Therapieprogramm für Kinder mit aggressivem Problemverhalten THAV Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Kinderpsychologie Biopsychosoziales Erklärungsmodell - Biologische Einflüsse (z.b. männliches Geschlecht, prä- und perinatale Faktoren u.a.) - Psychische Einflüsse (z.b. unzureichende Impulskontrolle, schwieriges Temperament u.a.) - Soziale Einflüsse (z.b. familiäre Stressbelastung, dysfunktionale Erziehungspraktiken, Ablehnung durch Gleichaltrige u.a.) 1
Mögliche Ansatzpunkte sozialer Kompetenztrainings Störungsaufrechterhaltende Prozesse Interventionen Störungen sozial-kognitiver Informationsverarbeitung Sozial-kognitive Interventionen Störungen der Impulskontrolle Störungen sozialer Fertigkeiten Aggressives Verhalten Ärgerkontroll-Training Problemlöse- und Fertigkeitentraining Störungen sozialer Interaktionen Modifikation sozialer Interaktionen Abb. 5: Störungs-und Interventionsmodell für das Therapieprogramm für Kinder mit aggressivem Verhalten Soziale Kompetenztrainings International (Wirksamkeit belegt): - Anger Coping Program, Coping Power Program (Child and Parent) J. E. Lochman et al. - Problem-Solving Skills Training (+ Parent Management Training), A. E. Kazdin - Child Social Skills and Problem-Solving Training (+ Parent Skills Training) C. Webster-Stratton Deutschland (Wirksamkeitsnachweise fehlen): Training mit aggressiven Kindern, Petermann/Petermann (10. Auflage, 2001) 2
Soziale Kompetenztrainings: elternzentriert - Positive Parenting Program,Triple P (Sanders et al.) - Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten, THOP (Döpfner et al.), - Präventionsprogramm für expansives Problemverhalten, PEP (Plück et al.) Soziale Kompetenztrainings I - Viele Programme sind gut evaluiert. - Manchmal Probleme in der Generalisierung und Stabilisierung des erlernten Verhaltens. - Der Einbezug der Eltern ist wichtig. - Die meisten Programme werden in Gruppen durchgeführt. 3
Soziale Kompetenztrainings II Standardisierte Kompetenztrainings können nützlich sein, wenn sie - altersgerecht sind - reale Problemsituationen behandeln - aufrechterhaltende Faktoren berücksichtigen - verschiedene Interventionskomponenten integrieren Biopsychosoziales Erklärungsmodell - Biologische Einflüsse (z.b. männliches Geschlecht, prä- und perinatale Faktoren u.a.) - Psychische Einflüsse (z.b. unzureichende Impulskontrolle, schwieriges Temperament u.a.) - Soziale Einflüsse (z.b. familiäre Stressbelastung, dysfunktionale Erziehungspraktiken, Ablehnung durch Gleichaltrige u.a.) 4
Mögliche Ansatzpunkte sozialer Kompetenztrainings Störungsaufrechterhaltende Prozesse Interventionen Störungen sozial-kognitiver Informationsverarbeitung Sozial-kognitive Interventionen Störungen der Impulskontrolle Störungen sozialer Fertigkeiten Aggressives Verhalten Ärgerkontroll-Training Problemlöse- und Fertigkeitentraining Störungen sozialer Interaktionen Modifikation sozialer Interaktionen Abb. 5: Störungs-und Interventionsmodell für das Therapieprogramm für Kinder mit aggressivem Verhalten Behandlungsansatz Individualisiert: reale, individuelle Probleme Multimodal: kind-, eltern-, schulzentrierte Interventionen auf verschiedenen Ursachenebenen für gute Generalisierung Greift Ursachenebenen auf: - Schulung der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung - Entwicklung und Stärkung von Impulskontrolle - soziales Problemlöse- und Fertigkeitentraining - Konsequenzen für aggressives Verhalten 5
Bestandteile von THAV Behandlungsmanual (Handbuch) CD-Rom mit allen Interventionen (Beobachtungsbögen, Rollenspielanleitungen, Verstärkerpläne, Bastelanleitungen, Elterninformationen etc.) Zu erwerben (nicht zwingend): Diverse Therapiematerialen wie Handpuppen, Ärgerthermometer etc. Zielgruppe Alter: 6-12 Jahre (Jungen und Mädchen) Schwerpunkt: Aggressives Verhalten gegenüber Gleichaltrigen, aber auch Erwachsenen (oppositionelles Verhalten) Behandlungssetting: Einzeltherapie und Kleingruppen, ambulanter Kontext Behandlungsdauer: Langzeittherapie bei kompletter Durchführung, einzelne Bausteine flexibel einsetzbar 6
