Werkzeuge zur Anlagen- und Montageplanung Prof. Dr. sc.techn. Ulrich Schmucker Sondermaschinen- und Anlagenbau Magdeburg, 30.05.2012 Seite 1
Inhalt Chancen und Herausforderungen in der Produkt- und Anlagenentwicklung Das Konzept des Digitalen Engineerings Produktentwicklung im Sondermaschinen- und Anlagenbau IFF-Konzept einer durchgängigen Entwicklungsumgebung Praxisbeispiele: durchgängige Produkt- und Anlagenplanung Unterstützung der Montageplanung Seite 2
Produktentwicklung: Vom Reißbrett zum digitalen Modell Digitalisierung Digitales Geometriemodell 2D-CAD 3D-CAD Digitales Funktionsmodell (virtuelles Produkt) 1980 1990 2000 2010 Seite 3
Allgemeine Trends in der Produktentwicklung Bsp. Fahrzeug kürzere Produktlebenszyklen = kürzere Entwicklungszeiten höhere Variantenvielfalt Produzieren in Netzwerken Wichtigster Wettbewerbsfaktor: Entwicklungszeit!!!! Quelle: VW Seite 4
Motivationen zur Verbesserung des Entwurfsprozesses Beispiel: Mechatronische Produkte Verbesserungsdruck Kürzere Produktentwicklungszeiten 69% Höhere Kundenanforderungen an Produkte 44% Geringeres Entwicklungsbudget 25% Höhere Kundenindividualität der Produkte 20% Höhere Anforderungen an integrierte Elektronik/Software 16% Quelle: Aberdeen group Seite 5
Wesentliche Herausforderungen der Produkt- und Anlagenentwicklung Herausforderung Fehlendes qualifiziertes Personal /Mangel an 50% domänenübergreifendem Wissen Frühes Erkennen von Problemen auf Systemebene 45% Sicherstellung der geforderten Produkteigenschaften 40% Schwierigkeiten bei der Vorhersage /Modellierung der Produkteigenschaften vor dem physischen Prototypen Schwierigkeiten bei der Installation eines domänenübergreifenden PDM-Systems Verständnis der Auswirkungen einer Designänderung auf das Gesamtverhalten des Systems 32% 28% 18% Quelle: Aberdeen group Modellbildung/Simulation als Lösungsansatz Seite 6
DURCHGÄNGIGER LÖSUNGSANSATZ Basic Engineering Detail Engineering Bau und Montage Verfahrensentwicklung Inbetriebnahme Betrieb Ziel: Höchste Effizienz bei Planung, Entwicklung und Betrieb einer Anlage Methode: Vollständiges Planen, Errichten und Betreiben einer Anlage mit Methoden und Werkzeugen des Digital Engineerings Ergebnis: Wettbewerbsvorteil durch Ressourceneffizienz (Zeit, Kosten, Energie, ) Die Digitale Anlage umfasst u.a.: Vernetzte Informationen Funktionsweise der Anlage Arbeitsanweisungen für den Betrieb und Service Schulungsunterlagen Planung und Darstellung von Montageabläufen Seite 7
Was ist Digital Engineering? durchgängige Nutzung digitaler Methoden und Werkzeuge über den Produktentstehungs- und Produktionsprozess zielt auf eine verbesserte Planungsqualität sowie Prozessbeherrschung über den gesamten PLZ physikalisch korrekte Abbildung aller problemrelevanten Merkmale und softwaretechnischer Eigenschaften Interoperabilität (technischer, semantischer u. organisatorischer Ebene) der verwendeten Werkzeuge sind eine wesentliche Voraussetzung durch eine problemorientierte Kombination interoperabler Werkzeuge entstehen interaktive Modelle für alle Entscheidungsprozesse im Engineering Seite 8
LÖSUNGSBEISPIEL: THERMISCHE RESTSTOFFNUTZUNG Basic Engineering Detail Engineering Bau und Montage Verfahrensentwicklung Inbetriebnahme Betrieb Ziel: Verfahrensoptimierung zur Reststoffnutzung Methode: Numerische Simulation in Kombination mit CAD-Entwurf Ergebnis: Energie- und Rohstoffersparnis bei gleichbleibendem Endergebnis Seite 9 Folie 9
