Berliner Energietage Perspektiven dezentraler Energiesysteme Dezentrale KWK Partner der Windenergie Dr.-Ing. Dieter Attig Präsident des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung e. V. Vorsitzender des Vorstandes der Stadtwerke Saarbrücken AG 10. Mai 2010
Begründung des Vortrags Die Erneuerbaren Energien Sonne und Wind benötigen Speicher, um eine kontinuierliche Stromversorgung zu gewährleisten. Die Windenergie entwickelt sich so schnell, dass in den nächsten Jahren nicht in ausreichendem Maße Speicher zur Verfügung stehen. Für eine Übergangszeit werden daher schnell regelbare Kraftwerke benötigt. Erdgasgefeuerte KWK-Anlagen sind hierbei ein idealer Partner der Windenergie. 1. Erdgaskraftwerke auf Basis von Gasturbinen oder Motoren (später auch Brennstoffzellen) sind schnell regelbar. 2. Aufgrund relativ geringer Kapitalkosten kommen sie mit kürzeren Laufzeiten aus. 3. Durch die Bereitstellung von Heizenergie, deren Preis in starkem Maße mit dem Gaspreis korreliert, werden Höhe und Volatilität des Gaspreises teilweise kompensiert. Durch Zubau von KWK-Anlagen in vorhandenen Fernwärmenetzen über die herkömmlichen Optimierungsregeln hinaus lassen sich bei Verbesserung der Gesamtwirtschaftlichkeit weitere Erdgaskraftwerkskapazitäten zur Unterstützung der Windenergie schaffen. 2
Stichworte zur globalen Energiesituation Der CO 2 -verursachte weltweite Temperaturanstieg kann nur durch schnellstmögliche Einführung der Erneuerbaren Energien auf ein erträgliches Maß begrenzt werden. 1. Atomenergie kann auch in Zukunft nur wenige Prozent zum Weltenergieverbrauch beitragen (derzeit 2 %) 2. Der weitere massive Einsatz der noch lange verfügbaren Kohle führt zu enormen CO 2 -Emmissionen. Die Abscheidung und Speicherung von CO 2 bei Kraftwerken (CCS) ist energieintensiv, teuer und unsicher. 3. Auch Erdöl und Erdgas tragen bei massivem Einsatz zum CO 2 - Problem bei. Der Einsatz von Erdgas in Kraftwerken ist wegen der hohen Wirkungsgrade und wegen des brennstoffbedingten niedrigen CO 2 -Ausstoßes für eine Übergangszeit am ehesten zu vertreten. Erdgas ist zwar teuer, steht aber wegen der LNG-Technik weltweit sicher noch für Jahrzehnte zur Verfügung. Die behauptete Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern existiert nicht. 3
Auffüllen der erzeugungsschwachen Zeiten von Windenergieanlagen Die Entwicklung und Einführung von kommerziell nutzbaren Stromspeichern wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Wasserkraft- und Biomasseanlagen mit Lagermöglichkeiten für die Biobrennstoffe reichen quantitativ bei weitem nicht aus. Folgende Speichermöglichkeiten können in den nächsten Jahrzehnten entwickelt werden. Druckluftkraftwerke Wasserstoffspeicher Batterien in Elektromobilen u. v. a. Für die Übergangszeit sollten möglichst effektive erdgasgefeuerte KWK- Anlagen eingesetzt werden, die nach 15 bis 20 Jahren abgeschrieben sind. 4
