Umrichter und Filter Quelle: Caterva - 10 -
Verteilte Batteriespeichersysteme als dezentrales Speicherkraftwerk (Projekt SWARM ) Netz* Nutzung PV PV Batterie Nutzung Nutzung Industrie Pumpspeicherkraftwerk Regeneratives Kraftwerk Konventionelles Kraftwerk *repräsentiert die MS-und NS-Ebene PV PV PV Batterie Nutzung Batterie Nutzung Batterie Nutzung Dezentrales Speicherkraftwerk SWARM Leitstelle Quelle: Siemens AG (modifiziert) - 11 -
Struktur eines Testnetzes Modellierung von typischen Lastprofilen für Haushalte, Gewerbe und Industrie im Mittel- und Niederspannungsnetz L4 PV4 SP4 MS MS4 Ersatznetz HS/MS 500 m 200 m L1 PV1 SP1 MS1 300 m L2 PV2 800 m MS2 SP2 4 km MS3 L3 PV3 SP3 L5 300 m 150 m MS/NS HH1.1 HH1 SP NS1 PV NS1 NS1 400 m MS5 PV5 SP5 MS/NS 400 m 200 m HH2.1 HH2 PV NS2 SP NS2 NS2-12 -
Auswirkungen auf das Spannungsprofil im MS-Netz Variante 1 Variante 2 Variante 3 Variante 4 Last Last + PV Last + PV (Q) Last + PV (Q) + BSS Beispiel: Spannungsprofil bei der maximalen PV-Einspeisung im Sommer (Sonntag, 12:15 Uhr) MS_5 MS_4 MS_3 MS_2 MS_1 MS Variante 1: Last Variante 2: Last + PV Variante 3: Last + PV(Q) Variante 4: Last + PV + BSS -2-1,5-1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 ΔU in % - 13 -
Leistungsprofile ohne BSS Sommerwoche ohne BSS Energiebilanz in kwh Einspeisung PV Einspeisung/ Bezug Netz Eigennutzung 165,3 113,6 / 47,9 Bedarf 99,5 51,7 kwh (31,3 %) - 14 -
Leistungsprofile mit BSS und Ladezustand des Speichers Sommerwoche mit BSS Energiebilanz in kwh Einspeisung PV Einspeisung/ Bezug Netz Eigennutzung 165,3 80,5 / 13,9 Bedarf 99,5 Ladung/ Bezug BSS 29,7 / 34,0 84,7 kwh (51,3 %) + 20 % Eigennutzung mit BSS - 15 -
Beitrag zur Frequenzhaltung durch BSS Netzmodell ohne BSS Netzmodell mit BSS - 16 -
Zusammenfassung Die Sicherstellung von Systemdienstleistungen ist Kernaufgabe der Übertragungsnetzbetreiber. Die weitere Integration volatiler und ortsgebundener regenerativer Energiequellen erfordert mehr denn je eine ganzheitliche Systembetrachtung. Batteriespeichersysteme (z.b. Li-Ionen BSS) dienen vorrangig als Kurzeit- oder Tagesspeicher in Verteilnetzen mit hoher Photovoltaikeinspeisung. Simulationen in Testnetzen mit verteilten Speichern belegen eine Verbesserung des Spannungsprofils im Mittelspannungsnetz, eine signifikante Erhöhung der Eigennutzung von Photovoltaikstrom für Haushalte bei gleichzeitiger Reduzierung des Strombezugs aus dem Netz, eine Begrenzung der Netzeinspeiseleistung durch Spitzenkappung, den Beitrag von BSS zur Leistungs-Frequenzregelung durch die dezentrale Bereitstellung von Primärregelleistung. - 17 -