Gesundheitliche Auswirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf die Bevölkerung in Niedersachsen

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Transkript:

Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Gesundheitliche Auswirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf die Bevölkerung in Niedersachsen Bestandsaufnahme und Machbarkeitsüberlegungen

Endbericht Gesundheitliche Auswirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf die Bevölkerung in Niedersachsen Bestandsaufnahme und Machbarkeitsüberlegungen erstellt vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (Hrsg.) in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Ökologie im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales Juni 2002 2. Auflage Bearbeiter: Dr. rer. nat. O. Hehl Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Dipl.-Stat. M. Hoopmann Roesebeckstr. 4-6 Dr. med. R. Suchenwirth 30449 Hannover Prof. A. Windorfer Dr. rer. nat. H. Brüggemeyer Niedersächsisches Landesamt für Ökologie Göttinger Str. 14 30449 Hannover

Inhalt 3 Inhalt 1 Einleitung... 6 2 Grundlagen elektromagnetischer Felder... 9 3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen... 15 3.1 Radio- und Fernsehsender... 15 3.1.1. UKW- und Fernsehsender... 15 3.1.2. Mittelwellensender... 16 3.1.3. Digitaler Rundfunk und digitales Fernsehen... 17 3.1.4. Marinefunksender Neuharlingersiel... 17 3.1.5. Marinefunksender Saterland-Ramsloh... 19 3.2 Mobilfunk...20 3.2.1. Mobilfunk-Basisstationen... 20 3.2.2. Handys... 26 3.2.3. Betriebsfunk... 28 3.3 Schnurlose Telefone... 28 3.4 Radaranlagen... 29 3.4.1. Flugsicherungsradar... 29 3.4.2. Luftabwehrsystem HAWK... 30 3.4.3. Expositionen von Radartechnikern der Bundeswehr... 31 3.4.4. Verkehrsradar... 32 3.4.5. Radarsysteme zur Ermittlung des Abstandes in Fahrzeugen... 32 3.4.6. Schiffsradar... 32 3.5 Flugfunk... 33 3.6 Funknavigation in der Luftfahrt... 33 3.7 Richtfunkanlagen... 33

4 Inhalt 3.8 Weitere Sendeanlagen... 34 3.8.1. Powerline Communication (PLC)... 34 3.8.2. Bluetooth... 35 3.8.3. Funkverbindungen im Haus / Büro zur Datenübertragung... 36 3.8.4. Mikrowellenherde... 36 3.8.5. Artikelsicherungsanlagen und Identifikationssysteme... 36 3.8.6. CB-Funk und Amateurfunk... 37 4 Exposition der Wohnbevölkerung... 39 4.1 Vergleich der Exposition durch verschiedene Anlagentypen... 39 4.2 Dämpfung der elektromagnetischen Felder durch Materialien... 41 5 Kartierung ortsfester Sendeanlagen... 42 6 Gesundheitliche Wirkungen... 52 6.1 Grundlagen physikalisch-biologischer Wechselwirkungen... 52 6.2 Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnisgewinnung... 53 6.3 Methoden zur Beurteilung von Gefährdungspotentialen... 57 6.4 Ergebnisse bisheriger Studien und Untersuchungen im Niedrig-Dosisbereich... 57 6.4.1. Allgemeine akute und chronische Wirkungen... 57 6.4.2. Kanzerogenität und Genotoxizität... 58 6.4.3. Reproduktion... 58 6.4.4. Verhaltensverändernde Eigenschaften... 59 6.4.5. Wirkungsmechanismen... 60 6.5 Weiterer Forschungsbedarf... 61 6.6 Zusammenfassung... 62 7 Grenzwerte, Richtwerte und Vorsorgewerte... 63 7.1 Internationale und nationale Richt- und Grenzwerte... 63 7.2 Internationale Regelungen... 67 7.3 Regelungen in der Europäischen Union... 68 7.4 Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland... 68 7.5 Vorsorgeempfehlungen... 71

Inhalt 5 8 Machbarkeit von epidemiologischen Studien in Niedersachsen... 76 8.1 Epidemiologische Erhebungsmethoden... 77 8.1.1. Ökologische Studien... 77 8.1.2. Querschnittstudie... 79 8.1.3. Fall-Kontroll-Studie... 79 8.1.4. Kohortenstudie... 80 8.1.5. Interventionsstudie... 80 8.2 Bisherige epidemiologische Forschung zu hochfrequenten Feldern... 80 8.2.1. Hochfrequente Felder und Krebs... 81 8.2.2. Allgemeine Gesundheitsbeeinträchtigungen... 88 8.3 Das Kernproblem die Expositionserfassung... 89 8.3.1. Mobilfunkbasisstationen... 89 8.3.2. Rundfunkstationen... 91 8.3.3. Expositionserfassung und epidemiologische Erhebungsmethoden... 91 8.4 Machbarkeit und Grenzen epidemiologischer Ansätze... 93 8.4.1. Exemplarische Abschätzung des benötigten Stichprobenumfangs... 93 8.4.2. Konsequenzen für Mobilfunkbasisstationen... 96 8.4.3. Konsequenzen für Rundfunksender... 97 8.5 Fazit... 98 9 Literatur... 100 9.1 Fachzeitschriften... 100 9.2 Buchveröffentlichungen... 101 9.3 Berichte, Drucksachen... 101 10 Anhang... 104

