The University of Oxford Faculty of Medieval and Modern Languages MT 2015. Undergraduate Lectures: Lessing and the German Enlightenment/4



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Transkript:

The University of Oxford Faculty of Medieval and Modern Languages MT 2015 Undergraduate Lectures: Lessing and the German Enlightenment/4 Dr Laura Anna Macor laura.macor@mod-langs.ox.ac.uk 1. «EMILIA [ ] Ehedem wohl gab es einen Vater, der seine Tochter von der Schande zu retten, ihr den ersten den besten Stahl in das Herz senkte ihr zum zweiten das Leben gab. Aber alle solche Taten sind von ehedem! Solche Väter giebt es keinen mehr! ODOARDO Doch, meine Tochter, doch! indem er sie durchsticht: Gott, was hab ich getan! sie will sinken, und er faßt sie in seine Arme EMILIA Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert. Lassen Sie mich sie küssen, diese väterliche Hand» (G. E. Lessing, Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen (1772), in G. E. Lessing, Werke 1770 1773, hrsg. v. K. Bohnen, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2000 [G. E. Lessing, Werke und Briefe in zwölf Bänden, Bd. 7], 370). 2. «Unterdes würde mein junger Tragikus fertig, von dem ich mir, nach meiner Eitelkeit, viel Gutes verspreche. Sein jetziges Sujet ist eine bürgerliche Virginia, der er den Titel Emilia Galotti gegeben. Er hat nemlich die Geschichte der römischen Virginia von allem dem abgesondert, was sie für den ganzen Staat interessant machte; er hat geglaubt, daß das Schicksal einer Tochter, die von ihrem Vater umgebracht wird, dem ihre Tugend werter ist, als ihr Leben, für sich schon tragisch genug, und fähig genug sei, die ganze Seele zu erschüttern, wenn auch gleich kein Umsturz der ganzen Staatsverfassung daraus folgte» (Lessing an Nicolai, 21.1.1758, in G. E. Lessing, Briefe von und an Lessing 1743 1770, hrsg. v. H. Kiesel, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 1987 [G. E. Lessing, Werke und Briefe in zwölf Bänden, Bd. 11/1], 267). 3. «DER PRINZ Wer sich den Eindrücken, die Unschuld und Schönheit auf ihn machen, ohne weitere Rücksicht, so ganz überlassen darf; ich dächte, der wäre eher zu beneiden, als zu belachen. Und wie heißt denn die Glückliche? Denn bei alle dem ist Appiani ein sehr würdiger junger Mann, ein schöner Mann, ein reicher Mann, ein Mann voller Ehre. Ich hätte sehr gewünscht, ihn mir verbinden zu können. Ich werde noch darauf denken. MARINELLI Wenn es nicht zu spät ist. Denn so viel ich höre, ist sein Plan gar nicht, bei Hofe sein Glück zu machen DER PRINZ Aber so nennen Sie mir sie doch, der er dieses so große Opfer bringt. MARINELLI Es ist eine gewisse Emilia Galotti. DER PRINZ Wie, Marinelli? Eine gewisse» (G. E. Lessing, Emilia Galotti, 302). 4. «EMILIA Mir, mein Vater, mir geben Sie diesen Dolch. ODOARDO Kind, es ist keine Haarnadel. EMILIA So werde die Haarnadel zum Dolche!» (G. E. Lessing, Emilia Galotti, 369). 1

