Sich selbst ein guter Freund sein. (Erste Hilfe bei depressiven Episoden)



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Transkript:

Sich selbst ein guter Freund sein (Erste Hilfe bei depressiven Episoden)

Eine bittere Wahrheit Eine bittere Wahrheit Hallo und herzlich willkommen bei meinem feschen Email-Coaching! (: In diesem kleinen Willkommens-Ebook will ich dir eine erste Methode vorstellen, welche dir helfen soll, mit deiner Depression besser fertig zu werden. Ja, du hast richtig gelesen. Es geht mir erst mal nicht darum, deine Depression zu reduzieren oder dir durch irgendeine tolle Wellness-Übung schnell ein paar angenehme Gefühle zu verschaffen. Betrachte die Reduzierung und schließlich die Heilung deiner Depression als Langzeit- Ziel, für das wir in den nächsten Wochen ein stabiles Fundament bauen werden. Mein Ziel ist es, dir wirklich zu helfen und dich nicht mit einer Kurzzeit-Lösung nach dem Motto 10 schnelle Tipps um deine Depression noch heute zu reduzieren abspeisen. Viel wichtiger, als noch heute ein paar angenehme Gefühle zu produzieren ist es, dass du als erstes lernst, mit deinen unangenehmen Gefühlen besser umzugehen. Denn eine bittere Wahrheit muss ich dir jetzt leider absolut unmissverständlich klarmachen: Der Schlüssel zur Heilung ist NICHT, ein paar coole Methoden zu lernen, die dich fix wieder glücklich machen, wenn du gerade depressiv bist. Der Schlüssel zur Heilung ist, auf gesunde und heilsame Art mit den negativen Gefühlen und Gedanken deiner Depression umzugehen und dann, auf lange Sicht, Verhaltensweisen zu entwickeln, die dich Stück für Stück aus deiner Depression befreien. Falls dich diese Wahrheit jetzt verschreckt ist das nur allzu verständlich. Es klingt nach Arbeit, es klingt nach Schmerz und es klingt nach einem langen und steinigen Weg. Und das ist es auch. Zum Teil zumindest. Klar, ich könnte dich anlügen und dir erzählen, welche Wundermittel ich für dich in petto habe, womit du morgen schon glücklich und depressionsfrei bist und außerdem einen tollen Sportwagen und ein Sixpack dein eigen nennst. Aber ich hasse Marketing-Masken. Ich will ehrlich zu dir sein, offen und klar sprechen. Und daher sage ich dir gleich von Anfang an: Nichts, was im Leben wirklich von Wert ist, kommt umsonst. Und ein zufriedenes und erfülltes Leben aufzubauen, welches der einzige langfristige Weg aus der Depression ist, erfordert Arbeit und Zeit. Aber ich sage dir auch: Ich bin überzeugt, dass du diesen Weg gehen kannst, auch wenn du selbst vielleicht noch nicht daran glaubst. Mit meinen Anweisungen wirst du Schritt für Schritt die Kraft und Energie entwickeln, um diesen Weg gehen zu können. Du wirst Unabhängigkeit von negativen Gefühlen und Gedanken erlangen, erfahren, wie du immer handlungsfähig bleibst, wie du dein Gehirn systematisch heilen und die Saat für echte Ausgeglichenheit pflanwww.lebenohnedepression.com 2

