Leinenunfall mit leichtem Personenschaden an Bord des Traditionsschiffs WISSEMARA am 24. Mai 2017 um 14:00 Uhr im Hafen von Wismar

Ähnliche Dokumente
Schwerer Maschinenschaden mit anschließendem Brand an Bord des Frachters THETIS D am 26. Oktober 2015 in der Kieler Bucht

Kollision auf der Unterelbe zwischen MS EENDRACHT und MS TRANSCAPRICORN am 26. November 2015

Grundberührung der BBC MAPLE LEA am 17. Dezember 2015 im Lac Saint-Louis, Kanada

Untersuchungszwischenbericht zu dem Untersuchungsbericht 402/15. Sehr schwerer Seeunfall

Tödlicher Personenunfall an Bord des MS SILVER PEGASUS im Hafen von Brake am 20. September 2014

Kollision des FMS JAN MARIA mit einem Fischerboot in der mauretanischen AWZ am 21. März 2017

Kollision des Küstenmotorschiffs EVERT PRAHM mit der Rendsburger Schwebefähre am 8. Januar 2016 im Nord-Ostsee-Kanal

Tödlicher Personenunfall an Bord des CMS DUBLIN EXPRESS am 14. Juli 2015 auf der Reise von Caucedo nach Rotterdam

Tödlicher Personenunfall an Bord des MS MAERSK SURABAYA am 1. September 2014 vor Shanghai

Tödlicher Personenunfall an Bord des FK ORTEGAL TRES am 27. Mai 2015 vor den Shetland Inseln

Kollision zwischen MS FRISIA ROTTERDAM und MS CLEANTEC am 13. Dezember 2010 um 05:18 Uhr westlich von Skagen

Kollision zwischen MS CRANZ und MS ENDEAVOR im Nord-Ostsee-Kanal am 4. April 2010 um 00:29 Uhr

Personenunfall auf dem MS EMUNA am 5. Mai 2007 am Südkai in Brunsbüttel

Brand von Holzkohleladung auf Containerschiff MSC KATRINA am 20. November 2015 und auf Containerschiff LUDWIGSHAFEN EXPRESS am 21.

Tödlicher Personenunfall an Bord des FK PESORSA DOS am 8.Februar 2016 im Nordatlantik westlich von Irland

Personenunfall. an Bord des Containerschiffes MSC LA SPEZIA. im Hafen von GIOIA Tauro/Italien. am 21. Dezember 2010

Summarischer Untersuchungsbericht 325/11

Tödlicher Personenunfall an Bord des MS HANJIN DALLAS am 1. Februar 2015 vor der Ostküste USA

Kollision der Fähre FRISIA V mit der Kaianlage in Norddeich am 16. Juni 2015

Tödlicher Leinenunfall an Bord des CMS MAERSK KURE im Hafen von Bremerhaven am 6. Februar 2016

Tödlicher Unfall an Bord des MS ASKOE auf der Ostsee am 6. Februar 2015

Kollision des MSC BENEDETTA mit der Pier in Zeebrugge am 16. Mai 2014

Tödlicher Personenunfall beim Einholen der Gangway auf MS YOHJIN am 17. Juni 2009 in Bremerhaven

Kollision von MS CHRISTOPHER mit MS CLIPPER MIKI in der Weiche Audorf/Rade des NOK am 11. Dezember 2010 um 00:23 Uhr

Untersuchungszwischenbericht zu dem Untersuchungsbericht 52/18. Schwerer Seeunfall

Untergang des Fischkutters CONDOR am 6. Februar 2016 ca. 3,5 sm östlich der Ostseeinsel Fehmarn

Kollision zwischen MS LASS SATURN und Segelschulschiff ROALD AMUNDSEN am 4. Mai 2006 auf der Heikendorfer Reede

Kollision der Fähre ADLER EXPRESS mit der Pier im Hafen Wittdün/Amrum am 4. Juni 2014

Kollision des MS MERIDIAN mit MS NEWYORKER und MSC DIANA an der Stromkaje von Bremerhaven am 20. November 2016 um 01:53 Uhr

Grundberührung des Containerschiffs FIDUCIA vor Cebu / Philippinen am 16. September 2011

Tödlicher Arbeitsunfall an Bord des MS Heinrich S im Hafen von Koper am 25. Januar 2006

Überbordgehen des Skippers mit Todesfolge am 7. August 2007 auf der SY KLEINER LUMP vor Otterndorf - Elbe

Grundberührung und Festkommen des MS MERITA im Rostocker Hafen am 9. Januar 2014

Summarischer Untersuchungsbericht 491/08. Seeunfall

Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung Federal Bureau of Maritime Casualty Investigation

Summarischer Untersuchungsbericht 510/09. Kollision des MS SPRING PANDA mit dem TMS LIQUID GOLD auf der Elbe bei Tn.115 am 2.

