Hartmut S. (55) Sozialbehörden treiben chronisch Kranken in die Verzweiflung (Erlebnisbericht wird fortlaufend ergänzt)



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Transkript:

Hartmut S. (55) Sozialbehörden treiben chronisch Kranken in die Verzweiflung (Erlebnisbericht wird fortlaufend ergänzt) Durch verschiedene schwerwiegende Erkrankungen wurde ich zum dauerhaft chronisch kranken Patienten. Es begann mit Diabetes mellitus Typ II und Bluthochdruck. Die Folgeerkrankungen waren Schädigungen der Augen, der Niere, des Herzens und eine Nervenschädigung in den Beinen. Ein Schlaganfall kam dann auch noch dazu. Jetzt muss ich dreimal in der Woche jeweils 5 Stunden an die Dialysemaschine, habe immer wieder Glaskörpereinblutungen in den Augen mit entsprechender Verminderung der Sehfähigkeit, kann nur noch eingeschränkt und schwankend gehen und spüre in den Beinen unterhalb des Knies weder Temperaturen noch Verletzungen oder sonstige Reizempfindungen. Mein Hausarzt und die mich ständig behandelnden Dialyseärzte meinten, es sei unrealistisch, darauf zu hoffen, dass ich noch einmal an einem normalen Erwerbsleben teilnehmen könne. Ich solle im Rahmen meiner Möglichkeiten versuchen, etwas Sinnvolles (vielleicht ehrenamtlich) zu unternehmen, damit ich geistig-psychisch nicht abbaue. Als meine Krankengeldzahlungen vor etwa einem Jahr ausliefen, machte mich meine Krankenkasse darauf aufmerksam, dass ich mich jetzt wegen meinem weiteren Lebensunterhalt bei der Agentur für Arbeit melden müsse. Dort erhielt ich Arbeitslosengeld 1 und wurde vom dortigen Amtsarzt begutachtet. Dieser meinte, wenn ich die Dialyse auf die Abendstunden und das Wochenende verlege und eine geeignete Rehabilitationsmaßnahme durchführen würde, dann wäre ich wieder bis zu 6 Stunden täglich arbeitsfähig. Als ich dies meinen mich ständig behandelnden Ärzten, die mich praktisch in- und auswendig kannten, mitteilte, erntete ich nur ein unverständiges Kopfschütteln. Selbst in der Agentur für Arbeit gab es hierzu unterschiedliche Ansichten. Jemand mit so vielen schwerwiegenden Krankheiten wie ich sei einfach nicht mehr vermittelbar. So wurde ich nach etwa einem halben Jahr schließlich von der Agentur für Arbeit aufgefordert, innerhalb von 4 Wochen einen Antrag auf Rehabilitation oder auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. Da dies zwei völlig unterschiedliche Dinge sind, bat ich meine Ärzte um Rat. Die Stellungnahme (Reha in meinem Fall nicht erfolgversprechend, Empfehlung: Antrag auf Erwerbsminderungsrente) erhielt ich aber erst drei Tage nach Ablauf der genannten Frist. Sofort stellte ich wegen der Eile einen formlosen Antrag mit einer Vollmacht, meine Krankheitsdaten anfordern und verwenden zu können. Doch zwischenzeitlich lief die bürokratische Maschinerie an. Ich erhielt von der Agentur für Arbeit die Mitteilung, dass meine Arbeitslosengeldbezüge wegen meiner fehlenden Mitwirkung vollständig eingestellt worden sind, ich auch nicht mehr krankenversichert sei und ich mich mit meiner Krankenkasse wegen einer anderweitigen Krankenversicherung in Verbindung setzen sollte. Von meiner Krankenkasse kam ziemlich zeitgleich ein Schreiben mit der Frage, ob ich einen neuen Arbeitgeber gefunden oder ob ich mich selbstständig gemacht hätte. Als ich mich mit der Agentur für Arbeit in Verbindung setzte und ihr sagte, dass ich doch einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt hätte und auch die Agentur für Arbeit eine Kopie erhalten hätte, sagte man mir, dass die Einstellung der Arbeitslosengeld-