Der richtige Umgang mit der Depression zen kannst und wie du, selbst, wenn du noch depressiv bis, bereits tiefe Erfüllung und Glück aus dem Prozess der Heilung ziehen kannst. Also, denke daran: Die Heilung der Depression ist unser Langzeit-Ziel. Daher wird meine erste konkrete Übung für dich auch kein Mittelchen sein, wie du schnell wieder fröhlich wirst. Warum es gerade am Anfang viel wichtiger ist, einen gesunden Umgang mit der Depression zu entwickeln, statt sie so schnell wie möglich loszuwerden, werde ich dir im E-Mail-Kurs noch zu genüge erklären. Heute will ich dir beibringen, wie du in Zeiten der Schwärze und Trauer dir selbst ein guter Freund sein kannst. Ich will dir zeigen, wie du Sanftheit und Mitgefühl entwickeln kannst, um dich in dieser schweren Zeit aufzufangen und zu halten. Der richtige Umgang mit der Depression Dies mag für dich vielleicht nach abgedroschenem Pädagogen-Gequatsche klingen, aber in Zeiten der Depression ist es wichtig, sanft und mitfühlend mit sich selbst umzugehen. Doch leider machen die meisten Menschen unbewusst genau das Gegenteil. Sie sind hart und verurteilend zu sich selbst, beschimpfen sich im Geiste oder machen sich systematisch herunter. Während einer depressiven Episode kreisen unsere Gedanken oft unaufhörlich darum, was im Leben gerade alles schiefläuft. Wie beschissen und sinnlos die eigene Existenz im Allgemeinen ist und wie unfähig, minderwertig und schwach man selbst im speziellen. Um es kurz zu machen: Dies ist nicht besonders hilfreich! Überlege dir einen Moment folgendes: Wenn du dich so richtig traurig und niedergeschlagen fühlst, wie sollte sich ein von dir geliebter Mensch (zum Beispiel deine beste Freundin oder dein Beziehungspartner) im Optimalfall dir gegenüber verhalten? Nehmen wir an, ihr seid im selben Zimmer, sitzt zusammen auf einem Sofa oder dem Bett und du bist psychisch einfach nur total am Ende. Ich weiß, jeder Mensch ist anders, doch wenn du auch nur ein klein wenig wie ich bist, dann stimmst du mir sicherlich in folgenden Punkten zu: Wenn ich großen emotionalen Schmerz verspüre und einen geliebten Menschen bei mir habe, dann will ich, dass die Person für mich da ist. Dass die Person meine Gefühle respektiert und mich in meiner Trauer ernst nimmt. Dass die Person wahrnimmt, wie es mir geht und mir die Freiheit gibt, meine Gefühle auszudrücken, ohne mich dabei zu verurteilen, krampfhaft aufzuheitern oder meine Gefühle zu bagatellisieren. Wenn ich über meine Gefühle reden will, ist das ok und die Person hört mir aufmerksam zu und wenn ich schweigen will, ist das auch www.lebenohnedepression.com 3

Der richtige Umgang mit der Depression ok und wir schweigen einfach gemeinsam. Ich will, dass die Person mir einfach nur zeigt, dass ich mit meinem Schmerz nicht alleine bin. Dass ich jemanden habe, der für mich da ist. Und wenn ich weinen muss, ist es schön, einfach sanft in den Arm genommen zu werden, ohne Scham vor meinen Gefühlen. Einfach nur gehalten werden, während man sich ausweint. Und schließlich, nach einer Weile, wenn ich mich beruhigt habe, hilft mir die Person aufmunternd, wieder auf die Beine zu kommen. Klingt das gut? Was ist die Grund-Aussage, die in all diesem Verhalten mitschwingt? Ich würde sagen: Ich bin für dich da. Ich kümmere mich um dich. Ich verstehe dich. Ich nehme dich mit deinen Gefühlen ernst und ich akzeptiere dich so wie du bist, ohne dich verändern zu wollen. Aber in den langen Jahren der Depression habe ich leider nicht sehr oft solche Reaktionen von meinen Mitmenschen bekommen, wenn ich versucht habe, mich und meine Gefühle auszudrücken. Am ehesten noch von meiner jeweiligen festen Freundin, doch selbst hier habe ich in frustrierender Regelmäßigkeit nicht unbedingt das bekommen, was ich gebraucht hätte. Ein paar Beispiele gefällig, welche Reaktionen man stattdessen oft erntet? Gutgemeinte Ratschläge: Nimm das Leben nicht so schwer, Sieh die Sache doch mal positiv, mach doch einfach XY Unverständnis: Du hast doch gar keinen Grund, so traurig zu sein. Was ist nur mit dir los? Den Schmerz bagatellisieren: Hey, den Kindern in Afrika geht es viel schlechter als uns hier... Erklärungen, warum deine Gedanken und Gefühle irrational sind Aufforderung zu mehr Optimismus: Sieh doch mal die positive Seite an der Sache! Die depressive Person meiden Wütend werden: Verdammt jetzt hör endlich auf damit! Schlechtes Gewissen machen: Ich bin in letzter Zeit auch ständig traurig wegen dir Du machst mich manchmal so fertig Beschuldigen: Du bist doch eigentlich selbst schuld an deiner Situation, krieg einfach dein Leben auf die Reihe, statt hier rumzujammern. www.lebenohnedepression.com 4

