EDUARD VON KEYSERLING WELLEN (KAPITEL 11)
AUF DAS SCHRECKLICHE WARTEN? S. 120-122 Hans malt Mutter Wardein und spricht über Modelle: Hans zu Doralice: Es geht famos. Sie sind ein glänzendes Modell, Mutter Wardein. Ein Porträt muss in uns die Vorstellung eines individuellen Lebens hervorbringen. Deshalb muss man auch Menschen malen, die man nicht kennt, sonst will man da zu viel hineinlegen. So zum Beispiel ist es mir deshalb schwer, dich zu malen, weil ich zu gut in dir Bescheid weiß. Doralice: Du weißt in mir Bescheid? [ ] Da weißt du mehr als ich. Hans naive Selbstüberschätzung Doralices Ironie. Frau Steege am Strand, wartet auf die Rückkehr ihres Mannes: Hans: Unser Steege ist noch nicht zurück? Mutter Wardein: [ ] ob er nun mit dem Boot kommen wird oder ob er ohne Boot kommen wird, das kann man nicht wissen. Der Matthies, mein Mann, kam am zweiten Tage dort nicht weit vom Friedhof ohne Boot heraus. Der Ernst, mein Sohn, kam gar nicht heraus. Die Reaktion Doralices: Doralice richtete sich ein wenig auf, um die Fischersfrau am Strand besser sehen zu können, die rastlos an dem Saum der brandenden Wellen entlang irrte und wartete, auf das Schreckliche wartete, und was die Mutter Wardein da erzählte, war es nicht auch ein endlos langes Leben, in dem sie immer wieder auf das Schreckliche gewartet hatte? Soll das Leben darin bestehen, auf das Schreckliche den Tod zu warten?
HILMAR, HANS UND DORALICE S. 122-123 Hilmar erscheint, er will mit Doralice segeln Wie Doralice Hilmar sieht: Hilmar [kam] im blauen Flanellanzuge, die rote Krawatte leuchtete von weitem; er ging schnell mit wippendem Schritt, wiegte sich leicht in den Schultern, und jede Linie in der blauen Gestalt, die sich lustig gegen das grüne Meer abhob, war so voll unternehmenden Leichtsinns, dass Doralice lächeln musste. [ ] Er kommt geradewegs zu uns [ ] ein toller Junge. Das Gegenbild zum Tod Hilmars Frage und die Reaktion von Hans und Doralice Hilmar: [ ] das Meer ist heute wie eine Wiege [ ] und da wollte ich fragen [ ] ob Sie, gnädige Frau, nicht mitfahren wollen? Für drei ist im Boote Platz und Stibbe und ich sind sichere Segler. Doralices Reaktion: Doralice schaute überrascht zu ihm auf und dann musste sie über den eigensinnigen, entschlossenen Ausdruck seines Gesichts lächeln. O, ich, sagte sie, ich glaube nicht, dass mein Mann das gestattet. Hans Reaktion: Hans hatte mit dem Pinsel voll Zinnober einen so kräftigen Hieb gegen das Bild geführt, dass die Wange der Mutter Wardein eine breite rote Schramme erhielt, und es wunderte ihn, als er seine eigene Stimme ruhig und überredend sagen hörte: Warum nicht? Heute ist wohl keine Gefahr dabei. Wenn es dir Vergnügen macht, der Baron ist ja ein sicherer Segler. Doralices Reaktion: Es war ein seltsam erstaunter und kalter Blick, mit dem Doralice Hans ansah: Das ist etwas anderes [ ] dann also wollen wir fahren. Kommen Sie Baron. Hilmars aristokratische Unbekümmertheit Doralices Zweideutigkeit (Vgl. Ira Gershwin : I won't say I will, but I won't say I won't! ( https://www.youtube.com/watch?v=jvtoyejmqwg) Hans unter dem Zwang seiner selbst proklamierten Freiheit Doralices Enttäuschung über Hans
