Meine Damen und Herren, die Galerie Nero, mitten in Wiesbaden gelegen, hat heute



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Transkript:

Hiller Ausstellung am 6.05.2006 Meine Damen und Herren, die Galerie Nero, mitten in Wiesbaden gelegen, hat heute ihre Eröffnungsfeier. Die Galerie mit ihrem intimen Charakter zeigt in ihren Räumen Arbeiten von Joachim Hiller. Die Räume sind so angelegt, dass Sie einen kleinen Rundgang durchführen können. Die Galeristin, Frau Kiessling, hat mit Bedacht einen Künstler ausgewählt, dessen Werk von einer besonderen Ausstrahlung geprägt ist. Ich bezeichne Joachim Hiller als den Meister der Strukturen. Es ist meisterlich in der Art, wie der Künstler in unendlicher Vielfalt Strukturen der Natur aufdeckt. In diesen Räumen ist nur ein kleiner Ausschnitt zu sehen. Der Katalog muss zurate gezogen werden, damit meine Aussage tatkräftig untermauert wird. Die Welt der Struktur wird hier offenbart in ihrer vielfältigsten Form. Zitat vom Künstler: In der Natur gibt es nichts, was sich exakt identisch wiederholt. Dies ist wahr. Kein Baum gleicht dem anderen und keine Struktur aus der Natur entlehnt zeigt Wiederholung. Wer die Natur so eingehend studiert und beobachtet hat wie Hiller, weiß wovon er redet, denn er hat sie über 30 Jahre studiert mit den Augen eines Künstlers, mit den Augen eines Wissenschaftlers oder eines Analytikers. Sein malerisches Werk ist ungegenständlich, und Joachim Hiller ordnet sich eindeutig zur abstrakten Malerei (ist das nicht falsch?) ein. Dies meint eine Kunst, die auf gegenständliche Motive verzichtet und rein durch Formen und Farben wirken möchte. Der holländische Maler

van Doesburg äußerte einmal nichts ist konkreter und realer als eine Linie, eine Farbe, ein Plan. Wie Recht er hat, und doch bleibt nichts Figürliches in den Formen von Hiller. Die Strukturen sind von einer solchen Ausgewogenheit und weisen eine solche Bild- Balance auf, von der man mit Recht sagen kann, sie ist harmonisch. Bevor ich meine Behauptungen untermaure, möchte ich einige Daten zur Person erwähnen. Joachim Hiller, der Großstadtmensch, ist 1933 in Berlin geboren. Und er ist es, der die Natur auf eine besondere Weise für uns sichtbar macht. 1969 fing es an, als er, der Werbegraphiker und spätere Art Director in Hamburg und Frankfurt, der damaligen Metropole in Sachen Grafik, seinen Beruf an den Nagel hängte, um sich ausschließlich seiner Malerei zu widmen. Diese gab ihm mehr Tiefe und klare Erkenntnis als die schnelllebige Grafik, heute spricht man von Kommunikationsdesign. Schon als junger Mann war er zeichnerisch talentiert, als er, 16-jährig, ein Studium an der Meisterschule für Kunsthandwerk in Berlin-Tiergarten begann und damals mit seinen Arbeiten einige Dozenten verblüffte. Einer der Lehrer konnte mit dem Gekritzel nichts anfangen, worauf der andere erwiderte: Lass ihn doch. Schauen wir uns diese Zeichnung genauer an. Man muss schon näher an das Objekt herantreten, seine Augen schärfen, um etwas zu erkennen. Die kleinteilige Struktur, in der nichts Gegenständliches ruht, zeigt ein sehr differenziertes Linienspiel. Sein heller und dunkler werdender Verlauf im Gesamtbild lässt eine Zartheit im Phantasiereichen auf und ab erkennen. Man geht näher ran, um zu entdecken: Was verbirgt sich in dieser sensiblen Struktur?

