BILDER EINER AUSSTELLUNG Eine Dauerausstellung im Ethnologischen Museum in Berlin Ddie Afrikasammlung des Berliner Ethnologischen Museums ist mit seinen über 70000 Objekten eine der bedeutsamsten ihrer Art weltweit auch deshalb, weil viele Zeugnisse der afrikanischen Kultur einst auf mehr oder weniger dubiose Weise nach Europa gelangten. Die Afrikasammlung hat ihren Ursprung in einer Zeit, als Forscher den Schwarzen Kontinent vor allem bereisten, um die materielle Kultur in die heimischen Museen zu schaffen. Den künstlerischen Wert erkannten die meisten nicht. Der Geograf und Ethnologe Friedrich Ratzel etwa erklärte im Jahr 1885:»In der Darstellung des Hässlichen übertrifft kein Volk diese Westafrikaner, welche zum Überflusse die Skulptur so sehr lieben, dass sie sich gar nicht genug thun können mit den Fratzen, die sie in jedem zugänglichen Materiale ausprägen.«als die Ausstellung»Kunst aus Afrika«vor ein paar Jahren in Brasilien zu Gast war, zog es über eine Million Besucher in die Museen des Landes. Der unerwartet große Erfolg wurde nicht allein mit den auf die Sklavenzeit zurückgehenden Beziehungen zwischen Brasilien und Afrika erklärt, sondern ist auch Verdienst des brasilianischen Ausstellungsdesigners Marcello Dantas und des Berliner Kurators Peter Junge. Beide zeichnen auch für die Dauerausstellung im Ethnologischen Museum Berlin verantwortlich. Ziel ihres Konzepts war dabei die positive Besetzung von»afrika«im Zusammenhang mit»kunst«. Die rund 180 ausgestellten Kunstwerke stammen aus über siebzig verschiedenen Gesellschaften in mehr als zwanzig Staaten des heutigen Afrikas. Der Bogen spannt sich von den bäuerlichen Völkern Westafrikas über die städtische und höfische Kunst aus Ife und Benin sowie das Kameruner Grasland und Gabun bis hin zum zentralen Afrika. Von hier kommen vor allem Zauber- und Ahnenfiguren sowie Gebrauchsgegenstände der Kongo, Luba und anderer Gruppen. Den Abschluss bildet schließlich Ostafrika, auf dessen Skulpturen und Masken die Forscher zunehmend erst in den letzten Jahren aufmerksam geworden sind. Die Objekte stammen aus fünf Jahrhunderten. Einige Dutzend davon waren nach dem Zweiten Weltkrieg verloren geglaubt. Doch russische Truppen hatten sie nach 1945 nach Leningrad verschleppt, von wo sie über Umwege schließlich nach Berlin zurückkehrten. l TROTZ INDIVIDUELL WIRKENDER ZÜGE wie in diesem Fall der schräg stehenden Augen werden die Terrakottaköpfe aus der Stadt Ife in Nigeria nicht als persönliche Porträts gedeutet. Forscher sehen in ihnen vielmehr idealisierte Darstellungen von Königen oder hochrangigen Personen aus deren Umfeld. Dieser Kopf entstand in der Zeit zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert. Ife, damals das wichtigste kulturelle und religiöse Zentrum der Yoruba, lag im Südwesten des Landes. 86 ABENTEUER ARCHÄOLOGIE 3/2006
ALLE FOTOS DIESES ARTIKELS: ETHNOLOGISCHES MUSEUM / STAATL. MUSEEN ZU BERLIN / STIFTUNG PREUSSISCHER KULTURBESITZ FOTOGRAF: MARTIN FRANKEN 87