LÖSUNGSBEISPIEL: VIRTUELLES PRÜFFELD Basic Engineering Detail Engineering Bau und Montage Verfahrensentwicklung Inbetriebnahme Betrieb Ziel: Absicherung des Entwurfs durch Modellierung, Simulation, Tests Methode: Virtuelle Produktentwicklung Ergebnis: Zeitgewinn bei der Realisierung der Produktreife Durchgängige Datennutzung und verwaltung über den gesamten Entwicklungsprozess Seite 10 Folie 10
LÖSUNGSBEISPIEL: REDUZIERUNG VON VERLUSTEN IM BETRIEB Basic Engineering Detail Engineering Bau und Montage Verfahrensentwicklung Inbetriebnahme Betrieb Ziel: Reduzierung von Verlusten im Betrieb Methode: Optimierung des Energiemanagements und qualifizierter Systembetrieb Ergebnis: Steigerung der Energieeffizienz im Unternehmen 100 % Elektrische Leistungsaufnahme - 15 % Verluste am Motor - 30% Aufwand für Infrastruktur (Hydraulik, Kühlung, ) - 20% Betrieb ohne Last (Standby, Leerlauf) -10 % Verluste im Prozess (Reibung) = 25 % Prozessleistung Quelle: Pittrich: Branchenreport Energieeffizienz der Zeitschrift Fertigung 2007 Seite 11
Produktentwicklung im Sondermaschinen- und Anlagenbau In Deutschland ca. 2000 Unternehmen im Sondermaschinenbau, ca. 40 Mrd. Jahresumsatz, ca. 200.000 Beschäftigte 1 Hoher Wettbewerbsdruck (national und international) Typische Losgröße: 1, hoher Engineering-Anteil (>50%) Hohes Entwicklungsrisiko Interdisziplinäre Teams: serieller Projektfortschritt, geringe Integration auf Datenebene, Abstimmungsprobleme Virtuelle Entwicklung kann Probleme lösen, aber 1 Quelle: VDMA Seite 12
objektiv: Einführungshemmnisse bei VE-Systemen 1 keine integrierten Modelle für Produktlebenszyklus verfügbar keine methodische und technische Unterstützung für integrierten Systementwurf Heterogene und inkompatible Systeme fehlende integrierte Simulationsumgebungen fehlender Anschluß an PDM/PLM-Systeme subjektiv: fehlende Kenntnisse zum VE bei Entwicklern Überforderung durch Systemkomplexität hoher zusätzlicher Aufwand für virtuelle Szenarien 1 Quelle: IMS Seite 13
Handlungsbedarf für Produkt- und Anlagenentwicklung Planung Design / Konstruktion Analyse / Simulation Fertigung Detailentwicklung Inbetriebnahme Betrieb Wartung, Service Konstruktion Elektrik/ Elektronik Steuerung/ Regelung Programmierung Fertigung/ Bau Zeit vom seriellen Entwurf in isolierten Projektgruppen und mit inkompatiblen Datenstrukturen. Seite 14
Handlungsbedarf für Produkt- und Anlagenentwicklung zum durchgehenden simultanen/ virtuellen Engineering von der Konzeption bis zur Inbetriebnahme Planung Design / Konstruktion Analyse / Simulation Detailentwicklung virtuelle Inbetriebnahme Fertigung reale Inbetriebnahme Betrieb Wartung, Service Konstruktion Elektrik/ Elektronik Steuerung/ Regelung Programmierung Virtueller Prototyp Fertigung/ Bau Zeitgewinn! Zeit PDM Seite 15
IFF-Konzept eines durchgängigen Entwurfssystems Konzepte und Lösungen Domänenspezifisches Engineering Konstruktion, Elektromechanik, Elektrik, Elektronik, Steuerung, Regelung Datenmodelle Simulation und Visualisierung Signalverhalten Ablauf, Logik Physik, Bewegung spez. Simulation Visualisierung, Interaktion Module Schnittstellen Real-Time-Interface Hardware in the Loop SPS CNC Ablaufsteuerung Bedienung Reale Steuerung/ Bedienung Module Maschinenhardware (Elektrik, Elektronik, Mechanik) Reale Maschine von der virtuellen zur realen Anlage! Seite 16
Echtzeitdatenaustausch zwischen verschiedenen Anwendungen Simulation, Visualisierung, Interaktion Modellierungs-/Simulationstools (WinMOD, Matlab/Simulink, Dymola) Visualisierung (VDT, Java3D) Nutzer- / Bedienerinteraktion Test: Datenlogger/Player Echtzeitfähiger Datenaustausch durch Realtime-Interface RTI TC-IO SIMBApro Ethernet netx Profibus, Ind.Ethernet, CAN, IOs,... Twincat- Steuerung (Beckhoff) S7-Steuerung über Profibus NC- Steuerung über Profibus Siemens-S7- Steuerung Profibus, IOs, Profinet... Reale Prozessperipherie Seite 17
