Montag, 1. Juni 2015 Petra Detken Die dicke rote Tagungsmappe Sie liegt vor mir - die dicke rote Tagungsmappe für den Deutschen Evangelischen Kirchentag. Vom 3.-7.Juni treffen sich Hunderttausende Menschen in Stuttgart, um zusammen Gottesdienste zu feiern, zu diskutieren, zu singen gemeinsam nachzudenken und noch viel mehr.. Seit vielen Jahren bin ich als Besucherin und auch als Mitarbeitende auf den Kirchentagen unterwegs. Wenn die Tagungsmappe bei mir ankommt, ist es nicht mehr lange hin zum Beginn und die Freude steigt. Ich nehme die Mappe in die Hand: Ganz schön schwer! Ich klappe sie auf. Als erstes fällt mir ein Stadtplan in die Hand. Die Wege zu den einzelnen Veranstaltungsorten in Stuttgart müssen gut geplant werden: Nehme ich die U-Bahn, ein Leihfahrrad oder kann ich zu Fuß gehen? Ein weiterer Plan: Die Übersicht über alle Veranstaltungen und Orte am Abend der Begegnung, dem großen Straßenfest am ersten Tag. großen Eröffnungsgottesdienst mit anschließendem. Und dann natürlich das Liederbuch mit bekannten und auch neuen Liedern. Denn gesungen wird beim Kirchentag nicht nur in den Gottesdiensten, sondern auch mitten in der Stadt, in den überfüllten Straßenbahnen und auf allen Plätzen. Das ist eine ganz besondere Stimmung! Das eigentliche Programmheft für die fünf Tage ist ganze 620 Seiten dick! Voll gepackt mit Hinweise und natürlich das Wichtigste: die Veranstaltungen. Es gibt mehr als 2000 davon: Zum Beispiel das Planspiel Ist das schon rechts, der Vortrag zu Moral und Politik, viele Podiumsdiskussionen und jede Menge Musik zum Hören und Mitmachen. Außerdem natürlich Theater und Kabarett. Die Losung des Kirchentages Damit wir klug werden gibt allen Veranstaltungen den inhaltlichen Zusammenhang. Ich möchte so viele Veranstaltungen wie möglich besuchen, etwas Neues von Experten erfahren über die Auswirkungen der Klimaveränderung. Ich will mit mir fremden Menschen ins Gespräch über das Miteinander der Religionen kommen und Anregungen für die Arbeit in der eigenen Kirchengemeinde mit nach Hause nehmen. Mein Veranstaltungsplan wird voller und voller und ich überlege, wie ich die Wege zwischen den Veranstaltungsorten am schnellsten bewältigen kann. Nach der ausführlichen Planung liegt er vor mir und ich bin voller Vorfreude: Mein Kirchentagsplan für Stuttgart 2015! Ich klappe die Tagungsmappe zu und plötzlich fällt mir noch etwas ein: Ich habe die Pausen vergessen! Noch eine kurze Suche und ich füge in meinen Plan ein: Täglich einmal die Halle der Stille aufsuchen!
Dienstag, 2. Juni 2015 Petra Detken Die Kleinen in den Gemeinden Wir sind die Kleinen in den Gemeinden, doch ohne uns geht gar nichts, ohne uns geht s schief! Dieses Lied singen, ja schmettern die Kinder im Kindergottesdienst immer gerne. Wir sind der Schatz im Acker der Gemeinde so beginnt die 4. Strophe dieses Liedes. Das sind keine leeren Worte: Kinder in der Gemeinde sind wirklich ein großer Schatz. Mit ihrem offenen, neugierigen Blick entdecken sie Dinge, die wir als Erwachsene gar nicht mehr deutlich wahrnehmen. Das ist die Spur der Ameisen in der Sandkiste oder die märchenhaft geformte Wolke. Kinder trauen sich, Fragen zu stellen. Nicht, weil sie einfach nur lernen wollen, sondern um zu verstehen. Deshalb macht es so viel Spaß, mit Kindern Geschichten aus der Bibel zu entdecken. Geschichten, die vom Mut handeln, von Angst und Vertrauen. So wie zum Beispiel die Geschichte von Jona, der aus Angst vor seinem Auftrag geflüchtet ist, vom Walfisch verschlungen und wieder ausgespuckt wird. Jona- ein Prophet wird klug wird als Singspiel für und von Kindern beim Stuttgarter Kirchentag aufgeführt. Seit vielen Kirchentagen gibt es das Zentrum Kinder- in Stuttgart direkt in der Innenstadt. Sie können sich beim Kochworkshop ausprobieren oder sie können als Reporter und Reporterin über den Kirchentag berichten. Unter Anleitung von Profis entwerfen sie ihr eigenes Stadtmodell und präsentieren ihre Ideen. Kinder zwischen 6 und 12 Jahren können in Stuttgart forschen, singen, fragen und gemeinsam klug werden. Kirchentag ist lebendig. Ihn mit Kindern zu erleben ist ein besonderes Abenteuer. Das werden nicht nur viele Kinder aus der Region um Stuttgart herum erfahren, sondern auch Familien, die mit ihren Kindern gemeinsam dorthin fahren. Sie sind die Kleinen in den Gemeinden aber ohne sie geht gar nichts! Auch kein Kirchentag.