Ein Mensch, der immer für dich da ist Nicht zuhören oder ignorieren, dass es dir nicht gut geht oder das Thema wechseln Und der Klassiker: ach scheiß drauf, lass uns einen saufen/high werden Kommen dir manche dieser Reaktionen bekannt vor? Sicherlich hast du beide Seiten schon erlebt. Natürlich sind nicht alle der oben genannten negativen Reaktionen per se schlecht. Doch in Momenten tiefer Trauer ist es wichtig, einen Raum für den eigenen Schmerz zu schaffen, statt zu versuchen, die negativen Gefühle so schnell wie möglich zu ändern. Nach einer Weile, wenn man sich ein wenig beruhigt und stabilisiert hat, ist man meist auch bereit, konstruktiven Lösungsvorschlägen zuzuhören. Ein Mensch, der immer für dich da ist Gibt es in deinem Leben einen Menschen, der immer für dich da ist, wenn es dir schlecht geht? Ein Mensch, der dich auch in Momenten der Schwäche akzeptiert, egal was auch passiert sein mag? Ein Mensch, der dich und deinen Schmerz immer komplett versteht und genau weiß, wie es ist, sich so zu fühlen, wie du dich fühlst? Nein? Ich dachte ebenfalls lange Zeit, dass es in meinem Leben keinen solchen Menschen gibt. Aber inzwischen weiß ich, dass das nicht stimmt. Dieser Mensch existiert nicht nur, er war auch schon immer da. Ich habe es nur nicht gemerkt. Ich selbst bin dieser Mensch. Ich habe gelernt, wie ich mir in Zeiten der Trauer selbst ein guter Freund sein kann. Wie ich mich in Zeiten der Schwäche selbst halten kann, sanft, mitfühlend und verständnisvoll, bis der Moment überstanden ist. Natürlich ist es schön, jemand anderes zu haben, der dich tröstet, doch oft reagieren deine Mitmenschen nicht so, wie du es gerne hättest. Sie fühlen sich überfordert, überlastet, zeigen Unverständnis oder sie haben schlicht und einfach gerade keine Zeit. Sich traurig und allein zu fühlen und unbedingt jemanden zu brauchen, der dich tröstet, nur um festzustellen, dass niemand Zeit für dich hat, ist eine grausige Erfahrung. Außerdem wurde mir in solchen Momenten regelmäßig schmerzlich klar, wie abhängig ich emotional von anderen Menschen war und wie wenig in der Lage, allein mit meinen düsteren Gefühlen klarzukommen. Ich selbst hatte viele Jahre das Problem, dass ich mir bei starken Depressionen jemanden gewünscht habe, der mich auffängt, aber ich mich gleichzeitig nicht mehr traute, meine Mitmenschen zu belästigen, da ich aus schmerzhafter Erfahrung wusste, wie anstrengend ich www.lebenohnedepression.com 5