Erinnerungen tauchen auf wie eine Steinstruktur. (Katalog S. 15-17) Die Linien sind fein gegliedert, nichts ist unruhig oder nervös, nein duldsam sicher aufspürend, wie als würde etwas nachgezeichnet, aufgespürt. So sicher ist die Strichführung. Es ist kein Phantasiegekritzel, sondern eine konzentrierte Arbeit von etwas Bestimmten. Zieht man seine anderen Arbeiten hinzu, wird dies bestätigt. Schenken wir unsere Aufmerksamkeit den kleinformatigen Arbeiten mit der Felsstruktur, die im Jahre 1969 entstanden sind. Zitat des Künstlers: Bei einer Reise nach Dalmatien fand ich, wovon ich geträumt hatte, eine Felsenküste vom Meer geformt. Ich war in einem riesigen Skulpturenmuseum. Von groß und erhaben bis klein und verspielt, alles war da. Zuerst habe ich gezeichnet und gemalt, habe die Anatomie der Steine studiert. Danach habe ich versucht, Prozesse zu erfinden, die so etwas nachspielen. Wie Wind und Meer formen, Steine oder Land. Dieser Ansatz hat sich als fruchtbar erwiesen, und so habe ich bis heute weitergearbeitet und werde weiterarbeiten. Bei den frühen Arbeiten desselben Jahres stellt er den Stein auf eine helle Fläche. Versenkung und Konzentration auf das Detail sind zu spüren. Wie ein Detektiv ist er auf den Spuren der Steinstruktur. Mit sensiblem Nachspüren, so wie sich die Natur zeigt, will er diesen Ausschnitt deutlich machen. Er malt etwas Bestimmtes. Er lässt sich hier auf das feine Strukturnetz mit seiner Rhythmik ein. Um den konsequenten Weg seiner Schaffenszeit aufzuzeigen, arbeitet er Anfang der 70er Jahre mit der Spritztechnik. Die ist zurzeit nicht ausgestellt, jedoch können Sie die Handhabung der Spritzpistole an einigen Arbeiten erkennen. Die großen Formen, die wie mit der Lupe oder wie bei der Fotografie im Zoom herangeholt worden sind, haben sein Interesse. Form und Farben werden so eingesetzt, dass Plastizität

entsteht. Lichtreflexe und das Räumliche werden bearbeitet. Auch setzt sich der Künstler mit wichtigen Fragen auseinander: wie Einstieg ins Bild, Blickführung, asymmetrischer Bildaufbau, verteilen der Gewichte auf der Fläche und im Zwischenraum der einzelnen Formen. Dies sind Themen, die beachtet werden müssen. Im zweiten Raum hängen ebenfalls Arbeiten aus der ersten Hälfte der 70er Jahre, die etwas an Dubuffet, den er schätzt, erinnern, und doch sind sie etwas ganz anderes. Hier wird die Acrylfarbe mit Zement, Farbe und Sand zu einer Spachtelmasse angerührt und auf die Hartfaserplatte gebracht. Diese Masse trocknet durch die Natur. Nicht vom Künstler geplante Risse entstehen bei diesem Trocknungsprozess. Nun beginnt der Künstler mit seinem Auge Teile herauszuheben oder nach hinten zu drücken. Mit dunklerer Farbe werden die entstandenen Krakeluhren nun unterstützt, damit die interessanten Linien, die die Natur vorgab, hervorgehoben werden. Meist steht die helle fast weißliche Farbe vorne. Bei einer Wachsarbeit ist es umgekehrt. Die Leinwand wird vom Künstler bewegt, und die den Erkaltungsprozess des Wachses entstandene starre Fläche bricht. Es entstehen interessante Krakeluhren. Folgerichtig in der Entwicklung beschäftigt sich Joachim Hiller dann mit dem Glas- Kunststoff-Relief. Etwas bereits Starres wird zerbrochen. Der Künstler beginnt etwas zu zerschlagen, was vorher ganz war. Er will den Strukturen der scheinbaren Zufälligkeit auf den Grund gehen. Was er nun entdeckt ist bemerkenswert. Nicht nur die Struktur, sondern auch in ihrer Reliefform beginnt es zu leben durch das natürliche Licht- und Schattenspiel. Da

