Gnade sei mit euch Liebe Silberkonfirmanden und Silberkonfirmandinnen! Liebe Gemeinde! Ich lese den vorgeschlagenen Predigttext für den heutigen 20. Sonntag n. Tr., aus dem Markusevangelium, im 2. Kapitel: Und es begab sich, dass Jesus am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 1
Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat. Liebe Gemeinde! Wo ist das Problem? Not kennt kein Gebot, sagt man. Die Jünger Jesu leiden Hunger. Das zählt. Da muss das Sabbatgebot, das festlegt, dass man am Feiertag nichts tun soll, was nach Arbeit und Broterwerb riecht, natürlich zurückstehen. Wenn Menschen in Lebensgefahr sind, dann werden Regeln, Gesetze, ja im Zweifel sogar göttliche Gebote zweitrangig. Das sitzt unserer Kultur in den Genen. Und wenn man fragt Warum ist das so? können wir getrost antworten: Das haben wir bei Jesus gelernt: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 2
Dass das nicht ganz so selbstverständlich ist, wie es scheint, haben wir vor kurzem wieder einmal rund um die schrecklichen Ereignisse vor der Insel Lampedusa erlebt. Italienische Fischer, die in früheren Fällen Flüchtlinge in Seenot aus dem Mittelmeer gerettet hatten, wurden hinterher wegen Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt angeklagt. Ich will diese Dinge hier gar nicht vertiefen. Mich interessiert heute etwas ganz anderes. Jesus sagt ja nicht: Feiertagsgebot? Wer braucht denn so was noch? Sonntagsheiligung? Ziemlich verstaubte Geschichte! Im Gegenteil! Er sagt: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht. Der Sabbat soll helfen, dass Menschen menschlich werden und menschlich bleiben. Wir sind keine Übermenschen. Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 3
Wir müssen nicht die Welt retten. Wir sind Menschen, deren Möglichkeiten und Kräfte begrenzt sind. Wir sind ganz schön zerbrechlich, wenn s hart auf hart kommt. Dass wir unverwundbar sind haben wir uns vielleicht noch eingebildet als wir 20 waren. Aber wenn man dann auf die 40 zugeht, Entschuldigung ich bin so uncharmant, dann weiß man s eigentlich besser. Der Sabbat soll helfen, dass Menschen menschlich werden und menschlich bleiben. Das Feiertagsgebot ist um unsertwillen gemacht. Aber, mag mancher einwenden, es ist doch ein Gewinn an Freiheit, dass das mit dem Feiertagsgebot aus der Mode gekommen ist. Wir sind frei heute. Wir können von Montag bis Sonntag arbeiten. Wir können von Montag bis Sonntag einkaufen. Wir können von Montag bis Sonntag nach Herzenslust produzieren und konsumieren. Wir sind so frei! Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 4
Wie lang ist das eigentlich her, als die Geschäfte werktags um spätestens 18.30 und samstags um 12 Uhr zu machten, als man noch nicht nachts um 11 im Internet schoppen konnte? Wie lang ist das eigentlich her, dass es so etwas wie einen gemeinsamen Feierabend für alle gab? 1988 als ihr konfirmiert wurdet, war das noch weitgehend so. 1988 da hatten wir alle diese komischen Frisuren, die man auf den Konfirmationsbildern sieht. 1988 erstmals wird in den USA ein Lebewesen zum Patent angemeldet, eine genmanipulierte Maus. Die Niederlande werden Fußballeuropameister. Steffi Graf gewinnt zum ersten Mal in Wimbledon. Der Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak endet. Bei einer Flugschau in Ramstein kommt es zu einem schrecklichen Unglück mit 70 Toten. Das Geiseldrama von Gladbeck hält Deutschland tagelang in Atem. Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 5
Die kommunistischen Regime in der DDR und Osteuropa beginnen immer mehr zu bröckeln. Im Jahr darauf wird die Mauer fallen. Ja, so war das damals, vor 25 Jahren, aber das Wichtigste haben wir vergessen: Ihr wurdet konfirmiert, von Pfr. Tusche und von Pfrin. Wuttke. Liebe Gemeinde! Ihr erinnert euch: Diese kurze Szene in der Jesus in Konflikt mit den Pharisäern gerät über die Frage, wie Gottes Gebote in einer konkreten Situation zu verstehen sind. Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. Damals war das wohl nötig: Diese Freiheitsbewegung gegen Gebote und Verbote, die den Menschen von früh bis spät reglementierten. Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 6