Mitgefühl, Sanftheit, Akzeptanz bin, wenn ich gerade depressiv bin. Also blieb ich lieber alleine und hatte so noch einen Grund mehr, deprimiert zu sein. Doch durch Meditation, Achtsamkeit und die Übung, die ich dir jetzt vorstellen werde, lernte ich nach und nach, wie ich mir selbst ein guter Freund sein kann. Und dies half mir nicht nur massiv, mit meiner Depression besser klarzukommen, sondern verbesserte auch stark mein Verhältnis zu meinen Mitmenschen, da ich mich so Stück für Stück aus einer destruktiven emotionalen Abhängigkeit befreite. Diese Fähigkeit kannst du ebenfalls erlernen. Und der große Vorteil: Egal, wie abgefuckt das Leben manchmal läuft, egal wie traurig sich gerade alles anfühlt, DU selbst bist immer da, um dich aufzufangen. Leider haben die wenigsten von uns gelernt, mit emotionalem Schmerz auf gesunde Art und Weise umzugehen. Stattdessen gehen wir mit uns meist hart ins Gericht, putzen uns runter oder versuchen uns verzweifelt abzulenken oder aufzuheitern, um bloß die Traurigkeit nicht mehr zu spüren. Tatsächlich sind wir für uns selbst mit bedrohlicher Regelmäßigkeit genau die Person, welche die eher destruktive Reaktions-Muster nutzt. Lies dir die oben beschrieben Reaktions-Muster geliebter Mitmenschen noch einmal durch (aus dem Abschnitt Sanftheit entwickeln ) und überlege dir, wie du normalerweise mit dir selbst umgehst, wenn du dich depressiv fühlst. Lass mich raten: Nicht allzu nett und verständnisvoll oder? Und auch wenn es für dich jetzt vielleicht noch schräg, realitätsfern oder albern klingt, ich sage dir hiermit, dass es möglich ist, die eigene Beziehung zu sich selbst so zu ändern, dass man der gute Freund wird, den man in solchen Situationen wirklich braucht. Mitgefühl, Sanftheit, Akzeptanz Wie du sicherlich schon oft erleben musstest, ist es gar nicht so einfach, sich selbst mit Mitgefühl, Sanftheit und Akzeptanz zu behandeln, wenn man es eigentlich am nötigsten hätte. Oft findet man genügend Gründe, um sich stattdessen so richtig schön fertig zu machen. Oder man jammernd endlos über die Anderen, über die Welt oder über die eigene, wahrlich abgefuckte, Lebenssituation. Oder man ist einfach nur kalt und lethargisch. Auf jeden Fall ist man weit davon entfernt, sich selbst liebevoll zu trösten. Ich schlage dir also vor, in Zukunft jedes Mal, wenn du dich traurig fühlst, einen Moment inne zu halten und nachfolgend beschriebene Übung durchzuführen. Diese Technik stammt aus www.lebenohnedepression.com 6

Übung: Eine sanfte Hand der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (kurz ACT) und ist genau dafür entwickelt worden Mitgefühl, Sanftheit und Akzeptanz für sich selbst zu entwickeln. ACT verbindet hier auf wunderschöne Weise die Erkenntnisse aus buddhistischen Lehren mit der praktischen Umsetzung von Verhaltenspsychologie. Bei dieser Übung und bei allen anderen Übungen, die ich dir noch in Zukunft zeigen werde, gilt folgende Faustregel: Je öfter und regelmäßiger du eine Übung ausführst, desto effektiver wird sie für dich. Um noch ein Klischee zu bedienen: Übung macht den Meister. Gerade am Anfang kann es sein, dass du mit einer Übung noch nicht so gut klarkommst oder einfach nicht den gewünschten Effekt erreichst. Keine Sorge, dass ist normal. Bei regelmäßiger Anwendung wirst du irgendwann immer schneller und besser in der Lage sein, die Resultate zu erreichen, die du anstrebst. Ach, eins noch: Solltest du ein Mann sein, dann hoffe ich, dass du es schaffst, über deinen eigenen Schatten zu springen. Viele Männer finden die folgende Übung ziemlich schwul, mädchenmäßig oder nur was für Schwächlinge. In deinem eigenen Interesse solltest du diese albernen Macho-Vorstellungen ablegen. Wahre Männlichkeit definiert sich nicht darüber, wie beschissen man sich selbst behandelt. Aber das nur nebenbei. Doch ich kann dich trotzdem beruhigen: Niemand sonst wird merken, dass du diese Schwuchtel-Übung anwendest, da du sie im Normalfall sowieso ganz alleine ausführst. Und glaube mir, du wirst bei der Durchführung dieses E-Mail-Coachings noch genügend Gelegenheiten haben, stark zu sein, die Zähne zusammenzubeißen und dich durchzuboxen. Doch alles zu seiner Zeit. Übung: Eine sanfte Hand 1. Setz dich auf einen Stuhl, richte deinen Rücken gerade auf und stelle deine Füße fest auf den Boden. Nun richte deine Aufmerksamkeit auf deine innere Gefühlswelt. Achte auf den emotionalen Schmerz, die Trauer oder welches Gefühl auch immer du in dir spürst. Versuche nicht, das Gefühl von dir wegzudrücken oder es sonst irgendwie zu verändern. Sei einfach nur da und fühle den Schmerz. Kannst du lokalisieren, in welcher Körperregion du dieses Gefühl spürst? Ist es vielleicht ein Stechen in der Brust? Oder eher wie ein heißes Stück Kohle im Bauch? Oder schnürt es dir den Hals zu? 2. Jetzt hebe eine deiner Hände und lege sie sanft und behutsam auf die Stelle, wo du den Schmerz am intensivsten spürst. Wenn du, statt emotionaler Schmerzen, dich eher wie betäubt fühlst, dann lege deine Hand auf die Stelle, die sich am betäubtesten anfühlt. www.lebenohnedepression.com 7

