Strom aus der Wüste FRANZ TRIEB



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Transkript:

DOI: 1.12/piuz.211262 DLR-Studien zum Projekt Desertec Strom aus der Wüste FRANZ TRIEB Bis zum 25 soll nach dem Konzept Desertec in den sonnenreichen Ländern Südeuropas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens erneuerbare Energie so viel Strom liefern, dass diese Länder damit ihren Eigenbedarf decken und 15 bis 2 Prozent des nordeuropäischen Stromverbrauchs liefern können. Diesem Konzept liegen Studien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zu Grunde. Abb. 1 Skizze einer möglichen Infrastruktur für eine Stromversorgung in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika (EU-MENA); CSP: Concentrating Solar Power, Solarthermie; PV: Photovoltaik (Quelle: TREC/CoR). Im 23 entwickelten der Club of Rome, der Hamburger Klimaschutz-Fonds und das Jordanische Nationale Energieforschungszentrum das Konzept von Desertec. Die daraufhin gegründete Desertec Foundation erstellte im Juli 29 zusammen mit zwölf Firmen ein Memorandum of Understanding zur Realisierung dieses Projekts. Am 3. Oktober 29 wurde die Industrieinitiative Dii GmbH gegründet, die bis 212 einen Businessplan für machbare Investitionen erstellen soll. Ziel ist es, bis 25 in den Ländern Südeuropas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens Kraftwerke zu bauen, die vorwiegend mit Sonnenenergie,Windenergie und anderen erneuerbaren Quellen den Eigenbedarf der Länder decken und zusätzlich 15 bis 2 Prozent des europäischen Stromverbrauchs liefern können (Abbildung 1). Die Desertec-Pläne basieren auf Studien, in denen das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Potenziale der erneuerbaren Energien für die Produktion von Elektrizität und Trinkwasser in 5 Ländern Europas, des Mittleren Ostens und Nordafrikas (kurz EU-MENA) ermittelt hat. Die Studien ergaben, dass erneuerbare Quellen auf diesem Gebiet genügend Strom und entsalztes Wasser für den steigenden Bedarf dieser Länder sowie zuzüglich Strom für Europa erzeugen könnten. Für den Export benötigt man eine Gesamtfläche von 25 km 2, wenn für die Stromerzeugung solarthermische Kraftwerke verwendet werden, was etwa der Größe des Saarlandes entspricht. Weitere 36 km 2 müssten für Hochspannungsleitungen zur Verfügung stehen. In diesem Beitrag skizziere ich die Ergebnisse unserer DLR-Studien, wobei ich auf den Aspekt der Wasserentsalzung nur kurz eingehe. Steigender Strom- und Wasserbedarf In einem ersten Schritt bestimmten wir in unserer Analyse den Strombedarf und seine Entwicklung bis zur Mitte des hunderts. Teil der Energieproblematik ist auch das wachsende Trinkwasserdefizit im Mittleren Osten und Nordafrika (MENA), demzufolge der Bedarf an energieintensiver Meerwasserentsalzung steigen wird. Der Einfachheit halber nahmen wir an, dass die für die Entsalzung benötigte Energie, beispielsweise für die Umkehrosmose, langfristig ebenfalls komplett durch Strom bereitgestellt wird. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wird die Bevölkerungszahl in Europa mit circa 6 Millionen in etwa stabil bleiben, während die Region MENA von 3 Millionen im 2 auf ebenfalls 6 Millionen bis zur hundertmitte anwachsen wird. Das Wirtschaftswachstum hat zwei gegensätzliche Effekte auf den Strom- und Wasserbedarf: Einerseits steigt der Bedarf in einer sich entwickelnden Wirtschaft. Andererseits nimmt die Effizienz von Produktion, Verteilung und Endverbrauch zu. In den vergangenen zehnten ließ sich bei allen Industrienationen eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums und des Energiebedarfs beobachten. Um sich Maßnahmen zur Effizienzsteigerung leisten zu können, muss zunächst ein gewisses wirtschaftliches Niveau jenseits des bloßen Existenzbedarfs erreicht sein. Diese Prämisse trifft inzwischen auf die meisten MENA-Länder zu [1]. Unsere Analyse zeigt, dass bis zum 25 der Stromverbrauch im Mittleren Osten und Nordafrika wahrscheinlich um die 3 TWh/a (Abbildung 2) betragen wird. Er wird also mit dem derzeitigen Konsum in Europa vergleichbar sein. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass auch der europäische Verbrauch weiter steigt und sich bei einem Wert von ungefähr 4 TWh/a (Abbildung 3) stabilisiert. Online-Ausgabe unter: 84 Phys. Unserer Zeit 2/211 (42) 211 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim wileyonlinelibrary.com