HANS UND DORALICES GEFÜHLE UND IHRE REAKTIONEN S. 124-125 Hans am Strand Plötzlich warf er alles fort, stellte sich auf den Rand der Düne und schaute den beiden nach [ ] Ohne sich um die Mutter Wardein zu kümmern, stürmte Hans die Düne hinab an das Meer, dort begann er auf und ab zu gehen, zuweilen stehenbleibend, dem Segel nachzuschauen [ ] Hans Gefühle: Für wen spielte er denn diese Komödie des Vertrauens und der großmütigen Gelassenheit? Vertrauen? Was wusste er denn von dieser Frau? Er wusste nur, dass gegen den Gedanken, sie zu verlieren, sich jeder Tropfen seines Blutes sträubte. [ ] Aber das war es, diese Eifersucht schmerzte ihn wie eine Schande, sie demütigte ihn, zerbrach den Stolz und die Selbständigkeit, ohne die er nicht leben zu können meinte. Zwei verschieden Blicke auf das Meer: Ich sehe immer noch nichts, hörte er eine klagende Stimme neben sich. Die Frau des Fischers Steege stand neben ihm und schaute mit müden Augen in das Flimmern des Meeres. Der Konflikt zwischen den Ideen der freien Liebe und den Gefühlen der Eifersucht Der Parallelismus Hans Frau Steege: auf das Schreckliche warten? Doralice im Boot Doralices Gefühle: Doralice war ernst, sie hatte die unklare Empfindung, als sei sie von Hans gekränkt worden; als sei es treulos von ihm, dass er sie so ruhig fahren ließ. Doralices Strategie der Zerstreuung: Aber Hilmars Gesicht lachte ein so glückliches, so ausgelassenes Lachen, das Lachen eines Knaben, der der Schule entlaufen ist, um sich einen unerlaubten Feiertag zu machen, so dass sie mitlachen musste und plötzlich auch die ausgelassene Ferienlustigkeit in sich aufsteigen fühlte. Der Konflikt zwischen der freien Liebe und der Erwartung der Treue. Der Parallelismus Doralice Hilmar: aristokratische Unbekümmertheit?
DORALICE UND HILMAR IM BOOT S. 125-127 Hilmars Leidenschaft und Doralices Zurückhaltung Hilmar: Sehen Sie [ ] wenn Sie nicht gefahren wären, wenn Sie nicht hier säßen, ich weiß nicht, was ich getan hätte. Aber ich wusste, es muss geschehen. Doralice: Gut, gut, ich sitze ja hier [ ] aber sprechen Sie jetzt nicht solche solche heißen Sachen. Wie Doralice laut Hilmar sein sollte Hilmar, nachdem er Doralice Decke und Polster gegeben hat: [ ] nun wäre nichts mehr zu bemerken, außer vielleicht, dass Sie noch ein wenig zufriedener aussehen könnten. Haben Sie bemerkt, wenn ein Kind etwas ganz Süßes isst, dann wird es ernst und die Augen werden groß und füllen sich etwas mit Tränen. So sollten Sie aussehen. Doralice: Ach wollen Sie mir auch sagen, wie ich bin? Ähnlichkeit von Hilmar mit Hans (und dem Grafen Jasky) Hilmars über seine Beobachtungen in der Nacht Hilmar: [ ] in Ihren Augen ist noch ein ganz klein wenig von dem Blick von gestern abend zurückgeblieben [ ] als Sie [ ] bei der Lampe auf dem Sessel saßen und vor sich hinsahen [ ] Ja, ich habe durch Ihr Fenster zu Ihnen hineingeschaut; ich tue das immer, natürlich, was soll ich anderes tun? Sie finden das unerhört. Es ist vielleicht unerhört, aber ich würde noch viel unerhörtere Dinge tun. Sind Sie böse? Doralice: Ach ja [ ] gewiss bin ich böse, aber später, nicht jetzt. Doralices Unsicherheit und Zweideutigkeit Nach der Bootsfahrt Hilmar: Das Land ist eine Gemeinheit. Doralices Gefühle: Der Gedanke an das Mittagessen, an den Dampf der großen Kartoffeln, an Agnes strengen, wachsamen Blick und etwas anderes noch kam unerwartet, um sie zu quälen, ein Gefühl des Mitleids für Hans. Sie war die ganze Zeit über so weit fort von ihm gewesen, mit keinem Gedanken war sie zu ihm zurückgekehrt. Ambivalenz der Gefühle Doralices