Übung: Eine sanfte Hand Wenn du Schwierigkeiten hast, eine klare Stelle ausfindig zu machen, dann lege deine Hand einfach nur sanft auf deine Brust, oder zärtlich auf deine Wange. Was sich für dich am besten anfühlt. 3. Stelle dir nun vor, die Hand würde einer geliebten Person gehören, die sich um dich kümmert. Einer Person, die mitfühlend, aufmerksam und absolut urteilsfrei ist. Die einfach nur für dich da ist und dich mit deiner Depression genauso akzeptiert, wie du gerade bist. Lasse deine Hand einfach nur sanft auf deinem Körper liegen und achte auf das Gefühl an dieser Stelle. Achte auf die Sanftheit und die Wärme. Wenn du möchtest, kannst du dich auch ganz behutsam ein wenig streicheln, so wie du es zum Beispiel bei einem Kind tun würdest, dass du trösten willst. 4. Stelle dir nun vor, wie sich die Verspannungen und Verkrampfungen an dieser Stelle anfangen zu lösen. Wie dein innerer Widerstand gegenüber dem Schmerz langsam nachlässt. Wenn du dich betäubt fühlst, dann stelle dir vor, wie die Taubheit nach und nach verschwindet und du die Gefühle dahinter spürst. Stelle dir vor, wie sich eine sanfte Wärme von der Stelle deiner Hand in deinem Körper ausbreitet, die nach und nach den inneren Widerstand auflöst. Ja, du spürst immer noch all die Trauer und den Schmerz, aber du brauchst deine innere Abwehrhaltung nicht mehr, denn du wirst gehalten und aufgefangen. 5. Verweile so! Halte dich selbst, während du trauerst. Sanft und liebevoll, so als würdest du einen trauernden geliebten Menschen im Arm halten. Wenn du dabei weinen musst, ist das absolut in Ordnung. Lass die Tränen zu und weine so lange, wie es eben dauert. Es ist ok, zu weinen. Es ist ok traurig zu sein. Niemand ist immer stark und es ist auch ok, sich selbst in diesem Moment der Schwäche einfach nur mit Liebe und Zärtlichkeit zu behandeln. 6. Nimm jetzt deine zweite Hand und lege sie sanft auf deinen Bauch während du deine erste Hand auf deine Brust legst. Wenn es dir hilft, dann stell dir vor, wie du einen geliebten Menschen in den Arm nimmst. Verweile in dieser Position so lange, wie es dir hilft und so lange es sich gut anfühlt. Es geht hierbei weniger um die Dauer, sondern mehr um die innere Haltung, die du bei dieser Übung dir selbst gegenüber einnimmst. Mitfühlend, Sanft und Liebevoll. Ich hoffe, dass diese Übung für dich hilfreich ist. Falls du sie bisher nur gelesen hast, empfehle ich dir, sie wenigstens ein paar Mal auszuprobieren, damit du sie auch wirklich anwenden www.lebenohnedepression.com 8