BILDER EINER AUSSTELLUNG FOTOGRAF: MARTIN FRANKEN FOTOGRAF: JÜRGEN LIEPE FOTOGRAFIN: CLAUDIA OBROCKI KÖNIGINMÜTTER HATTEN IM KÖNIGREICH BENIN im 16. Jahrhundert, wie in vielen anderen afrikanischen Reichen auch, eine herausragende Stellung. Ohne ihren Rat traf der König keine Entscheidung. Dieser Gedenkkopf mit seiner einer phrygischen Mütze ähnelnden Krone aus Korallenperlen könnte Idia, die erste Königinmutter des Landes, darstellen. Die Fische am Sockel der Skulptur erinnern nach Ansicht von Forschern an einen Krieg, in dem Idia die Armee der feindlichen Igala besiegte und über den Niger zurücktrieb. SCHON VOR HUNDERTEN VON JAHREN belieferten die Kunsthandwerker des alten Königreichs Sapi europäische Sammler und trafen in Form und Funktion den Geschmack der oberen Zehntausend. Dieses Salzgefäß etwa stammt aus dem heutigen Sierra Leone und wurde im 15. oder 16. Jahrhundert gefertigt. Aber auch afrikanische Elemente sind erkennbar, in diesem Fall Menschen und Tiere an der Basis sowie die sich um das Gefäß windenden Schlangen. Solche Salzdosen importierten die Portugiesen ab dem 15. Jahrhundert aus Westafrika nach Europa. 88 ABENTEUER ARCHÄOLOGIE 3/2006
DER HEILIGE ANTONIUS TONI MALAU AUS ZEN- TRALAFRIKA (18. bis 19. Jahrhundert) hat eindeutig europäische Züge. Der Christusknabe ähnelt hingegen einem afrikanischen Kind. Der Fliegenwedel kennzeichnet ihn als Herrscher, seine linke Hand weist auf die Stelle an der rechten Schulter, wo afrikanische Heiler ihre Medizinbündel tragen. Nachdem Missionare christliche Heiligenfiguren in das einstige Königreich Kongo gebracht hatten, wurden die verehrten Objekte bald auch von lokalen Künstlern hergestellt. 89
BILDER EINER AUSSTELLUNG DIE FEIN GEARBEITETE MASKE eines Mädchens mwana pwo symbolisierte im Angola des 19. Jahrhunderts die körperliche, soziale und moralische Vollkommenheit. Von professionellen männlichen Tänzern getragen, durfte die Maske bei keiner öffentlichen Veranstaltung fehlen. Bei Dorffesten, Hofzeremonien und der Initiation von Knaben hielt ihr anmutiger, als segensreich geltender Tanz der Gemeinschaft die wichtige Rolle der Frauen vor Augen. EINE KRÄFTIGE NASE und scharf konturierte Augen mit feinem Narbenschmuck darüber zeugen von der großen Mühe des Schöpfers dieses minkisi aus der heutigen Republik Kongo (19. Jahrhundert). Der Kraftfigur wurde eine besondere Energie der nkisi zugeschrieben, die für Recht und Ordnung sorgt und Übel abwendet. Mit der Medizinwurzel im Mund sollten Hexen überführt werden. Der Spiegel am Kästchen für die Medizin die Augen des nkisi wurde bei einer spiritistischen Sitzung enthüllt und diente dem Zauberer beim Wahrsagen. FOTOGRAFIN: CLAUDIA OBROCKI 90
DIE SKULPTUR DES CHIBINDA ILUNGA aus Angola (19. Jahrhundert) stellt den Gründer des um 1600 entstandenen Lunda-Reichs dar. Dem Mythos entsprechend wird der Chibinda Ilunga als kraftvoller Jäger mit Gewehr, Patronentasche und Messer abgebildet. Drei Schutzgeister verleihen ihm übernatürliche Unterstützung; Stab, Schildkrötenpanzer und Antilopenhorn dienen dem Jagdglück. Die Kopfbedeckung und der lange Bart weisen Chibinda Ilunga als König aus. Seine leicht gebeugten Knie, die nach vorne gerichteten Arme und die überproportionierten Hände und Füße vermitteln Handlungsbereitschaft und Stärke. FOTOGRAFIN: CLAUDIA OBROCKI dauerausstellung ethnologisches museum Lansstraße 8 D-14195 Berlin-Dahlem Tel.: 030 8301-438 öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag und Sonntag von 11.00 bis 18.00 Uhr, Montag geschlossen ausstellungskatalog: FOTOGRAF: MARTIN FRANKEN Kunst aus Afrika. Plastik / Performance / Design. Von Paola Ivanov und Peter Junge (Hg.). Dumont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2005 ABENTEUER ARCHÄOLOGIE 3/2006 91