Denn (auch) einen müden Beter hat Gott gern Morgenstund hat Gold im Mund., lautet ein bekanntes deutsches Sprichwort. Wie so viele geflügelte Worte mahnt es zum Fleiß, zur Korrektheit und zum Emsigsein. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Früh übt sich, wer ein Meister werden will. Wer lang wach bleiben kann, kann auch früh aufstehen. In Psalm 5 dichtet König David: Herr, höre mich, wenn ich bete, vernimm meine Klage! Höre meinen Hilferuf, mein König und mein Gott, denn ich bete zu dir. Höre meine Stimme am Morgen, Herr. Früh am Morgen trage ich dir meine Bitten vor und warte voll Ungeduld. (Psalm 5, 2-4) Auch in Klöstern finden wir das wieder. Hier ein Auszug aus dem Tagesplan des Benediktiner- Klosters in Fahr: 04:50 Uhr: Aufstehen (da geht manch-einer von uns vielleicht gerade zu Bett!) 05:20 Uhr: Vigil (Nachtwache, Gebet) 06:00 Uhr: Frühstück 07:00 Uhr: Laudes (Morgenlob) 07:30 Uhr: Eucharistiefeier Den ganzen Tag über bleiben Mönche und Nonnen im Gebet, da ihr Tagesablauf durchsetzt ist von Momenten der Stille und Andacht. Auch von Jesus lesen wir, dass er sich schon früh am morgen zurückzog, um zu beten (Markus 1, 35). Für mich selbst sind die Morgenstunden vor allem eines: Der blanke, ungeschminkte Horror. Meine Augenlider hängen schwer wie Blei herunter, die Gelenke wehren sich verbissen gegen jede Regung und mindestens ein Arm ist mir eingeschlafen und ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo er sich gerade befindet. Was treibt Jesus, David, Bonhoeffer und all die vielen anderen Glaubensväter und -mütter an, zu beten? Und was hält mich davon ab? Ich komme mir oft wie ein Gebetsmuffel vor. Mir kann die Frage: Daniel, an welchen Momenten des Tages betest du? durchaus sehr unangenehm sein, weil ich vielleicht beschämt feststellen muss: Heute war es nicht eine Minute. Nicht eine Minute. Was hält mich davon ab, zu beten? Vielleicht sind euch die folgenden Gründe genauso wenig neu, wie mir, ich habe eine kleine Liste zusammengestellt: Ich bin zu müde, um zu beten. Jetzt ist es zu früh, bzw. spät. Ich habe keine Zeit zum Gebet. Mein Tag ist voller Dinge, die ich erledigen muss. Mir fehlen die Worte, ich weiß nicht, was ich Gott sagen soll. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Gebet etwas bringt. Ist es nicht doch nur Selbstgespräch? Am Ende der Leitung hört überhaupt niemand zu, mein Gebet bleibt an der Decke kleben wie ein gefangener Luftballon. Ich habe keine Lust. Und überhaupt, so eine Zeitverschwendung. Gott liebt mich doch auch, wenn ich nicht bete. Ich habe Gott nichts zu sagen. Als ich diese Gründe aufgeschrieben habe, ging das zu meiner Überraschung sehr schnell. Ich habe nur eine Minute gebraucht, um diese stattliche Liste an Begründungen aufzustellen. Und es sind doch gute Begründungen, oder sind sie es nicht? Ich möchte ein kleines Experiment wagen.
[An dieser Stelle hole ich mir jemanden nach vorne, wir sitzen nun neben- oder voreinander. [X] ist sein/ihr Name. Ich bin während des Bühnenaufbaus betont freundlich zu [X] und zuvorkommend, ich lächle. Wenn wir aber sitzen, dann schaue ich ernst drein.] Du, [X], ich bin so müde. Ich kann jetzt wirklich nicht mir dir reden. Ach, das geht heute nicht, [X], ich hab noch so viel zu erledigen, wir reden ein andermal. [X]... Ich habe keine Ahnung, wie ich mit dir reden soll. Jedes Mal, wenn ich mit dir rede, [X], dann ist es, als würdest du mir überhaupt nicht zuhören. Ich will nicht mit dir reden. Sei mir nicht böse, [X], aber ehrlich gesagt geht es mir auf die Nerven, mit dir zu reden. Ich würde jetzt so gerne etwas anderes tun. Ach komm schon, [X], warum sollten wir denn miteinander reden? Du weißt doch schon alles. Ich weiß doch, dass du mich magst, auch wenn wir uns anschweigen. [X]: Ich habe dir nichts mehr zu sagen. [Ich lasse ein paar Sekunden Stille sein.] Wie kalt und verletzend mir meine Gründe scheinen, jetzt, wo ich sie einem Menschen ins Gesicht sage. Ich will jetzt nicht mit dir reden, ich habe dir nichts zu sagen, ich ruf dich in einem Monat wieder an. Wenn ich davon ausgehe, dass es Gott wirklich gibt, dann schäme ich mich und erschrecke darüber, wie ich mit Gott oft umgehe. Gott, der uns Vater und wie eine Mutter ist, so sagen wir immer am Beginn des Gottesdienstes. Was für ein Sohn, was für eine Tochter bin ich? Ich rede, den ganzen Tag rede ich, die ganze Welt redet unablässig. Wir telefonieren, dank Flatrate stundenlang. Wir schwatzen mit Freunden und Kollegen, wir bloggen, wir twittern (auch die MCC), wir mailen, wir skypen, wir sind bei Facebook, GR, MySpace, Google+, wir sind bei MSN, bei ICQ und wie sie alle heißen. Unablässig reden wir. In den vereinigten