Glas zu sehr reflektiert, wird dies durch Farbe unterdrückt. Er wählt bei diesen Arbeiten fein abgestufte Pastelltöne, die er mit der Spritzpistole gleichmäßig anlegt. Mit dem Pinsel wären störende Strukturen entstanden. Ihm ist daran gelegen, dass die spannungsreichen Linien sichtbar bleiben. Nun wird die waagerechte Schaffensfläche senkrecht fixiert und montiert. Ich bezeichne diese Arbeitsmethode als Zufall mit Kalkül. Zufälliges Zertreten, Zerschmettern einer Glasscheibe. Das Material zerreißt, zerspringt nach seiner Belastungsprobe. Der Künstler tritt zu, und das Material formt sich aus sich heraus. Linien und Kurven entstehen. Bei diesem Prozess wählt der Künstler Hiller nun den Ausschnitt, das Spannungsfeld. Er fragt sich, wo das Kraftzentrum ist. Hier wird nun das Passepartout, der Ausschnitt gewählt, wo die Kräfte am spannendsten sind. Es wird geklebt und fixiert und mit Farbe moduliert, und dies entwickelt sich zu einem sensiblen Farbkontinuum. Sensibel tastend verfolgt Hiller die Spur des nun entstandenen Reliefs. Er hebt Vor- und Rücksprünge durch Farbe hervor oder drängt diese zurück, was in diesem Augenblick des Schaffensprozesses für ihn wichtig ist. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass sich hier die frühere Betrachtungsweise als Grafiker bemerkbar macht. Der in seinem Arbeitsprozess stehende Künstler bekommt eine größere Distanz zu seiner Arbeit. Er nimmt dadurch eine neutrale Position ein, kann sein Werk kritischer betrachten. Heute wird dies bei einem Seitenumbruch ebenfalls so gemacht, um die Abfolge besser zu erkennen, wenn die Arbeit auf dem Boden liegend in der Waagerechten ist. Auch kann der Künstler Hiller den Standpunkt des Betrachtens zu seinem Werk unterschiedlich einnehmen. Er kann um das Bild herum gehen.

Es kommt nun ein neuer Aspekt hinzu: Die Drehbarkeit des Bildes Die Bildbalance bleibt weiterhin gewährleistet. Der Künstler entdeckt den Zufall, die Form, die die Natur prägt. Er verwendet unterschiedlichste Techniken. Er möchte dem Zufall oder den Dingen hinter den Dingen auf die Schliche kommen. Der Künstler hat Versuche unternommen, Sand auf die Bildfläche zu schütten und diese von dem Wind gestalten zu lassen. Der sich bewegende Sand wird geformt. Er lässt die Natur arbeiten und betont und hebt im zweiten Schritt dann hervor. Der Künstler lernt, dass es Wiederholungen in der Natur nicht gibt. Im kleinen Raum, wo die große Mappe mit den Arbeiten steht, finden Sie vorrangig einige feine kleinteilige Strukturbilder-Reihen. Es ist die zweite Hälfte der 80er Jahre. Arbeiten Acryl auf Karton. Man fühlt sich an die Drippelings oder die Gruppe der Informellen erinnert, und doch ist es etwas anderes. Es ist nicht durch Zufall entstanden, sondern mit Kalkül sind diese feinen Strukturarbeiten in ihrer Unwiederholbarkeit zu sehen. Der Künstler lässt sich auf das feine Strukturnetz mit seiner Rhythmik ein. Auf der anderen Seite sehen wir geradwinklige Strukturen, wie eine Landschaft aus der Vogelperspektive betrachtet. In die subtile Farbschicht werden Linien in waagerechtem oder senkrechtem Verlauf eingeritzt, so dass ein feines grafisches Liniennetz entsteht, als würde man die Erdschicht aus der Entfernung betrachten. Ja, die Natur gibt uns alle Formen und Farben vor. Hier wird die Natur zu seiner Inspirationsquelle. Von ca. 1980-90 gilt sein Interesse dem, was wir in diesem Raum auf der linken Seite hängen sehen. Es sieht ja wie geknautschtes Papier aus, so meine