Summarischer Untersuchungsbericht 282/09. Sehr schwerer Seeunfall

Untergang des PONTON 1 am 13. August 2014 nördlich von Darßer Ort

Aufgrundlaufen des Motorschiffes LADOGA-3 an der Küste des Darß am 16. November 2007

Untergang der Motoryacht KROELLE nach Brand im Maschinenraum nordwestlich von Fehmarn am 8. August 2013

Summarischer Untersuchungsbericht 13/12

Infoblatt - Tagesfahrten

Summarischer Untersuchungsbericht 548/08

Kollision des MS REMO mit dem CMS MSC JILHAN am 17. November 2006 nordwestlich der Insel Fehmarn

Summarischer Untersuchungsbericht 23/07

Segelyacht DEN BLÅ Mensch über Bord mit Todesfolge am 4. November 2009 auf der Kieler Förde

Kollision zwischen MOL EFFICIENCY und SPLITTNES am 22. November 2011 um 20:13 Uhr auf der Weser

Untersuchungsbericht 262/ April Schwerer Seeunfall:

Kollision des MS FINNRUNNER mit Anleger

Merkblatt zur Übungs- und Prüfungsfahrt für den Sportküstenschifferschein,

Kollision auf dem NOK zwischen HANSE VISION und BIRKA EXPRESS am 12. Januar 2009 um 14:24 Uhr

Wassereinbruch nach Grundberührung bei Borkum auf der Motoryacht ATLANTIS am 15. September 2006

Untersuchungsbericht 168/16. Sehr schwerer Seeunfall

- Muster - IMO - Nr.: oder Unterscheidungssignal: (Wenn keine IMO-Nr. vorhanden) GEFAHRENABWEHRPLAN nationale Fahrt

HAVARIE FÄHRANLAGE DURCH MS NESTROY

Unfallursachenermittlung Grundlagen, Probleme und Ergebnisse. Gliederung. I. Rechtliche Grundlagen. I. Rechtliche Grundlagen

Bericht. Verletzte Person durch Verpuffung an Bord des Fischkutters GERTJE BRUHNS am 17. Dezember 2008 im Hafen von Ditzum

Tödlicher Personenunfall an Bord des MS THULE in Naantali/Finnland am 22. September 2010

Personenunfall mit Todesfolge an Bord CMS SANTA ALINA am 15. Dezember 2008 im Hafen von Lome/Togo

Kollision auf dem NOK zwischen MS RMS SAIMAA und MS NORDIC DIANA am 12. Dezember 2008 um 09:46 Uhr

Überbordgehen und anschließender Tod durch Ertrinken des Bootsführers der Segelyacht UNIKUM am vor Warnemünde

Summarischer Untersuchungsbericht 180/08

Zwischen- Untersuchungsbericht

Ablegen vom Steg. Skizze Beschreibung Kommandos

Grundberührung des Passagierschiffs DEUTSCHLAND in Chile nahe des Gletschers Ventisquero Italia am 15. Januar 2012

Motormanöver (linksdrehende Schraube und feste Welle)

Kollision zwischen MS POLARIS und MS CROWNBREEZE nahe Lotsenstation Rüsterbergen, am 20. September 2008 um 04:55:30 Uhr

Kenterung und Untergang eines Blitz-Jollenkreuzers am 14. August 2006 westlich von Fehmarn

Überbordgehen und Tod des Bootsführers der SY HAPPY am 4. Juni 2008 vor Haffkrug/Neustädter Bucht

Untersuchungsbericht

Überbordgehen des Skippers

Untersuchungsbericht 264/10. Kollision Schlepper STEINBOCK mit MS MINERVA vor Bremerhaven am 29. Juni 2010

Untersuchungsbericht

Summarischer Untersuchungsbericht 167/08. Strandung des MS PACIFIC CHALLENGER östlich Oro Bay/Papua Neu Guinea am 9. April 2008

