Predigt, 01.01.2011 Hochfest der Gottesmutter Maria/Neujahr Texte: Num 6,22-27; Lk 2,16-21 (in St. Stephanus, 11.00 Uhr) Womit beginnt man das Neue Jahr? Manche mit Kopfschmerzen (warum auch immer), wir hier mit einem Gottesdienst, manche mit der stillen Hoffnung, dass ALLES besser wird, viele mit Freude und hohen Erwartungen, mindestens genauso viele mit Sorgen und Befürchtungen, und sehr sehr viele unter uns mit guten Vorsätzen für das Neue Jahr. Es ist schon etwas länger her (1994), da eine Umfrage ergab, dass mehr als 60% der Bundesbürger das Neue Jahr mit einem guten Vorsatz beginnen. Abnehmen wäre nicht schlecht, mehr Sport treiben sage ich mir; zu rauchen aufhören, vielleicht sogar weniger fernsehen, endlich eine unangenehme Arbeit erledigen, sich mehr Zeit nehmen für sich selbst, für die Familie, vielleicht sogar für Gott nehmen sich andere vor. Hört sich wirklich nicht schlecht an, dass so viele voller Elan an das neue Jahr herangehen. Allerdings wurde bei der gleichen Umfrage die Frage gestellt, ob denn diejenigen ein schlechtes Gewissen hätten, die den guten Vorsatz nicht einhalten würden: 80% antworteten mit Nein. Es scheint gar nicht so einfach zu sein, sich Gutes vorzunehmen oder schlechte Gewohnheiten aufzugeben. Man gewöhnt sich an fast Alles sogar an das Schlechte auch das wird einem irgendwann vertraut. Und das Wissen um die Probleme mit den guten Vorsätzen und den Änderungen, lähmt oft schon im Ansatz. 1
Ich sage schon manchmal, dass ich mir nichts mehr vornehme, weil dann die Enttäuschung und das schlechte Gewissen nicht mehr so groß sind, wenn s nicht klappt. Meistens meine ich das nicht so ernst aber es hat was. Andere überfordern sich von Anfang an mit zu vielen Vorsätzen, laufen ihren Vorgaben ständig nach und sind mit dem unzufrieden, was sie haben oder erreichen. Erich Kästner hat das 1950 in einer: Kleinen Neujahrsansprache vor jungen Leuten., auf den Punkt gebracht. Man soll das neue Jahr nicht mir Programmen beladen wir ein krankes Pferd. Wenn man es allzu sehr beschwert, bricht es zu guter Letzt zusammen. Je üppiger die Pläne blüh n, umso verzwickter wird die Tat. Man nimmt sich vor, sich schrecklich zu bemüh n, und schließlich hat man den Salat. Es hilft nicht viel, sich rotzuschämen. Es nützt nichts und es schadet bloß, sich tausend Dinge vorzunehmen. Lasst das Programm, und bessert euch drauflos! Bessert euch drauflos der Mann hat gut reden Unsere Erfahrung sagt uns, dass das meistens nicht so einfach ist. Zu oft haben wir schon Enttäuschungen mit unseren guten Vorsätzen erlebt, zu oft wurden unsere guten Wünsche für das Neue Jahr nicht erfüllt. 2
Der Wunsch nach Gesundheit, Glück und Liebe, nach beruflichem Erfolg und einem erfüllten Leben all das nehmen wir mit hinein in das Neue Jahr und wissen doch von vornherein: Wir können viel dafür tun, aber planen und machen lässt sich das alles nicht. Denn wie oft scheitern wir bei unseren guten Vorsätzen schon am Anfang an unseren oder fremden Grenzen? An der Situation, in der wir leben, arbeiten müssen, und die sich eben nicht so einfach verändern lässt? Realistisch betrachtet muss so manches schlicht und ergreifend ertragen werden; und auch das ist oft schwer genug und eine große Leistung. Darum doch die Schlussfolgerung: Besser gar keine Vorsätze, gar keine Veränderungswünsche, um sich die Enttäuschung zu ersparen? Resignieren: man kann ja doch nichts tun? Das ist mir dann doch irgendwie zu einfach. Ohne Vorsätze, Pläne und Ziele lebt man nicht mehr, sondern wird nur noch gelebt. Und manchmal kann man tatsächlich etwas tun. Ein kleiner Vorsatz ins Leben umgesetzt, kann manchmal große Folgen haben. Seit einigen Jahren ist mir ein kurzes Gebet von Antoine de Saint Exupéry wichtig geworden; er betete: Ich bitte nicht um Wunder und Visionen, Herr, sondern um die Kraft für den Alltag. Das ist auch mein Wunsch für uns für das neue Jahr: Ich bitte nicht um Wunder und Visionen, Herr, sondern um die Kraft für den Alltag. 3