DESERTEC ERNEUERBARE ENERGIE Wegen der steigenden Effizienzgewinne ergibt unser Modell niedrigere Werte für den vorhergesagten Bedarf als einige andere Szenarien [2]. Andererseits gibt es auch Szenarien, die von einem noch niedrigeren Bedarf ausgehen [3, 4]. Eine Reduktion des Bedarfs in Europa nach 24 ist zwar möglich, jedoch ungewiss. Ebenso ist eine Stagnation oder ein leicht anwachsender Bedarf möglich, da gegebenenfalls neue energieintensive Dienstleistungen, wie Elektromobilität oder Wasserstoffantriebe für den Transportsektor, benötigt werden. Solche denkbaren Paradigmenwechsel haben wir in unserer Studie nicht berücksichtigt, sondern nur den klassischen Stromsektor betrachtet. Eine ähnliche Analyse haben wir für den Wassersektor in den MENA-Staaten durchgeführt. Diese ergab klar, dass diese Staaten in nicht allzu ferner Zukunft bei dem Wasserbedarf vor einem sehr ernsten Problem stehen, wenn sie nicht rechtzeitig zusätzliche Maßnahmen treffen. Meerwasserentsalzung ist eine dieser zusätzlichen Optionen. Unter der Annahme, dass durchschnittlich 3,5 kwh Strom für die Entsalzung von einem Kubikmeter Meerwasser benötigt werden, würde dies einen zusätzlichen Bedarf von fast 55 TWh/ bis 25 für die Entsalzung bedeuten. Dies entspricht dem aktuellen Strombedarf eines Landes wie Deutschland, der noch zu dem in Abbildung 2 dargestellten Verbrauch dazu kommt. Verfügbare Ressourcen und Technologien Zurzeit haben die Stromverbraucher in den meisten Ländern in EU-MENA keine andere Wahl, als die ständig steigenden Kosten fossiler und nuklearer Brennstoffe zu zahlen. Die Situation wird noch durch die Tatsache verschärft, dass fossile und nukleare Energietechnologien auch heute noch etwa 75 % der öffentlichen Zuschüsse im Energiesektor erhalten. Diese Zahl würde auf über 9 % ansteigen, rechnete man externe Kosten ebenfalls als versteckte Subvention dazu. Andererseits steht eine ganze Reihe an Technologien für erneuerbare Energiequellen zur Verfügung (Tabelle zum Download auf www.phiuz.de special features/zusatzmaterial zu den Heften). Einige davon erzeugen fluktuierend Energie, beispielsweise Windkraft- und Photovoltaikanlagen, andere dagegen können sowohl elektrische Spitzen- als auch Grundlast nach Bedarf bereitstellen. Dazu zählen die Biomasse,Wasserkraft und konzentrierende solarthermische Kraftwerke. Das langfristige wirtschaftliche Potenzial von erneuerbaren Energien ist in EU-MENA viel größer als der derzeitige Bedarf, insbesondere stellt die Solarenergie alle anderen Quellen buchstäblich in den Schatten. Die Energie der Sonneneinstrahlung beträgt in den MENA-Ländern durchschnittlich pro 24 kwh/m 2. Damit ließen sich mit solarthermischen Kraftwerken jährlich auf jedem Quadratkilometer bis zu 25 GWh an Strom gewinnen. Das ist 25-mal mehr als mit Biomasse und fünfmal mehr als mit den derzeit besten Wind- oder Wasserkraftwerken pro Quadratkilometer gewonnen werden kann. Ein Feld mit konzentrierenden Solarkollektoren von der Größe des Nasser- Arbeiter an einem Parabolrinnenspiegel des andalusischen Solarkraftwerks Andasol. Gut erkennbar ist das zentrale Rohr, in dem die konzentrierte Sonnenstrahlung eine Flüssigkeit erhitzt, die eine Turbine mit anschließendem Generator antreibt (Foto: Solar Millenium). Stausees in Ägypten gut doppelt so groß wie das Saarland wäre in der Lage, eine Energiemenge zu ernten, die der gesamten derzeitigen Erdölproduktion des Mittleren Ostens entspricht. Der Nasser Stausee der große ökologische Nachteile hat liefert dagegen nur einen Bruchteil der ägyptischen Stromversorgung. Darüber hinaus gibt es noch andere erneuerbare Energiequellen in EU-MENA. So existiert ein Potenzial von 2 TWh/ an Windenergie und weitere 4 TWh/ an Energie aus geothermalen Quellen, Wasserkraft und Biomasse. Letztere schließen auch forst- und landwirtschaftlichen sowie städtischen Abfall und Abwässer mit ein. Auch Photovoltaik, Wellen- und Gezeitenkraft kommt ein beachtliches Potenzial in der Region zu. Allerdings hat jede dieser erneuerbaren Energiequellen eine spezifische geografische Verteilung (Abbildung 4), so dass jede Region ihre individuelle Mischung von Ressourcen aufweist. Hierbei bilden Wasserkraft, Biomasse und Windenergie die bevorzugten Quellen im Norden, und Sonnen- und Windenergie die stärksten Quellen im Süden der EU-MENA-Region. INTERNET Hintergrundinformationen zu den DLR-Studien www.dlr.de/desertec Ökobilanz der Übertragung von Solarstrom aus Nordafrika nach Europa www.dlr.de/tt/trans-csp Desertec Foundation www.desertec.org 211 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 2/211 (42) Phys. Unserer Zeit 85