5. «ORSINA [ ] der Prinz ist ein Mörder! Des Grafen Appiani Mörder! Den haben nicht Räuber, den haben Helfershelfer des Prinzen, den hat der Prinz umgebracht! MARINELLI Gräfin, Sie würden sich um den Hals reden ORSINA Wenn ich das mehrern sagte? Desto besser, desto besser! Morgen will ich es auf dem Markte ausrufen. Und wer mir widerspricht wer mir widerspricht, der war des Mörders Spießgeselle. Leben Sie wohl» (G. E. Lessing, Emilia Galotti, 351). 6. «DER PRINZ nach einer kurzen Betrachtung: Vortrefflich, Conti; ganz vortrefflich! Das gilt Ihrer Kunst, Ihrem Pinsel. Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt! CONTI Das Original schien dieser Meinung nicht zu sein. DER PRINZ Und was sagte das Original? CONTI Ich bin zufrieden, sagte die Gräfin, wenn ich nicht häßlicher aussehe. DER PRINZ Nicht häßlicher? O das wahre Original! CONTI Und mit einer Miene sagte sie das, von der freilich dieses ihr Bild keine Spur, keinen Verdacht zeiget. DER PRINZ Das meint ich ja; das ist eben, worin ich die unendliche Schmeichelei finde. O! ich kenne sie, jene stolze höhnische Miene, die auch das Gesicht einer Grazie entstellen würde! Ich leugne nicht, daß ein schöner Mund, der sich ein wenig spöttisch verziehet, nicht selten um so viel schöner ist. Aber, wohl gemerkt, ein wenig: die Verziehung muß nicht bis zur Grimasse gehen, wie bei dieser Gräfin» (G. E. Lessing, Emilia Galotti, 295 296). 7. «SALADIN Da du nun So weise bist; so sage mir doch einmal Was für ein Glaube, was für ein Gesetz Hat Dir am meisten eingeleuchtet? NATHAN Sultan, Ich bin ein Jud. SALADIN Und ich ein Muselmann. Der Christ ist zwischen uns. Von diesen drei Religionen kann doch eine nur Die wahre sein. NATHAN er will Wahrheit. Wahrheit! Und will sie so, so bar, so blank, als ob Die Wahrheit Münze wäre! Vor grauen Jahren lebt ein Mann im Osten, Der einen Ring von unschätzbarem Wert Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein Opal, der hundert schöne Farben spielte, Und hatte die geheime Kraft, vor Gott Und Menschen angenehm zu machen, wer In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder, Daß ihn der Mann im Osten darum nie Vom Finger ließ; und die Verfügung traf, Auf ewig ihn bei seinem Hause zu Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring Von seinen Söhnen dem Geliebtesten; Und setzte fest, daß dieser wiederum 2

Den Ring von seinen Söhnen dem vermache, Der ihm der liebste sei; und stets der Liebste, Ohn Ansehen der Geburt, in Kraft allein Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn, Auf einen Vater endlich von drei Söhnen; Die alle drei ihm gleich gehorsam waren, Die alle drei er folglich gleich zu lieben Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald Der dritte, so wie jeder sich mit ihm Allein befand, und sein ergießend Herz Die andern zwei nicht teilten, würdiger Des Ringes; den er denn auch einem jeden Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. Das ging nun so, so lang es ging. Allein Es kam zum Sterben, und der gute Vater Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort Verlassen, so zu kränken. Was zu tun? Er sendet in geheim zu einem Künstler, Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes, Zwei andere bestellt, und weder Kosten Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, Kann selbst der Vater seinen Musterring Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft Er seine Söhne, jeden ins besondre; Giebt jedem ins besondre seinen Segen, Und seinen Ring, und stirbt. Kaum der Vater war tot, so kömmt ein jeder Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, Man klagt. Umsonst; der echte Ring war nicht Erweislich; nach einer Pause, in welcher er des Sultans Antwort erwartet: Fast so unerweislich, als Uns itzt der rechte Glaube. SALADIN Ich dächte, daß die Religionen, die ich dir Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären. Bis auf die Kleidung, bis auf Speis und Trank! NATHAN Und nur von Seiten ihrer Gründe nicht. Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte? Geschrieben oder Überliefert! Und Geschichte muß doch wohl allein auf Treu Und Glauben angenommen werden? Nicht? 3