bezüge wieder rückgängig gemacht worden sei und man meine Krankenkasse unterrichten werde. Dennoch hatte ich zwischenzeitlich mehrere schlaflose Nächte mit hohen Blutdruckspitzen und der Angst vor weiteren Glaskörpereinblutungen oder gar eines Schlaganfalls. Jetzt meldete sich die Deutsche Rentenversicherung Bund, der formlose Antrag könne so nicht bearbeitet werden und ich müsste die beiliegenden Formulare ausfüllen und einreichen. Da ich wegen meiner Sehbehinderungen die oft kleine und farblich kontrastarme Schrift der Formulare vielfach nicht entziffern konnte, bat ich eine örtliche Rentenberatungsstelle um Hilfe beim Ausfüllen der Formulare. Die Rentenberatungsstelle schickte dann auch den jetzt korrekt (wie ich meinte) ausgefüllten Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab. Einige Zeit später erhielt ich wieder Nachricht von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Ich hätte keinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen dürfen sondern nur auf Rehabilitationsleistungen und sie hatten die entsprechenden Antragsformulare beigelegt. Da ich immer noch nicht besser sehen konnte, nahm ich wiederum die Hilfe der örtlichen Rentenberatungsstelle in Anspruch. Diesmal mussten auch der behandelnde Arzt und die Krankenkasse jeweils einen Teil ausfüllen. Nachdem ich die von diesen bearbeiteten Unterlagen zusammen hatte, steckte ich sie in einen Umschlag und gab diesen wegen der höheren Portokosten direkt bei meiner Poststelle am Wohnort ab. Eineinhalb Wochen später erhielt ich von der Rentenversicherung Bund wiederum ein Schreiben. In diesem stand, dass ich die geforderten Antragsunterlagen und den ärztlichen Befundbericht nicht eingereicht und ich damit meine Mitwirkung verweigert hätte. Ich sei verpflichtet, die Beweismittel vorzulegen und wenn ich dies nicht innerhalb von zwei Wochen tun würde, mein Antrag abgelehnt würde. Es stand zwar dabei, dass dieses Schreiben gegenstandslos sei, wenn ich die Unterlagen zwischenzeitlich eingesandt hätte. Da meine Unterlagen aber bereits eine Woche vor dem Datum dieses Schreibens bei meinem Sachbearbeiter bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hätten angekommen sein müssen, machte sich in mir die Befürchtung breit, dass da irgendein verwaltungstechnischer Fehler passiert sein muss. Inzwischen habe ich das Vertrauen in die genannten Behörden verloren und ich hatte wieder schlaflose Nächte mit hohen Blutdruckspitzen. Ist doch inzwischen fast ein ganzes Jahr vergangen, seit ich mit der Agentur für Arbeit und der Deutschen Rentenversicherung Bund zu tun habe und noch immer ist der gewünschte Antrag nicht bei meinem zuständigen Sachbearbeiter angekommen. In einigen Monaten läuft mein Arbeitslosengeld aus und dann stehe ich mehr oder weniger mittellos da. Ich habe jetzt schlichtweg Angst um meine bloße Existenz. Und ich habe auch keine Vorstellung mehr davon, wie lange eine solche Bearbeitung überhaupt dauert, wenn schon trotz wiederholter Hilfe von Rentenberatungsstellen die richtige den Bearbeitern meines Falles genehme Antragsform ein volles Jahr in Anspruch nimmt. Außerdem habe ich einfach Angst, dass irgendein formaler Fehler als Grund herangezogen wird, meinen Antrag zunächst einmal abzulehnen. Ein erster Bescheid, auch eine Ablehnung, hätte laut Agentur für Arbeit zur Folge, dass die Arbeitslosengeldbezüge sofort eingestellt würden. Dann wäre ich trotz jahrzehntelanger Einzahlungen der sogenannten Sozialabgaben von einem Tag auf