ABB. 2 STROMBEDARF MENA-LÄNDER ABB. 3 STROMBEDARF EUROPA 35 45 B ruttostromv verbrauch /T Wh a 1 3 25 2 15 1 5 auch /TWh a 1 tostromverbra Brutt 4 35 3 25 2 15 1 5 198 199 2 21 22 23 24 25 198 199 2 21 22 23 24 25 Szenario des Strombedarfs für die untersuchten MENA- Länder. Ägypten, Saudi Arabien, Iran. Szenario des Strombedarfs für die untersuchten Länder Europas. Türkei, Italien, Großbritannien, Deutschland, Frankreich. Fossile Energiequellen wie Kohle, Erdöl und Erdgas stellen eine nützliche Ergänzung zu dem Mix aus erneuerbarer Energie dar, da sie leicht zum Energieausgleich und zur Absicherung der Netzstabilität genutzt werden können. Wenn ihr Verbrauch bis zu dem Punkt gedrosselt werden kann, an dem sie ausschließlich als Reservekapazität dienen, wird voraussichtlich ihr Preisanstieg gebremst und daraus eine nur geringe Belastung für die wirtschaftliche Entwicklung resultieren. Zudem minimiert sich ihr Umwelteinfluss. Ihre Verfügbarkeit wird darüber hinaus um zehnte, wenn nicht sogar um hunderte, verlängert. Kernkraftwerke dagegen sind für eine Kombination mit erneuerbaren Energien weniger gut geeignet, weil ihre Stromerzeugung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ABB. 4 ERNEUERBARE ENERGIEQUELLEN FÜR EU-MENA Biomasse (-1) Geothermie (-1) Solar (1-25) Max Min Windkraft (5-5) Wasserkraft (-5) Stromertrag in GWh/km²/a Karte erneuerbarer Energiequellen für EU-MENA mit minimalem und maximalem jährlichen elektrischen Stromertrag (in Klammern), der aus jeweils 1 km 2 Landfläche gewonnen werden kann. Solarenergie beinhaltet sowohl Photovoltaik als auch Solarthermie. Die dunklen Flächen sind die ergiebigsten. 86 Phys. Unserer Zeit 2/211 (42) www.phiuz.de 211 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

DESERTEC ERNEUERBARE ENERGIE nicht dem fluktuierenden Bedarf angepasst werden kann. Außerdem übersteigen die Stilllegungskosten von Kernkraftwerken die Baukosten, und es bleiben die bekannten ungelösten Probleme wie die unkontrollierte Verbreitung von Plutonium und die Beseitigung von Atommüll. Einige erneuerbare Energietechnologien sind ebenfalls in der Lage, Grund- und Spitzenlast nach Bedarf zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören Geothermiekraftwerke, Wasserkraftwerke in Norwegen, Island und den Alpen sowie die meisten Biomasse-Anlagen und solarthermische Kraftwerke in MENA. Letztere nutzen als solar betriebene Dampfkraftwerke die hohe und über das relativ gleichmäßige tägliche Sonnenscheindauer in dieser Region. Und sie bieten die Möglichkeit solarthermischer Energiespeicherung für den Nachtbetrieb sowie die Option der Zufeuerung mit fossilen Brennstoffen oder Biomasse. Solarthermie als Schlüsselelement Mit Kohle, Uran, Erdöl und Erdgas betriebene Dampf- und Gasturbinen sind die heutigen Garanten für elektrische Netzstabilität. Sie liefern Grund- und Spitzenlast. Allerdings können Turbinen auch mithilfe hoch temperierter Hitze aus konzentrierenden Solarkollektor-Feldern (Abbildung 5) angetrieben werden. Solarthermie-Kraftwerke dieses Typs mit 3 bis 8 MW Leistung sind in Kalifornien bereits seit 2 en erfolgreich im Einsatz, neue Kraftwerke entstehen derzeit in den USA, Spanien und weiteren Ländern, mit bis zu 1 MW Leistung. Bis 215 könnten weltweit etwa 1 GW Leistung installiert werden, bis 225 sogar 6 bis 1 GW. Derzeit ist knapp 1 GW in Betrieb. Laut einer aktuellen Studie könnten die heutigen Stromtarife für Solarstrom in Spanien von etwa 27 ct/kwh bis 22 auf unter 1 ct/kwh sinken [5]. Das Beispiel Andasol in Andalusien verdeutlicht das Prinzip (Abbildung auf S. 85). Das aus drei gleich großen Anlagen bestehende Kraftwerk besteht aus Spiegeln, die die Form einer sehr langen Rinne mit parabolischem Querschnitt besitzen und damit übergroßen Dachrinnen ähneln. In Andasol 1 stehen auf einer Gesamtfläche von fast zwei Quadratkilometern mehr als 6 dieser Kollektoren, von denen jeder einzelne 15 Meter lang und 5,7 Meter breit ist. Insgesamt überdecken die Spiegel eine Fläche von über 5 Quadratmetern (Abbildung 5). Elektromotoren drehen die Kollektoren um die Längsachse und führen sie der Sonne nach. Dabei wird die senkrecht auf die Öffnung fallende Sonnenstrahlung in der Brennlinie etwa um das 8-Fache