Größenklassen erdgasgefeuerter KWK-Anlagen Am Besten: KWK-Anlagen mittlerer Größe (500 kw 5 MW) η ges 80 %, η el 40 %. Ebenfalls sehr gut: große KWK-Anlagen (über 5 MW) η ges : 70 75 % (wegen der Netzverluste), η el : 40 50 % (bei GuD-Anlagen) Problem: Bau der Fernwärmenetze hohe Investitionen, lange Vorlaufzeiten. Auch gut: kleine KWK-Anlagen (1kW bis 500 kw) η ges bis über 90 % (auch Brennwertnutzung), η el 20 bis 40 % Vorteil: geringe Strom- und Wärmenetzverluste. Problematisch: Mikro-KWK mit Stromwirkungsgraden um 10 % Hoher Investitions- und Betriebsaufwand bei geringen ökologischen und ökonomischen Effekten. Argumentationslinien: Gaswirtschaft will diese stromerzeugenden Heizungen, um dauerhaft Gas an Endkunden zu liefern. Stromwirtschaft nimmt diese Randbereiche zum Vorwand, die KWK insgesamt in Zweifel zu ziehen. 5
Energiesysteme - Status Quo - Wärmeversorgung 6
Das zentrale Fernwärmenetz in Saarbrücken Leitungslänge Netzhöchstlast normiert Netzeinspeisung 176 km 250 MW 670 GWh ursprünglich geplanter Einsatz hocheffektiver KWK mit Stromwirkungsgraden über 40 % mögliche Erweiterung hocheffektiver KWK mit Stromwirkungsgraden über 40 % 100 MW th 60 MW th damit Anhebung des KWK-Anteils an der Netzhöchstlast von 40 % auf 64 % 7
Geordnete Jahresdauerlinie der Fernwärmenetzeinspeisung einer Mittelstadt Ausgangsdaten: Dauerlinien der Jahre 1982 bis 1990 - Fernwärmenetz Lemgo Anschlusswert 80 MW; Verteilungsverluste 18 % Auslegungstemperatur -15 C 8
Fluktuierende Erzeugung Untersuchung findet basierend auf 2008 Daten statt Durchschnittliches Windjahr: 99% Wind-Index (http://www.windmonitor.de/) Windkraft: Installierte Leistung: 23,9 GW Bruttostromerzeugung: 40,4 TWh Fluktuation ist tageszeitunabhängig Photovoltaik: Installierte Leistung: 5,3 GW Bruttostromerzeugung: 4 TWh Fluktuation findet generell zwischen 6 und 21 Uhr statt Wegen der Dominanz der Windkraft wird im folgenden nur die Windkraft betrachtet 9
Stromnachfrage (Lastprofil) Quelle: Lastdaten ENTSOE-E 2010, eigene Darstellung Gut bekannte und prognostizierbare Nachfrage Jährlich annährend dasselbe Profil Basis für den heute bestehenden Kraftwerkspark 10
klassische Stromerzeugungsstruktur (Kraftwerkspark) Grundlast: Laufwasser-, Kern- & Braunkohlekraftwerke Mittellast: Steinkohle- & GuD-Kraftwerke Spitzenlast: Gasturbinen, Öl- & Pumpspeicherkraftwerke Entstanden auf Grund der Kostenstrukturen der Kraftwerke 11
Entstehung der klassischen Stromerzeugungsstruktur, am Beispiel der jährlichen Gesamtkosten eines Kohle- & Erdgas-KWs einfache klassische Beispielrechnung, ohne Berücksichtigung von CO2-Kosten 12
Windeinspeisung 2008 Quelle: Einspeisedaten BDEW 2010, eigene Darstellung Zufällige Struktur Lediglich über Windvorhersage kurzfristig prognostizierbar Saisonal höhere Windeinspeisung im Winter als im Sommer Einspeisevorrang => Bestimmt die klassisch zu deckende Nachfrage 13
Quelle: eigene Berechnungen, basierend auf Leitszenario 2009, Last & Windeinspeiseprofil 2008 Residuallast (= Nachfrage Windeinspeisung) 2020 Prognose: 2008 Daten basierend auf Leitszenario 2009 hochskaliert 14
Auswirkungen der Windeinspeisung bis 2020 Quelle: eigene Berechnungen, basierend auf Leitszenario 2009, Last & Windeinspeiseprofil 2008 Allein nur durch die Windkraft, ohne Berücksichtigung der anderen Erneuerbaren Energien, werden 25 % der Grundlastkraftwerke werden keine 7000 Jahresvolllaststunden mehr fahren können => Weniger Deckungsbeitrag für die klassischen Kraftwerke Jedoch: Konventioneller Kraftwerkspark wird für Schwachwindsituationen benötigt =>Neuinvestitionen benötigen daher eine geeignete Kostenstruktur 15