Für mich sind das Worte, die nicht abheben, sondern sehr realistisch bleiben: Es muss nicht das Außergewöhnliche sein, Herr, gib mir Kraft für das, was kommt. Die Feiertage gehen bald vorüber. Der sogenannte graue Alltag kehrt bald wieder ein. Realistisch betrachtet wird vieles auch im Neuen Jahr so weiter gehen wie bisher (viele haben sogar den stillen Wunsch: Hauptsache es wird nicht schlechter! ) Unsere Erfahrung sagt uns: Wir können den alten Menschen nicht so einfach abstreifen. Unsere Probleme, Sorgen und Ängste, so gerne wir sie zurücklassen möchten, nehmen wir oft wie eine alte Hypothek mit vom alten ins neue Jahr. Manche würden sogar am liebsten stehen bleiben oder umkehren aber das geht auch nicht. Was hilft beim Weitergehen? Sicher muss man die eigenen Kräfte richtig einschätzen das ist die Grundvoraussetzung. Aber ich glaube, es ist wichtig, nach einem Verbündeten zu suchen, der immer mitgeht, einer Hoffnung, die stark macht, einer Zuversicht, die Mut schenkt, einem Vertrauen, das uns auf unserem Weg, trotz allem, in allem, trägt. Die Verheißung von all dem, in unseren Alltag hinein gesprochen, die haben wir in der Lesung gehört: Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. (Num 6,25) Gerade am Beginn des Jahres: Eine sehr tröstliche Zusage, eine, die wirklich Kraft schenken kann. Wir sind Gott nicht gleichgültig. Gott schaut auf uns und unser Leben: Mit Verständnis, Wohlwollen und Liebe, 4
so die Worte der Hl. Schrift. Wir sind als Menschen darauf angewiesen, dass uns jemand liebevoll anschaut und nicht nur einfach nach seinen Maßstäben bemißt und beurteilt. Wenn wir beim Gegenüber Wohlwollen, Liebe, Interesse spüren, dann kann es uns Kraft für den nächsten Schritt geben. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten! nicht nur am Anfang, nicht nur in den großen Momenten und wichtigen Entscheidungen im Neuen Jahr, sondern gerade auch im Alltag mit den vielen kleinen Dingen und Aufgaben, den manchmal leidvollen Erfahrungen. Im Alltag, wo so viele Wünsche unerfüllt bleiben, so viele Pläne scheitern, wo Beziehungen gefährdet sind, Niederlagen und Enttäuschungen unvermeidlich spüre, schöpfe Kraft daraus, dass Gott um dich und dein Leben weiß, dass du von IHM in jeder Situation angenommen und geliebt wirst, dass ER dich niemals aufgibt, nie vergißt. Vielleicht könnte das tatsächlich ein Vorsatz für dieses Neue Jahr sein ein kleiner Vorsatz, der viel verändern könnte: Ich denke daran, dass Gott mich ansieht; ich bin IHM nicht gleichgültig. Im heutigen Evangelium wird berichtet, wie Maria und Josef ihrem Kind den Namen Jesus geben. Der Name Jesus bedeutet übersetzt: Jahwe rettet, Gott hilft. Diese Zusage gilt für jeden/jede von uns! SEIN JA gilt auch im kommenden Jahr ohne Wenn und Aber, auch dort, wo uns schwere oder gefährliche Wege nicht erspart werden. Denn davor bewahrt der Glaube nicht: Gott ist kein Zauberer und SEIN Segen ist kein Zauberspruch. 5
Das eigene Planen, Tun und Sorgen kann durch nichts ersetzt werden. Aber wo wir uns von IHM bewußt ansehen lassen, wo wir IHN mitgehen lassen all die vielen Alltage im Jahr, dort können wir Kraft und Hoffnung auch im Schweren erfahren. Was wird das Neue Jahr bringen? Welche Wünsche werden erfüllt, welche Vorsätze werden gelingen? Keiner weiß es genau und das ist auch gut so. Und trotzdem können wir unter Gottes Angesicht in Zuversicht die ersten Schritte wagen, verbunden mit dem Wunsch: Ich bitte nicht um Wunder und Visionen, Herr, sondern um die Kraft für den Alltag. 6