Flüchtige Stoffe in Matratzen

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Transkript:

Flüchtige Stoffe in Matratzen Aktualisierte* gesundheitliche Bewertung Nr. 046/2006 des BfR vom 29. April 2003 Eine im Handel angebotene Matratze enthielt flüchtige Stoffe, zum Teil mit biozider Wirkung. Die amtliche Bedarfsgegenständeüberwachung bat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) um gesundheitliche Bewertung der nachgewiesenen Konzentrationen. Bettmatratzen sind Bedarfsgegenstände im Sinne des 2 Abs. 6 Nr. 6 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Gemäß 30 LFGB ist es verboten, Bedarfsgegenstände derart herzustellen oder zu behandeln, dass sie bei bestimmungsgemäßem oder vorhersehbarem Gebrauch geeignet sind, die Gesundheit durch ihre stoffliche Zusammensetzung, insbesondere durch toxikologisch wirksame Stoffe oder durch Verunreinigungen, zu schädigen. Es ist verboten, derartige Bedarfsgegenstände in den Verkehr zu bringen. Von den in der Matratze nachgewiesenen Biozid-Konzentrationen geht nach Ansicht des BfR bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine akute Gesundheitsgefahr aus. Kurzfristig könnten jedoch Raumluftkonzentrationen der nachgewiesenen flüchtigen Stoffe erreicht werden, die eine Belastung darstellen. Dies gilt besonders bei Verwendung der Matratze in kleinen, schlecht gelüfteten Räumen. Das Institut empfiehlt deshalb, die Gehalte solcher Stoffe in Matratzen vorsorglich auf das technologisch erforderliche Mindestmaß zu senken. Das Inkrafttreten der neuen Gefahrstoffverordnung hat eine Aktualisierung der Stellungnahme erforderlich gemacht. 1 Ergebnis der Bewertung In der Baumwoll-Kasten-Matratze wurden folgende flüchtige Substanzen nachgewiesen: Naphthalin (127 mg/kg), Biphenyl (98 mg/kg), Anthracen (290 mg/kg) und Benzothiazol (146 mg/kg). Auf der Basis einer vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vorgenommenen Expositionsabschätzung für die in einer Baumwoll-Kasten-Matratze nachgewiesenen flüchtigen Stoffe kann eine akute gesundheitliche Gefährdung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht belegt werden. Kurzfristig können jedoch unter ungünstigen Umständen Raumluftkonzentrationen der flüchtigen Stoffe erreicht werden, die eine Belastung, insbesondere für Kinder, kranke und empfindliche Personen, oder Personen, die beruflich zusätzlich exponiert sind, darstellen. Dies gilt besonders bei Verwendung der Matratze in kleinen, schlecht gelüfteten Räumen. Bei Naphthalin können zudem Konzentrationen erreicht werden, die über dem für die Innenraumluft als tolerierbar diskutierten Wert von 0,005 mg Naphthalin pro m 3 Luft liegen. Naphthalin ist als genotoxisch und krebserzeugend eingestuft. Ein gesundheitliches Risiko für den Menschen kann also auch bei geringer Exposition nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Das BfR empfiehlt, den Hersteller bzw. Importeur der Matratze über die toxikologische Bewertung und mögliche Risiken in Kenntnis zu setzen. Aus Gründen des vorsorglichen Verbraucherschutzes empfiehlt das BfR außerdem, die Gehalte an Biphenyl, Anthracen und Benzothiazol bzw. 2-Mercaptobenzothiazol und insbesondere an Naphthalin in Matratzen grundsätzlich so weit wie technisch möglich zu minimieren. * aktualisiert am 07.11.2006 Seite 1 von 6

