Die Wasseramsel Cinclus cinclus ist seltener Wintergast an linksrheinischen Fließgewässern des Unteren Niederrheins

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Transkript:

F. Püchel-Wieling et al.: Charadrius Brutbestände 48, Heft von 1, Wiesenlimikolen 2012: 23-28 2001-2003 in NRW 23 Die Wasseramsel Cinclus cinclus ist seltener Wintergast an linksrheinischen Fließgewässern des Unteren Niederrheins Helmut P. Klein Zusammenfassung Anhand der Brut- und Winterverbreitung der Wasseramsel sowie deren Zugverhalten wird versucht, die Herkunft der am linken Unteren Niederrhein auftretenden Wintergäste zu klären. Die steigende Zahl der Nachweise seit dem Ende des 20. Jahrhunderts hinkt jedoch der enorm angestiegenen Beobachtungsintensität hinterher. Eine reale Zunahme der Wasseramsel am linken Unteren Niederrhein scheint daher nicht eingetreten zu sein. Die Wasseramsel ist für das Beobachtungsgebiet nach wie vor als seltener Wintergast zu betrachten. Summary Dipper Cinclus cinclus is a rare winter visitor at streams of the western side of the Lower Rhine In the view of the Dipper s breeding and winter range as well as its migration pattems, we attempt to clariy where individuals wintering on the western side of the Lower Rhine originate from. The rising numbers of sightings since the end of the 20th century reflect the enormously intensified observation of birds in general rather than increasing numbers of Dippers in the region. The Dipper remains a rare winter visitor throughout the area. Helmut P. Klein, Florastraße 29, D-41334 Nettetal Manuskripteingang: 20.7.2011 Einleitung Nur spärliche Angaben finden sich in der älteren Literatur über die Wasseramsel für den Bereich des linken Unteren Niederrheins. Neuere Beobachtungen um die Jahrtausendwende führten zur Diskussion über den derzeitigen Status der Wasseramsel. Können die verbesserte Wasserqualität und der begonnene und noch beabsichtigte Fließgewässerausbau möglicherweise dazu führen, dass die Wasseramsel der Gebirgsstelze (Motacilla cinerea) ins niederrheinische Flachland folgt? Brutverbreitung In Mittel- und Nordeuropa brütet die Wasseramsel in zwei deutlich voneinander getrennten Arealen. In Nordeuropa brütet sie in Fennoskandien und im Baltikum. Ein Teil der Population verlässt vor allem in kalten Wintern die Brutplätze und zieht in mildere Regionen. In Mitteleuropa bewohnt sie die Mittelgebirgs- und Bergregionen, hier ist sie meist auch Jahresvogel. Das Norddeutsche Tiefland und die Niederlande sind nicht besiedelt (Bauer et al. 2005). Im linksrheinischen Rheinland brütet die Wasseramsel an den Mittelgebirgsbächen der Eifel oberhalb 150 m ü. NN. Bruten im Tiefland sind selten und beschränken sich in der Regel auf die unmittelbare Nähe zu den Mittelgebirgen (Wink et al. 2005). Derzeit gelten alle von der Wasseramsel besiedelbaren Mittelgebirgsgewässer als besetzt (Bauer et al. 2005). Dies und die verbesserte Wasserqualität werden für eine Tendenz zur vermehrten Besiedlung der Unterläufe in den niederen Lagen genannt (Wink et al. 2005). Wanderungen und Überwinterungen Nur ein kleiner Teil der nordeuropäischen Wasseramsel-Population verlässt vor allem in kalten Wintern Skandinavien. Diese Zugvögel ziehen in Richtung Süd-Südost und erreichen Dänemark, das Baltikum und den äußersten Norden Deutschlands und Polens. Nach Südwest und West ziehen skandinavische Brutvögel nur ausnahmsweise, wie die wenigen britischen und niederländischen Nachweise belegen (Zink 1981, Glutz von Blotzheim & Bauer 1985).