kognitiv- behaviorale Elterninterventionen Veränderung dysfunktionaler Kognitionen und Erwartungen der Eltern Veränderung von Erziehungsverhalten und Rahmenbedingungen Unterstützung des Kindes bei dessen Therapieaufgaben (z.b. Erinnern an Beobachtungsbögen) Interventionen in der Schule Unterstützung des Kindes bei Therapieaufgaben Unterstützung des Kindes bei einer adäquaten Konfliktbewältigung (z.b. Anbahnung von Patenschaften) Kontingenzmanagement (Umgang mit Verstärkern) 7
klassische Durchführung Stundenstruktur 1. 15 Min. Bearbeiten der Therapieaufgaben 2. neue Bausteine bearbeiten 3. Spielen, was Kind möchte Die Bausteine für die Eltern können zumeist leicht modifiziert auch für Lehrer/ Erzieher benutzt werden. Inhaltlicher Aufbau Modul I: Vorbereitung, Diagnostik und Verlaufskontrolle Bausteine 1 3 Modul II: Sozial-kognitive Interventionen Bausteine 4 6 Modul III: Ärgerkontrolltraining Baustein 7 Modul IV: Fertigkeitentraining Bausteine 8 10 Modul V: Abschluss Baustein 11 8
Modul 1: Vorbereitung, Diagnostik, Verlaufskontrolle Inhaltlicher Aufbau Baustein 1: Beziehungsaufbau, Therapiemotivation, Ressourcenaktivierung Baustein 2: Diagnostik und Problemdefinition Baustein 3: Störungskonzept Modul 1 Baustein 1: Beziehungsaufbau, Therapiemotivation, Ressourcenaktivierung Indikation: immer 9
Beispielintervention: Ratespiel Ein (erstes) Verstärkersystem wird eingeführt. Modul 1 Baustein 2: Diagnostik und Problemdefinition 10
Identifikationsfigur Hallo! Ich bin Till Taff! Typische Problemsituationen von aggressiven Kindern werden in fortlaufenden Geschichten aus der Perspektive von Till geschildert. Das Kind soll sich mit Till und dessen Problemen identifizieren bzw. auseinandersetzen. Identifikationsfigur Till zeigt verschiedene aggressive und oppositionelle Verhaltensauffälligkeiten. Die Till Geschichten decken alle Ursachen und Interventionen für aggressives Verhalten ab. Till entwickelt im Laufe der Behandlung im Zuge einer eigenen Therapie soziale Kompetenzen. 11
Ärger- Thermometer Jason sagt Hurensohn Ein Kind lacht über mich Ein Kind schubst mich Soziogramm 12
Ärgerliste Wie häufig trat mein Ärger-Problem in der beschriebenen Situation auf? Ärger-Problem-Liste nie manchma l (weniger als in der Hälfte der Situation en) in Hälfte der Situati onen fast immer (mehr als in der Hälfte der Situatio nen) immer Situation ist nicht aufgetret en 1. Wenn ich denke ein Kind lacht mich aus, haue ich ihm eine auf s Maul. 0 1 2 3 4 5 2. 0 1 2 3 4 5 X 3. 0 1 2 3 4 5 4. 0 1 2 3 4 5 Exploration der Eltern, Lehrer Einsatz von Fragebögen Auswahl der Interventionen Exploration und Verhaltensproben des Patienten Einsatz von Fragebögen nein Patient beurteilt Ausmaß von Ärger ja Intensiver Ärger? nein Beobachtung des Verhaltens im Rollenspiel nein Fehlwahrnehmung / Dysfunktionale Kognitionen? Problemlösung oder Verhalten ineffektiv? Beobachtung des Verhaltens in realer Situation ja ja Sozial kognitive Interventionen Ärgerkontrolltraining Problemlöse-Fertigkeitentraining Aggressives Verhalten? ja Selbstmanagement und Interventionen im natürlichen Umfeld mit positiven und negativen Konsequenzen 13
Modul 1: Baustein 3: Störungskonzept Indikation: immer Störungskonzept Eltern Ursachen des Problemverhaltens Einfluss der Eltern auf Problemverhalten (Eltern-Kind- Interaktion, positive und negative Verstärkung aggressiven Verhaltens) Erarbeitung der indizierten Interventionsebenen 14