Kollision beim Anlegen des MS MERWEBORG. mit dem RoRo MS CAROLINE RUSS. am Steubenhöft in Cuxhaven. am 12. Dezember 2013

Änderungen SRC zum 1. Oktober 2018 Vergleich der Änderungen im Fragenkatalog

Personenunfall auf Schlepper BUGSIER 11 am 17. Dezember 2007 in Brunsbüttel

Untersuchungsbericht

Ablegen vom Steg. Skizze Beschreibung Kommandos

Untersuchungsbericht

Böschungsberührung MS SONORO und Kollision MS SONORO mit MT SÜLLBERG auf dem NOK am 18. April 2010

Untergang des Fischkutters ANDREA und Tod eines Besatzungsmitgliedes in der Ostsee vor Lippe am 16. August 2014

Änderungen SRC zum 1. Oktober 2018 Änderungen sind markiert

Verordnung über die Sicherung der Seefahrt

Kollision in der Ausweiche Brunsbüttel. zwischen CMS HERM KIEPE und CMS EMPIRE. am 2. März 2013

Personenunfall mit Achterleine auf MS NORTHERN FAITH am 4. Juli 2007 im Hafen von Koper

Kollision zwischen Fischkutter GITTE und Fährschiff SKANIA am 17. Februar Seemeilen östlich von Rügen

Personenunfall an Bord des Traditionsschiffes LISA VON LÜBECK am 19. April 2006 im Hafen Hel/Danzig

Untergang des FK ORTEGAL UNO am 13. Januar 2010 westlich von Irland

Fachstelle der WSV für Verkehrstechniken

Tödlicher Personenunfall des 2. Naut. Offiziers auf dem MS PETUJA

Untersuchungsbericht

Untergang des Fischkutters KRISTINA in der Nordsee am 18. Februar 2015

Untersuchungsbericht 330/03. Sehr Schwerer Seeunfall

Kollision CMS YM TIANJIN mit FV LAM CHOR HUNG am 02. April sm südlich von Hongkong

Untersuchungsbericht

Untersuchungsbericht

Personenunfall mit vier Verletzten an Bord. des Traditionsschiffes SEUTE DEERN. O-lich von Christiansø/Bornholm

Summarischer Untersuchungsbericht 617/08. Kollision des Frachters FREYA mit dem Unterfeuerbauwerk Gelbsand in der Elbmündung am 16.

Transkript:

Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur Untersuchungsbericht 160/17 Weniger schwerer Seeunfall Leinenunfall mit leichtem Personenschaden an Bord des Traditionsschiffs WISSEMARA am 24. Mai 2017 um 14:00 Uhr im Hafen von Wismar 25. Oktober 2018

Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit dem Gesetz zur Verbesserung der Sicherheit der Seefahrt durch die Untersuchung von Seeunfällen und anderen Vorkommnissen (Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetz - SUG) durchgeführt. Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen ( 9 Abs. 2 SUG). Der vorliegende Bericht soll nicht in Gerichtsverfahren oder Verfahren der seeamtlichen Untersuchung verwendet werden. Auf 34 Absatz 4 SUG wird hingewiesen. Bei der Auslegung des Untersuchungsberichtes ist die deutsche Fassung maßgebend. Herausgeber: Bernhard-Nocht-Str. 78 20359 Hamburg Direktor: Ulf Kaspera Tel.: +49 40 3190 8300 Fax.: +49 40 3190 8340 posteingang-bsu@bsh.de www.bsu-bund.de Seite 2 von 23

Inhaltsverzeichnis 1 ZUSAMMENFASSUNG... 5 2 FAKTEN... 6 2.1 Schiffsfoto... 6 2.2 Schiffsdaten... 6 2.3 Reisedaten... 7 2.4 Angaben zum Seeunfall oder Vorkommnis im Seeverkehr... 8 2.5 Einschaltung der Behörden an Land und Notfallmaßnahmen... 10 3 UNFALLHERGANG UND UNTERSUCHUNG... 11 3.1 Unfallhergang... 11 3.2 Untersuchung... 13 3.2.1 Das Schiff... 13 3.2.2 Die Schäden... 14 3.2.3 Die Besatzung... 17 3.2.4 Die Holzklüsen... 18 4 BEREITS DURCHGEFÜHRTE MAßNAHMEN... 19 5 AUSWERTUNG... 20 6 SCHLUSSFOLGERUNGEN... 21 7 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN... 22 7.1 Betreiber der WISSEMARA Förderverein Kogge e.v.: Klampen... 22 7.2 Betreiber der WISSEMARA Förderverein Kogge e.v.: Leinen... 22 8 QUELLENANGABEN... 23 Seite 3 von 23