Arabischen Emiraten kommen auf 100 Einwohner 232 Handyverträge 1! Aber der einzige, der in unserem Leben wirklich etwas zu sagen hat, Gott, der uns Vater und wie eine Mutter ist... der ist uns oft nur ein paar Minuten des Tages wert. Meine Lieblingsstelle im Neuen Testament ist die Folgende aus dem Römerbrief, Kapitel 1 Vers 31 bis 38: Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? [ ] [I]n dem allem überwinden wir weit um deswillen, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm HERRN. Gott, der in Jesus Christus unser Bruder geworden ist, ist für mein Schweigen gestorben und meine faulen Ausreden. Gott ist für meine Müdigkeit gestorben und meine Hektik, für meine Sprachlosigkeit und meine Unlust, für meine Trägheit, meine Zweifel, meine Enttäuschung. Nichts von dem ist ihm neu. Ich will mich also an den Römerbrief halten und niemandem vorschreiben, wieviel oder -oft er zu beten hat, es gibt kein Patentrezept. Für den einen wäre es wohl gut, regelmäßig die Morgenstunden mit Gott zu teilen (auch, wenn es hart ist), ein anderer braucht vielleicht weniger Gebet und mehr Taten, ein dritter braucht vielleicht jemanden, der mit ihm zusammen betet. 1 http://www.theatlantic.com/technology/archive/2011/08/the-10-most-cell-phone-loving-places-on-theplanet/243778/#slide10
Aber nur, weil es viele Möglichkeiten gibt, heißt das nicht, dass es egal ist, welche Form dein Gebetsleben annimmt. Dass wir mit Gott reden können ist teuer erkauft mit Jesu Blut. Deswegen ist dieses sicher: Dass Gott sich von uns nichts sehnlicher wünscht, als dass wir sein Liebe erwidern. Gebet ist eine Möglichkeit, seine Liebe zu erwidern. Wen du liebst, mit dem redest du. Wen du liebst, mit dem redest du. Und vielleicht ist Liebe auch Arbeit, Arbeit, Arbeit würde Harpe Kerkeling sagen. Ich habe einen kleinen, fast schon zaghaften Vorschlag. Lasst uns doch einfach einmal annehmen, dass es Gott wirklich gibt. Dass er genauso hier neben mir sitzen könnte wie [X] und [Y]. Lasst uns annehmen, dass Gott tatsächlich da ist, wenn du morgens aufstehst. Wie wäre es, wenn du in den kommenden Tagen nach geschlafener Nacht die Augen öffnest, gähnst, und dann laut sagst: Guten Morgen, Gott! Die Nacht war viel zu kurz, lass uns Zähne putzen gehen. Gott will so ein alltäglich Bestandteil deines Lebens sein. So natürlich, wie das Zähneputzen am Morgen, das Essen und Trinken, das Lieben und Leiden für dich ist. Wo Gott bei dir Fuß fassen kann, da ist Hoffnung und Leben. Guten Morgen, Gott! Die Nacht war viel zu kurz. Lass uns aufsteh'n. Amen.
Weitere Impulse: Das Jesus-Gebet: http://de.wikipedia.org/wiki/jesusgebet (=> in der Zeit der Stille nach der Predigt) Wir schließen die Augen. [Sitzen am Strand unter einem Baum, frische Luft, Schiff am Horizont verschwindet; Wahrnehmen des Körpers und aller seiner Einzelheiten, des Herzschlags und des Atems; In Folge tief ein- und ausatmen; dabei bleiben; Übergang Jesus/Christus] Bonhoeffer: Der Morgen (=> als Zettel hinten auslegen) Herr, lehr uns beten (Gedicht von Johannes Jourdan) (=> als Abschluss des Gottesdienstes anstelle des Orgelnachspiels ohne Orgel) Herr, lehr uns beten Die Hände, die sich falten, ruhn von der Sorge aus. Wer in die Stille eintritt, kommt von weither nach Haus. Die Hände, die sich falten, lässt Gott ganz ruhig sein. Wenn du die Hände faltest, bist Du nicht mehr allein. Warum machst du dir Sorgen, wenn du doch beten kannst und damit was dich umtreibt aus deinem Herzen bannst? Warum machst du dir Sorgen, wo Gott doch bei dir ist und wo in seinem Lichte den neuen Tag du siehst? Das Beten ist die Quelle für jedes rechte Tun. Darum lass vor der Arbeit die Hände betend ruhn. Das Beten ist die Quelle, aus der die Gnade quillt, die durch der Beter Hände im Dienen sich erfüllt. Die Hände, die sich falten, erschließen sich im Leid. Was im Gebet dir aufgeht, macht dir das Herz ganz weit. Du lebst, wo Gott dich segnet, ja nie für dich allein. Der Beter wird als Täter ein Zeuge Jesu sein. Herr, lehr uns beten, dass wir mit dir reden, wie Kinder mit ihrem Vater! Johannes Jourdan
Gottesdienst am 28.08.2011 1. Vorspiel & Begrüßung & Gebet (Daniel) 2. Lesung ( ) 3. Bitte um Vergebung (Stefan?) 4. Lied: Gott, sieh her hier sind wir nun (Agnes) 5. Andacht (Daniel) 6. Glaubensbekenntnis (Daniel) 7. Lied: Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang (Agnes) 8. Moderierte Stille (Daniel) 9. Lied: Hevenu Shalom (Agnes) 10. Gebet Fürbitten Vaterunser (Daniel?) 11. Friedensgruß (Bodo?) 12. Abendmahl (Agnes) 13. Kollektensammlung, Ansagen, Einladung zum Social Meeting (Daniel) 14. Abschlussgebet und Segen (Gott) 15. Orgelnachspiel ohne Orgel und Nachspiel (CD-Player)