10. Kursjubiläum: Kurs am Humanpräparat Budapest Augmentieren und implantieren fast wie am Patienten Bereits zum zehnten Mal fand Ende Februar in Budapest ein Straumann- Kurs an nicht fixierten Humanpräparaten statt. Zur Einstimmung wurden spektakuläre Mordfälle und letale Zwischenfälle aus der zahnmedizinischen Forensik präsentiert. Dann übten die Teilnehmer im Keller der Gerichtsmedizin unter nahezu realistischen Bedingungen Hart- und Weichgewebsaugmentationen, Sofortimplantationen und Sofortversorgungen. Der Kurs bietet einzigartige Trainingsmöglichkeiten und kollegiale Stimmung in einer wunderschönen europäischen Metropole. Der praktische Teil findet im Institut für Forensische Medizin der Semmelweis- Universität Budapest statt und geht über zwei volle Tage. Zuerst steht diesmal eine Sofortimplantation mit Sofortversorgung auf dem Programm, eine Technik, die bisher nur wenige Kursteilnehmer durchgeführt haben. Professor Dr. Dr. Karl-Andreas Schlegel, Kieferchirurg an der Universität Erlangen, fasst die Theorie zusammen: Atraumatische Extraktion, Implantat palatinal versetzt platzieren, den Raum zwischen bukkaler Lamelle und Implantat bei über zwei Millimeter Distanz mit Knochenersatzmaterial auffüllen, sonst mit Kollagen. Dann geht es im Sektionssaal an die Körperspender und hier ist Teamarbeit angesagt: Je zwei Teilnehmer operieren und assistieren im Wechsel und setzen das Gelernte Schritt für Schritt um. Jetzt wird deutlich, dass die Kollegen unterschiedliche Vorkenntnisse haben: Chirurgen und Vielimplantierer kommen früher zum Ziel als Einsteiger, doch für alle ist die Sofortimplantation eine anspruchsvolle Technik. Wie echte Patienten bieten die Humanpräparate anders als Kunststoffmodelle sehr individuelle Bedingungen, zum Beispiel zirkulär unterschiedliches Knochenniveau, parodontalen Knochenabbau oder apikale Befunde. Die Teilnehmer werden kompetent und intensiv betreut. Zum Erlanger Team gehören neben Professor Dr. Dr. Schlegel die Oralchirurgen Dr. Anne Bauersachs und Dr. Christian Schmitt und die Prothetiker Professor Dr. Stephan Eitner und Dr. Julia Bauer. Nach einem stimmungsvollen ungarischen Restaurantbesuch am Donnerstag steht der Freitagabend für eigene Unternehmungen zur Verfügung. Ein weiterer Höhepunkt exklusiv für die Teilnehmer des Jubiläumskurses ist das festliche Dinner am Samstagabend. Am Samstag demonstriert der Oralchirurg und Privatdozent Dr. Hans-Joachim Nickenig (Universität Köln) Hart- und Weichgewebstechniken, die zunächst an Schweineohren (Nahttechniken) und Rinderrippen (Bonesplitting) geübt werden. Nachmittags und am Sonntag folgen wieder Übungen am Humanpräparat, darunter Sinuslift-Operation, orale Knochenentnahme und Blockaugmentation. Am Ende steht für 29 CE-Punkte eine schriftliche Erfolgskontrolle. 7 Professor Dr. Dr. Schlegel zeigt, wo es lang geht: Die Präparation des Knochenbetts für Sofortimplantate ist besonders anspruchsvoll. MORE THAN IMPLANTS STARGET 2 13 63