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: WISSEMARA... 6 Abbildung 2: Seekarte detailliert mit Unfallposition... 8 Abbildung 3: Seekarte - Überblick... 9 Abbildung 4: Anlegemanöver von achtern gesehen... 11 Abbildung 5: Anlegemanöver von vorn gesehen... 12 Abbildung 6: zerstörte Holzklampe (Seitenansicht)... 14 Abbildung 7: zerstörte Holzklampe (Frontalansicht)... 15 Abbildung 8: Holzplanken unter der zerstörten Klampe... 15 Abbildung 9: Beispiel einer intakten Holzklampe... 16 Abbildung 10: Beispiel einer belegten Holzklampe... 16 Abbildung 11: eingeschnittene Klüse aus Holz... 18 Abbildung 12: Klüse mit Metallrand... 19 Seite 4 von 23

1 ZUSAMMENFASSUNG Das Traditionsschiff WISSEMARA ist der Nachbau einer Kogge des 14. Jahrhunderts. Gebaut und betrieben wird sie vom Förderverein Poeler Kogge e.v. in Wismar. Regelmäßig werden Tagesfahrten für interessierte Besucher aus aller Welt durchgeführt. Einer dieser Tagesausflüge endete am 24. Mai 2017 gegen 14:00 Uhr 1 mit dem routinierten Anlegemanöver im Hafen von Wismar. Dafür wurde auf der Wendeplatte gedreht, um rückwärts an die Pier zu fahren. Die Achterleine wurde als erste Leine an Land gegeben und fest gemacht. Beim Eindampfen in diese Leine kam eine unerwartete Windböe auf, die das Schiff trotz des Bugstrahlruders so weit von der Pier wegdrehte, dass die Belastung auf die Leine überdurchschnittlich groß wurde. Aber nicht die Leine brach, sondern die hölzerne Klampe, welche die Leine an Bord festhielt. Trotz mehrfacher Aufforderung durch Besatzungsmitglieder hatte sich eine Passagierin nicht wie alle anderen aus dem Gefahrenbereich der Anlegeseite begeben und saß nun noch so dicht an der Klampe, dass sie durch wegfliegende Holzsplitter getroffen und leicht verletzt wurde. Vorsorglich wurde sie nach dem Anlegen in ein Krankenhaus gefahren. Die Verletzungen waren jedoch so leicht, dass sie nach ambulanter Behandlung entlassen werden konnte. Ein Besatzungsmitglied wurde ebenfalls von Splittern am Bein getroffen. Auch diese Verletzungen waren nicht medizinisch aufwendig zu behandeln. 1 Alle Uhrzeiten im Bericht sind, soweit nicht anders angegeben, Ortszeiten = UTC +2 h = MESZ. Seite 5 von 23

2 FAKTEN 2.1 Schiffsfoto Fotolia Abbildung 1: WISSEMARA 2.2 Schiffsdaten Schiffsname: WISSEMARA Schiffstyp: Traditionsschiff Nationalität/Flagge: Deutschland Heimathafen: Wismar IMO-Nummer: Nicht vergeben Unterscheidungssignal: DB3747 Reederei: Förderverein Poeler Kogge e.v. Baujahr: 2006 Bauwerft/Baunummer: Werftplatz Stadthafen Wismar Klassifikationsgesellschaft: BG Verkehr Länge ü.a.: 31,50 m Breite ü.a.: 8,40 m Bruttoraumzahl: 176 Tragfähigkeit: k.a. Tiefgang maximal: 2,60 m Maschinenleistung: 255 kw Hauptmaschine: Volvo Penta Geschwindigkeit: 8 Werkstoff des Schiffskörpers: Holz Schiffskörperkonstruktion: Nachbau eines mittelalterlichen Frachtschiffs Mindestbesatzung: 10 Seite 6 von 23

2.3 Reisedaten Abfahrtshafen: Anlaufhafen: Art der Fahrt: Wismar Wismar Sonstige Schifffahrt National Besatzung: 10 Tiefgang zum Unfallzeitpunkt: V: 2,40m M: 2,60 m A: 2,70 m Lotse an Bord: Nein Kanalsteurer: Nein Anzahl der Passagiere: 60 Seite 7 von 23