24 Charadrius 41, 48, Heft 4, 1, 2005 2012 Das regelmäßig aufgesuchte Überwinterungsgebiet liegt in küstennahen Bereichen der Ost- und Nordsee. Dieses von einer kleinen Zahl Wasseramseln aufgesuchte Überwinterungsgebiet erstreckt sich in einer bandförmigen Zone vom Baltikum über das polnische und Norddeutsche Tiefland bis in das niederländische Rheindelta. Südlich dieser Zone, vor allem südwestlich von Rhein und Maas, werden nordeuropäische Wasseramseln so gut wie nicht angetroffen (Zink 1981, Mönig 2003). Offensichtlich infolge der vermehrt auftretenden milden Winter ist die Zahl der skandinavischen Wintergäste in Mitteleuropa zuletzt rückläufig (Mönig 2003, Zang 2003). Die standorttreuen, rheinischen Wasseramseln verlassen ihre Brutreviere in den Mittelgebirgen nur in kalten Wintern. Hierbei handelt es sich jedoch nur um lokale Ausweichbewegungen in tiefere Lagen. Nur selten wird dabei die 50 km-entfernung überschritten (Zink 1981). Nach Wink et al. ist die Winterverbreitung rheinischer Wasseramseln nahezu identisch mit der der Brutverbreitung. Da offensichtlich nordeuropäische Wasseramseln nur einen küstennahen Bereich im Winter aufsuchen und rheinische Wasseramseln in aller Regel ihren Brutplätzen im Winter treu bleiben, kann die Niederrheinische Bucht als mehr oder weniger wasseramselfreier Bereich betrachtet werden. So nennt Mildenberger (1984) auch nur drei Nachweise für diesen Raum. Untersuchungsraum und Datengrundlage Betrachtet wird hier der linksrheinische Teil des Unteren Niederrheins, ausgehend von den Städten Mönchengladbach, Krefeld und Duisburg über den Kreis Viersen bis hin zu den Kreisen Wesel und Kleve. Herangezogen wurden alle publizierten Wasseramsel-Beobachtungen aus der rheinischen Literatur sowie alle Meldungen an die Zentralkartei der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen (GRO) aus dem Untersuchungsgebiet. Ausgewertet wurden darüber hinaus die Daten der OAG Kreis Viersen und der Internet-Seite Vogelmeldung.de. Eine Befragung ortsansässiger Ornithologen nach weiteren Beobachtungen blieb weitgehend ohne Ergebnis. Ergebnisse Brutvorkommen Der bisher nördlichste, jedoch isolierte Brutplatz der Wasseramsel im linksrheinischen Rheinland wurde vom Oberlauf der Niers bekannt. 1995 brütete ein Paar am Schlosspark Wickrath in Mönchengladbach, auch 1996 bis 1998 gelangen dort Brutzeit- Beobachtungen (Heinen et al. 1997, Kirfel u.a. in Hurtmann 2005). Offensichtlich infolge verbesserter Wasserqualität der oberen Niers (Einleitung von Sümpfungswasser) und einem meist mit Kieselsteinen bedeckten Untergrund sowie einer geringen Wassertiefe (nur 10-25 cm) findet die Wasseramsel ihrem angestammten Brutgebiet vergleichbare Lebensraumbedingungen vor. Seit 1999 blieben Brutzeit-Beobachtungen von der Niers in Mönchengladbach und darüber hinaus jedoch aus (Hurtmann mdl.). Ebenfalls in den 1990er Jahren wurden einzelne Bruten aus der niederländischen Provinz Limburg bekannt. Die Brutansiedlung beschränkte sich jedoch auf den äußersten Süden der Provinz nahe den deutschen Brutplätzen in der Eifel (Hustings et al. 2006). Wintervorkommen Aus dem Rheinland wurde nur ein Nachweis der Nominatform aus Geldern überliefert (le Roi 1906). Neubaur (1957) bezweifelt die Richtigkeit der Unterartenangabe (schwarzbäuchige Weibchen kommen auch