2 Begründung Naphthtalin (CAS-Nr. 91-20-3) Eine wiederholte inhalative Exposition gegenüber Naphthalin führt im Tierversuch zu lokalen Entzündungen und Schädigungen des oberen Atemtraktes. Als Folge der chronischen Entzündung kann es zur Entstehung von Tumoren kommen. Es besteht der Verdacht, dass Naphthalin außerdem genotoxisch wirkt. Beim Menschen sind Vergiftungen nach inhalativer oder dermaler Applikation naphthalinhaltiger Pharmaka beschrieben. Bekannt sind Hautreaktionen nach Hautkontakt, hämolytische Anämie nach Inhalation von Naphthalin-Dämpfen sowie Linsentrübungen, Cornea-Ulzerationen und Katarakte bei Arbeitern, die gegenüber Naphthalin als Staub oder Dampf exponiert waren. Naphthalin kann über die Haut aufgenommen werden. Die Technische Richtkonzentration (TRK) nach den früheren Technischen Regeln für Gefahrstoffe liegt bei 50 mg Naphthalin pro m 3 Luft. Nach dem Chemikaliengesetz ist Naphthalin als krebserzeugend in die Kategorie 3 eingestuft. 1 Davon abweichend hat die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (MAK-Kommission) Naphthalin als krebserzeugend in die Kategorie 2 eingestuft. 2 Ferner besteht gemäß der MAK-Kommission für Naphthalin ein Verdacht auf mutagene Wirkung in Keimzellen (Keimzellmutagene, Kategorie 3B). 3 Als Schwellenwert für eine nachteilige Wirkung (lowest observed adverse effect level LO- AEL) wurde vom Scientific Committee on Toxicity, Ecotoxicity and the Environment (CSTEE) der Europäischen Kommission eine Naphthalin-Konzentration von 5 mg pro m 3 bei Ratten nach vierwöchiger Inhalation an sechs Stunden pro Tag und fünf Tagen pro Woche angesehen. Auf der Basis dieses LOAEL-Wertes wurde in der Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes ein Richtwert II von 0,02 mg Naphthalin pro m 3 Luft festgelegt. Der Richtwert II (RW II) ist ein begründeter, wirkungsbezogener Wert, der sich auf die gegenwärtigen toxikologischen und epidemiologischen Kenntnisse zur Wirkungsschwelle eines Stoffes unter Einführung von Unsicherheitsfaktoren stützt. Er stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei deren Erreichen bzw. Überschreiten unverzüglich Handlungsbedarf besteht, da diese Konzentration geeignet ist, insbesondere für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen eine gesundheitliche Gefährdung darzustellen. Von einer Geruchswahrnehmung wird ab 0,08 mg pro m 3 Luft ausgegangen. Biphenyl (CAS-Nr. 92-52-4) Biphenyl wird als Farbstoffträger verwendet und dient als fungistatisches Konservierungsmittel. Als Konservierungsstoff zur Oberflächenbehandlung für Zitrusfrüchte ist Biphenyl (E 230) derzeit gemäß Zusatzstoff-Zulassungsverordnung bis zu einer Höchstmenge von 70 mg/kg zugelassen. Vom Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA) und vom Joint Meeting of the FAO Working Party and the WHO Expert Committee on Pesticide Residues (JMPR) wurden gesundheitliche Bewertungen für Biphenyl durchgeführt. Auf der Basis 1 Kategorie 3: Stoffe, die wegen möglicher krebserregender Wirkung beim Menschen Anlass zur Besorgnis geben 2 Kategorie 2: Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen anzusehen sind, weil durch hinreichende Ergebnisse aus Langzeit-Tierversuchen oder Hinweise aus epidemiologischen Untersuchungen davon auszugehen ist, dass sie einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko leisten 3 Kategorie 3B: Stoffe, für die aufgrund ihrer genotoxischen Wirkung in somatischen Zellen von Säugetieren in vivo ein Verdacht auf eine mutagene Wirkung in Keimzellen abgeleitet werden kann Seite 2 von 6