2.4 Angaben zum Seeunfall oder Vorkommnis im Seeverkehr Art des Seeunfalls: Datum/Uhrzeit: Ort: Breite/Länge: Fahrtabschnitt: Platz an Bord: Folgen (für Mensch, Schiff, Ladung und Umwelt sowie sonstige Folgen): Weniger Schwerer Seeunfall: Leinenunfall 24.05.2017 14:05 Uhr Alter Hafen Wismar φ 53 54'N λ 11 27'E Ankunft/Anlegen Achterschiff ein Passagier und ein Besatzungsmitglied wurden leicht verletzt, leichte Schäden am Schiff, keine Umweltschäden Ausschnitt aus Seekarte INT1361 BSH Unfallposition Abbildung 2: Seekarte detailliert mit Unfallposition Seite 8 von 23

Unfallposition Abbildung 3: Seekarte - Überblick Seite 9 von 23

2.5 Einschaltung der Behörden an Land und Notfallmaßnahmen Beteiligte Stellen: WSP Wismar, Rettungsleitstelle Eingesetzte Mittel: Krankenwagen Ergriffene Maßnahmen: Erste Hilfe und Versorgung im Krankenhaus Ergebnisse: Mit Wundverband aus medizinischer Versorgung entlassen. Seite 10 von 23

3 UNFALLHERGANG UND UNTERSUCHUNG 3.1 Unfallhergang Am Mittwoch, den 24. Mai 2017 kehrte das Traditionsschiff WISSEMARA nach einem der üblichen Tagesausflüge gegen 14:00 Uhr zurück zum Liegeplatz im Alten Hafen von Wismar. Während das Schiff auf der Wendeplatte gedreht wurde, um rückwärts anzulegen, wurde die Besatzung über das kommende Manöver eingewiesen. Zudem wurden die Passagiere gebeten, die Steuerbordseite des Schiffes zu verlassen. Der Wind kam mit 4 bis 5 Bft aus Nordwest. Die WISSEMARA schob sich langsam rückwärts an die Pier. Die Achterleine wurde mit Hilfe einer Wurfleine an Land gegeben. Noch einmal wurden die Passagiere gebeten, den Festmacherbereich an der Steuerbordseite aus Sicherheitsgründen zu verlassen. Nachdem die Achterleine an Land fest war, wurde das Ruder auf Hart Steuerbord gelegt, die Hauptmaschine auf ganz langsam Voraus gelegt und das Bugstrahlruder arbeitete mit 100% nach Steuerbord. In diesem Moment kam eine starke Windböe auf, die den Bug der WISSEMARA nach Backbord drehte. Die Hauptmaschine wurde noch einmal kurz auf Rückwärts gelegt, um dann mit leichter Vorwärtsfahrt erneut in die Achterleine einzudampfen. Als die Achterleine nun belastet wurde, brach die Klampe, welche die Leine hielt. Die deshalb herumfliegenden Holzsplitter trafen eine Passagierin, die trotz aller Aufforderungen noch immer im Gefahrenbereich der achteren Manöverstation saß. Sie wurde leicht an der Stirn verletzt. WSP Abbildung 4: Anlegemanöver von achtern gesehen Seite 11 von 23

WSP Abbildung 5: Anlegemanöver von vorn gesehen Ein Besatzungsmitglied, welches sich aufgrund des Anlegemanövers ebenfalls hier befand, erlitt leichte Verletzungen am Bein. Die beiden Verletzten wurden sofort durch Erste-Hilfe-Maßnahmen der Besatzung und der zufällig an der Pier befindlichen Wasserschutzpolizisten versorgt. Unverzüglich wurde ein Krankenwagen gerufen, der die verletzte Passagierin in ein Krankenhaus brachte. Nach der Wundversorgung konnte sie das Krankenhaus wieder verlassen. Für die Verletzung des Besatzungsmitgliedes war eine Versorgung im Krankenhaus nicht erforderlich. Seite 12 von 23