bei der mitteleuropäischen Unterart vor). Bei einem Vogel aus Kranenburg (2007) könnte es sich möglicherweise um den Erstnachweis einer skandinavischen Wasseramsel im Rheinland gehandelt haben (vgl. Lensink 1993), da die Mehrzahl der Wasseramseln im niederländischen Gelderland dieser Population zugeschrieben wird. Nach dem Erstnachweis von 1887 (le Roi 1906) wurde die Wasseramsel am linken Unteren Niederrhein noch 19 Mal beobachtet (Tab. 1, Abb. 1). Mildenberger (1984) nennt bis 1970 drei Nachweise (Nachweise 2-4). Zwischen 1978 und 2000 wurden weitere sechs Nachweise gemeldet. Seit 2001 konnte die Wasseramsel am linken Unteren Niederrhein fünf Mal festgestellt werden. Darüber hinaus hielt sich die Wasseramsel in 1995 (Brutjahr), 1996 und 1998 (Brutzeit), 1997 sowie in 1999-2001 an insgesamt 15 Tagen im Herbst und Winter an der Niers in Mönchengladbach auf (Hurtmann 2005). Jahresrhythmus Wasseramseln treten am linken Unteren Niederrhein überwiegend in den Wintermonaten November bis Februar auf (Abb. 2). Bei den jüngsten Beobachtungen von Anfang April handelt es sich offensichtlich um nicht verpaarte, herumvagabundierende

F. Püchel-Wieling H.P. Klein: Wasseramsel et al.: Brutbestände ist seltener von Gast Wiesenlimikolen am linken Unteren 2001-2003 Niederrhein in NRW 25 4 Zahl der Nachweise - No. of records 3 2 1 0 1880/90 1891/00 1901/10 1911/20 1921/30 1931/40 1941/50 1951/60 1961/70 1971/80 1981/90 1991/00 2001/10 2011 Dekade des Vorkommens - 10-year period Abb. 1: Nachweise der Wasseramsel am linken Unteren Niederrhein 1887-2011 (n=15 ohne Brutplatzbeobachtungen). Records of Dipper at the western side of the Lower Rhine 1887-2011 (n=15 without breeding site records). Männchen (vgl. Glutz von Blotzheim & Bauer 1985). Die Wasseramsel von Mitte Juni war verletzt und in einer schlechten körperlichen Verfassung (Pleines, Schwirk mdl.) und ist nur schwer einzuordnen. Diskussion Herkunft der Wintergäste Die am linken Unteren Niederrhein angetroffenen Wasseramseln sind wohl ausschließlich Winterflüchter aus den Rheinischen Mittelgebirgen oder Ostbelgien. Bei den Wintergästen (abseits vom Rhein) handelt es sich vermutlich nicht um Vögel aus dem Bergischen Land, wie Hubatsch (1996) skizziert. Eine Überquerung des Rheinstroms (mildester Winterort in Deutschland) scheint für fließgewässergebundene Winterflüchter wenig wahrscheinlich. Hingegen erreichen Brutvögel aus der Eifel bzw. Ostbelgien durch eine Nordwanderung entlang der Flüsse Maas, Rur und Niers den durch ein deutlich milderes Winterklima gekennzeichneten linken Unteren Niederrhein. Die Mehrzahl der Beobachtungen stammt von den Gewässern Schwalm, Nette und Niers. Nördlich des Kreises Viersen wurden nur wenige (keine) mitteleuropäischen Vögel nachgewiesen. Bei dem Nachweis aus Duis- Zahl der Nachweise - No. of records 4 3 2 1 0 Jan. Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Monat - Month Abb. 2: Phänologie der Wasseramsel am linken Unteren Niederrhein 1925-2011 (n=14 ohne Brutplatzbeobachtungen). Phenology of Dipper at the western side of the Lower Rhine 1925-2011 (n=14 without breeding site records). burg-rheinhausen (1986) könnte es sich um eine Wasseramsel aus dem Bergischen Land gehandelt haben. Häufigkeit des Vorkommens Obwohl die linksrheinischen Tieflandflüsse den Biotopansprüchen (siehe Mildenberger 1984) der Wasseramsel kaum genügten (keine schnell fließenden Abschnitte u.v.m.), werden mehr oder weniger regelmäßig Winter-

