Stärkung der öffentlichen Urkunde im Europäischen I Rechtsraum Dr. Georg Haibach Europäische Kommission, GD JUSTIZ Referat A1 Ziviljustiz 25. April 2014
Grenzüberschreitende persönliche und wirtschaftliche Beziehungen sind Realität 12,6 Mio. EU-Bürger wohnen in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen 13% der Ehen in der EU sind international 50% der Unternehmen sind grenzüberschreitend tätig 2
aber EU-Bürger stoßen immer noch auf Hindernisse... Sie müssen öffentliche Urkunden vorlegen, um einen Rechtsanspruch zu erlangen oder bestimmten Erfordernissen zu genügen: Verwaltungsformalitäten, um die Echtheit von Urkunden in einem anderen MS zu beweisen: - Legalisation - Apostille Beglaubigte Übersetzungen Kosten Rechtsunsicherheit 3
Aufwand und Kosten in der EU (1) Apostille: 1,4 Mio. Dokumente/Jahr - Zeitaufwand: bis zu 6 Monate Beglaubigte Übersetzungen: 1,6 Mio./Jahr Mögliche Kostenvorteile: Bis zu 330 Mio. /Jahr (Apostille: 26 Mio. ; Legalisation: 4 Mio. ; beglaubigte Kopien: bis zu 200 Mio. ; beglaubigte Übersetzungen: bis zu 100 Mio. ) 4
Aufwand und Kosten in der EU (2) Zersplitterte Rechtslage: 1) Internationale Übereinkommen Haager Apostille Übereinkommen von 1961 Übereinkommen des Europarats von 1968 Übereinkommen der Internationalen Kommission für das Personenstandswesen (CIEC) 2) EU-Recht: Übereinkommen von 1987 Brüssel I Verordnung Brüssel IIa Verordnung Ergebnis: nur bestimmte Urkunden und MS => Rechtsunsicherheit 5
daher wird die Ausübung der Rechte der EU-Bürger oft erschwert Artikel 21 AEUV: - Freizügigkeit Artikel 114 AEUV: Binnenmarkt: - Dienstleistungsfreiheit - Niederlassungsfreiheit 6
Hintergrund des KOM-Vorschlags 2009: Stockholm Programm: - Prioritäten im Bereich Justiz und Inneres 2010-2014: Europa der Bürger, Förderung der Rechte der Bürger, insbesondere des Rechts auf Freizügigkeit - Vorlage eines Legislativvorschlags zur Aufhebung der Formalitäten betreffend die Legalisation öffentlicher Urkunden im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten 2010: KOM Grünbuch: - Freier Verkehr öffentlicher Urkunden - Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden 7
KOM-Vorschlag Vorgestellt am 24. April 2013 Vorschlag für eine Verordnung zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern und Unternehmen durch die Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union (KOM(2013) 228) Rechtsgrundlage: Artikel 21 und 114 AEUV 8
Inhalt des Vorschlags Abschaffung von Verwaltungsformalitäten: Legalisation und Apostille Beglaubigte Kopie anstatt des Originals, oder einfache Kopie mit Original Nicht beglaubigte Übersetzungen sollen außer bei Zweifeln - akzeptiert werden Einführung mehrsprachiger EU-Formulare Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit der MS bei der Betrugsbekämpfung 9
Anwendungsbereich (1) Zwischen den Mitgliedstaaten: Vorrang vor zwischen ihnen geschlossenen Übereinkommen VO lässt die Anwendung internationaler Übereinkommen zwischen MS und Drittstaaten unberührt VO ergänzt andere spezielle EU-Rechtsakte 10
Anwendungsbereich (2) Betrifft die Authentizität öffentlicher Urkunden, die Behörden eines anderen MS vorgelegt werden Regelt nicht die Anerkennung des Inhalts öffentlicher Urkunden in einem anderen MS Harmonisiert nicht nationale öffentliche Urkunden und materielles Recht 11
Was ist eine öffentliche Urkunde? von Behörden eines Mitgliedstaats ausgestellte Urkunde die formelle Beweiskraft besitzt in Bezug auf eine der 12 Kategorien, die von der Verordnung erfasst sind 12
12 Kategorien Personenstand Unternehmen Sonstige Geburt Tod Namen Ehe und eingetragene Partnerschaft Abstammung Adoption Rechtsform und Vertretung einer Gesellschaft oder eines sonstigen Unternehmens Unionsbürgerschaft und Staatsangehörigkeit Grundeigentum Wohnsitz Rechte des geistigen Eigentums Vorstrafenfreiheit 13
Unterbindung von Betrug (1) Vorschlag fördert Prinzip gegenseitiger Anerkennung Aber bei berechtigten Zweifeln an der Authentizität von Urkunden, insbesondere: - Authentizität der Unterschrift - Eigenschaft, in der die die Urkunde unterzeichnende Person gehandelt hat - Authentizität des Siegels oder Stempels Die sich nicht auf andere Weise ausräumen lassen=> 14
Unterbindung von Betrug (2) Auskunftsersuchen über das Binnenmarkt- Informationssystem (IMI) an die zuständigen Behörden des ausstellenden MS: - Von der Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten entwickelte internetgestützte Softwareanwendung, die den Mitgliedstaaten den Informationsaustausch erleichtern soll. - Seit 2008 in Anwendung - (Mehrsprachige) Muster nationaler öffentlicher Urkunden - Mehrsprachige Standardfragen und -antworten 15
Unterbindung von Betrug (3) Direkte strukturierte Verwaltungszusammenarbeit Auskunftsersuchen an ausstellenden MS Zentralbehörden: Leisten Amtshilfe bei Auskunftsersuchen Hauptfunktion der Zentralbehörden: - Übermittlung oder Entgegennahme der Ersuchen - Erteilung sämtlicher benötigter Auskünfte in Bezug auf Ersuchen 16
Mehrsprachige EU-Formulare 5 Formulare: - Geburt - Tod - Ehe - Eingetragene Partnerschaft - Rechtsform einer Gesellschaft Optional: - Ausstellung auf Wunsch der Bürger - unter denselben Bedingungen Parallel: nur grenzüberschreitend, schließt Verwendung der entsprechenden Urkunden des Ausstellungsmitgliedstaats nicht aus Gleiche formelle Beweiskraft Ziel: Reduzierung von Übersetzungen 17
Europäisches Parlament Berichterstatter: MEP Bernhard Rapkay (DE, S&D) Unterstützt Vorschlag als "extrem wichtig für die EU-Bürger" Bericht: JURI: 17.12.2013; Plenum: 4.2.2014 Bericht geht über KOM Vorschlag hinaus: - Anwendungsbereich: Kategorien von Dokumenten - Abschaffung beglaubigter Kopien - Beglaubigte Übersetzungen nur für komplexe Dokumente - 11 zusätzliche mehrsprachige EU-Formulare 18
Wirtschafts- und Sozialausschuss Beratend Volle Unterstützung des KOM-Vorschlags (11.7.2013: weiterer Anwendungsbereich) Rat der EU Verhandlungen seit Juni 2013 Einige MS zurückhaltend bei vollständiger Abschaffung von Apostille, beglaubigten Kopien, beglaubigten Übersetzungen 19
Mehr Informationen? Europäische Kommission GD JUSTIZ Referat A1 Ziviljustiz Stephan Matyk Stephan.MATYK@ec.europa.eu Maria Vilar Badia Maria.VILAR-BADIA@ec.europa.eu 20