konzentriert. Hier verlaufen die Absorberrohre. Ihre Oberfläche besteht aus einer Spezialbeschichtung, die das Sonnenlicht besonders gut aufnimmt und in Wärme umwandelt. Durch das Innere des Rohres fließt ein synthetisches Öl, das auf knapp 4 C erhitzt wird. Die heiße Flüssigkeit fließt in einen Wärmetauscher und verdampft Wasser. Wie in konventionellen Kraftwerken schießt der überhitzte Wasserdampf in eine Turbine, die über einen Generator Strom erzeugt. Die Temperatur des Dampfes am Turbineneintritt ist in etwa mit derjenigen Abb. 5 Andasol 1 und 2 mit Wärmespeicher im Vordergrund (Foto: Solar Millennium). in Kernkraftwerken vergleichbar. Wie bei jedem Dampfkraftwerk muss der Dampf am Ende kondensiert werden. Da es in trockenen Gegenden wie einer Wüste kein Kühlwasser gibt, werden dort Trockenkühler und sogenannte Heller-Kühltürme eingesetzt. Diese haben sich bei konventionellen Dampfkraftwerken, zum Beispiel mit Ölfeuerung in Saudi Arabien, bewährt. Es wird auch mit anderen Substanzen im Absorberrohr experimentiert. So ist an Stelle des Öls auch geschmolzenes Salz möglich, das sich bis auf 55 C erhitzen lässt und damit einen höheren Wirkungsgrad in der Turbine erzielt. Außerdem besteht die Möglichkeit, Wasser direkt zu verdampfen. Damit erspart man sich den Wärmetauscher. In einem Teil von Andasol 3 soll diese Technik zum Einsatz kommen. Anders als bei Solarzellen, wo die Strahlungsenergie direkt in Strom umgewandelt wird, erhält man bei der Solarthermie in einem Zwischenschritt thermische Energie. Diese kann man im Vergleich zur elektrischen Energie relativ leicht im großen Stil speichern, was ein erheblicher Vorteil ist. In Andasol verwendet man als Wärmespeicher zwei riesige Tanks von 14 Metern Höhe und 36 Metern Durchmesser. Sie sind mit einem Spezialsalz gefüllt, das von der Absorberflüssigkeit erwärmt wird. Mit dieser gespeicherten thermischen Energie kann das Kraftwerk dann bis zu acht Stunden nach Sonnenuntergang noch Strom mit voller Leistung liefern. Damit eignen sich diese Kraftwerke sowohl für die Deckung des Grund- und Spitzenlaststroms wie auch der Regelleistung zur Stabilisierung von Netzschwankungen. Mit einer Kapazität von 5 MW hat Andasol 1 einen jährlichen Solaranteil der Stromerzeugung von 85 %, der Rest wird mit Erdgas erzeugt. Vorteilhaft ist zudem, dass solarthermische Kraftwerke Strom und Wärme erzeugen können. Sie können deshalb auch Dampf für Absorptionskältemaschinen, industrielle Prozesswärme oder thermische Meerwasserentsalzung liefern. 211 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 2/211 (42) Phys. Unserer Zeit 87

ABB. 6 Stromerze eugung /TW Wh a 1 45 4 35 3 25 2 15 1 5 STROMERZEUGUNG IN MENA 2 21 22 23 24 25 Entsalzung Export Solar Photovoltaik Wind Geothermie Wasserkraft Biomasse Wellen / Gezeit. Solarth. Kraftw. Öl / Gas Kohle Nuklear Stromerzeugung auf der Basis erneuerbarer und fossiler Energiequellen in MENA- Ländern zur Deckung des wachsenden Energiebedarfs. Solarstromexporte nach Europa und der zusätzliche Strombedarf für die Meerwasserentsalzung in der Region sind berücksichtigt. ABB. 7 Strome erzeugung /T TWh a 1 45 4 35 3 25 2 15 1 5 STROMERZEUGUNG IN EUROPA 2 21 22 23 24 25 Import Solar Photovoltaik Windkraft Geothermie Wasserkraft Biomasse Wellen u. Gez. Solarth. KW Heizöl Erdgas Kohle Nuklear Stromerzeugung auf der Basis erneuerbarer, nuklearer und fossiler Energiequellen in Europa zur Deckung des Energiebedarfs unter Berücksichtigung von Solarstromimporten aus MENA-Ländern. Nachhaltige Energie- und Wasserversorgung Unter Berücksichtigung technischer, sozialer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen haben wir ein Szenario für die Energieerzeugung in den 5 MENA-Ländern bis zum 25 entwickelt. Mit Ausnahme von Windenergie und Wasserkraft werden erneuerbare Energieformen dort vor dem 22 im Strommix kaum sichtbar werden (Abbildungen 6 und 7). Gleichzeitig nahmen wir in unserer Studie an, dass das Auslaufen der Kernenergie in vielen europäischen Ländern und der aus Umweltschutzgründen stagnierende Verbrauch von Stein- und Braunkohle zu einem verstärkten Erdgasverbrauch führen wird. Wir haben hierbei bis 22 das offizielle Szenario der Europäischen Kommission mit einer Abnahme an Atomkraftwerken von einem Prozent pro verwendet. Bis 22 wird der wachsende Anteil erneuerbarer Energie vor allem zur Reduzierung des Brennstoffverbrauchs beitragen. Er kann aber nur in geringem