Mittwoch, 3. Juni 2015 Ulrike Kahle Leichte Sprache Die Montags-Konfirmanden der Martin-Luther-Gemeinde in Findorff fahren zum Kirchentag nach Stuttgart. Dies planen wir zusammen. Die Konfis reden über eine Bibelarbeit in Leichter Sprache, die wir gemeinsam vorbereiten. Bei Texten in Leichter Sprache werden keine Fremdworte verwendet, und schwierige Wörter erklärt. Die Sätze sind kurz. Unsere Ideen und Vorschläge schwirren durch den Raum, es wird gelacht, diskutiert und ausprobiert. Die eine Idee wird verworfen, eine andere scheint besser zu sein. Je länger sich die Konfirmanden mit dem Text auseinander setzen, desto besser verstehen sie ihn. Sie kommen dem Inhalt spürbar näher. Sie verbessern immer wieder ihre Pläne, bis sie die beste Formulierung in Leichter Sprache gefunden haben. Bei den Bibelarbeiten am Samstagmorgen geht es um das Gleichnis von den zehn Jungfrauen aus dem Matthäusevangelium: Zehn junge Frauen sind zu einer Hochzeit eingeladen. Alle müssen auf den Bräutigam warten. Fünf von ihnen haben nur das Öl, das schon in ihren Öllampen war. Die anderen fünf hatten die gute Idee, noch Öl zum Nachfüllen mitzunehmen. Als die Hochzeit beginnt, ist das Öl in den Lämpchen verbraucht, nur fünf Frauen können sofort Öl nachfüllen. Die anderen fünf müssen erst neues Öl kaufen. Als sie zurückkommen, werden sie nicht mehr zu der Feier eingelassen. Bei Martin Luther heißt der letzte Satz : Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde. In Leichter Sprache heißt es: Gott ändert die Welt. Irgendwann. Bleibt wach! Alle biblischen Texte, die für den Kirchentag in Stuttgart ausgewählt wurden, sind in Leichte Sprache übersetzt worden. So sind diese Texte z. B. für Menschen mit Lernschwierigkeiten besser verständlich. Wer Inhalt und Text versteht, kann mitdenken und mitreden. Jeder kann sich mit seinen Ideen und Vorschlägen einbringen und teilhaben. Damit wir klug werden ist das Motto des Kirchentages. Das heißt, dass wir alle eingeladen sind, über das Leben nachzudenken. Auch Menschen mit Assistenzbedarf gehören dazu. Wenn wir wach bleiben, dann können wir alle Menschen in den Blick nehmen. Dann können wir schon jetzt die Welt bereichern und verändern. Die Konfirmanden der Montagsgruppe aus Findorff haben sich jetzt auf den Weg nach Stuttgart gemacht. Ich freue mich auf unsere Bibelarbeit in Leichter Sprache!
