Sozialversicherungsrechtliche Behandlung der weitergeleiteten Zahlungen für Verhinderungspflege

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Sozialversicherungsrechtliche Behandlung der weitergeleiteten Zahlungen für Verhinderungspflege 2019 Deutscher Bundestag

Seite 2 Sozialversicherungsrechtliche Behandlung der weitergeleiteten Zahlungen für Verhinderungspflege Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: 28. Februar 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen.

Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Hintergrund 4 2. Abgrenzung von Ehrenamt und Erwerbstätigkeit 4 3. Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung 5 4. Sozialversicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung und geringfügiger selbständiger Tätigkeit 6 5. Mögliche Auswirkung auf einkommensabhängige Sozialleistungen 7 6. Fazit 7

Seite 4 1. Hintergrund In der sozialen Pflegeversicherung gilt das Prinzip des Vorrangs der häuslichen Pflege: Gemäß 3 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) soll die Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Die Pflegebedürftigkeit ergibt sich je nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und wird nach fünf Pflegegraden bemessen. Soweit anspruchsberechtigte Pflegebedürftige ab einem Pflegegrad 2 bei häuslicher Pflege keine Pflegehilfe eines ambulanten Pflegedienstes als Sachleistung gemäß 36 SGB XI in Anspruch nehmen und die erforderliche Pflege durch selbst beschaffte Pflegepersonen sichergestellt ist, kommt die Zahlung von Pflegegeld gemäß 37 SGB XI in Betracht. 1 Dies kommt der ehrenamtlichen Pflege durch Angehörige und Nachbarn zugute. Wenn die selbst beschaffte Pflegeperson wegen Urlaub, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert ist, übernimmt die Pflegekasse die daraus entstehenden Kosten gemäß 39 SGB XI als Leistung der Verhinderungspflege. Abzurechnen sind regelmäßig Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr bis zu 1.612 Euro gegebenenfalls zuzüglich bis zu 806 Euro aus noch nicht in Anspruch genommenen Mitteln der Kurzzeitpflege. Bei einer Ersatzpflege durch nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, dürfen die Aufwendungen der Pflegekasse regelmäßig den Betrag des Pflegegeldes für bis zu sechs Wochen nicht überschreiten. Aufgrund der Verhinderungspflege entstandene Kosten werden im Übrigen unabhängig davon erbracht, ob die Ersatzpflege erwerbsmäßig oder ehrenamtlich erfolgt. 2 Es stellt sich die Frage, ob an die Pflegeperson weitergeleitete Zahlungen für Verhinderungspflege möglicherweise der Sozialversicherungspflicht unterliegen können. Dies hängt insbesondere davon ab, ob die Pflegeleistung ehrenamtlich oder im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung beziehungsweise selbständigen Tätigkeit erbracht wird. 2. Abgrenzung von Ehrenamt und Erwerbstätigkeit Das Arbeitsrecht enthält keine Legaldefinition für das bürgerschaftliche Engagement in Form einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Auch ist die Zahlung einer Vergütung oder Entschädigung für die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht gesetzlich geregelt. Vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 29. August 2012 3 festgestellt, dass durch die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit kein Arbeitsverhältnis begründet wird. Die Ausübung von Ehrenämtern dient 1 Das monatliche Pflegegeld beträgt je nach Pflegegrad zwischen 316 und 901 Euro. 2 Udsching/Schütze/Wahl, 5. Aufl. 2018, SGB XI 39 Rn. 2-4. 3 Vgl. Pressemeldung Nr. 62/12 des Bundesarbeitsgerichts zum Az. 10 AZR 499/11.