6 1 Einleitung 1 Einleitung Der vermehrte Einsatz der Funktechnologie für Rundfunk, Fernsehen und Mobilfunk ist eng mit der Zunahme der Exposition (d.h. dem Ausgesetztsein) des Menschen gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern verbunden. Aufgrund des rasch zunehmenden Einsatzes werden elektromagnetische Felder und deren Bedeutung für die menschliche Gesundheit seit einigen Jahren zunehmend intensiv und vor allem aber kontrovers diskutiert. Dabei ist der Fokus der Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und in den Medien zurzeit auf den Mobilfunksektor gerichtet. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in Funk, Fernsehen oder Presse das Thema Mobilfunk und Gesundheit in irgendeiner Form präsent ist. Insbesondere der gerade anlaufende Aufbau des kommenden Mobilfunksystems UMTS mit zahlreichen zusätzlichen Sendern könnte nochmals zu einer Intensivierung der Auseinandersetzung der Bevölkerung mit diesem Thema führen. Umfrage des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) bei Bürgern Die hohe Zahl von ca. 50 Millionen Mobilfunkanschlüssen in Deutschland lässt einerseits auf eine breite Akzeptanz zumindest auf der Seite der Mobilfunknutzer schließen. Zu den Sorgen und Ängsten, die in der Bevölkerung hinsichtlich möglicherweise nachteiliger Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit jedoch auch existieren, hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Ende 2001 eine bundesweite repräsentative Umfrage bei Personen über 14 Jahren in Auftrag gegeben. Einige wichtige Vorabergebnisse hat der Präsident des BfS, W. König, anlässlich einer vom Niedersächsischen Sozialministerium bzw. dem Landesgesundheitsamt mitveranstalteten Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum (11.2. bis 13.2.2002) vorgestellt: 35 % der Bundesbürger (ab 14 Jahren) machen sich Sorgen wegen der elektromagnetischen Felder im Zusammenhang mit dem Mobilfunk und schnurlosen Telefonen. Dabei gilt die Sorge am häufigsten dem Handy (81 % aller Besorgten), gefolgt von den Sendeanlagen (57 %) und an dritter Stelle dem schnurlosen Festnetztelefon (37 %). Bei den 20- bis 49-Jährigen ist der Anteil der Besorgten höher, bei den Jugendlichen, den jungen Erwachsenen und den über 50-Jährigen niedriger als im Durchschnitt. Der Verbreitungsgrad der Handys ist mittlerweile sehr hoch: 65 % der Befragten benutzen ein Handy, 36,5 % davon täglich, 63,5 % seltener. Die Ergebnisse dieser Umfrage sollen in Kürze veröffentlicht werden. Umfrage des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes (NLGA) bei Gesundheitsämtern Eine Umfrage des NLGA zeigt ebenfalls die schnelle zeitliche Entwicklung dieser Thematik und des daraus entstehenden Beratungsbedarfs der Gesundheitsämter bzw. Kommunalverwaltungen und der Bürgern auf. Im Jahr 2001 hat das NLGA alle 47 niedersächsischen Gesundheitsämter schriftlich befragt, ob es im Einzugsbereich des jeweiligen Gesundheitsamts Aktivitäten von Bürgerinitiativen im Gesamtkomplex Gesundheitsgefahren durch elektromagnetische Felder gibt. Die Antworten aller Gesundheitsämter lagen bis Oktober 2001 vor. In 33 der 47 Landkreise gab es eine oder mehrere Bürgerinitiativen. Aufschlussreich ist auch die zeitliche Entwicklung des Themas. So gab es bis 1999 nach Kenntnis der

1 Einleitung 7 Gesundheitsämter nur in 30 % der Landkreise derartige Aktivitäten. Im Jahr 2000 waren es schon 49 % und bis zum Oktober 2001 waren es bereits 72 % der Landkreise (Abb. 1). Gesundheitsämter 100% 50% 0% N = 47 72% 49% 30% keine Zeitangabe? 1998 1999 2000 2001 2002 Abb. 1: Zeitliche Entwicklung der Anteils der Landkreise, in den es Aktivitäten (z.b. Bürgerinitiativen) im Gesamtkomplex Gesundheitsgefahren durch elektromagnetische Felder gab. Ergebnisse einer Umfrage des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes zur Entwicklung des Beratungsbedarfs bei den kommunalen Gesundheitsämtern in Niedersachsen (Stand: Oktober 2001). Vor dem Hintergrund der in der Öffentlichkeit geführten Diskussion über mögliche gesundheitliche Wirkungen haben sich auch die politischen Parteien auf Landes- und Bundesebene in zunehmendem Ausmaß des Themas angenommen. Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag hat im Januar 2001 eine öffentliche Podiumsdiskussion zu möglichen gesundheitlichen Wirkungen der Sendeanlagen des kommenden Mobilfunkstandards UMTS durchgeführt und dokumentiert. Im Nachgang zu dieser Veranstaltung wurde ein Entschließungsantrag in den Niedersächsischen Landtag eingebracht (Drs. 14/2151) mit dem Ziel, den vorbeugenden Gesundheitsschutz zu stärken, die Forschung zu intensivieren und die Akzeptanz in der Bevölkerung im Bereich des Mobilfunks zu erhöhen. Der Entschließungsantrag wurde nach mehreren Änderungen und Erweiterungen schließlich von allen im Landtag vertretenen Parteien mitgetragen und vom Landtag am 13.02.02 (Drs. 14/3141) angenommen. Auch die Bundesregierung nimmt die in Teilen der Bevölkerung zum Ausdruck kommenden Besorgnisse sehr ernst. Sie wird daher insbesondere ihre Forschungsaktivitäten im Bereich des Mobilfunks weiter intensivieren. Dazu stehen in den Jahren 2002 bis 2005 mehr als 20 Millionen Euro an zusätzlichen Haushaltsmitteln zur Verfügung (Pressemitteilung Nr. 568/01 der Bundesregierung). Ferner soll eine Datenbank zu den genehmigten Standorten von Mobilfunksendeanlagen eingerichtet und zusätzliche Mittel für neue Initiativen zur Information der Öffentlichkeit über den jeweils aktuellen Stand des Wissens zur Verfügung gestellt werden. Ende 2001 fanden im Bundeskanzleramt Gespräche mit den sechs deutschen UMTS- Lizenznehmern statt. Im Ergebnis haben diese gegenüber der Bundesregierung ihre Bereit-