Maße die existierenden Kapazitäten für Regelleistung ersetzen. Wegen des generell wachsenden Energiebedarfs und der Ablösung der Kernkraft wird sich der Verbrauch fossiler Brennstoffe vor 22 nicht wesentlich reduzieren lassen. Heizöl für die Stromerzeugung wird bis 23 aus Kostengründen weitgehend verschwunden sein, gefolgt von Kernkraft im letzten zehnt des Szenarios. Letztere wird dann nicht mehr gebraucht und kann wegen der dann geringen Auslastung konventioneller Kraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Der Verbrauch an Erdgas und Steinkohle wird mittelfristig bis 23 ansteigen und danach bis 25 auf ein kompatibles und finanziell verträgliches Maß reduziert. Auf lange Sicht ist nicht auszuschließen, dass neue Verbrauchertypen wie Elektroautos den Energiebedarf weiter ansteigen lassen und demzufolge eine stärkere Ausbeutung erneuerbarer Energien notwendig wird. Ausreichend Potenziale sind dafür in jedem Fall vorhanden. Der Strommix im 2 stammte aus fünf Quellen, von denen die meisten endlich sind, während die Mischung im 25 auf zehn Energiequellen beruhen wird, die in der Mehrzahl erneuerbar sind. Aus diesem Grund erfüllt unser Szenario die von der Europäischen Kommission deklarierte European Strategy for Sustainable, Competitive and Secure Energy, die auf eine größere Diversifizierung und Sicherheit des europäischen Energiebestands abzielt. Eine wesentliche Bedingung für die Gestaltung eines nachhaltigen Energiemixes ist die Bereitstellung gesicherter Leistung nach Bedarf mit einer Reserve in Höhe von etwa 25 % zusätzlich zur erwarteten Spitzenlast (Abbildung 8). Vor dem Beginn einer signifikanten Solarstromübertragung aus den MENA-Ländern im 22 kann dies nur gewährleistet werden, indem die Kapazität und der Brennstoffkonsum von Spitzenlastkraftwerken mit Erdgas und zu einem späteren Zeitpunkt auf Basis von Kohlevergasung erweitert wird. In Europa verdoppelt sich der Erdgasverbrauch bezogen auf das Anfangsjahr 2,wird aber dann wieder auf das ursprüngliche Niveau sinken, nachdem im 22 ein wachsender Anteil an Solarthermie-Übertragung neben geothermischer Energie und Wasserkraft aus Skandinavien eingeführt wird. Europäische erneuerbare Energiequellen, die eine sichere Kapazität bereitstellen könnten, sind mit Blick auf ihr Potenzial leider begrenzt. Deshalb wird die Solarthermie-Übertragung von MENA nach Europa durch die Desertec Foundation bekannt geworden unabdingbar sein, um sowohl die Kapazität und den Brennstoffkonsum von Erdgas betriebenen Spitzenlastkraftwerken und eine jederzeit gesicherte, erneuerbare Energiekapazität bereitzustellen. In MENA-Ländern stellen konzentrierende thermische Solarkraftwerke die einzige erneuerbare Quelle dar, die 88 Phys. Unserer Zeit 2/211 (42) www.phiuz.de 211 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

DESERTEC ERNEUERBARE ENERGIE tatsächlich in der Lage ist, den schnell anwachsenden Stromkonsum zu befriedigen. Sie kann sowohl Grund- als auch Spitzenlaststrom nach Bedarf liefern und ist daher ein wichtiges Element für die Netzstabilität. Fluktuierender Strom aus Windenergie und Photovoltaik lässt sich nicht wie in Nordeuropa ausgleichen, weil in diesen trockenen Ländern die Speicherwasserkraft fehlt. Nach unserem Szenario werden im 25 fossile Energiequellen lediglich als Backup genutzt werden, zum Teil auch als Zufeuerung in solarthermischen Kraftwerken. Dies wird den Verbrauch von Brennstoffen auf ein verträgliches Maß reduzieren und die andernfalls rapide eskalierenden Stromerzeugungskosten senken. Fossile Brennstoffe werden genutzt werden, um jederzeit gesicherte Leistung zu garantieren, während erneuerbare Energien deren Verbrauch stark reduzieren werden. Zur Ergänzung des erneuerbaren Strommixes wird eine effiziente Backup-Infrastruktur benötigt: Einerseits muss sie eine gesicherte bedarfsorientierte Kapazität durch schnell reagierende, mit Erdgas befeuerte Spitzenlastkraftwerke bereitstellen. Andererseits muss eine effiziente Netzinfrastruktur existieren, die die Übertragung erneuerbaren Stroms von den am besten geeigneten Produktionsstätten zu den Hauptverbrauchszentren erlaubt. Eine mögliche Lösung ist die Kombination von Hochspannungs-Gleichstrom- Übertragungsleitungen (HGÜ-Leitungen) und dem konventionellen Wechselspannungsnetz. Stromübertragung mit HGÜ Bis 25 sollen nach unserem Szenario Übertragungsleitungen mit einer Kapazität von jeweils 2,5 