3.2 Untersuchung Am 31. Mai 2017 besichtigten zwei Untersucher der die WISSEMARA und machten sich ein Bild vom Schiff und dem es betreibenden verantwortlichen Verein. 3.2.1 Das Schiff 1998 wurde die Mole im Timmendorfer Hafen verlängert. Dadurch änderten sich die Strömungsverhältnisse und ein Wrack wurde freigespült. Das archäologische Landesinstitut wurde aufmerksam und hat die Bergung veranlasst. Dabei handelte es sich um eine besondere Variante einer Kogge, die noch sehr gut erhalten war. Nach der Bergung 1999 ergaben Untersuchungen, dass das Schiff um das Jahr 1354 gebaut worden war. Der Rumpf zeigte deutlich Parallelen zu den Schiffen der Wikinger und Slawen, so dass es als eine spezielle, für die Ostsee entwickelte Form der Koggen, also als baltische Kogge verstanden werden kann. Dieses Schiff hatte eine Länge von ca. 31 m und besaß eine Ladekapazität von mehr als 200 Tonnen. Schiffe dieser Größe waren die Grundlage für den in der Hansezeit typischen überregionalen Transport von Massengütern und damit die Basis für die wirtschaftliche Macht und den Aufstieg der Hansestädte an der Nord- und Ostseeküste. 2 Dieses Wrack diente als Grundlage für den Nachbau einer Kogge. Am 14. Februar 2000 wurde ein gemeinnütziger Verein gegründet, der seit dem als verantwortlicher Betreiber der Kogge gilt. Der Bau begann 2001 und wurde fertiggestellt 2006. Nach der Jungfernfahrt und dem wissenschaftlichen Nachweis der praktischen Fahreigenschaften steht die WISSEMARA nun allen Interessenten zur Verfügung. Die WISSEMARA wurde 2006 durch die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft, Post, Logistik, Telekommunikation geprüft und erhielt ein Sicherheitszeugnis für Traditionsschiffe, gültig bis zum 24.01.2021. Zugelassen ist darin eine Personenzahl von 25, welche aber durch zu beantragende Ausnahmegenehmigungen unter bestimmten Bedingungen auf bis zu 75 Personen erweiterbar ist. So heißt es in der zusätzlichen Genehmigung u.a., dass in den Monaten April bis Oktober bis max. Bft 5 zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang Tagesfahrten von höchstens 10 Stunden Dauer mit bis zu 75 Personen an Bord und bis zu einer Distanz von höchstens 10 sm von der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser durchgeführt werden dürfen. An Rettungsmitteln befinden sich drei Rettungsflöße mit einer Kapazität von jeweils 25 Personen an Bord. Des Weiteren gibt es 75 Rettungswesten zuzüglich Kinderrettungswesten und Arbeitswesten für die Besatzung. Die Lagerorte sind wie vorgeschrieben gekennzeichnet. Für eventuell notwendige Person-über-Bord-Manöver ist ein Schlauchboot mit einem 25-PS-Außenbordmotor ständig einsatzbereit. Brandschutzeinrichtungen einschließlich einer mobilen Feuerlöschpumpe sind wie vorgeschrieben vorhanden und werden regelmäßig gewartet. 2 Quelle: www.poeler-kogge.de/geschichte.html vom 17.07.18 Seite 13 von 23

Für die Kommunikation, insbesondere in Gefahrensituationen ist das Schiff mit einer GMDSS-Ausrüstung 3 entsprechend dem Fahrtbereich A1 4 ausgerüstet. Für die Erste Hilfe ist eine überprüfte und aktualisierte Bordapotheke an Bord. Zu Beginn eines jeden Törns erhalten alle Mitsegler/Passagiere eine Sicherheitseinweisung durch die Besatzung. 3.2.2 Die Schäden Die durch die brechende Holzklampe wegfliegenden Holzteile trafen eine Passagierin an der Stirn und ein Besatzungsmitglied am Schienbein. Die Verletzungen erforderten aber keine intensive medizinische Behandlung. Auf der WISSEMARA wurde eine hölzerne Belegklampe zerstört (siehe Abb. 6 und Abb. 7). WSP Abbildung 6: zerstörte Holzklampe (Seitenansicht) 3 GMDSS: Global Maritime Distress and Safety System (weltweites Seenot- und Sicherheitsfunksystem) 4 Küstennahe Seegebiete Seite 14 von 23

WSP Abbildung 7: zerstörte Holzklampe (Frontalansicht) Abbildung 8: Holzplanken unter der zerstörten Klampe Seite 15 von 23

Abbildung 9: Beispiel einer intakten Holzklampe Abbildung 10: Beispiel einer belegten Holzklampe Seite 16 von 23