Beispiel: Automatische Modellgenerierung und Simulation eines Roboters Elektromechanisches Modell auf Knopfdruck (MKS-, Antriebsmodelle) Modelica/ Dymola CAD-Zeichnung Steuerung/Regelung (Matlab/Simulink) mechatronische Simulation VR-Animation Seite 18
Schneller von der CAD-Zeichnung zum Steuerungsprogramm Technisch komplexe Systeme, viele Bewegungsachsen (pneumatisch, elektrisch) Funktionalität kritisch für Gesamtanlage Iststand: Programmentwicklung an der realen Anlage > Zeitverzug Neu: Steuerungsentwicklung am virtuellen Modell Grobes CAD Modell Kinematisierung (Welche Baugruppe wird wie bewegt?) Zuweisung zu E/A s virtuelle Steuerung Ablaufdefinition (Wie soll sich die Anlage bewegen?) Zuweisung zu E/A s realer Steuerung (SPS, NC) Programmierung mit sofortiger Bewegungs und Kollisionskontrolle Test Soll vs. Istabläufe Absicherung der Fertigungstechnologie Seite 19
Beispiel: Automatische NC-Codegenerierung für Schweißautomaten Ausgangspunkt: CAD-Konstruktion Automatische Generierung eines kinematischen Maschinenmodells (hier: 32 Achsen!) Eingabe von Schweißpunkten und technologischen Prozessdaten Automatische Generierung des NC-Programms Simulation der Bewegung, Kollisionskontrolle Kopplung an reale NC-Steuerungen Automatische Verteilung auf 4 Steuerungen 840D, inkl. Synchronisation Virtuelle Inbetriebnahme Schulung Erstellung des getesteten Programms an einem Tag (früher: 2 3 Wochen) Seite 20
Beispiel: Nutzung von VE und VR zur Produkt- und Anlagenentwicklung Aufgabenstellung: Entwicklung eines neuen Produkts Membranfilter zur Trinkwasseraufbereitung und der dazugehörigen Fertigungsanlage Herausforderung: wichtige Produktparameter zu Beginn nur näherungsweise bekannt starke Kopplung von Produktionsprozess und Produkteigenschaften hohes Entwicklungsrisiko hoher Zeitdruck enger Kostenrahmen Lösungsansatz: Zunächst Entwicklung einer teilautomatisierten Anlage, wesentliche Fertigungsschritte automatisiert Erfahrungen sammeln Automatisierte Anlagen im zweiten Schritt Nutzung von Virtual Engineering zur Produkt- und Fertigungsentwicklung Seite 21
Simulationen der Produkteigenschaften: Verständnis der inneren Strömungsvorgänge Ansätze zur Produktoptimierung Parametrierbare Modelle der Grundmaterialien CFD-Simulationen mit verschiedenen Parametersätzen Ermittlung der Parameter mit dem größten Einfluss auf das Ergebnis Optimierung: Geschwindigkeitsverteilung Druckverlust Seite 22
FEM-Simulation mechanischer Produkteigenschaften Ermittlung wesentlicher mechanischer und geometrischer Parameter Nachweis der Festigkeit Optimierung von Bauteilvarianten Seite 23
Simulation des Herstellungsprozesses*) Aufwickeln von >100 Lagen Material auf einen Wickelkern Faltenfrei wickeln Außendurchmesser / Wickelhärte muss in vorgegebener Toleranz sein Verschiebungen zwischen den Lagen minimieren Beschädigungen der Membran vermeiden (max. Spannungen einhalten) Parametrierbares Modell zur Berechnung der Spannungen und Verschiebungen M Bestimmung und Optimierung wichtiger Parameter im Fertigungsprozess *) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mechanik der OvGU F Seite 24
Modellierung und Simulation von Anlagenkomponenten verwendete Materialien sind mechanisch sehr empfindlich einseitige Bahnführung Zugbelastungen müssen im engen Rahmen begrenzt werden Absicherung durch Simulation kritischer Anlagenteile Untersuchung verschiedener Regelungsansätze (Position, Kraft, Kraft- Weg) Simulation der auftretenden Kräfte bei unterschiedlichen Vorschubgeschwindigkeiten und Regelungskonzepten Absicherung des Entwurfs Seite 25