26 Charadrius 41, Heft 4, 2005 Charadrius 48, Heft 1, 2012 Tab. 1: Nachweise der Wasseramsel am linken Unteren Niederrhein. Brutzeitbeobachtungen sind grau unterlegt. Records of Dipper at the western side of the Lower Rhine. Breeding season records are shaded grey. Zeitraum Time Anzahl Ort No. Location Quelle Source Vor 1887 1 Geldern, KLE Hartert in le Roi (1906) Winter 1916/17 1 Schwalm im Laarer Bruch, Niederkrüchten, VIE; Derix in Knorr (1967) erlegt, Kältewinter 10.12.1925 1) 17.12.1925 1) 20.12.1925 1) 1 Knorr (1926) schreibt in seiner Abhandlung über das Schwalmtal denn auch: Als seltener Wintergast zeigte sich einige Male der Wasserstar. Offen- 27.12.1968-20.3.1969 Schwalm bei Oebel, Brüggen, VIE Schwalm bei Oebel, Brüggen, VIE Schwalm unterhalb Dilborn, Brüggen, VIE Knorr (1926) Neubaur (1957) zitiert Ferber in Knorr (1926) Ferber in Knorr (1967) 1 Niers bei Mönchengladbach-Wickrath, Bettman in Wille (1971); Bresser & Schütte in Heinen et al. (1983) 22.-25.2.1978 1 Niers bei Mönchengladbach-Wickrath, Heinen in Heinen et al. (1983) Januar 1979 1 Schwalm bei den Diergardtschen Fischteichen, Brüggen, VIE, Kältewinter Nissen fide Schwirk in Hubatsch (1996); Schwirk mdl. 24.-25.2.1986 1 Rheinhauser Wardt bei Rheinkilometer 777, DU Pollmann in Engländer et al. (1987) 28.1.1989 1 Niers in Höhe Wetschewell, Mönchengladbach, Burghardt in Hurtmann 13.6.1994 1 Nette-Zufluss in den Breyeller See, Nettetal, Schwirk & Pleines in Hubatsch (1996) VIE 2), einbeinig 9.4.-26.5.1995 3 Niers am Schlosspark Wickrath, Mönchengladbach, ; 1 ad. füttert 2 juv. Kirfel u.a. in Hurtmann April bis Juli 1996 14.11. und 26.11.1997 Herbst und Winter 1997 1 Niers nahe Schloss Rheydt, Mönchengladbach, April bis Juli 1998 Herbst und Winter 1999 5.11.1999 1 Nette-Abschlag in die Pietjeskuhlen, Nettetal, VIE Herbst und Winter 2000 6.-8.2.2001 3) 1 Niers: Renaturierter Abschnitt SW Nierssee, Willich, VIE Herbst 2001 bis 23.12. Hurtmann, Seidel, Stiels u.a. in Hurtmann Bytzek & Schmitz in Hurtmann Brenner, Lauscher, Maas u.a. in Hurtmann Hurtmann, Seidel, Stiels u.a. in Hurtmann Brenner, Lauscher, Maas u.a. in Hurtmann Neikes in OAG Kreis Viersen (1999) Brenner, Lauscher, Maas u.a. in Hurtmann Weuthen fide Reyrink in OAG Kreis Viersen (2001) Brenner, Lauscher, Maas, Ohlig u.a. in Hurtmann 14.1.2007 1 Kranenburger Bach im Ort Kranenburg, KLE Nuijten, Cerff & Klöckner fide Möller briefl. 15.9.2008 1 Niers bei Mönchengladbach-Wickrath, Wartenberg in Team Sammelbericht NRW (2009) 1.4.2009 1 Nette-Zufluss in den De Wittsee, Nettetal, VIE Croonen mdl. 8.4.2011 1 Nette-Ausfluss Breyeller See, Nettetal, VIE Kalter Winter Klein, Heines, D. Hubatsch, K. Hubatsch, Kolshorn & Thier 1) Wann genau Ferber im Dezember 1925 die Wasseramsel unterhalb Dilborn (= bei Oebel) beobachtete, muss offenbleiben. 2) Die in Hubatsch (1996) genannte Altersbestimmung diesjährig wurde von den Beobachtern zurückgenommen. 3) Bei OAG Kreis Viersen (2001) wurde fälschlicherweise das Datum mit 6.-8.3.2001 genannt. flüchter in den oft kalten Wintern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den südlichen Teil des linken Unteren Niederrheins aufgesucht haben.