Übung: Eine sanfte Hand kannst, wenn es darauf ankommt. Solltest du im Moment keine Traurigkeit verspüren, dann kannst du auch eine Trockenübung machen, indem du am Anfang an etwas denkst, was dich sonst traurig werden lässt. In Momenten starker emotionaler Schmerzen vergisst man schnell alles, was man sich vorgenommen hat und je öfter du diese Übung trainierst, desto eher und schneller bist du in der Lage, sie auch anzuwenden, wenn es darauf ankommt. Es ist außerdem absolut wichtig zu verstehen, dass es bei dieser Übung nicht darum geht, deine negativen Emotionen loszuwerden. Auch wenn durch die Übung vielleicht dein Schmerz nachlässt, du dich entspannst oder sogar das Gefühl der Trauer verschwindet, ist dies nur ein angenehmer Nebeneffekt. Das Ziel dieser Übung ist es, deine innere Haltung zu ändern. Es geht darum, deinen inneren Widerstand gegen den Schmerz aufzulösen und deine Gefühle einfach nur zuzulassen, während du dich auffängst. Es geht darum, bedingungslose Akzeptanz für dich und deine Gefühle zu entwickeln. Auch die negativen und die schmerzhaften Gefühle. Du kannst diese Übung so oft du willst und so lange du willst verwenden. Gerade bei einer depressiven Episode kommt der Schmerz und die Trauer oft in Wellen und so bietet es sich an, diese Übung im Verlauf eines Tages immer wieder und wieder anzuwenden, um sich selbst ein guter und mitfühlender Freund zu sein. Und ja, ich weiß: Diese Übung wird nicht deine Probleme lösen. Doch darum geht es auch erst mal gar nicht. Löst du die Probleme eines trauernden Menschen, wenn du ihn liebevoll in den Arm nimmst? Nein! Aber du hilfst ihm dabei, sich zu beruhigen, sich zu zentrieren und schließlich neue Kraft zu schöpfen, um sich nach einer kurzen Pause seinen Problemen erneut zu stellen. Spiele mit der Übung herum, passe sie deiner Persönlichkeit an. Führe während der Übung leise ein beruhigendes Selbstgespräch, so als würdest einen geliebten Menschen trösten. Und wenn dir während der Übung destruktive Gedanken in den Sinn kommen, wie dumm und albern das alles ist, dann bedanke dich bei deinem Verstand für diesen interessanten Einwand und kehre wieder zur Übung zurück. Im E-Mail-Coaching wirst du bald lernen, wie du auf gesunde Art mit deinen destruktiven Gedanken umgehen kannst, sodass sie dich nicht mehr weiter beeinflussen, sowie weitere Übungen, um sinnvoll mit negativen Gefühlen umzugehen. Denn auch wenn wir versuchen werden, dich nach und nach von deiner Depression zu befreien, so wirst du auch in Zukunft immer wieder mit negativen Gefühlen und emotionalem Schmerz konfrontiert werden. Positive wie negative Gefühle gehören zum Menschsein dazu und es wäre realitätsfern zu versuchen, nur noch positive Gefühle zu empfinden. www.lebenohnedepression.com 9

Übung: Eine sanfte Hand Ich hoffe, dass dir dieses kleine Willkommens-Büchlein ein wenig helfen konnte. Und denk daran: Auf lange Sicht werden wir dich aus deiner Depression befreien. Aber jetzt geht es erst mal darum zu lernen, mit dem Status Quo auf konstruktive Weise klarzukommen. Bei Fragen, Kritik und generellem Feedback schreib mir einfach eine Mail und ich werde versuchen, dir zu antworten. Viel Erfolg, Jannis www.lebenohnedepression.com 10