Der Kurs ist sehr gut organisiert, die Stadt Budapest bietet ein wunderschönes Ambiente. Die Übungsmöglichkeiten am Humanpräparat sind in Bezug auf Umfang und Qualität etwas ganz Besonderes. Hier kommt jeder Chirurg theoretisch und praktisch auf den neuesten Stand. Volker von Zitzewitz (Kieferchirurg, Arensburg) Filmkulissen und Forensik Bereits am zweiten Kurstag geht es zur Abwechslung hinaus in die Stadt, auf den spektakulären Burgberg im Stadtteil Buda. Auf dem Weg über die berühmte Kettenbrücke erläutert die Touristenführerin, warum eine große Hotelkette ihr Objekt am Donau-Ufer erst viele Jahre nach dem Erwerb umbaute: Die meisten Budapester sind Eigentümer ihrer Stadtwohnungen. Eine betagte Filmdiva wollte ihre Wohnung partout nicht verkaufen, beharrte auf ihrem Recht und lebte noch jahrelang allein in dem riesigen Gebäude. Trotz solcher Verzögerungen gibt es in Budapest viele prachtvoll restaurierte Bauten, die die Stadt zu einer weltweit begehrten Filmkulisse gemacht haben. Unter dem Titel Quincy s Welt gibt Dr. Endre Felszeghy Einblick in Abgründe der Gerichtsmedizin. Er präsentiert eindrucksvolle Bilder von entstellten Leichen und aufsehenerregende Fälle mit prominenten Mördern oder Opfern, bei denen dentale Befunde zur Aufklärung beitrugen. Alltäglicher ist die Identifikation einer Leiche aus der Donau, bei der ein Implantat mit Deckschraube gefunden wurde: Ein Schweizer Zahnarzt gab schließlich über eine internationale Kooperation den entscheidenden Hinweis. In meinem Zentrum habe ich ein breites implantologisches Spektrum, mit zirka 400 Implantaten pro Jahr. Aber für einen Einzelkämpfer wie mich kann die Routine problematisch werden. Dieser Kurs ist sehr inspirierend und erweitert definitiv Horizonte. Die Referenten sind alte Hasen, mit denen ich mich intensiv austausche. Und ich kann in Ruhe die neuesten Methoden und Instrumente testen, ohne jeden Erfolgsdruck und ohne Risiko. Martin Ulbrich (Oralchirurg, Bundeswehr-Sanitätszentrum Husum; war nach der Tsunami-Katastrophe in Thailand an der Identifizierung der Opfer beteiligt) Worauf es ankommt Neben den praktischen Übungen gibt es in Budapest auch hochkarätige Theorie. Klar und fundiert erläutert Professor Dr. Dr. Schlegel, worauf es ankommt, zum Beispiel bei rechtlichen Auseinandersetzungen: Was Gutachter nach der Literatur als Erfolg werten, kann für Patienten ein Desaster sein. So ist ein primärstabiles Implantat mit Lektionsraum: Humanpräparate bieten nahezu realistische Bedingungen für Implantationen und Augmentationen. 3 64 STARGET 2 13 MORE THAN IMPLANTS
freiliegenden Gewindegängen in der Front sicher ein Misserfolg. Risiken lassen sich aber minimieren, zum Beispiel mit der SAC-Klassifikation des ITI. Mit diesem Werkzeug kann der Ausgangsbefund in sehr strukturierter Weise einer Risikogruppe zugeordnet werden.wer augmentiert, sollte laut Professor Dr. Dr. Schlegel die Biologie der Wundheilung verstanden haben. Zirka 14 Tage nach dem Eingriff geht die Entzündung in Proliferation über, es folgen Regeneration und Maturation. Rund 100 Tage nach einer autologen Knochenaugmentation werden die Implantate gesetzt und möglichst bald belastet: Sonst verschwindet Ihr Knochen wie Butter an der Sonne. Augmentationen gelingen häufiger, wenn die Transplantat-Beweglichkeit minimal und die Auflagerungsfläche maximal ist und wenn möglichst viele knöcherne Wände vorhanden sind. Ich habe sechs Jahre implantologische Erfahrung, mit 50 bis 100 Implantaten im Jahr. Der Kurs ist durch die nicht fixierten Präparate sehr realitätsnah. Das macht wirklich Freude und gibt zusätzliche Sicherheit für die tägliche Praxis. Dr. Marcus Dahmen (niedergelassen in Düsseldorf) Fazit Zum 10. Mal gab es in Budapest ein hochklassiges implantologisches Update, kombiniert mit einem umfangreichen Trainingsprogramm. Das Besondere an dem Kurs ist die Übungsmöglichkeit an nahezu realistischen Präparaten. Bei knapp 20 Teilnehmern und sechs erfahrenen Trainern sind ein maximaler Lerneffekt und intensiver kollegialer Austausch garantiert. Die im Wortsinn filmreife Stadt bietet den idealen Rahmen: Budapest wartet bereits auf die Teilnehmer der nächsten Kurse am Humanpräparat. 