F. Püchel-Wieling H.P. Klein: Wasseramsel et al.: Brutbestände ist seltener von Gast Wiesenlimikolen am linken Unteren 2001-2003 Niederrhein in NRW 27 sichtlich gab es bis 1926 also auch mehr als nur die zwei in Knorr (1967) festgehaltenen Wasseramsel- Beobachtungen. Neubaur (1927) kannte zwar für die Nette keine Nachweise, was aber wohl auf die geringe Beobachtungsintensität jener Zeit zurückgeführt werden kann. Auch die fehlenden Sitzund Jagdplätze für die Wasseramsel verringerten sicherlich die Beobachtungswahrscheinlichkeit an unseren langsam dahin fließenden Tieflandflüssen. Dass Mildenberger (1984) für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nur eine Wasseramsel-Beobachtung vom linken Unteren Niederrhein kennt, mag dem starken Bestandsrückgang der Eifelpopulation seit den 1950er Jahren als Folge von Bachverbauung und Bachverschmutzung geschuldet sein. Erst mit dem Wiederanstieg der Eifeler Brutbestände in den 1980er Jahren sollte auch am linken Unteren Niederrhein die Wasseramsel wieder regelmäßiger auftreten. Dem steht jedoch die geringere Winterflucht-Notwendigkeit aufgrund der zahlreichen milden Winter der zurückliegenden drei Jahrzehnte entgegen. Dass die Wasseramsel seit Mitte der 1990er Jahre trotzdem häufiger nachgewiesen wurde, mag folgenden Gründen zu verdanken sein: Die Qualität von Niers- und Schwalmwasser hat sich vor allem in den Oberläufen deutlich gesteigert (unter anderem durch Einleitung von Sümpfungswasser). Auch die Habitatstruktur der Flüsse hat sich für die Wasseramsel durch den Einbau von Schnellen deutlich verbessert. Der Hauptgrund der gestiegenen Zahl der Nachweise liegt aber zweifellos in der enorm gewachsenen Beobachtertätigkeit (Abb. 3). Heute werden die geeigneten Flussabschnitte ganz gezielt nach Gebirgsstelzen und auch Wasseramseln abgesucht. Da die höchste Beobachtungsintensität im Kreis Viersen im Gebiet der Nette zu finden ist (Wohnsitz vieler Vogelbeobachter, Kartiergebiet der Biologischen Station Krickenbecker Seen), ist die Häufung der Beobachtungen an der Nette nicht verwunderlich. Auch im benachbarten niederländischen Limburg wird der Anstieg der Wasseramsel- Nachweise seit Ende des 20. Jahrhunderts mit einer gestiegenen Beobachtungsintensität in Verbindung gebracht (Hustings et al. 2006). Die Wasseramsel kann für das 20. Jahrhundert als seltener Wintergast für den linken Unteren Niederrhein betrachtet werden, die infolge der ungünstigen Biotopverhältnisse und der schlechten Beobachtungsmöglichkeiten wohl nicht selten übersehen wurde. Zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fehlte sie offensichtlich weitgehend, bedingt durch den Bestandsrückgang der Brutvögel in den Mittelgebirgen. Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Wasseramsel als seltener Wintergast zu betrachten. Die Mehrung der Nachweise ist der gestiegenen Beobachtungsintensität zu verdanken und sollte demnach noch deutlich höher ausgefallen 4.000 Beobachtungstage - Days of observations 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Jahr - Year Abb. 3: Beobachtungstage (Tagesliste * Anzahl Gebiete) im Kreis Viersen 1960-2010 (n = 43.392; Diagramm erstellt von M. Hubatsch). Observation days at Viersen district 1960-2010 (n = 43,392).