Und diese Erinnerung Jesu war nötig: Regeln, Gesetze, ja Gebote Gottes sollen den Menschen dienen, sollen helfen, das Menschen menschlich werden und menschlich bleiben. Aber uns ist das inzwischen so selbstverständlich, dass es beinahe eine Plattitüde ist, es nochmals zu betonen. Ich möchte unsere Geschichte heute etwas gegen den Strich bürsten, ich glaube ganz im Sinne Jesu. Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. Ja, ganz bestimmt! Aber das andere gilt auch: Der Werktag ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Werktags willen. Arbeiten wir noch um zu leben oder leben wir schon um zu arbeiten? Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 7
Ich glaube unsere Generation um die 40, ich erlaube mir mich noch einmal dazuzuzählen, ist mehr als andere in Gefahr ihren Rhythmus zu verlieren. Es ist so viel unter einen Hut zu kriegen: Beruf, Familie, Ehrenamt, Freunde, Hobbys. Manchmal haben wir das Gefühl wir sitzen in der Galeere, irgendwas schlägt den Takt und wir müssen rudern, ob wir wollen oder nicht, am besten 7 Tage die Woche. Burnout scheint sich seit einigen Jahren zu einer neuen Volkskrankheit zu entwickeln. Du sollst den Sabbattag heiligen, heißt es im 3. Gebot. Darauf berufen sich diejenigen, die es nicht in Ordnung finden, dass Jesu Jünger am heiligen Tag der Juden die Ähren ausreißen. Du sollst den Feiertag heiligen, so haben wir s im Konfirmandenunterricht vor 25 Jahren gelernt. Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 8
Und wir haben damals als Jugendliche kaum verstanden, wozu dieses seltsame Gebot gut sein soll. Vielleicht verstehen wir s jetzt besser. Die Arbeit ist um der Menschen willen gemacht, aber nicht der Mensch um der Arbeit willen. Letzten Sonntag haben wir in der Evangelischen Kirche das Erntedankfest gefeiert, auch hier in Altenkirchen. Wir haben uns erinnert: Vieles im Leben kann ich selber machen, vieles kann ich mir erarbeiten, vieles kann man kaufen. Aber das wichtigste bekommst du geschenkt: Die Luft, die wir atmen, die Erde auf der wir stehen, Gesundheit und Kraft zum Arbeiten, die Liebe anderer Menschen. Wir haben uns nicht selbst gemacht. Wir verdanken uns nicht uns selbst. Wir verdanken uns Gott. Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 9
Erntedank heißt: Danke Gott! Danke für unser Leben. Danke für unsere Gesundheit! Danke für unsere Familie und unsere Freunde! Und weil wir so vergesslich sind und immer wieder in den Aberglauben verfallen, wir hätten alles selbst gemacht, wir wären für alle und alles verantwortlich, darum hat uns Gott mit dem 3. Gebot einen Knoten ins Taschentuch gebunden: Du sollst den Feiertag heiligen! Soll ich jetzt noch mehr machen? Im Gegenteil! Nimm dir Zeit das zu feiern und für das zu danken, was dir geschenkt ist. Nimm dir Zeit die Beziehungen zu pflegen von denen du lebst. Nimm dir Zeit die Beziehung zu dem zu pflegen, der dich gemacht hat, dem du dein Leben verdankst. Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 10
Es braucht Zeit für Stille, Zeit für Gebet, Zeit um Gottesdienst zu feiern. Auch die Beziehung zu Gott will gepflegt sein, sonst geht sie irgendwann vor die Hunde. Sabbatzeit ist keine vergeudete Zeit. Es ist Zeit, die dir hilft vor dem Angesicht Gottes wieder zu dir selber zu kommen, ein menschlicher Mensch zu werden und zu bleiben, ein Geschöpf, kein Halbgott, kein Weltenretter, einer der weiß, dass ihm Verantwortung zugemutet ist, einer der weiß, dass er anpacken, a ber auch loslassen und abgeben muss, einer der weiß, dass er Gott gehört, nicht seinem Chef, nicht seiner Arbeit. Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht. Ja, feiern wir ihn! Feiern wir den heutigen Tag! Und der Friede Gottes AMEN Silberkonfirmation 13 20. S.n.Tr. V Seite 11