8 1 Einleitung schaft erklärt, durch umfangreiche Maßnahmen die Vorsorge im Bereich Mobilfunk weiter zu verbessern. Hierzu haben die UMTS-Netzbetreiber eine freiwillige Selbstverpflichtung abgegeben, die die folgenden Punkte enthält: Die Kommunen werden in die Netzplanung und in Standortentscheidungen einbezogen; bei Kindergärten und Schulen werden alternative Standorte geprüft. Die Kennzeichnung von Handys wird verbraucherfreundlich; es wird ein Qualitätssiegel für Handys mit geringem SAR-Wert entwickelt. Für Forschungsförderung werden (zusätzlich zu den Bundesmitteln) 8,5 Mio., für den Aufbau eines Netzes fester und mobiler Messstationen 1,5 Mio. zur Verfügung gestellt. Die Betreiber informieren die Bundesregierung mindestens einmal jährlich auf Basis eines unabhängigen Gutachtens über die Erfahrung mit der Selbstverpflichtung. Darüber hinaus gab es in der jüngeren Zeit mehrere Kleine und Große Anfragen sowohl im Bundestag (z.b. Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zu den Auswirkungen elektromagnetischer Felder, insbesondere des Mobilfunks, Drs. 14/5848 und 14/7958) als auch in mehreren Landtagen zu den Wirkungen elektromagnetischer Felder. Vieles ist bekannt, leider in verschiedenen Köpfen Zielsetzung dieser Bestandsaufnahme Die Thematik elektromagnetische Felder ist angefangen von der Physik bis hin zur medizinischen Wirkungsbeurteilung hochkomplex und bedarf einer längeren Befassung, bis sich Bürger aber auch Entscheidungsträger eine fundierte Meinung bilden können. Um diese Meinungsbildung zu erleichtern, führt der vorliegende Bericht die Informationen zum Gesamtthema hochfrequente Sendeanlagen und Gesundheit aus den Bereichen Technik, Situationsbeschreibung in Niedersachsen, gesundheitliche Wirkungen, rechtliche Regelungen und Epidemiologie zusammen. In Kapitel 2 werden die Grundlagen und Grundbegriffe elektromagnetischer Felder und wesentliche technische Aspekte der Sendetechnik erläutert. Das 3. Kapitel befasst sich schwerpunktmäßig mit den stationären Sendeanlagen, die in Niedersachsen betrieben werden, geht aber auch am Rande auf mobile Sendeanlagen ein. Die Expositionen, die sich in typischen Situationen durch die verschiedenen Anlagentypen ergeben, werden in Kap. 4 vergleichend dargestellt. Die Kartierung der ortsfesten Sendeanlagen in Niedersachsen (Kap. 5) vermittelt einen Überblick über die Standorte und Anzahl dieser Anlagen. Der derzeitige wissenschaftliche Kenntnisstand im Bereich der Wirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf den Menschen wird in Kap. 6 dargestellt. Die derzeit geltenden Grenz- und Richtwerte sowie die Vorgehensweisen, nach der sie festgelegt werden, werden in Kap. 7 dargestellt. In Kap. 8 wird zunächst ein Überblick über die Ergebnisse epidemiologischer Studien zu Wirkungen von hochfrequenten Feldern gegeben. Daraus werden anschließend denkbare Ansätze für epidemiologische Studien in Niedersachsen abgeleitet und erörtert.