7 Gerichtsmedizin in Ungarn Im Kühlraum des Instituts für Medizinische Forensik der Semmelweis Universität ist Platz für 500 Leichen, jährlich werden zirka 3.000 Sektionen durchgeführt. Hintergrund für diese im internationalen Vergleich sehr hohe Zahl ist eine rechtliche Besonderheit, die aus Zeiten der Donaumonarchie stammt: Die Habsburger wollten offenbar sehr genau wissen, ob alles mit rechten Dingen zuging. Für die Übungen am Humanpräparat liegen regionale und universitätsinterne Genehmigungen vor, die strenge Auflagen in Bezug auf die Verwendung der Leichen und auch für die Anfertigung von Fotografien enthält. MORE THAN IMPLANTS STARGET 2 13 67
Kurzinterview Intensiver Austausch und die Möglichkeit, Grenzen auszuloten Professor Dr. Stephan Eitner und Professor Dr. Dr. Karl-Andreas Schlegel Warum sind Sie an diesem Wochenende schon zum 10. Mal in Budapest? Schlegel: Das Wichtigste ist für mich der intensive Austausch. Das ist keine Einbahnstraße, das Feedback von den Teilnehmern ist auch für mich ein Gewinn. Und warum kommen die Teilnehmer? Der Kurs ist immer ausgebucht. Eitner: Dieser Kurs bietet eine einzigartige Möglichkeit, Grenzen auszutesten. Die Teilnehmer erfahren, wo die eigenen Stärken liegen und was in der eigenen Praxis machbar sein könnte. Außerdem bieten die Humanpräparate eine exzellente Auffrischung in Anatomie. Hier wird Knochen gesplittet, Weichgewebe manipuliert und vernäht. Das Wichtigste ist für mich der intensive Austausch. Das ist keine Einbahnstraße, das Feedback von den Teilnehmern ist auch für mich ein Gewinn. Karl-Andreas Schlegel Stichwort Hart- und Weichgewebstechniken: Was hat sich im Lauf der letzten Jahre geändert? Schlegel: In diesem Jahr haben wir zum Beispiel Frontzahn-Sofortimplantationen mit Sofortversorgung im Programm. Das ist eine Technik, die noch nicht sehr gut dokumentiert, aber im Kommen ist. Viele Kollegen haben auch noch keine Erfahrung mit Piezo-Chirurgie oder Bone-Splitting. Das können sie hier in Ruhe üben. In Zukunft werden voraussichtlich Sandwich-Techniken hinzukommen, die die sehr aufwändigen Blockaugmentationen teilweise ersetzen können. Dieser Kurs bietet eine einzigartige Möglichkeit, Grenzen auszutesten. Die Teilnehmer erfahren, wo die eigenen Stärken liegen und was in der eigenen Praxis machbar sein könnte. Stephan Eitner Welche Rolle spielt der Veranstalter Straumann? Eitner: Straumann bietet uns einen optimalen Kursrahmen. Es geht um Techniken, nicht Produkte. Aber natürlich ist es für Anwender wichtig zu wissen, dass ein Implantatanbieter den entsprechenden fachlichen Hintergrund hat und eine gute Betreuung bieten kann. Das zeigt sich deutlich an diesem Kurs hier in Budapest. Die tolle Stadt und das sehr angenehme Umfeld runden das Ganze ab. Neue Techniken kennenlernen: Neben Übungen am Humanpräparat wurden Bonespreading (im Bild) und Nahttechniken an Tierpräparaten trainiert. 3 68 STARGET 2 13 MORE THAN IMPLANTS
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