Freitag, 5. Juni 2015 Hannah Detken Wenn mein Fuß sprechen könnte Wenn mein Fuß sprechen könnte, dann würde er in der nächsten Woche in Stuttgart vermutlich so reden: Der Wecker klingelt. Ein schriller Handyton reißt mich aus den schönsten Träumen von weichem Sand und grünem Moos. Die Nacht war viel zu kurz. 6 Uhr. Die Lauferei geht wieder los. Und in diesen 5 Tagen in Stuttgart auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag sind meine Dienste besonders intensiv gefragt. 5 Tage lang bin ich dauernd im Einsatz, nur die wenigen Stunden in der Nacht auf der Isomatte bleiben mir, um mich zu erholen. Zum Glück bin ich nicht alleine und habe immer meinen Partner zur Rechten an meiner Seite. Wir arbeiten schon seit ich denken kann zusammen. Gerade an diesen anstrengenden Tagen ist es gut jemanden an der Seite zu haben. Wie sagt man so schön? Geteiltes Leid ist halbes Leid! Jetzt geht es los, in die Dusche, zum Frühstück und dann raus auf die Straße. Ich merke wie mir der letzte Tag noch in den Knochen steckt. Ein paar Minuten brauche ich, um wieder warm zu werden. Wohin es heute wohl geht? Der Weg führt mich und meinen Fuß-Partner erst einmal zu einer U-Bahn Station. Die Treppe hinunter und auf in die Bahn. Viele Kollegen treffen wir hier und alle sehen schon etwas fertig aus. Es hoffen wohl viele hier, erst einmal in eine Veranstaltung zu kommen. Da gibt es genügend Papphocker zum Ausruhen. Und tatsächlich: mein Partner und ich haben Glück. Der erste Termin ist eine Diskussion. Ich bekomme nicht viel mit, sondern freue mich lieber über die Momente der Ruhe. Die sind nach ein paar Stunden jedoch wieder vorbei und los geht die Lauferei durch die Messehallen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ständig von anderen Kollegen angerempelt werden und dass wir wiederum nicht gegen andere stoßen. Meine Kräfte beginnen zu schwinden während wir immer weiter die Messehallen durchqueren... Doch dann endlich erreichen wir den Ort, den jeder von uns auf dem Kirchentag liebt: das Bremer Oasencafe. Eine Oase für mich und alle meiner Art, denn hier werden wir nach Strich und Faden verwöhnt. Ich spüre wie warmes Wasser mich umhüllt und zwei sanfte Hände beginnen mich zu massieren, es gibt nichts Schöneres nach so vielen Stunden Arbeit. Nach der Massage werde ich noch mit Öl eingerieben und komme dann in einem sanften Handtuch zu liegen. Was für eine Erholung an diesen stressigen Tagen für mich. Wunderbar!
Sonnabend 6. Juni 2015 Hannah Detken Klug googeln Damit wir klug werden ist das Motto des evangelischen Kirchentags in Stuttgart. Googeln das ist ein Wort, das fast jeder kennt: Das muss ich mal kurz googeln! Ich hab das gegoogelt! Warte, ich google das schnell! Das kleine blaue Symbol mit dem Buschstaben G auf meinem Smartphone ist für mich sehr wichtig geworden. Wenn ich etwas nicht weiß, dann tippe ich meine Frage ein und die Suchmaschine Google gibt mir die Antwort in Sekundenschnelle. Ich kann mittlerweile sogar mit Google sprechen und es sagt mir, wo ich den nächsten Bäcker finde und wie weit es noch nach Hause ist. Google weiß so ziemlich alles. Ist Google also klug? Ich google das Wort klug. Google verweist mich auf den Duden. Der sagt: wer klug ist der ist intelligent und gebildet. Wer alle meine Fragen beantworten kann, ist gebildet und intelligent. Also ist Google klug. Und wenn ich bedenke, dass Google viel mehr weiß als ich, dann stelle ich mir die Frage: Ist Google also klüger als ich? Und wenn Google klüger ist als ich, Google ich dann, damit ich klug werde? Wenn ich darüber nachdenke, dann würde ich diese Frage erst einmal mit Ja beantworten. Ich finde in der Internet-Suchmaschine Antworten auf meine Fragen und wenn ich die Antwort habe, bin ich ein wenig klüger geworden. Aber der Gedanke nur durch das Internet klug zu werden, behagt mir nicht. Und auch eine andere Frage stellt sich mir: Bin ich nur klug wenn ich viel weiß? Noch einmal der Blick in den Duden: er gibt mir noch andere Bedeutungen für klug: Lebenserfahren zum Beispiel oder auch weise. Das mag so gar nicht zu einer Internetsuchmaschine passen. Lebenserfahren vielleicht noch, Google gibt es jetzt ja auch schon ein paar Jahre. Aber weise? Klug zu sein, bedeutet eben mehr als nur ganz viel zu wissen. Denn es wird auch immer Fragen geben, die mir Google nicht beantworten kann. Fragen, die man nicht mit Ja oder Nein beantworten kann. Fragen, die sich die Menschen schon seit Jahrtausenden stellen und auf die noch keiner und keine eine klare Antwort finden konnte und wahrscheinlich auch nie finden wird. Über diese Fragen denken die Menschen in diesen Tagen auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart nach. Ich bin eine von ihnen. Ich frage, damit ich klug werde, in Stuttgart, mal ganz ohne Google.