28 Charadrius 41, 48, Heft 4, 1, 2005 2012 sein. Die Brutansiedlung weit nördlich der Mittelgebirge in Mönchengladbach-Wickrath ist bisher singulär und kann als Ausnahme betrachtet werden. Eine reale Zunahme der Wintergäste am linken Unteren Niederrhein wird sich wohl nur bei Häufung kalter Winter einstellen. Dank Herrn Thomas Traill danke ich für die Summary, Frau Brigitte Brieden und Herrn Peter Kolshorn für die Durchsicht des Manuskripts, den Herren Dieter Möller, Karl-Heinz Gaßling, Dr. Karl-Heinz Christmann und Frau Veronika Huisman-Fiegen für die Beobachtungsdaten aus den Kreisen Kleve und Wesel und der Stadt Krefeld. Literatur Bauer, H.G., E. Bezzel & W. Fiedler : Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Bd. 2 Passeriformes Sperlingsvögel. Aula-Verlag, Wiebelsheim. Engländer, H., F. Distelrath & P. Schnitzler (1987): 39. Ornithologischer Sammelbericht für das Rheinland (Zeitabschnitt 16.9.1985-15.3.1986). Charadrius 23: 44-56. Glutz von Blotzheim, U.N. & K.M. Bauer (1985): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 10/II Passeriformes (1. Teil). Aula-Verlag, Wiesbaden. Heinen, W., P. Mäurer, & H. Finken (1997): Erster Brutnachweis der Wasseramsel (Cinclus cinclus) im Niederrheinischen Tiefland bei Mönchengladbach-Wickrath. Charadrius 33: 62. Heinen, W., P. Mäurer, H. Finken & J. Rohn (1983): Wickrather Natur und Vogelwelt. Selbstverlag, Mönchengladbach. Hubatsch, K. (1996): Die Vögel des Kreises Viersen. Beitr. Avifauna Nordrhein-Westfalen Bd. 34. Hurtmann, H. : Die Vögel der Stadt Mönchengladbach. NABU Mönchengladbach. Hustings, F., J. van der Coelen, B. van Noorden, R. Schols & P. Voskamp (2006): Avifauna van Limburg. Stichting Natuurpublicaties Limburg. Maastricht. Knorr, E. (1926): Aus der Vogelwelt des Schwalmtales. Natur am Niederrhein 2: 20-25. Knorr, E. (1967): Die Vögel des Kreises Erkelenz. Schriftenr. Landkreis Erkelenz, Bd. 2. Neuss. Lensink, R. Vogelwerkgroep Arnhem e.o. (1993): Vogels in het Hart van Gelderland. Utrecht (Sovon). Mildenberger, H. (1984): Die Vögel des Rheinlandes. Bd. 2 Papageien Rabenvögel. Beitr. Avifauna Rheinland Heft 19-21. Düsseldorf. Mönig, R. (2003): Zum Winteraufenthalt der skandinavischen Wasseramsel (Cinclus cinclus cinclus) in Norddeutschland: Reagiert die Wasseramsel auf den Klimawandel? Anregungen für ein überregionales Projekt. Charadrius 39: 75-78. Neubaur, F. (1927): Die Vogelwelt des Nett-Tales. Natur am Niederrhein 3: 60-65. Neubaur, F. (1957): Beiträge zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz. Decheniana 110: 1-278. OAG Kreis Viersen (1999): Ornithologischer Jahresbericht 1999. Biologische Station Krickenbecker Seen, Nettetal. OAG Kreis Viersen (2001): Ornithologischer Jahresbericht 2001. Biologische Station Krickenbecker Seen, Nettetal. le Roi, O. (1906): Die Vogelfauna der Rheinprovinz. Verhandl. naturwiss. Vereins der preuß. Rheinlande und Westfalens 63: 1-325. Team Sammelbericht NRW (2009): Bemerkenswerte Vögel in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2008. Charadrius 45: 120-171. Wille, U. (1971): Jahresübersicht 1969/70. Charadrius 7: 17-27. Wink, M., C. Dietzen & B. Gießing : Die Vögel des Rheinlandes. Atlas zur Brut- und Wintervogelverbreitung 1990-2000. Beitr. Avifauna NRW Bd. 36. Zang, H. (2003): Zur Entwicklung der Wasseramsel-Population (Cinclus cinclus) in Niedersachsen. Charadrius 39: 79-88. Zink, G. (1981). Der Zug europäischer Singvögel Ein Atlas der Wiederfunde beringter Vögel. Vogelzug-Verlag, Möggingen.