Seite 5 nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz. Sie sei Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen. Ehrenamtliche Tätigkeiten sind bisher nicht zufriedenstellend von anderen Verrichtungen wie z. B. familialen oder nachbarschaftlichen Arbeiten abgegrenzt worden. Gemeinsames Merkmal ehrenamtlicher Tätigkeiten ist, dass sie freiwillig, unentgeltlich und gemeinwohlorientiert sind. 4 Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist weder als abhängige Beschäftigung noch als selbständige Tätigkeit anzusehen, da keine Beschäftigung gegen Entgelt in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt wird und auch kein steuerpflichtiges Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt wird. Insofern gehören ehrenamtlich Tätige grundsätzlich nicht zum versicherten Personenkreis der Sozialversicherung. Als Ausnahme ist die nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson zu sehen, die unter Umständen gemäß 3 Nr. 1a des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) der Rentenversicherungspflicht unterliegen kann. Neben unentgeltlich Pflegenden gelten Pflegepersonen als nicht erwerbsmäßig tätig, die für ihre Tätigkeit von dem oder den Pflegebedürftigen ein Arbeitsentgelt erhalten, das das dem Umfang der jeweiligen Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des 37 SGB XI nicht übersteigt. Gegebenenfalls zahlt die Pflegekasse für die Pflegeperson gemäß 170 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI Beiträge zur Rentenversicherung. Soweit die Pflegetätigkeit ehrenamtlich erbracht wird, unterliegen an die Pflegeperson weitergeleitete Zahlungen für Verhinderungspflege nicht der Sozialversicherungspflicht. Hiervon kann bei nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen ausgegangen werden, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben. Bei weiter entfernt verwandten und nicht in häuslicher Gemeinschaft mit dem Pflegebedürftigen lebenden Pflegepersonen ist eine Sozialversicherungspflicht nicht auszuschließen, soweit weitergeleitete Zahlungen für Verhinderungspflege als Erwerbseinkommen anzusehen sind. Hierzu sind zunächst selbständige Tätigkeiten und abhängige Beschäftigungen voneinander abzugrenzen. 3. Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung In den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung sind in erster Linie Personen versichert, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Nur bestimmte selbständige Tätigkeiten werden, zum Beispiel von der Rentenversicherungspflicht, erfasst, zu denen jedoch nicht die erwerbsmäßig ausgeübte Pflege zählt. Soweit weitergeleitete Zahlungen für Verhinderungspflege als Erwerbseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt werden, liegt keine Versicherungspflicht vor. Der Begriff der selbständigen Tätigkeit wird im Sozialgesetzbuch nicht definiert. Deshalb ergibt sich das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit im Umkehrschluss nur dann, wenn eine abhängige Beschäftigung im Sinne des 7 Abs. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) auszuschließen ist. Eine abhängige Beschäftigung ist hiernach die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. 4 Petzschke, Lydia (2004): Ehrenamt und Rechtsordnung. Regelung ehrenamtlichen und freiwilligen Engagements. Berlin: VWF, S. 7 ff.

Seite 6 Weder in 7 SGB IV noch in den spezialgesetzlichen Vorschriften über die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung werden die im Regelfall für das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Versicherungspflicht maßgeblichen Abgrenzungsmerkmale einer abhängigen Beschäftigung näher definiert. Die Rechtsprechung hat daher die Merkmale einer Beschäftigung und diejenigen einer selbständigen Tätigkeit sowie die Grundsätze, nach denen die festgestellten Tatsachen gegeneinander abzuwägen sind, entwickelt. 5 Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraus. Dies bedeutet, dass er einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, hängt von dem Gesamtbild der Tätigkeit ab, in dem die überwiegenden Tätigkeitsmerkmale zu bewerten sind. Hierfür ist maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, während der vertraglichen Gestaltung lediglich eine Indizwirkung zukommt. Insoweit sind nur die wirklichen Umstände maßgeblich, unter denen die Arbeit verrichtet wird. Auch wenn Auftraggeber und Auftragnehmer die Tätigkeit als Selbständigkeit vereinbaren, kann nach den tatsächlichen Gegebenheiten dennoch eine abhängige Beschäftigung mit der Folge der Beitragspflicht in der Sozialversicherung gegeben sein. 6 Es verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot, dass angesichts der Vielzahl denkbarer Fallkonstellationen die versicherten Personen nicht im Detail definiert, sondern ausgehend vom Normalfall in Form eines Typus beschrieben werden. 7 Sind die weitergeleiteten Zahlungen für Verhinderungspflege als Erwerbseinkommen beziehungsweise Arbeitsentgelt anzusehen, weil die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung gegenüber denjenigen einer selbständigen Tätigkeit überwiegen, liegt in der Sozialversicherung Versicherungspflicht dem Grunde nach vor. 4. Sozialversicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung und geringfügiger selbständiger Tätigkeit Für geringfügige Beschäftigungen kann in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung die Versicherungsfreiheit in Betracht kommen. Eine geringfügige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit liegt gemäß 8 SGB IV vor, wenn das Arbeitsentgelt beziehungsweise Arbeitseinkommen regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt oder die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nur kurzzeitig ausgeübt wird. Dies ist der Fall, wenn die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer 5 Gemeinsame Rechtliche Anweisungen (GRA) der Träger der Deutschen Rentenversicherung. Rechtliche Anweisungen > Sozialgesetzbuch > SGB IV > Erster Abschnitt ( 1-18h) > 7 Abs. 1 Beschäftigung > R2.1 Merkmale der Beschäftigung. Abrufbar im Internet unter http://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de/raa/raa.do?f=sgb4_7r2.1, zuletzt abgerufen am 27. Februar 2019. 6 Maiß, Sebastian (2011). Das Statusfeststellungsverfahren nach 7a SGB IV. In: ArbRAktuell 2011, 9. 7 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 20. Mai 1996, Az. 1 BvR 21/96.