Nun wessen Treu und Glauben zieht man denn Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? Doch deren Blut wir sind? doch deren, die Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo Getäuscht zu werden uns heilsamer war? Wie kann ich meinen Vätern weniger, Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. Kann ich von dir verlangen, daß du deine Vorfahren Lügen strafst, um meinen nicht Zu widersprechen? Oder umgekehrt. Das nemliche gilt von den Christen. Nicht? Laß auf unsre Ring, Uns wider kommen. Wie gesagt: die Söhne Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter, Unmittelbar aus seines Vaters Hand Den Ring zu haben. Wie auch wahr! Nachdem Er von ihm lange das Versprechen schon Gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu Genießen. Wie nicht minder wahr! Der Richter sprach: Ich höre ja, der rechte Ring Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; Vor Gott und Menschen angenehm. Das muß Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden Doch das nicht können! Mein Rat ist aber der; ihr nehmt Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten. Möglich; daß der Vater nun Die Tyrannei des einen Ringes nicht länger In seinem Hause dulden wollen! Und gewiß; Daß er euch alle drei geliebt, und gleich Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, Um einen zu begünstigen. Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen Von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag Zu legen!» (G. E. Lessing, Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht, in fünf Aufzügen, in G. E. Lessing, Werke 1778 1780, hrsg. v. K. Bohnen u. A. Schilson, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main, 1993 [G. E. Lessing, Werke und Briefe in zwölf Bänden, Bd. 9], 553 559). 8. «. 1. Was die Erziehung bei dem einzeln Menschen ist, ist die Offenbarung bei dem ganzen Menschengeschlechte. 4

. 2. Erziehung ist Offenbarung, die dem einzeln Menschen geschieht: und Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlechte geschehen ist, und noch geschieht» (G. E. Lessing, Die Erziehung des Menschengeschlechts (1777, 1780), in G. E. Lessing, Werke 1778 1781, hrsg. v. A. Schilson u. A. Schmitt, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2001 [G. E. Lessing, Werke und Briefe in zwölf Bänden, Bd. 10], 75). 9. «16. Ein Volk aber, das so roh, so ungeschickt zu abgezognen Gedanken war, noch so völlig in seiner Kindheit war, was war es für einer moralischen Erziehung fähig? Keiner andern, als die dem Alter der Kindheit entspricht. Die Erziehung durch unmittelbare sinnliche Strafen und Belohnungen» (G. E. Lessing, Die Erziehung des Menschengeschlechts, 78). 10. «. 51. Aber jedes Elementarbuch ist nur für ein gewisses Alter. Das ihm erwachsene Kind länger, als die Meinung gewesen, dabei zu verweilen ist schädlich.. 53. Ein beßrer Pädagog muß kommen, und dem Kinde das erschöpfte Elementarbuch aus den Händen reißen. Christus kam.. 55. Das ist: dieser Teil des Menschengeschlechts war in der Ausübung seiner Vernunft so weit gekommen, daß er zu seinen moralischen Handlungen edlere, würdigere Bewegungsgründe bedurfte und brauchen konnte, als zeitliche Belohnung und Strafe waren, die ihn bisher geleitet hatten. Das Kind wird Knabe.. 58. Und so ward Christus der erste zuverlässige, praktische Lehrer der Unsterblichkeit der Seele» (G. E. Lessing, Die Erziehung des Menschengeschlechts, 88 89). 11. «. 81. Oder soll das menschliche Geschlecht auf diese höchste Stufen der Aufklärung und Reinigkeit nie kommen? Nie?. 82. Nie? Laß mich diese Lästerung nicht denken, Allgütiger! Die Erziehung hat ihr Ziel; bei dem Geschlechte nicht weniger als bei dem Einzeln. Was erzogen wird, wird zu Etwas erzogen.. 83. Die schmeichelnden Aussichten, die man dem Jünglinge eröffnet; die Ehre, der Wohlstand, die man ihm vorspiegelt: was sind sie mehr, als Mittel, ihn zum Manne zu erziehen, der auch dann, wenn diese Aussichten der Ehre und des Wohlstandes wegfallen, seine Pflicht zu tun vermögend sei.. 85. Nein; sie wird kommen, sie wird gewiß kommen, die Zeit der Vollendung. Da der Mensch, je überzeugter sein Verstand einer immer bessern Zukunft sich fühlet, von dieser Zukunft gleichwohl Bewegungsgründe zu seinen Handlungen zu erborgen, nicht nötig haben wird; da er das Gute tun 5

wird, weil es das Gute ist, nicht weil willkürliche Belohnungen darauf gesetzt sind.. 86. Sie wird gewiß kommen, die Zeit eines neuen ewigen Evangeliums, die uns selbst in den Elementarbüchern des Neuen Bundes versprochen wird» (G. E. Lessing, Die Erziehung des Menschengeschlechts, 96). 6