klassische Kraft-Wärme-Kopplung Wärmegeführtes Betriebsregime Leistungsauslegung für mehr als 5000 Vollbenutzungsstunden (Kapitalkosten) Die Differenz wird durch Spitzenlastkessel ausgeglichen 16
Potential als Partner des Windes klassische Auslegung Stromgeführtes Betriebsregime Flexibilisierung der Wärmeerzeugung über Wärmespeicher Option nur Kondensationsstrom zu erzeugen => Über der Hälfte des Jahres kann auf Schwachwind reagiert werden 17
Potential als Partner des Windes bei 100% KWK Ersetzen des Spitzenlastkessels durch KWK-Anlagen (mit Kond.-Strom-Option) Zubau von Wärmespeichern zur Flexibilisierung der KWK-Laufzeit => Potentiell kann im ganzen Jahr auf Schwachwindphasen reagiert werden 18
Zusätzliche Kosten & Mehrerlöse Zusätzliche Kosten Kapitalkosten für die zusätzlich installierte Leistung Kapitalkosten für die/den Wärmespeicher Kosten für Speicherverluste Mehrerlöse Höherer erzielter Strompreis durch Einsatzoptimierung Produktion zu Schwachwindzeiten Tageszeitliches Optimum für die KWK-Produktion Zusätzliche Einnahmen durch Kondensationsstrom 19
Strompreis und Windeinspeisung Strompreis und Wind zeigen heute bereits eine schwache Korrelation (Korrelationskoeffizient = -0,23) Quelle: Daten 2008 EEX Leipzig & BDEW, eigene Berechnung & Darstellung Zukünftig ist tendenziell bei wenig Wind mit höheren und volatileren Strompreisen zu rechnen 20
Strompreis und Laufzeit Durch den Zubau von KWK-Leistung wird die Laufzeit der KWK-Produktion verkürzt => Ein höherer Strompreis wird für die selbe Menge KWK-Strom erzielt 21
Beispiel für einen möglichen Ausbau 160 % KWK Beispiel für einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Ausbau (Einsatzsimulation basierend auf 2008 Daten): 1,6-fache installierte KWK-Leistung 1,2-fache Wärmeerzeugung durch KWK 1,2-fache Stromerzeugung durch KWK 1,8-fache Stromerzeugung insgesamt 22
Ist dies energetisch sinnvoll? Vergleich der Nutzungsgrade bei Zubau von 60 % KWK-Produktion von Wärme & Strom durch Mix aus GuD- & BHKW-Anlagen Kondesationstrom aus KWK-Anlagen + Wärmeproduktion aus Heizkesseln bei klassischer Auslegung KWK-Produktion von Wärme & Strom durch Mix aus GuD- & BHKW-Anlagen Kraftwerksmix Deustchland + Wärmeproduktion aus Heizkesseln => Gesamtnutzungsgrad von 80 % gegenüber 77 % 23
Ist dies ökologisch sinnvoll? CO 2 -Einsparungen gegenüber deutschem Kraftwerkspark 564 g/kwh CO 2 -Emissionen Erdgas als Brennstoff der KWK-Anlagen 202 g/kwh CO 2 -Emissionen => 33,7 % CO 2 -Einsparungen gegenüber Strom aus deutschem KW-Park 24
Wirtschaftlichkeit der Anteilsvergrößerung KWK Schematische Darstellung 100 % = Gewinn bei klassischer Dimensionierung Zunahme Anteil Windstrom 100 % 100 % 200 % Anteilsvergrößerung KWK 100 % = klassische Dimensionierung 25
Fazit Ein Zubau von KWK-Anlagen in bestehenden Systemen ist betriebswirtschaftlich sinnvoll ist energetisch sinnvoll ist ökologisch sinnvoll Diese zusätzlich installierte Leistung kann in Schwachwindphasen, die Stromversorgung mit übernehmen. => Kraft-Wärme-Kopplung ist Partner der Windkraft 26