2 Grundlagen elektromagnetischer Felder 9 2 Grundlagen e lektromagnetischer Felder Seit mehr als 100 Jahren nutzt der Mensch nun schon elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder für sehr viele Anwendungen wie Netzstrom, Radio, Fernsehen und viele andere Anwendungen, die aus dem heutigen täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind. Die elektrischen und magnetischen Felder lassen sich in statische (zeitlich konstante), niederfrequente und hochfrequente Bereiche unterteilen. Das Merkmal zur Unterscheidung dieser Bereiche ist die Frequenz, d.h. die Zahl der periodischen Feldänderungen (Schwingungen) pro Zeiteinheit. Die Frequenz wird angegeben in der Einheit Hertz (Hz). Dabei gilt: 1 000 000 000 Hz = 1 000 000 khz = 1 000 MHz = 1 GHz. Abb. 2 gibt einen Überblick über das gesamt elektromagnetische Spektrum, dessen einzelne Bereiche im Folgenden erläutert werden. Es gibt zwar keine natürliche Grenze zwischen Nieder- und Hochfrequenzbereich, üblicherweise spricht man aber bei Frequenzen unterhalb von etwa 30 khz (=30000 Schwingungen pro Sekunde) vom Niederfrequenz-Bereich. Für viele technische Anwendungen wird besonders die Netzfrequenz von 50 Hz intensiv genutzt. Im Frequenzbereich oberhalb des sichtbaren Lichts und der UV-Strahlung schließt sich die ionisierende Strahlung an (z.b. Röntgen- und Gammastrahlung, s. Abb. 2). Die ionisierende Strahlung unterscheidet sich in ihrer Wirkung auf den Menschen erheblich von der nichtionisierenden Strahlung im Nieder- und Hochfrequenzbereich. Gerade bei der Frage der Exposition von Radartechnikern der Bundeswehr werden in den Medien häufig ionisierende und nichtionisierende Strahlung irrtümlich vermischt (s. a. Kap. 3.4.3). Im vorliegenden Bericht werden fast ausschließlich hochfrequente elektromagnetische Felder im Frequenzbereich von 30 khz bis 300 GHz betrachtet 1. Oft wird auch nur der Teilbereich von 30 khz bis 300 MHz als eigentliche Hochfrequenz bezeichnet und Frequenzen von 300 MHz bis 300 GHz als Mikrowellen. Im Folgenden wird aber mit Hochfrequenz der beide Teilbereiche umfassende Frequenzbereich bezeichnet. Die niederfrequenten Felder und die ionisierende Strahlung sind nicht Gegenstand dieses Berichts. Jeder elektromagnetischen Welle mit einer bestimmten Frequenz ist eine Wellenlänge zugeordnet. Dabei werden die Wellenlängen mit steigender Frequenz kürzer (Abb. 2). Die Wellenlänge ist wichtig für die Unterscheidung zwischen den Nahfeld und dem Fernfeld eines Senders. Vom Nahfeld spricht man bis zu einer Distanz vom Sender, die etwa einer Wellenlänge entspricht. Bei größeren Entfernungen spricht man vom Fernfeld. 1 Ein Sender, der nicht in diesen Bereich fällt ist z.b. der Marinefunksender in Saterland-Ramsloh (Kap. 3.1.5).

10 2 Grundlagen elektromagnetischer Felder Abb. 2: Elektromagnetisches Spektrum im nieder- und hochfrequenten Bereich (Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz, 1999. Broschüre Strahlung und Strahlenschutz ).

2 Grundlagen elektromagnetischer Felder 11 Im Nahfeld einer Sendeanlage sind elektrisches und magnetisches Feld entkoppelt und müssen daher unabhängig voneinander betrachtet werden. Als Maß für die Stärke des elektrischen Feldes dient die elektrische Feldstärke, die in Volt pro Meter (V/m) angegeben wird. Die Stärke des magnetischen Feldes wird durch die magnetische Feldstärke in der Einheit Ampere pro Meter (A/m) beschrieben. Häufig wird anstelle der magnetischen Feldstärke auch die magnetische Flussdichte in der Einheit Tesla (T, 1 T = 1 000 000 µt) verwendet. Magnetische Flussdichte und magnetische Feldstärke sind linear miteinander verknüpft: 1 µt = 1.26 A/m. Im Fernfeld einer Sendeanlage sind elektrisches und magnetisches Feld eng miteinander gekoppelt. Bei Kenntnis des einen Feldes kann das jeweils andere berechnet werden. Man spricht daher im Hochfrequenzbereich auch von elektromagnetischen Feldern. Zur Beschreibung der Stärke eines elektromagnetischen Feldes wird die Leistungsflussdichte verwendet. Sie gibt die Leistung (= Energie pro Zeiteinheit) in Watt (W) an, die senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der elektromagnetischen Welle auf eine Fläche (in m²) trifft. Die Einheit der Leistungsflussdichte ist W/m². Dabei gilt: 1 W/m² = 1 000 mw/m² = 1 000 000 µw/m². Im Fernfeld kann die Leistungsflussdichte S und das elektrische Feld E ineinander umgerechnet werden, wobei die Kopplung über den Feldwellenwiderstand Z 0 = 377 Ω für den freien Raum geschieht: (1) 2 E S = 377Ω mit S in W/m² und E in V/m. Je höher die Frequenz der elektromagnetischen Felder ist, desto mehr nähern sich die Ausbreitungseigenschaften denen des Lichts (Optik) an. Man spricht daher üblicherweise bei Frequenzen im khz- und im MHz-Bereich (z. B. Rundfunk- und Fernsehsender, Mobilfunk) von elektromagnetischen Wellen und ab dem GHz-Bereich (z.b. Radaranlagen, Licht) von elektromagnetischer Strahlung. Im Fernfeld nimmt die elektrische Feldstärke reziprok mit dem Abstand zum Sender ab: Wenn sich der Abstand zum Sender verzehnfacht, beträgt die elektrische Feldstärke nur noch ein Zehntel des ursprünglichen Werts. Die Leistungsflussdichte folgt hingegen einer reziprok-quadratischen Entfernungsabhängigkeit. Im zehnfachen Abstand zum Sender ist die Leistungsflussdichte bereits auf ein Hundertstel des Ausgangswerts abgefallen. Die Leistungsflussdichte fällt somit wesentlich schneller mit zunehmender Entfernung ab als das elektrische Feld (Abb. 3). Diese unterschiedlichen Eigenschaften müssen beachtet werden, wenn Angaben zur Stärke elektromagnetischer Felder beispielsweise im Vergleich mit Grenz- oder Richtwerten (s. Kap. 7) betrachtet werden.