Der Teufelskreis Aufforderung durch Eltern Wiederholung d. Aufforderung Nein befolgt? Ja andere Tätigkeit Nein befolgt? Ja andere Tätigkeit Nein Eltern drohen Eltern geben nach andere Tätigkeit Nein befolgt? Ja andere Tätigkeit Nein Eltern ratlos Eltern geben nach andere Tätigkeit Eltern reagieren aggressiv Störungsmodell Kind Was passiert, wenn ich wütend werde? Was kann ich dagegen tun? 15
Wut Tagebuch Ich bin mein eigener Detektiv und beobachte mich in Situationen, in denen ich wütend werde! Datum Was ist passiert? Was habe ich gedacht? Wie habe ich mich gefühlt? Ärgerthermometer (0-100) Was habe ich gemacht/ gesagt? Was ist danach passiert? OK? 8.7.10 Tom hat mir in der Schule meinen Stift weggenom men. Der will mich ärgern und mir den Stift kaputt machen. wütend 80 Ich habe ihn gegen die Tür gedrückt und ihm in den Bauch geschlagen. Er hat geheult und hat mir den Stift wiedergege ben. Nö Modul 2: Sozial- kognitive Interventionen Inhaltlicher Aufbau Baustein 4: Ärgergedanken- und Ärgerkillergedanken Baustein 5: Denkfallen und was ist stark? Baustein 6: Mitfühlen 16
Indikation und Ziele I Was ist passiert? Fehlwahrnehmung Was kannst Du tun? Was noch? Entwicklung aggressiver Lösungen Was wird passieren, wenn...? Nichtbeachten von Handlungskonsequenzen Was wird erfolgreich sein? Erfolgserwartung für aggressive Handlung Was kannst Du gut? Kompetenzvertrauen für aggressive Handlung Was wirst Du tun? Aggressive Handlung Indikation und Ziele II Ärger und Wut erzeugende Kognitionen erkennen und ändern Bei älteren Kindern: Grundüberzeugungen identifizieren und ändern 17
Modul 2 Baustein 4: Ärgergedanken und Ärgerkillergedanken Beobachtungsbogen Was ist passiert? + Was denkst Du? = Was fühlst Du? - Ein Kind rempelt mich an. - Ein Junge guckt mich an. Ärgermacher: - Das hat es mit absichtlich gemacht! - Der will mich provozieren! - Wut, Ärger - Wut, Ärger - Ein Kind rempelt mich an. - Ein Junge guckt mich an. Ärgerkiller: - Das hat er wahrscheinlich aus Versehen getan! - Vielleicht schaut er nur zufällig in meine Richtung! - Ruhe - Gelassenheit 18
Wutbrille und die Ärgergedanken Coolbrille und die Ärgerkillergedanken 19
Detektivbogen Ich bin mein eigener Detektiv und beobachte mich in Situationen,in denen ich in Streit mit anderen gerate! Datum Was ist passiert? Meine Gedanken? (Ärgermacher) Meine Gefühle? Ärgerthermometer (0-100) Meine Reaktion Was ist dann passiert? OK? 15.7.06 Tom hat mir in der Der will mich ärgern Schule mein Heft und mir das Heft weggenommen. kaputt machen. Ich war stocksauer! 80 Ich habe ihm in den Bauch getreten. Er hat bei der Lehrerin gepetzt und ich hab Ärger bekommen. Nein. Wie kann ich das Problem noch sehen? (Ärgerkiller) Welche Gefühle hätte ich dann gehabt? Ärgerthermometer (0-100) Was hätte ich anderes tun können? Was wäre dann wohl passiert? OK? Der will mir einen Streich spielen. Wenn die Stunde beginnt gibt er es mir zurück. Ich wäre etwas unruhig. 20 Ich hätte ihm gesagt: Wenn die Stunde beginnt, musst Du es mir sowieso zurück geben. Zum Stundenbeginn hätte er es mir wiedergegeben Ja! Modul 2 Baustein 5: Denkfallen + Was ist stark? 20
Denkfallen In diesem Baustein geht es allgemeine Überzeugungen und Grundannahmen Denkfallen Ich darf mir nichts gefallen lassen, sonst halten mich die anderen für einen Feigling. Ich muss immer der Stärkste sein. Andere zu ärgern ist total cool und mutig. Gewalt ist toll. Ich darf mich mit allen Mitteln wehren. Welche kennst Du? Überprüfung auf Vor- und Nachteile! 21
Modul 2 Baustein 6: Mitfühlen (Emotionserkennung + Empathie) Beeinträchtigte Empathie (mangelnde Rollenübernahmefähigkeit) relative Unfähigkeit, sich in die Gedanken, Gefühle oder Motive eines anderen hineinzuversetzen. Folgen: - keine oder eine geringe emotionale Beteiligung bei traurigen oder freudigen Ereignissen - geringe Resonanz auf die Gefühle anderer - Schwierigkeiten über die eigenen Gefühle zu sprechen 22