bis 5, GW rund 7 TWh Solarenergie pro von 2 bis 4 verschiedenen Orten im Mittleren Osten und Nordafrika zu den Hauptverbrauchszentren in Europa liefern (Abbildung 9,Tabelle 1) und dabei etwa 15 % des Strombedarfs decken. Der Wert dieser Importe gründet sich auf niedrige Produktionskosten von langfristig etwa,5 1 2 /kwh und eine hohe Flexibilität bei Grund-, Regel- und Spitzenlastbetrieb (siehe unten). Da unser Wechselstromnetz bei solchen hohen Leistungen und großen Strecken zu hohe Leitungsverluste aufweist, wird man hier auf HGÜ ausweichen müssen. HGÜ steht als ausgereifte Technologie zur Verfügung und gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Stabilisierung von großflächigen Stromnetzen. Sie trägt dazu bei, Ausgleichseffekte zwischen entfernten und lokalen Energiequellen zu erhöhen und Betriebsausfälle großer Kraftwerke durch Backup-Kapazitäten aus der Ferne abzufangen. Mitte 21 ging in China eine fast 15 Kilometer lange HGÜ-Leitung in Betrieb. Sie verbindet mehrere Wasserkraftwerke mit den Metropolen Guangzhou, Hongkong und Shenzen mit einer Übertragungsleistung von 5 MW. Das entspricht etwa der Energieleistung von fünf großen Kraftwerken. Der Strom wird über zum Teil große Entfernungen per HGÜ durch ganz Europa und MENA übertragen und dann in das konventionelle Netz eingespeist, wo es an die Verbraucher verteilt wird. In Analogie zum Autobahnnetz wird ABB. 8 ng /GW rte Leistu Installier 24 2 16 12 8 4 INSTALLIERTE LEISTUNG FÜR EU-MENA 2 21 22 23 24 25 ein zukünftiges HGÜ-Netz eine geringe Anzahl von Ein- und Auslässen haben, die es mit dem konventionellen Wechselspannungsnetz verbinden. Das derzeitige Wechselspannungsnetz ist in diesem Bild mit dem Straßensystem auf dem Land und in Stadtgebieten vergleichbar. Es übernimmt Photovoltaik Wind Geothermie Wasserkraft Biomasse Wellen / Gez. Solarth. Kraftw. Öl und Gas Kohle Nuklear Spitzenlast Installierte Leistung im Vergleich zur kumulierten Spitzenlast (transparentes Feld mit weißem Rahmen) für die gesamte Region EU-MENA. Die gesicherte, jederzeit verfügbare Leistung des Kraftwerksparks wurde so kalkuliert, dass sie jederzeit die Spitzenlast mit einer zusätzlichen Reserve von 25 % abdecken kann. Im 25 werden 68 % der installierten Leistung solarthermischer Kraftwerke für den lokalen Strombedarf, 19 % für den Solarstromexport und 13 % für die Meerwasserentsalzung genutzt werden. Die hier gezeigte installierte Leistung liefert insgesamt die in Abbildung 6 und 7 dargestellten Strommengen. ABB. 9 Windkraft Geothermie Wasserkraft Biomasse Solarstrom HGÜ-ÜBERTRAGUNGSLEITUNGEN Möglicher zukünftiger Verbund mit HGÜ-Übertragungsleitungen in der Region EU-MENA. 211 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 2/211 (42) Phys. Unserer Zeit 89

TAB. 1 EU-MENA-STROMEXPORT AUS SOLARTHERMIE 22 23 24 25 Kapazität/GW 2 5 8 5 14 5 2 5 Transfer/TWh/a 6 23 47 7 Auslastung,6,67,75,8 Landfläche CSP 15 15 3 3 4 4 5 5 km x km HGÜ 31,1 36,4 36,7 36 1, Kum. Investition CSP 42 134 245 35 Mrd. 1 HGÜ 5 16 31 45 Stromkosten CSP,5,45,4,4 1 2/kWh HGÜ,14,1,1,1 Kumulierte Investition bis 25 für Leitungen und Kraftwerke sowie die gesamten Stromkosten inklusive Übertragung in konstantem Geldwert des es 2. Stromkosten wurden auf der Basis von 5 % Zinssatz und 4 en Lebensdauer für Solarthermie sowie 8 en für HGÜ- Leitungen berechnet. CSP: konzentrierende solarthermische Kraftwerke. Kapazität: jeweils Anzahl Kraftwerksblöcke Leistung in GW. ABB. 1 DEUTSCHE STROMERZEUGUNG 25 Leistu ung / GW rische Elektr 6 5 4 3 2 1 25.6. 26.6. 27.6. 28.6. 29.6. 3.6. 1.7. Kraft-Wärme-Kopplung Heimische Erneuerbare Solarimport Import & Pumpspeicher p Regelleistung g (fossil) Überschuss Ausschnitt aus einer stündlichen Modellierung der Stromerzeugung in Deutschland im 25 mit hohen Anteilen erneuerbarer Energie (aus [6]). wie bisher die Aufgabe der lokalen Verteilung der Energie. Der Energieverlust in HGÜ-Leitungen wird über eine Entfernung von 3 km etwa 1 % betragen, während bei einer Übertragung im Wechselstromnetz mehr als 45 % verloren gehen würden. Es existiert die weit verbreitete Überzeugung, dass für jede Windfarm oder Photovoltaikanlage ein mit fossilen Brennstoffen betriebenes Backup-Kraftwerk gleicher Leistung installiert werden muss. Im Gegensatz dazu zeigte ein Modell stündlicher Zeitverläufe des Energieversorgungssystems ausgewählter Länder gemäß unserem Szenario, dass sogar ohne zusätzliche