12 2 Grundlagen elektromagnetischer Felder 1.0 0.9 Feldstärke Leistungsflussdichte 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 Elektrische Feldstärke (~ 1/r) Leistungsflussdichte (~ 1/r²) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Relative Entfernung r Abb. 3: Prinzipielle Entfernungsabhängigkeit des elektrischen Feldes und der Leistungsflussdichte (jeweils normiert) unter ungestörten Verhältnissen. Die Abstrahlung einer elektromagnetischen Welle von einer Sendeanlage erfolgt im Allgemeinen von einer Antenne. Je kleiner die Wellenlänge im Verhältnis zur Antennengröße ist (d.h. mit steigender Frequenz), desto mehr wird die Energie nicht mehr gleichmäßig, sondern in einzelne Raumrichtungen bevorzugt bzw. gebündelt abgestrahlt. Man spricht hier von einer Richtwirkung. Beispiele für bündelnde Antennen sind Parabolantennen für Richtfunkstrecken (Kap. 3.7) oder auch Sendeantennen für Mobilfunkbasisstationen (Kap. 3.2.1) (IMST, 1998). Die Stärke der Bündelfähigkeit einer Antenne wird als Antennengewinn bezeichnet. In Richtung der stärksten Bündelung (Hauptstrahlrichtung) ist die von einer Antenne abgestrahlte Leistungsflussdichte größer als die von einer schwach bündelnden Antenne. Die alleinige Angabe der Sendeleistung einer Anlage ist somit zur Beurteilung der von ihr erzeugten Leistungsflussdichte nicht mehr hinreichend. Man verwendet statt dessen eine bewertete Größe, die äquivalente isotrope Strahlungsleistung (EIRP). Die EIRP gibt an, mit welcher Sendeleistung man eine in alle Raumrichtungen gleichmäßig abstrahlende Antenne (Kugelstrahler) speisen müsste, um im Fernfeld dieselbe Leistungsflussdichte zu erzeugen wie in Hauptstrahlrichtung einer bündelnden Antenne (IMST, 1998). Spezielle Informationen über die Abstrahleigenschaften von Antennen kann in der Fachliteratur oder im Internet (z.b. www.kathrein.de) nachgelesen werden. Bislang wurde davon ausgegangen, dass die Ausbreitung der elektromagnetischen Felder im freien Raum stattfindet. Treffen die Felder aber auf Materie, können sie zu einem gewissen

2 Grundlagen elektromagnetischer Felder 13 Teil reflektiert oder beim Durchgang durch die Materie abgeschwächt werden (Dämpfung). Auf diese Eigenschaft und deren Konsequenzen wird in Kap. 4.2 näher eingegangen. Um Informationen mit elektromagnetischen Wellen zu übertragen, muss eine der Eigenschaften diese Welle (Amplitude, Frequenz oder Phase) zeitlich verändert (moduliert) werden. Für jede Übertragungstechnologie ist das zu verwendende Modulationsverfahren vorgeschrieben. So verwendet der Mittelwellen Rundfunk (Kap. 3.1.2) eine Amplitudenmodulation, der UKW Rundfunk (Kap. 3.1.1) eine Frequenzmodulation und der Richtfunk (Kap. 3.7) eine Phasenmodulation. Um auf einer Frequenz mehrere unterschiedliche Informationen gleichzeitig übertragen zu können, werden zusätzlich digitale Kodierungsverfahren angewendet. Die zwei wichtigsten Verfahren hierfür sind das Zeitschlitzverfahren, das die GSM-Netze (D- und E-Netz, Kap. 3.2.1), die digitalen Haustelefone (DECT, 3.3) und das neue Betriebsfunksystem TETRA (Kap. 3.2.3) einsetzen und das Frequenzspreizverfahren (CDMA), das die UMTS-Netze (Kap. 3.2.1) und die Bluetooth-Technologie (Kap. 3.8.2) verwenden bzw. zukünftig verwenden werden. Die genauere Spezifikation der einzelnen Technologien kann nicht Gegenstand dieses Berichts sein. Es wird an dieser Stelle daher auf die zahlreiche Fachliteratur und Informationen im Internet (z.b. zu GSM: www.gsmworld.com, zu UMTS: www.umts-forum.de, zu TETRA www.tetra.com, zu DECT: www.dectweb.com) verwiesen. Die Vergabe von Frequenzen für bestimmte Nutzungen wie beispielsweise Rundfunk, Fernsehen, Mobilfunk und Radar wird auf internationaler Ebene verbindlich geregelt. Dabei wird nicht nur die Frequenz sondern auch die maximale Sendeleistung, die zu verwendende Modulation und weitere funktechnische Parameter festgelegt. In Deutschland ist die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) für die Vergabe und Überwachung der Frequenznutzung verantwortlich. Auf den Internet-Seiten der RegTP (www.regtp.de) finden sich dazu nähere Informationen. Die Vorgaben für die verwendeten Technologien (z.b. GSM) werden in internationalen oder europäischen Normen (z.b. ETSI-Normen (www.etsi.fr)) im Detail festgelegt und können in Deutschland national nicht mehr verändert werden.