Eine Klampe ist eine Vorrichtung zum Befestigen (Belegen) von Leinen. Sie besteht aus zwei gegenüberliegenden Hörnern, um welche die Leine abwechselnd gelegt wird. Dadurch hält sich das Tauwerk aufgrund der Haftreibung mit den Hörnern und sich selbst an der Klampe. Normalerweise erreicht eine Leine nach zwei bis drei (kreuzweisen) Umschlingungen der Klampe eine Reibungskraft, die größer ist als die Festigkeit der Leine. Den Abschluss bildet ein Kopfschlag, der auch gegen unbeabsichtigtes Lockern sichert. Klampen werden auf ihren Untergrund (dem Schiffsdeck oder am Mast) fest geschraubt oder angeschweißt. Klampen gibt es abhängig vom Verwendungszweck und den aufzunehmenden Kräften in unterschiedlichen Größen und aus verschiedenen Materialien. Auf Nachfrage erklärte der Verein, Metallklampen wären an Deck weniger gut sichtbar als Holzklampen und auch nicht effektiver, da sie ja in solchen Extremsituationen aus dem Holzdeck herausgerissen werden. 5 Die Achterleine nahm keinen sichtbaren Schaden und wurde weiter genutzt. Alle Festmacherleinen würden durch den Bootsmann und die Schiffsführung wöchentlich, im Rahmen des Sicherheitsrundganges, begutachtet und bei Mängeln sofort gewechselt, versicherte die Vereinsleitung. 3.2.3 Die Besatzung Neben den 60 Passagieren befanden sich laut Crewliste 10 Besatzungsmitglieder an Bord. Diese Besatzung setzte sich zusammen aus einem Kapitän, einem Steuermann, einem Bootsmann, zwei Maschinisten, vier Matrosen und einem Koch. Grundsätzlich wird jedes neues Besatzungsmitglied über die Verhaltensregeln an Bord belehrt. Diese Belehrung wird regelmäßig für alle wiederholt. Neue Besatzungsmitglieder machen unter Obhut und Beobachtung des Bootsmanns (einem langjährigen Seemann) und der Schiffsführung ca. 3 Törns mit. Danach kann jeder neue Interessent entscheiden, ob er dabei bleiben möchte. Alle bisherigen Besatzungsmitglieder werden gefragt, ob sie den Einsteiger in die Gemeinschaft aufnehmen wollen. Im August 2018 betrug die Besatzungsstärke 52 Männer und Frauen. Die übliche Besatzung pro Törn sind 10 Personen. 5 Kursiv gedruckt: Stellungnahme des Vereins. Seite 17 von 23

3.2.4 Die Holzklüsen Während der Besichtigung durch die fiel auf, dass die Klüsen der WISSEMARA aus Holz bestanden und deshalb bereits Schaden genommen hatten. Deutlich war zu erkennen, dass die durchgeführten Festmacherleinen durch ihre Bewegung die Klüsen eingeschnitten hatten. Da auf dem gesamten Schiff moderne Technologie unter dem Charme der ursprünglichen Kogge versteckt wurde, ist es unverständlich, warum nicht auch die Klüsen und Klampen nach aktuellen Standards eingebaut wurden. Kaum ein Passagier würde sich daran stören, wenn das innere der Klüsen und Klampen aus Metall wären. Dafür wird die Sicherheit aller Personen an Bord aber deutlich erhöht. Abbildung 11: eingeschnittene Klüse aus Holz Seite 18 von 23

4 Bereits durchgeführte Maßnahmen Im August 2018 erklärte der Verein, dass nun alle Klüsen eine Metallumrandung hätten. Abbildung 12: Klüse mit Metallrand Des Weiteren wurde die Besatzung darauf hingewiesen, darauf zu bestehen, dass die Anlegeseite der WISSEMARA von den Passagieren zu verlassen ist. Seite 19 von 23