Stromspeicherkapazitäten die existierende Regelleistung der Spitzenlastkraftwerke zum Ausgleich von Bedarfsfluktuationen ausreicht. Dies gilt, so lange der fluktuierende Anteil der erneuerbaren Quellen kleiner bleibt als die vorhandene Spitzenlastkapazität, was in unserem Szenario der Fall ist. Tatsächlich wird sich der Bedarf an konventionellen Grundlastkraftwerken als Konsequenz des wachsenden Anteils erneuerbarer Energien Schritt für Schritt verringern (Abbildung 1). Grundlaststrom wird durch Kraft-Wärme- Kopplung, die Brennstoffe auf fossiler und Biomassebasis nutzt, durch Laufwasserkraft und durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen erzeugt. Regelleistung wird aus besser speicherbaren Quellen wie Wasserkraft aus Stauseen, Biomasse oder geothermischer Energie gewonnen. Diese Kombination von Energiequellen wird den täglichen Lastverlauf nicht vollständig abdecken, sich ihm aber stark annähern. Die verbleibende Spitzenlastkapazität (oder besser gesagt Regellast) wird durch Pumpspeicher, Wasserkraftstauseen, solarthermische Kraftwerke und auf fossilen Brennstoffen basierenden Spitzenlastkraftwerken bereitgestellt [6]. Die im 25 noch verbleibenden, mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kapazitäten werden ausschließlich Ausgleichsaufgaben haben oder der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung dienen. Kostengünstiger Strom aus erneuerbarer Energie Durch die weltweite Installation von Solarthermie-Kraftwerken lassen sich die Solarstromkosten durch Lern- und Rationalisierungseffekte mit einer Entwicklungsrate von 85 bis 9 % verringern [7]. Dazu ein Beispiel: Ein Solarthermie- Kraftwerk kann derzeit in Abhängigkeit von der Sonnenscheindauer Strom zu circa,15 bis,2 1 2 /kwh erzeugen,wenn man von einer Verzinsung des Kapitals von 6,5 % pro und einer Lebensdauer von 25 en ausgeht. Bei einer Installation von weltweit 1 MW würden die Kosten auf ungefähr,8 bis,1 1 2 /kwh und bei 1 MW bis auf,4 bis,6 1 2 /kwh sinken. Ähnliche Lernraten sind bei allen erneuerbaren Technologien zu verzeichnen. Eine solche Kostenreduzierung könnte bei einer angenommenen globalen Solarthermie-Expansion von heute 1 MW auf etwa 4 MW bis zum 22 und ungefähr 24 MW bis 23 erfolgen, inklusive der Kapazitäten für die Meerwasserentsalzung. Aktuelle Szenarien gehen sogar von deutlich stärkerem Wachstum solarthermischer Kraftwerke aus. Langfristig könnte weltweit eine Gesamtsumme von 5 bis 1 GW bis zum 25 installiert werden. Alle Kosten sind in konstantem Euro-Geldwert des es 2 (also ohne Inflation) angegeben. Sobald der Kostendeckungspunkt mit herkömmlichen Energieformen erreicht ist, werden erneuerbare Kapazitäten schneller anwachsen und damit weitere Steigerungen in den nationalen Stromkosten vermeiden. Auf diese Weise können die Stromkosten des Energiemixes konstant gehalten, in manchen Fällen sogar wieder auf ein niedrigeres Niveau gesenkt werden, indem der Anteil erneuerbarer Energiequellen erhöht wird. Dieses Konzept ist in allen EU- MENA-Ländern realisierbar. Die stetige Eskalation der Energiekosten zeigt deutlich: Die breite Einführung von erneuerbaren Energiequellen ist die einzige Möglichkeit, eine weitere Kostenanhebung auf lange Sicht im Energiesektor zu vermeiden und mittelfristig zu einem relativ niedrigen Stromkostenniveau zurückzukehren. 9 Phys. Unserer Zeit 2/211 (42) www.phiuz.de 211 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

DESERTEC ERNEUERBARE ENERGIE Eine Alternative zu Klimawandel und Kernenergie Durch die Implementierung unseres Szenarios können die Kohlenstoffemissionen auf Werte reduziert werden, die mit dem globalen Ziel vereinbar sind, den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre soweit zu reduzieren, dass eine globale Erwärmung im Bereich von 1,5 bis 3,9 C gehalten werden kann. Ausgehend von 179 Mio. Tonnen Kohlendioxidemissionen pro im 2 für die EU-MENA-Region können die Emissionen auf 69 Mt/a in 25 verringert werden, anstatt auf 37 Mt/a anzuwachsen. Die bis 25 erreichbare Pro-Kopf-Emissionsmenge von,58 t/cap/a im Stromsektor ist akzeptabel mit Blick auf die vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) empfohlene Gesamtemissionsmenge von 1-1,5 t/cap/a. Auch andere Schadstoffe werden auf diese Weise reduziert, ohne auf eine Erweiterung der Kernenergie und die damit zusammenhängenden Risiken zurückgreifen zu müssen. Derzeit wird daran gearbeitet, bei Kohlekraftwerken