14 3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen 3 Stationäre Se ndeanlagen in Niedersachsen Im vorliegenden Bericht werden in erster Linie ortsfeste Sendeanlagen aufgeführt. Die Beschreibung der technischen Eigenschaften der einzelnen Sendeanlagen beschränkt sich in der Regel auf das für das grundlegende Verständnis notwendige Maß. Dabei werden diejenigen Aspekte genauer erläutert, die für die Immission im Umfeld und damit auch für die Exposition von Personen, die sich dort aufhalten, relevant sind. Die meisten der im Folgenden aufgeführten Arten von Sendeanlagen sind nicht typisch für Niedersachsen sondern werden im gesamten Bundesgebiet betrieben. Ausnahmen bilden hier die Marinefunksender in Neuharlingersiel (Kap. 3.1.4) und in Saterland-Ramsloh (Kap. 3.1.5). 3.1 Radio- und Fernse hsender 3.1.1. UKW- und Fernsehsender UKW- (Ultrakurzwelle) und Rundfunksender strahlen die elektromagnetischen Felder vertikal eng gebündelt als horizontalen Fächer ab. Da die Sendeantennen in der Regel auf hohen Masten oder Türmen montiert sind, muss die Abstrahlebene leicht nach unten geneigt sein, um den Versorgungsbereich optimal abzudecken. In der Folge ergibt sich dort, wo der Hauptstrahl den Boden trifft, ein Bereich maximaler Immission. Dieser Bereich befindet sich typischerweise in einem Abstand von einigen Kilometern vom Sendeturm. Die Immission am Boden ist also in der Nähe des Sendeturm zunächst gering, nimmt dann zu und erreicht nach einigen Kilometern ein Maximum und fällt dann mit weiter zunehmender Entfernung vom Sender wieder ab. In Tab. 1 sind die Sendefrequenzen zusammengestellt, die für den UKW-Rundfunk und den Fernsehfunk verwendet werden. Tab. 1: Sendefrequenzbereiche der UKW- und Fernsehfunks. Sendeanlage UKW-Sender Fernsehsender VHF-Bereich UHF-Bereich Frequenzbereich 87 108 MHz 48 62 MHz 175 225 MHz 471 783 MHz Zwischen den einzelnen Sendestationen gibt es deutliche Unterschiede in der Sendeleistung. Die sogenannten Grundnetzsender stellen die großflächige Versorgung mit den entsprechenden Programmen sicher. Die in Niedersachsen betriebenen UKW-Sender arbeiten mit bis zu 100 Kilowatt, die Fernsehsender mit bis zu 500 Kilowatt äquivalenter isotroper Sendeleistung (EIRP, s. Kap. 2). Ergänzend zum Grundnetz versorgen die Füllsender diejenigen kleinräumigen Gebiete, die durch die Grundnetzsender nicht erreicht werden können, wie es beispielsweise in einigen