Bemerkung, als ich dieses Bild sah. Denn dies war meine leidvolle Erinnerung damals vor vielen Jahren in der Malerei bei Herrn Preyer. Als ich geknautschtes Papier stundenlang und ohne Begeisterung malen musste. Doch welche Faszination geht von dieser Fläche aus! Bewundernswerte Geduld und Können weist diese Arbeit aus. Die geknickten kantigen Flächen ziehen den Betrachter in die Bildmitte hinein, (und) eine Vielfalt der Nuancen und kleinteiligen Flächen offenbart sich hier. Es könnte auch ein geknülltes Papier früher mal als Vorlage gedient haben. Auch darin steckt die Zufälligkeit des Drückens. Und es kann nicht wiederholt werden in seinen kleinen unregelmäßigen, nicht wiederholbaren Flächen. Auf den großformatigen Bildern im hinteren Raum werden in dekorativer Weise Farbverläufe in Bewegung gebracht. Hier wurde auf die völlig getrocknete farbige dunkle Leinwand in zweiten Durchgang die nun flüssige Farbe auf die Fläche gebracht und mittels eines Pusterohrs in Bewegung gesetzt. Durch diese bewusste Steuerung fließt die Farbe in einen ihm vom Künstler zugewiesenen Raum. Es kann weiterhin nachgeholfen werden, indem auch die ganze Bildfläche bewegt werden kann. Anschließend, wenn das künstlerische Auge den Verlauf für gut befindet, wird der Prozess gestoppt. Die Farbe gerinnt auf der Fläche. Nun werden die Ränder, die sich ganz natürlich bilden, durch den Trocknungsprozess hervorgehoben und malerisch unterstützt. So ist auch sein Ausspruch gerechtfertig: Ich male nicht die Wolken, sondern mache sie. Hiller ist Schöpfer und nicht Nachahmer. Er malt mit der Natur und die Natur durch ihn. So sind auch seine Eisbilder entstanden. Er behandelt seine Bildfläche, schüttet farbiges Wasser darauf und legt es in die eisige Winterluft. Das Wasser gefriert und es entstehen Eisblumen, die der Künstler mit sensibler Hand und Feinsinnigkeit nachspürt und bildet. Hier formt die Natur und der Künstler findet und

entdeckt. Es entstehen Eisblumen wie früher am Fenster, die sich bei Kälte bildeten. Dieses Feingespinst von Linien, Formen und Strukturen, auf denen ein Zauber ruht. Die Natur gestaltet zuerst und dient als Vorlage. Es ist und wird ein Schaffensprozess im Dialog mit der Natur. Gemeinsam Hand in Hand. Der Künstler mit der Natur. Dies ist ein Novum in der Kunstgeschichte, und dies möchte ich besonders herausheben und unterstreichen. Die Strukturen werden den vier Elementen zugeordnet: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Dieses Ordnungsprinzip erleichtert die Einteilung seines Werkes. Der Künstler, der Maler Joachim Hiller ist für mich der Meister der Struktur. Er ist Entdecker und Aufdecker von Phänomenen. Er ist Forscher, Finder, Sehender. Ich male nicht die Natur, ich male wie die Natur. Das Erste hieße, der Künstler würde die Natur abmalen. Das wie bedeutet, wie etwas beschaffen ist. Es ist die Neugierde, die hier im Vordergrund steht. Er möchte den Dingen auf den Grund gehen. Was steht hinter der Struktur? Zieht die Frage nach: Wie ist die Struktur, die die Natur aufbaut? Das ist spannend und wird den Künstler immer wieder zu neuen kreativen Leistungen bringen. Hiller erwähnte im Gespräch, dass Max Ernst ihn beeinflusst habe. Beide beobachten und nutzen die Natur. Max Ernst reibt ab, erhält Strukturen, die vorhanden sind. Mit seiner vielseitigen Gabe setzt er dann diese Fundstücke neu zu den berühmten Collagen oder der Frottagetechnik zusammen. Er entwickelt und formt mit den Gegebenheiten. In Flecken, Strukturen werden Formen gesehen. Er spielt mit den Dingen. Er beobachtet, interpretiert und baut dies zu etwas Neuem.

Anders Joachim Hiller. Er lässt die Natur so wie sie ist und setzt dann mit seinem Schaffensprozess ein. Die Natur malt mit ihm, er durch sie. Der Weg, auf dem Neues in der Kunst gefunden werden kann, ist der Weg des Erkennenden. Entdecken Sie, beteiligen Sie sich, indem Sie aktiv betrachten. Assoziieren Sie. Lassen Sie sich ein in die Welt der vielseitigen Strukturen, ihren mannigfaltigen Strukturen und Formen. Das Sehen und Entdecken ist spannend in Szene gesetzt. Seien Sie Detektiv und decken Sie auf.