5 AUSWERTUNG Während eines standardmäßigen Anlegemanövers kam eine so starke Belastung auf die Festmacherleine, dass sie die Klampe, auf der sie belegt war, zerstörte. Dabei wurden ein Besatzungsmitglied und eine Passagierin leicht verletzt. Grundsätzlich muss festgestellt werden, dass eine Klampe mehr Belastung aushalten soll, als eine Festmacherleine. Diese Grundregel des Schiffbaus wird hier offensichtlich nicht eingehalten. Der Betreiberverein legt sehr viel Wert auf die Authentizität der Kogge und damit vorwiegend auf die Ausstattung mit Holzbauteilen. Die kann diese Absicht gut nachvollziehen, sieht aber auch, wie bisher schon versteckte Kompromisse zwischen dem ursprünglichen Design der Kogge aus dem Mittelalter und moderner Technik von heute gefunden und installiert wurden. Umso unverständlicher erscheint es, dass nicht moderne Klampen aus Metall verbaut wurden. Die Zerstörung der Holzklampe zeigt, dass sie einseitig so stark belastet wurde, dass ein Horn abgerissen wurde. Es ist daher auch gut möglich, dass die Klampe entsprechend falsch belegt worden war. Die Verletzung der Passagierin konnte nur geschehen, weil sich die Besatzung nicht durchsetzte, als es darum ging, alle Passagiere anzuweisen von der Anlegeseite des Schiffes Abstand zu halten. Während der Vor-Ort-Besichtigung fiel der auf, dass bisher Klüsen aus Holz genutzt wurden. Diese waren durch die Bewegung der Festmacherleinen schon deutlich eingeschliffen. Nach dem Hinweis der Untersucher, veranlasste der Betreiberverein, die Klüsen mit Metallrändern auszustatten. Dass die Achterleine, welche durch ihre starke Belastung die Holzklampe zerstörte, weiter genutzt wurde, findet nicht die Zustimmung der. Seite 20 von 23

6 SCHLUSSFOLGERUNGEN An Bord WISSEMARA wurden bisher Klampen und Klüsen aus Holz verbaut. Die Klüsen waren dementsprechend bereits geschädigt und wurden durch den Verein mit Metallrändern ersetzt. Die zerstörte Holzklampe wurde wieder durch eine Klampe aus Holz ersetzt, obwohl gerade eine Klampe aus Holz nicht gehalten hat. Die ist nicht der Meinung, dass eine fachmännisch installierte metallene Klampe aus dem Deck gerissen werden kann. Auch wenn Traditionsschiffe wie die WISSEMARA nicht zwingend an gültige Schiffbauvorschriften gebunden sind und es vielleicht etwas aufwändiger ist, einen metallene Klampe an Deck zu befestigen, ist es doch möglich, aus einem Unfall zu lernen, auch und gerade, wenn der Schaden in diesem Fall glücklicherweise gering war. Dies zeigt sich bereits darin, dass der Betreiberverein schriftlich zugesichert hat, dass sich die Besatzung jetzt gegenüber den Passagieren durchsetzt, insbesondere in Bezug auf die passagierfreie Anlegeseite. Abschließend weißt die auf ihre Untersuchungen zu Unfällen mit gebrochenen Festmacherleinen hin, aus denen hervor geht, dass Leinen nach einer Belastung nicht mehr die Bruchkraft haben, die erwartet wird, selbst wenn es der Leine nicht anzusehen ist. Es sollte also ernsthaft abgewogen werden, ob eine Festmacherleine nach einer besonderen Belastung weiter genutzt werden kann oder besser erneuert wird. 6 6 Siehe Unfallbericht zu NORTHERN FAITH https://www.bsubund.de/shareddocs/pdf/de/unfallberichte/2008/ubericht_302_07.html und Unfallbericht zu MAERSK KURE https://www.bsubund.de/shareddocs/pdf/de/unfallberichte/2017/untersuchungsbericht_43_16.html Seite 21 von 23

7 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Die folgenden Sicherheitsempfehlungen stellen weder nach Art, Anzahl noch Reihenfolge eine Vermutung hinsichtlich Schuld oder Haftung dar. 7.1 Betreiber der WISSEMARA Förderverein Kogge e.v.: Klampen Die empfiehlt dem Förderverein Poeler Kogge e.v. alle für das Festmachen vorgesehenen hölzernen Klampen zeitnah durch metallene Klampen mit höherer Haltekraft zu ersetzen. 7.2 Betreiber der WISSEMARA Förderverein Kogge e.v.: Leinen Die empfiehlt dem Förderverein Poeler Kogge e.v, belastete Festmacherleinen besonders kritisch zu prüfen und im Zweifel zu erneuern. Seite 22 von 23

8 QUELLENANGABEN Ermittlungen Wasserschutzpolizei (WSP) Schriftliche Erklärungen/Stellungnahmen - Schiffsführung - Reederei Zeugenaussagen Seekarten und Schiffsdaten Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Unterlagen Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr) - Unfallverhütungsvorschriften (UVV-See) - Richtlinien und Merkblätter - Schiffsakten Seite 23 von 23