3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen 15 Tallagen der Fall ist. Die Sendeleistung dieser Füllsender beträgt nur einige Watt bis etwa 100 Watt und liegt somit in vergleichbarer Größenordnung wie die Basisstationen der Mobilfunknetze (s. Kap. 3.2.1). In Niedersachsen werden insgesamt 488 Fernsehsender betrieben, wovon 33 Anlagen mit einer Leistung von mehr als 10 Kilowatt (EIRP) senden. In Niedersachsen werden insgesamt 182 UKW-Sender betrieben; 52 dieser Anlagen senden mit mehr als 10 Kilowatt (EIRP). Die Stärke der elektromagnetischen Felder am Boden, die von UKW- und Fernsehsendern abgestrahlt werden, sind aufgrund der oben beschriebenen speziellen Entfernungsabhängigkeit und der unterschiedlichen Antennenformen insbesondere für den Nahbereich nicht generell anzugeben. Brüggemeyer (1993) gibt für die typische Leistungsflussdichte eines UKW-Senders mit einer Sendeleistung von 100 kw in einem Abstand von etwa 1500 m einen Wert von unter 50 mw/m² an. Für einen Fernsehsender (Frequenzband von 470 bis 890 MHz) mit einer Sendeleistung von 500 kw ergibt sich eine typische Leistungsflussdichte im Abstand von 1500 m von weniger als 5 mw/m². Leitgeb (2000) gibt für einen Fernsehsender mit der gleichen Sendeleistung eine Leistungsflussdichte von etwa 20 mw/m² an. Die im Nahbereich von UKW- und Fernsehsendern zu erwartenden Leistungsflussdichten liegen deutlich unter den gültigen Grenzwerten, die hier zum Vergleich angegeben werden. Der Grenzwert für den Frequenzbereich von 87 MHz bis 783 MHz, der vom UKW-Rundfunk und vom Fernsehen genutzt wird, beträgt zwischen 2400 mw/m² und 3900 mw/m². Die in Niedersachsen betriebenen Fernsehsender sind in Abb. 13 (S. 44), die UKW-Sender in Abb. 14 (S. 45) kartographisch dargestellt. 3.1.2. Mittelwellensender Bei gleicher Sendeleistung können Sender im Mittelwellenbereich ein größeres Versorgungsgebiet abdecken als UKW- und Fernsehsender. Mittelwellensender strahlen dabei im Gegensatz zu UKW- und Fernsehsendern die elektromagnetischen Felder annähernd als Kugelwelle ab. Wenn keine Störungen des Felds durch beispielsweise Gebäude oder die Topographie vorliegen, nimmt die Immission am Boden kontinuierlich mit der Entfernung vom Sender ab. Ein Bereich mit niedrigen Immissionen wie bei den UKW- und Fernsehsendern oder den Mobilfunkbasisstationen (s. 3.2.1) in unmittelbarer Nähe der Sendeanlage ist nicht vorhanden. Das Frequenzband der Mittelwelle umfasst den Bereich von etwa 520 khz bis 1600 khz. In Niedersachsen werden drei Mittelwellensender in Braunschweig, Hannover und Lingen mit Sendeleistungen von 5 bis 200 kw betrieben. Die Leistungsflussdichte in Bodennähe eines Mittelwellensenders, der mit 200 Kilowatt sendet (entspricht dem leistungsstärksten Sender in Niedersachsen), beträgt in einem Abstand von 3000 m zum Sender etwa 2 mw/m². Die in Niedersachsen betriebenen Mittelwellensender sind in Abb. 15 (S. 46) kartographisch dargestellt.

16 3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen 3.1.3. Digitaler Rundfunk und digitales Fernsehen In Deutschland ist zurzeit eine digitale terrestrische Rundfunkversorgung (DAB) im Aufbau. Hierfür werden die Frequenzbereiche (216-230 und 1452-1467,5 MHz) verwendet. Die Sendeleistung der einzelnen Sender, die in einem Abstand von etwa 60 km stehen werden, wird mit 1 kw deutlich geringer sein als bei dem jetzt verwendeten analogen Rundfunk. Im Gegenzug wird aber die Anzahl der Sender höher sein. Für die Übertragung aller Rundfunkprogramme wird eine erheblich geringere Anzahl von Frequenzen notwendig sein. Wann und in welchem Umfang der digitale den analogen Rundfunk ablösen wird, ist zurzeit noch nicht abzusehen. Neben dem digitalen Rundfunk ist in einigen Regionen auch schon eine digitale terrestrische Versorgung mit Fernsehprogrammen (DVB) in der Erprobung. Die Sendeleistung wird ca. 100 kw pro Sendeanlage betragen. Das verwendete Kodierungsverfahren führt zu einem rauschähnlichen Spektrum, das einem kontinuierlichen Signal ähnlich ist. 3.1.4. Marinefunksender Neuharlingersiel Die Bundesmarine betreibt in der Marinefunk-Sendestelle Neuharlingersiel Kurz- und Langwellensender. Die Sendeanlage dient der Übermittlung von Nachrichten an Schiffe der Bundesmarine sowie der NATO-Partner, die im Bereich der Ost- und Nordsee operieren. Das zugehörige Antennenfeld (Abb. 4) hat einen Durchmesser von einigen hundert Metern und besteht aus 16 Kurzwellen- und einer Langwellenantenne unterschiedlicher Leistungsklassen. Abb. 4: Blick auf die Marinefunk-Sendestelle Neuharlingersiel (Quelle: Wehrbereichsverwaltung Nord, Hannover).