dieser Bewertungen wurde von JECFA ein Acceptable Daily Intake (ADI)-Wert von 0-0,05 mg/kg Körpergewicht festgelegt. Langfristige Inhalationen hoher Biphenyl-Konzentrationen führten bei Arbeitern zu neurophysiologischen Veränderungen. Ferner traten Vergiftungen nach inhalativer oder dermaler Exposition auf. Biphenyl ist in der Kategorie 3B der krebserzeugenden Arbeitsstoffe gelistet (Stoffe, für die Anhaltspunkte für eine krebserzeugende Wirkung vorliegen) und als reizend gekennzeichnet (R 36/37/38: Reizt die Augen, Atmungsorgane und die Haut). Gas, Rauch, Dampf und Aerosol sollen nicht eingeatmet werden (Kennzeichnung S 23). Der MAK-Wert (maximale Arbeitsplatzkonzentration) wurde im Jahr 2001 ausgesetzt. Anthracen (CAS-Nr. 120-12-7) Anthracen findet sich im Steinkohlenteer und wird unter anderem als Ausgangsmaterial zur Herstellung von Farbstoffen verwendet. Aus Tierversuchen ist bekannt, dass Anthracen bei inhalativer Aufnahme sowie bei dermaler Exposition gut resorbiert wird. Anthracen kann Haut und Augenschleimhaut reizen und augenschädigend wirken. Beim Menschen ist eine phototoxische Wirkung beschrieben. Gemäß Gefahrstoffregelung ist Anthracen u.a. mit den Hinweisen R36/37/38 (Reizt die Augen, die Atmungsorgane und die Haut), R42/43 (Sensibilisierung durch Einatmen und Hautkontakt möglich) sowie den Sicherheitsratschlägen S26 (Bei Berührung mit den Augen sofort gründlich mit Wasser abspülen und Arzt konsultieren) und S36/37/39 (Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung, Schutzhandschuhe Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen) gekennzeichnet. Grenzwerte für die Arbeitsplatzbelastung liegen für Anthracen nicht vor. Benzothiazol (CAS-Nr. 95-16-9) Die technische Funktion von Benzothiazol in Matratzen ist unklar. Benzothiazol könnte jedoch aus 2-Mercaptobenzothiazol (MBT) freigesetzt worden sein. MBT wird als Vulkanisationsbeschleuniger bei der Herstellung von Gummi verwendet, Natriumsalze von MBT werden als Fungizide eingesetzt. Eine weitere Quelle für Benzothiazol könnte 2-Morpholinodithiobenzothiazol sein, das als Schwefeldonator und Vulkanisationsbeschleuniger Verwendung findet. Für Benzothiazol liegen dem BfR keine Informationen zur Toxizität vor. Es sollte der für einatembare Aerosole geltende MAK-Wert von 4 mg pro m 3 Luft für eine Risikobewertung herangezogen werden. 3 Exposition Beim bestimmungsgemäßen Gebrauch von Matratzen ist davon auszugehen, dass eine Exposition gegenüber flüchtigen Stoffen aus Matratzen überwiegend auf inhalativem Weg erfolgt. Auch eine dermale Exposition und eine Staubexposition können nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Dem BfR liegen keine Daten darüber vor, welche Mengen flüchtiger Stoffe aus Matratzen in die Innenraumluft abgegeben werden. Für die hier beanstandete Matratze hat die zuständige amtliche Bedarfsgegenständeüberwachung eine theoretische Raumluftbelastung von 76 mg Naphthalin, 59 mg Biphenyl, 174 mg Anthracen sowie 97 mg Benzothiazol pro m 3 Luft in einem Zelt bzw. 11 mg Naphthalin, 9 mg Biphenyl, 26 mg Anthracen sowie 15 mg Benzothiazol pro m 3 Luft in einem Zimmer abgeschätzt. Bei dieser Abschätzung wurde davon ausge- Seite 3 von 6