den Kohlenstoff abzutrennen und zu speichern. Diese CCS-Verfahren betrachten wir in unserer Studie als Ergänzung, aber nicht als Alternative zu erneuerbaren Energien. Sie vermindern nämlich den Wirkungsgrad dieser Kraftwerke und erhöhen so den Verbrauch von fossilen Brennstoffen um bis zu 3 %. Alles in allem zeigt unser Szenario eine Möglichkeit auf, negative Umwelteinflüsse der Energieerzeugung effektiv zu verringern. Dieses Modell könnte auch für einen weltweiten Einsatz gelten, wie eine Studie des US-amerikanischen Department of Energy (DOE) zur Machbarkeit dieses Konzepts in den USA bestätigte [8]. Um das Projekt zu realisieren, müssen die Regierungen der EU-MENA-Länder jetzt die Initiative ergreifen und die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für Investitionen in saubere und nachhaltige Energie schaffen. Nicht zuletzt ist es auch ein sicherer Weg zu einer nachhaltigen Wasserversorgung in den MENA-Staaten. Zusammenfassung Studien des DLR über das Potenzial erneuerbarer Energien in Europa, dem Mittleren Osten und Nordafrika kommen zu folgenden Aussagen: Ausgehend von einem existierenden Anteil von 16 % erneuerbarer Energie im 2 könnte 25 ein Anteil von 8 % erreicht werden. Zur Ergänzung der erneuerbaren Energiequellen wird eine effiziente Backup-Infrastruktur benötigt. Sie liefert eine sichere, bedarfsgerechte Stromkapazität mit schnell reagierenden, erdgasbetriebenen Spitzenlastkraftwerken. Der Stromtransport nach Europa erfolgt mit Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). Wird zwischen 22 und 25 mit einem Stromtransfer von 6 TWh/a begonnen, so könnte dieser bis auf 7 TWh/a im 25 ausgebaut werden. Die hohe Sonnenstrahlung in MENA und niedrige Übertragungsverluste mit HGÜ von circa 1 % werden in einem konkurrenzfähigen Strompreis von circa,5 1 2 /kwh resultieren. Anstelle einer zu erwartenden Verdoppelung der Kohlendioxidemissionen bis zum 25 können diese auf 38 % der Emissionen des es 2 reduziert werden. Für den gesamten erneuerbaren Kraftwerkspark in EU-MENA werden 1 % der Landfläche benötigt. Das entspricht der gegenwärtigen Landnutzung für Transport und Verkehr in Europa. Stichwörter Desertec, EU-MENA, erneuerbare Energie, Solarthermie, Andasol, Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, HGÜ. Literatur [1] F. Trieb, U. Klann, Modelling the Future Electricity Demand of Europe, Middle East and North Africa, Internal Report, DLR 26. www.dlr.de/tt/portaldata/41/resources/dokumente/institut/system/ publications/demand-model_261128.pdf. [2] L. Mantzos L., P. Capros, European Energy and Transport Trends to 23, Update 25, The European Commission, Brussels 25, ec.europa.eu/dgs/energy_transport/figures/trends_23. [3] G. Benoit, A. Comeau, A Sustainable Future for the Mediterranean, Earthscan 25, www.earthscan.co.uk/?tabid=114. [4] S. Teske, A. Zervos, O. Schäfer, Energy (R)evolution, Greenpeace, EREC 27, www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/ themen/energie/energyrevolutionreport_engl.pdf. [5] A.T. Kearney, Solar Thermal Electricity 225 Clean electricity on demand: attractive STE cost stabilize energy production, ESTELA, Juni 21. [6] L. A. Brischke, Model of a Future Electricity Supply in Germany with Large Contributions from Renewable Energy Sources using a Single Node Grid (in German), VDI Fortschritt-Berichte, Reihe 6, Energietechnik, Nr. 53, VDI Düsseldorf 25. [7] R. Pitz-Paal, J. Dersch, B. Milow, European Concentrated Solar Thermal Road Mapping, ECOSTAR, SES6-CT-23-52578, European Commission, 6 th Framework Programme, German Aerospace Center, Cologne 25, www.promes.cnrs.fr/actions/europeenes/ ecostar.htm. [8] H. Price, DLR TRANS-CSP Study applied to North America, Department of Energy of the United States of America (DOE) 27, www.nrel.gov/docs/fy7osti/41422.pdf. Der Autor Franz Trieb arbeitet seit 1994 in der Abteilung Systemanalyse und Technikbewertung des Instituts für Technische Thermodynamik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit den Schwerpunkten solarthermische Kraftwerke, solare Energieressourcen und Ausbauszenarien für erneuerbare Energien in Europa, dem Mittleren Osten und Nordafrika. Anschrift Dr. Franz Trieb, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Technische Thermodynamik, Pfaffenwaldring 38-4, D-7569 Stuttgart. Franz.Trieb@dlr.de 211 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 2/211 (42) Phys. Unserer Zeit 91