Übungen zur Emotionserkennung, Rollenübernahme und Empathie Wütend Traurig Ängstlich Fröhlich Mein Freund hat mir was Tolles geschenkt! Hau ja ab, sonst passiert was! Gefühle spielen, malen, berichten Ich fühle/ fühlte mich glücklich, wenn/ als... Ich fühle/ fühlte mich wütend, wenn/ als... Ich fühle/ fühlte mich stark, wenn/ als... Ich fühle/ fühlte mich stolz, wenn/ als... 23
Modul 3: Impulskontrolle Inhaltlicher Aufbau Baustein 7: Impulskontrolle Indikation und Ziele Indikation: Bei verminderte Fähigkeiten: - Affekt- und Impulskontrolle - Bedürfnisaufschub -Frustrationstoleranz Ziele: - Entwicklung von Impulskontrolle - Frühzeitige Erkennung von Ärgersituationen - Einübung alternativer Möglichkeiten Dampf abzulassen 24
Möglichkeiten, Wut adäquat rauszulassen Das Biest besiegen: Integration bisheriger Interventionen - Das Biest zur Fahndung ausschreiben - Das Biest vor Gericht stellen - Ein Biest- Frühwarnsystem etablieren 25
Klappt das Frühwarnsystem? Arbeitet meiner Ärger- Polizei gut? Erkenne ich das Biest in meinem Alltag? Datum Situation Hat mein Frühwarnsystem funktioniert? Was hat meine Ärger- Polizei unternommen? Was ist danach passiert? Beispiel: 10.12.05 Ein Mitschüler ist mir auf den Fuß getreten. Ja! Ärger-Gedanke erkannt. Der Junge hat das absichtlich gemacht! Denkfalle erkannt. Ich darf mir nichts gefallen lassen. Körpersignal erkannt. Muskeln spannen sich an. Knautschball fest in meiner Hand gedrückt. Ärger-Killer-Gedanken eingesetzt. Das hat er aus Versehen gemacht. Cool bleiben! Ich habe ihm gesagt, dass er mir weh getan hat. Der Junge hat sich entschuldigt. Modul 4: Problemlöse- und Fertigkeitentraining Inhalt: Baustein 8: Kontakte aufnehmen und Freunde finden Baustein 9: nicht immer der Erste sein müssen Baustein 10: Konflikte lösen und Rechte durchsetzten 26
Ziele und Methoden Bei sozialen Kompetenzdefiziten wird sozial kompetentes Verhalten (Kontaktaufnahme, Konfliktlösung, Freunde finden etc.) erarbeitet und eingeübt mittels: - Rollenspielen - Patenschaften - Selbstbeobachtungsbögen. Modul 4 Baustein 8: Kontaktaufnahme, Richtige Freunde finden Indikation: wenig soziale Kontakte, wenig Freunde, aggressive Freunde Baustein 9: Immer der Erste sein müssen Indikation: dominantes Verhalten Baustein 10: Konflikte lösen und Rechte durchsetzen Indikation: immer 27
Rückgriff auf ältere Methoden Elternthemen - Wie viele Kontakte hat mein Kind? - Welche Freunde hat mein Kind? - Muss mein Kind immer der Erste sein? - Wie dominant bin ich selbst? - Wie lebe ich Konfliktlösung vor? - Konflikte und Gewalt in der Familie Anleitung zum Coaching 28
Modul 5 Inhalt: Baustein 11: Bilanzierung, Rückfallprävention, Ablösung Ziele Vertiefung der Therapieinhalte auf spielerische Weise mit dem Kind Bilanz ziehen: - Welche Verhaltensänderungen wurden erreicht? - Die Zufriedenheit mit der Therapie wird erfasst. Rückfallprävention (Möglichkeiten bei Wiederauftreten von Symptomatik) Gestaltung des Abschieds. 29
Bogen: Was schaffe ich alles? Es fällt mir meist... Ich schaffe es... noch sehr schwer Noch schwer noch manchmal schwer leicht sehr leicht fair zu verlieren ohne den anderen zu beleidigen. 1. 0 1 2 3 4 bei Streit nicht zu schlagen, zu treten... 2. 0 1 2 3 4 X X 3. 0 1 2 3 4 4. 0 1 2 3 4 Erfolg von aggressivem Verhalten von außen beeinflussen Durch ein verbessertes Kontingenzmanagement (Umgang mit Verstärkung), können Bezugspersonen und Lehrer Verhalten beeinflussen. 30
Außenstrukturierung anhand von Verstärkersystemen Mit den Eltern wird erarbeitet, auf welche Weise Aufforderungen und Regeln effektiv gestellt werden können. Verstärkung von erwünschtem Verhalten durch Eltern (Erzieher oder Lehrer) 31