gangen, dass der gesamte Gehalt der gemessenen flüchtigen Stoffe auf einmal in die Raumluft abgegeben wird. Das BfR legt seiner Risikobewertung eine abweichende Expositionsabschätzung zugrunde, die davon ausgeht, dass die Stoffe bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Matratze in Abhängigkeit von Umgebungsbedingungen (Temperatur, Luftdruck, Feuchtigkeit) sowie ihrer spezifischen Stoffeigenschaften (Volatilität, Dampfdruck, Siedepunkt und Sublimationseigenschaften) über einen längeren Zeitraum in die Raumluft abgegeben werden. Zu berücksichtigen sind auch Sorptions- und Diffusionsvorgänge innerhalb der Matratze, Interaktionen zwischen den verschiedenen chemischen Molekülen sowie die Verflüchtigung in die Atmosphäre. Für Naphthalin liegt die Sättigungskonzentration bei 210 mg pro m 3 Luft (20 C), d.h. Naphthalin wird voraussichtlich schnell ausgasen und hohe Raumluftkonzentrationen erreichen. Bei Freisetzung der Gesamtmenge innerhalb von 24 Stunden würden hohe Innenraumkonzentrationen erreicht. Aufgrund natürlicher Lüftung über Fensterfugen sowie der Fensterlüftung kommt es aber auch zu einem Austausch der Raumluft. In Wohnräumen wird von einem Luftwechsel zwischen 0,1 und 1 je Stunde ausgegangen. Das bedeutet, dass innerhalb von 24 Stunden die Raumluft mehrmals vollständig ausgetauscht wird und die hohe Innenraumbelastung mit Naphthalin in diesem Fall nur kurzfristig auftreten würde. Die kontinuierliche Freisetzung flüchtiger Stoffe kann im Arbeitsbereich nach folgender Formel modelliert werden (Berechnungsverfahren und Modellbildung in der Arbeitsbereichsanalyse, BIA-Report 3/2001): (1) x m = m D / V L mit x m = massenbezogene Konzentration [mg/ m 3 ] m D = Schadstoffmassenstrom [mg/h] V L = Frischluftvolumenstrom [m 3 /h] und den Annahmen, dass Schadstoff- und Frischluftstrom konstant sind und der Schadstoff homogen im Raum verteilt ist. Physikochemische Parameter fließen nicht ein. Nach dieser Formel ergeben sich für die in der Matratze gemessenen flüchtigen Stoffe die folgenden massenbezogenen Konzentrationen (x m ) bei vollständiger Ausgasung über sieben Tage in einem Zimmer (30 m 3 Inhalt) bzw. einem Zelt (4,5 m 3 Inhalt) und einer Luftwechselrate von 0,1 (für ein Zimmer) bzw. 0,5 (für ein Zelt): Gehalt mg m D [mg/h] Zimmer x m [mg/m 3 ] Zelt x m [mg/m 3 ] Naphthalin 345 2,05 0,68 0,91 Biphenyl 265 1,58 0,53 0,70 Anthracen 785 4,67 1,56 2,08 Benzothiazol 440 2,62 0,87 1,16 Diese Abschätzungen stellen eine erste Näherung an mögliche Expositionen dar. Die Innenraumkonzentrationen könnten unter Anwendungsbedingungen jedoch zumindest kurzfristig auch höher liegen, z.b. nach Auspacken einer neuen Matratze aus einer luftdichten Verpackung. Andererseits kann durch eine höhere Frischluftzufuhr die Innenraumkonzentration auch schnell wieder gesenkt werden. Besonders bei Anthracen mit einer Sättigungskonzentration von 10 µg pro m 3 Luft bei 20 C dürfte die tatsächliche Ausgasungsrate und damit die Exposition deutlich geringer sein. Seite 4 von 6