den anderen ein Fall für die Sozialhilfe. Es scheint mir so, als spiele das menschliche Schicksal der betroffenen Patienten in diesen Behörden keine Rolle mehr. Es ist einfach zum Verzweifeln. Es ist jetzt Anfang August 2009 und die Misere geht gerade so weiter. Zum wiederholten Male meldet sich eine Mitarbeiterin meiner Krankenkasse und teilt mir mit, es gäbe Probleme mit mir, da mich die Agentur für Arbeit im März von den Krankenkassenbeiträgen abgemeldet hätte. Wiederum konnte ich diesen Vorgang nicht nachvollziehen, da ich noch am 31.07.2009 meine Arbeitslosengeldüberweisung erhalten hatte. Zeitgleich kam wieder ein Schreiben von der Rentenversicherung Bund wegen angeblich fehlender Mitwirkung meinerseits bei meinem Reha-/Rentenantrag. Es würden nicht näher bezeichnete Krankenhausentlassungsberichte fehlen. Da ich nicht wusste und nicht angegeben war, um welche Berichte es sich da handelte (ich hatte schon viele Krankenhausaufenthalte), versuchte ich, jemand zuständigen bei der Rentenversicherung telefonisch zu erreichen. Über Call-Center, nicht zuständige nur weitervermittelnde Personen, Warteschleifen und Besetztzeichen benötigte ich über eine Stunde, bis ich eine Mitarbeiterin erreichte, die in meine Akte Einsicht hatte. Diese teilte mir mit, die angeschriebene Klinik hätte sich nicht mehr gemeldet und in einem solchen Fall würde man sich dann an mich halten. Nun wusste ich aus Gesprächen mit meinen Ärzten, dass ein solcher Vorgang schon Wochen vorher in meiner Klinik bearbeitet worden war. Ich kontaktierte meine Klinik, die mir mitteilte, sie hätte die gewünschten Unterlagen schon vor Wochen an die Rentenversicherung geschickt. Nach dem bereits weiter oben geschilderten Vorfall habe ich inzwischen den Eindruck, dass die Mahnabteilung für fehlende Mitwirkung deutlich schneller arbeitet als der dortige Posteingang und Postverteiler. Auf jeden Fall machte ich mir wiederholt erhebliche Sorgen, da es hier um meine bloße Existenz geht. Ich bekam trotz Medikamenten vor Aufregung wieder Blutdruckspitzen bis in die Größenordnung von 200 zu 100. Das bereits erheblich angeschlagene Vertrauen in diese Behörden hatte einen weiteren Schlag bekommen. Vor allem, weil ich das Gefühl nicht mehr los werde, für Widrigkeiten auf den dortigen Verwaltungswegen persönlich gerade stehen zu müssen. Inzwischen haben wir Ende September 2009. Vor etwa zwei Wochen hatte ich einen Gutachtertermin. Bei der Untersuchung stellte der Gutachter wohl fest, dass die anderen Ärzte bei der Beschreibung meines Gesundheitszustandes offenbar nicht die Unwahrheit gesagt haben. Ich hatte wieder einmal nach knapp eineinhalb Stunden vergeblicher Versuche ein Telefongespräch mit einer Mitarbeiterin der Deutschen Rentenversicherung Bund. Ich machte sie noch einmal auf meine durch die Verzögerungen verursachte kritische Situation aufmerksam. Ihre Antwort war aber nur, dass sie dafür nichts könne und ich halt Hartz IV beantragen solle. Dann erhielt ich von der Agentur für Arbeit die schriftliche Mitteilung, dass ich demnächst keine Leistungen (Arbeitslosengeld I) mehr erhielte und ich dann auch nicht mehr kranken- und pflegeversichert sei. Ich solle mich mit meiner Krankenkasse wegen einer freiwilligen Weiterversicherung in Verbindung setzen. Ich selbst bin ledig und darf bei getrennter Kontoführung bei einer guten Freundin wohnen, die in der Altenpflege tätig ist. Sie hilft mir in verschiedenen Situationen meiner Schwer-