Seite 7 Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt. Grundsätzlich besteht bei geringfügiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit Versicherungsfreiheit in der Sozialversicherung, so dass keinerlei Beitragspflicht besteht. In sogenannten Minijobs, bei denen das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt, erfolgt die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß 6 Abs. 1b SGB VI auf Antrag. 5. Mögliche Auswirkung auf einkommensabhängige Sozialleistungen Da es sich bei den aus der Verhinderungspflege weitergeleiteten Zahlungen an Pflegepersonen um Einnahmen handelt, die der Einkommensteuer unterliegen können, sind sie grundsätzlich auf einkommensabhängige Sozialleistungen anzurechnen. Dies gilt zum Beispiel für Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG), das Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Wird die Verhinderungspflege auf der Grundlage einer abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit geleistet, kann das daraus erzielte Erwerbseinkommen auch Auswirkungen auf die Zahlung von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben. 6. Fazit Für die sozialversicherungsrechtliche Betrachtung von an Pflegepersonen weitergeleiteten Zahlungen für Verhinderungspflege kommt es zunächst auf die Unterscheidung von erwerbsmäßiger und nichterwerbsmäßiger, also ehrenamtlicher, Pflege an. Dienen die aus der Verhinderungspflege weitergeleiteten Zahlungen nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz, kommt eine Sozialversicherungspflicht nicht in Betracht. Eine allgemeingültige gesetzliche Regelung, welche Tätigkeiten erwerbsmäßig und welche nichterwerbsmäßig ausgeübt werden, existiert nicht. Ergibt die Prüfung des Einzelfalles, dass die Verhinderungspflege auf der Grundlage einer entgeltlichen abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird, kann Sozialversicherungspflicht bestehen. Dies kann auch bei neben einer regulären sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit oder einem Minijob erbrachten Verhinderungspflege gelten. Gegebenenfalls sind die Regelungen über die Versicherungsfreiheit bei Geringfügigkeit zu beachten. Zentrale Einzugs- und Meldestelle für alle geringfügigen Beschäftigungen ist die der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See angegliederte Minijob-Zentrale. Gegebenenfalls kann die Abwicklung über das vereinfachte Haushaltsscheck-Verfahren für Minijobs in Privathaushalten erfolgen. Für mehr als geringfügige Beschäftigungen sind für das Meldeverfahren die Krankenkassen als Einzugsstellen zuständig. Eine für alle denkbaren Fälle abdeckende Aussage, ob an Pflegepersonen weitergeleitete Zahlungen für Verhinderungspflege der Sozialversicherungspflicht unterliegen, ist nicht möglich, da eine abschließende Beurteilung nur in der Gesamtschau des Einzelfalles erfolgen kann. ***