4 Risikocharakterisierung Unter Berücksichtigung der abgeschätzten, massenbezogenen Innenraumkonzentrationen können für Naphthalin Konzentrationen erreicht werden, die weit über dem für die Innenraumluft tolerierbaren Wert von 0,02 mg Naphthalin pro m 3 Luft liegen. Der frühere TRK-Wert von 50 mg pro m 3 Luft könnte bei schneller Ausgasung des Naphthalins kurzfristig erreicht oder auch überschritten werden. Technische Richtkonzentrationen wurden für gefährliche Stoffe genannt, für die aufgrund ihrer krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Wirkung keine toxikologisch-arbeitsmedizinisch begründeten maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen aufgestellt werden können. Seit dem Inkrafttreten der neuen Gefahrstoffverordnung 2005 haben jedoch die TRK-Werte ihre rechtliche Gültigkeit verloren. Im vorliegenden hypothetischen Fall wäre allerdings nur von einer kurzfristigen Exposition auszugehen. Aufgrund des ausgeprägten Geruchs und der niedrigen Geruchsschwelle ist ein längerer Aufenthalt in Räumen mit hoher Naphthalin-Konzentration unwahrscheinlich. Daher ist das Risiko einer gesundheitlichen Beeinträchtigung unter diesen Bedingungen eher gering einzuschätzen. Für Biphenyl wird der maximale ADI-Wert von 0,05 mg pro kg Körpergewicht für Erwachsene selbst bei konstanter und vollständiger Ausgasung über sieben Tage nicht ausgeschöpft. Ein Er-wachsener mit einem Körpergewicht von 60 kg veratmet in Ruhe stündlich ca. 450 L Luft und würde damit selbst unter den gewählten ungünstigen Annahmen bei achtstündigem Aufenthalt in einem Zelt höchstens 0,04 mg Biphenyl pro kg Körpergewicht aufnehmen. Bei einem Kind mit einem Körpergewicht von 25 kg, das stündlich 275 L Luft veratmet, würde die tägliche Aufnahme unter den genannten Voraussetzungen 0,06 mg pro kg Körpergewicht betragen. Für Anthracen sind aufgrund der niedrigen Sättigungskonzentration nur geringe Innenraumkonzentrationen zu erwarten, so dass eine reizende Wirkung vermutlich nicht zu erwarten ist. Für Benzothiazol liegen die geschätzten Innenraumkonzentrationen selbst bei konstanter und vollständiger Ausgasung über sieben Tage mit 0,87 bzw. 1,16 mg pro m 3 Luft unterhalb des für einatembare Aerosole geltenden MAK-Wertes von 4 mg pro m 3 Luft. MAK-Werte basieren auf der Annahme einer mehrjährigen, werktäglichen Exposition. Unter den angenommenen Bedingungen kann von einer gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Benzothiazol aus der beanstandeten Matratze daher nicht ausgegangen werden. 5 Bewertung Auf der Basis der vorgenommenen Expositionsabschätzung kann eine akute gesundheitliche Gefährdung durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch der beanstandeten Baumwoll- Kasten-Matratze nicht belegt werden. Kurzfristig könnten jedoch Raumluftkonzentrationen der nachgewiesenen flüchtigen Stoffe erreicht werden, die eine Belastung, insbesondere für Kinder, kranke und empfindliche Personen, oder Personen, die beruflich zusätzlich exponiert sind, darstellen. Dies gilt besonders bei Verwendung der Matratze in kleinen, schlecht gelüfteten Räumen. Besonders problematisch ist Naphthalin, das genotoxisch und als krebserzeugend eingestuft ist. Ein gesundheitliches Risiko für den Menschen kann also auch bei geringer Exposition nicht ausgeschlossen werden. Seite 5 von 6

6 Maßnahmen Das BfR empfiehlt, den Hersteller bzw. Importeur der Matratze über die toxikologische Bewertung und mögliche Risiken in Kenntnis zu setzen. Aus Gründen des vorsorglichen Verbraucherschutzes empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung außerdem, die Gehalte an Biphenyl, Anthracen und Benzothiazol, bzw. 2-Mercaptobenzothiazol und insbesondere an Naphthalin in Matratzen so weit wie technisch möglich zu minimieren. Seite 6 von 6