behinderung (100%, Merkzeichen G und B), kauft für mich ein, fährt mich ab und zu dahin, wo ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht hinkomme, da ich nicht mehr selbst fahren kann, und hat mich schon mehrfach in kritischen Situationen (Schlaganfall, Glaskörpereinblutungen usw.) in die Klinik transportiert, was schwerere Gesundheitsschäden bei mir bisher vermieden hat. Da ich sonst niemanden habe, hat mir das bis jetzt auch Sozialdienste, Notärzte und evtl. gefährliche Verzögerungen beim Krankentransport erspart. Das Job-Center, bei dem ich mich wegen einer Grundsicherung (Hartz IV) erkundigt habe, sieht meine diesbezügliche Abhängigkeit von ihr und ihre Unterstützung für mich, die auf einer langjährigen Freundschaft beruht, als eine Art Bedarfsgemeinschaft an und fordert von ihr detaillierte Auskünfte über ihre Vermögensverhältnisse (in der Altenpflege verdient man aber nicht gerade reichlich). Sie ist aber nicht bereit, diese zu erteilen, da sie ja für sich keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen will. Das Job-Center hat mir dann indirekt anhand eines Beispiels den Vorschlag gemacht (so habe ich es zumindest aufgefasst), ihre Wohnung wieder zu verlassen, wenn ich Leistungen nach Hartz IV beanspruchen will. Da ich nach wie vor u.a. auch schlaganfallgefährdet bin, kann dieser Vorschlag im schlimmsten Fall sogar meinen Tod bedeuten, da mich dann niemand in einer einsamen Wohnung findet und ich mich dann nicht mehr bemerkbar machen kann. Ich empfand diese Auskunft des Job-Centers, auf welchen Vorschriften das auch beruhen mag, als unmenschliche Grausamkeit. Zudem bräuchte ich dann vermutlich die dauerhafte Hilfe einer Sozial- bzw. Pflegestation. Jetzt sieht es für mich so aus, dass der Bescheid über meinen Erwerbsminderungsrentenantrag nach über einem halben Jahr immer noch nicht erteilt wurde, Mitte Oktober das Arbeitslosengeld I ausläuft, ich dann nicht mehr kranken- und pflegeversichert bin und ich mich dann von meinen wenigen Ersparnissen freiwillig weiterversichern soll (und das bei rund zehn schwerwiegenden Diagnosen), obwohl ich dann keinerlei Einkünfte mehr habe. Ich bin dann noch nicht einmal soweit wie ein Null- Bock-Schüler, der seinen Schulabschluss nicht geschafft hat, obwohl ich jahrzehntelang, solange ich noch gesund war, Steuern und Sozialabgaben geleistet habe. Inzwischen ist November und wieder ein Monat vergangen. Ich hatte noch einmal Kontakt mit dem Job-Center. Jetzt erfuhr ich, dass man dort für mich nicht zuständig sei, da ich nicht mehr arbeitsfähig sei und mir deshalb auch kein Hartz IV zustehe. Daraufhin stellte ich vor allem wegen der Kranken- und Pflegeversicherung beim Sozialamt einen Antrag auf Sozialhilfe. Dieser wurde aber abgelehnt, da ich als unter 60-Jähriger noch mehr als 1.600,- auf dem Konto hätte. Ich solle mein Vermögen über dieser Grenze erst verbrauchen und mich dann wieder melden. Da ich nun keinerlei Einkünfte mehr hatte, beantragte ich bei der Krankenkasse nun doch eine freiwillige Weiterversicherung, um nicht innerhalb kürzester Zeit am sozialen Abgrund zu stehen. Ich wandte mich in dieser Situation wiederholt an die Deutsche Rentenversicherung Bund. Meinen schriftlichen Hilferuf schickte ich dieses Mal per Einschreiben auch an den Präsidenten der Rentenversicherung. Ich erwähnte dabei meine Kontaktaufnahme mit dem Ersten Deutschen Fernsehen (Report Mainz), die von einer Rechtsanwältin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschlands vorgeschlagenen Untätigkeitsklage und das vom VdK empfohlene Sozialgerichtsverfahren. Dieses Mal wurde ich erhört. Nach einer guten Woche erhielt ich den Rentenbescheid über

meinen Erwerbsminderungsrentenantrag aus dem März 2009. Nach vielen Rückschlägen und unnötigen, von vornherein als erfolglos absehbaren Anträgen, deren Bearbeitung bestimmt auch Zeit und Geld gekostet haben, konnte ich endlich aufatmen. Stand 15.11.2009 Hartmut Schmitt