Beispiel für eine untersuchte Anordnung Bandlauf F L Simulationsmodell (Modelica) v Verlauf von Bahnspannung, Materialvorschub und Geschwindigkeit Seite 26
VR-gestützte Layoutplanung Ausgangspunkt: Hallenlayout, ungefähre Abmessungen der Anlagenkomponenten Darstellung im Elbe-Dom unter Nutzung des Planungstischs Komponenten zunächst nur als Quadrate, mit Konstruktionsfortschritt Übernahme der CAD-Daten in VR-Modell Modellverfeinerung Diskussion verschiedener Layoutvarianten Erprobung verschiedener Varianten manueller Fertigungsschritte, z.b: Anzahl der Arbeitskräfte Zuweisung der Arbeitsaufgaben Ermittlung der Laufwege als Basis für Zeitanalyse Rückschlüsse auf Layoutoptimierung Gemeinsame Entscheidung über das endgültige Layout Multitouch Planungstisch im Elbe Dom Seite 27
Von der Skizze zum VR-Planungsmodell Anlagenskizze Kästchenmodell am Planungstisch (Aufstellung und Laufwege) VR Planungsmodell (Video) Seite 28
Steuerungsentwicklung am virtuellen Modell Ausgangspunkt: CAD-Modell Kinematisierung, Festlegung der Bewegungsachsen (>50 elektrische Achsen) Überprüfung der Bewegungen durch Schieberegler Ankopplung der realen Steuerung (S7, Simotion) Programmierung der Abläufe ( noch konventionell ) Test der Abläufe am virtuellen Modell, (Reihenfolge, Synchronisation, Kollision) Video Seite 29
virtuelle Steuerungsentwicklung: Praktische Vorteile drastische Verkürzung der Programmierzeiten Programme sind zu ca. 80% getestet Fehlerfälle und Reaktionen können weitgehend getestet werden frühzeitige Programmentwicklung ermöglicht Rückkopplung zu Konstruktion und E-Technik Entwicklung der Bedienoberflächen gemeinsam mit dem Kunden zukünftig: Einbeziehung Pneumatik und Sensorik Programmieren durch virtuelles Teachen Berücksichtigung dynamischer Effekte Seite 30
Nutzung von VE und VR in der Montageplanung Ist-Zustand Arbeitsplanung beruht auf Expertenwissen sehr grobe Arbeitspläne, welche auf Projektvergleichen beruhen nachgelagerte zeitintensive Kommunikation Ist-Prozess Montageplanung Montage Ablaufplanung Überprüfung Montagebereich Detaillierung der Ablaufplanung Sichtung Montageplan Kommunikation Überprüfung Vorgängerprojekte Arbeitsausführung 4h 4h 4h 4h 4h 12h 80h 112h Anforderung Wissensträger dokumentieren und visualisieren ihr Know-how im Arbeitsprozess Seite 31
Planungsunterstützung für die Montage Kommunikationsmodell Planstrukturierung Editieren von Metadaten ( Wissen ) Einfache Animationserstellung Archivieren Seite 32
Praxisbeispiel: Montage von elektrischen Großmaschinen Ausgangspunkt: CAD-Daten einfache Szenarienerstellung Planung von Montageabläufen Überprüfung und Optimierung Wissensvermittlung Archivierung zukünftige Entwicklungen: Berücksichtigung von Montagetoleranzen Überprüfung von Erreichbarkeiten (Einbeziehung Menschmodell). Seite 33
Zusammenfassung durchgängiges Digitales Engineering ist zukünftig Standardwerkzeug zum Planen, Errichten und Betreiben von Maschinen und Anlagen Digitales Engineering ermöglicht schon heute effiziente und ressourcenschonende Entwicklungs-, Fertigungs- und Betriebsprozesse heutige Werkzeuge sind noch zu wenig an Bedürfnissen von KMU ausgerichtet Durchgängigkeit ist (schon / erst???) teilweise erreicht; entscheidendes Kriterium für Effizienz und Akzeptanz des DE Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter noch problematisch; kann und muß durch moderne Hochschulausbildung gelöst werden bietet Dienstleistungen und Unterstützung bei der Einführung des Digital Engineering in Unternehmen Seite 34
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 35