3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen 17 Die Sendeleistungen der Kurzwellensender reichen von 1 kw (12 Sender) bis 20 kw (4 Sender) bei einem Frequenzbereich von 1,5 MHz bis 30 MHz. Die Langwellenantenne ist an drei 160 m hohen Masten aufgehängt. Durch die physikalische Eigenschaft der Langwelle, sich als Bodenwelle auszubreiten bei nur geringer Dämpfung durch die See, kann im Allgemeinen mit stabilen Übertragungsverhältnissen gerechnet werden. Die maximale Sendeleistung beträgt 50 kw und der Frequenzbereich beträgt 40 khz bis 200 khz. Zusätzlich zu den beschriebenen Lang- und Kurzwellensendern wird noch ein Richtfunksystem für die Anbindung an das Fernmeldezentrum Sengwarden betrieben. Die Funkmessstelle des Amts für Fernmelde- und Informationssysteme der Bundeswehr (Außenstelle Ost) hat im März 1995 im Bereich des Marinefunksenders Neuharlingersiel umfangreiche Messungen der elektromagnetischen Feldstärken am Boden durchgeführt. Durch die Möglichkeit, die 16 Kurzwellensender und die unterschiedlichen Antennen in mehreren Konstellationen zusammen zu schalten, kann die Abstrahlcharakteristik (z.b. Wahl der Hauptsenderichtung) und die Gesamtsendeleistung gezielt den jeweiligen funktechnischen Anforderungen angepasst werden. Je nach gewählter Konstellation ergeben sich somit auch unterschiedliche Immissionen in der Umgebung der Anlage. Aufgrund dieser Komplexität der Immissionssituation werden hier exemplarisch die Ergebnisse von zwei Messungen in der Umgebung der Marinefunksenders Neuharlingersiel wiedergegeben. Die Messung am Langwellensender ergab für eine Sendeleistung von 30 kw und eine Sendefrequenz von 52 khz in einem Abstand von 140 m elektrische Feldstärken von 80 V/m in Hauptsenderichtung und von 20 V/m in entgegengesetzter Richtung. Die Messwerte in den seitlichen Bereichen liegen zwischen den beiden angegebenen Werten. In einer Entfernung von 360 m beträgt die elektrische Feldstärke (entgegen der Hauptsenderichtung) noch 10 V/m. Messergebnisse in Hauptsenderichtung für Entfernungen von mehr als 140 m liegen nicht vor. Der Referenzwert (ICNIRP, 1998, s. Kap. 7.1) für die Frequenz von 52 khz beträgt für das elektrische Feld 87 V/m. Als Beispiel für Immissionen im Kurzwellenbereich werden in Tab. 2 die Messergebnisse an einem mit 5 kw im Frequenzbereich zwischen 8 MHz und 27 MHz betriebenen Kurzwellensender angegeben. Die Bandbreite der angegebenen elektrischen Feldstärken ergibt sich aus der Verwendung unterschiedlicher Antennen und der zwei Sendefrequenzen. Die Referenzwerte (ICNIRP, 1998, s. Kap. 7.1) für den Frequenzbereich von 8 MHz bis 27 MHz liegen für das elektrische Feld zwischen 28 und 31 V/m. Tab. 2: Elektrische Feldstärke in verschiedenen Abständen zur Antenne eines mit 5 kw betriebenen Kurzwellensenders (Sendefrequenzen 8 MHz und 27 MHz). Abstand zur Antenne in m (ca.) 20 50 100 200 400 Elektrische Feldstärke in V/m 34 77 14 32 7 17 4 7 2-4

18 3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen 3.1.5. Marinefunksender Saterland-Ramsloh Die Marinefunkstelle Saterland-Ramsloh ist seit 1982 in Betrieb und zählt auch heute noch zu den modernsten Anlagen dieser Art weltweit. Der Sender besteht aus zwei Anlageteilen (Halbanlagen). Die maximale Sendeleistung beträgt etwa 700-800 kw bei einer Frequenz von etwas mehr als 20 khz (Längstwellen). Längstwellen unter 30 khz werden für die Kommunikation mit getauchten U-Booten eingesetzt, da sie sich mit großer Zuverlässigkeit (beinahe) ganz um den Erdball ausbreiten und dabei im Gegensatz zu Funkwellen mit höherer Frequenz auch in den Ozean eindringen. Am Marinefunksender Saterland-Ramsloh wurden im Jahr 1993 Messungen der elektrischen und magnetischen Felder durch das Niedersächsische Landesamt für Ökologie (NLÖ) durchgeführt. Die auf maximale Sendeleistung umgerechneten Feldstärken sind in Abb. 6 dargestellt. In einem Abstand von 1 km (an der Grenze des abgezäunten Bereichs der Sendeanlage) erreicht die elektrische Feldstärke etwa 35 V/m und die magnetische Feldstärke etwa 60 nt. Die Referenzwerte (ICNIRP, 1998, s. Kap. 7.1) für den Bereich von etwas über 20 khz liegen für das elektrische Feld bei 87 V/m und für das magnetische Feld bei 6250 nt. Abb. 5: Blick auf die Marinefunk-Sendestelle Saterland-Ramsloh (Quelle: Wehrbereichsverwaltung Nord, Hannover).

3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen 19 100 100 Elektrisches Feld Magnetisches Feld Elektrisches Feld in V/m 10 1 10 1 Magnetisches Feld in nt 0.1 0.1 0 2 4 6 8 10 12 Entfernung in km Abb. 6: Messwerte des elektrischen und des magnetischen Feldes in der Umgebung des Marinefunksenders Saterland-Ramsloh aus Messungen des Niedersächsischen Landesamts für Ökologie (1993). Die Referenzwerte (ICNIRP, 1998, s. Kap. 7.1) liegen für das elektrische Feld bei 87 V/m und für das magnetische Feld bei 6250 nt. 3.2 Mobilfunk In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Mobilfunkteilnehmer deutlich schneller entwickelt als im Allgemeinen erwartet worden war. In einem Übersichtspapier der Bundesregierung vom 10.12.2001 wird die Zahl der Mobilfunkanschlüsse mit gut 55 Millionen für das Jahr 2001 angegeben, womit die Zahl der Festnetzanschlüsse in Deutschland deutlich übertroffen wird. Durch den stufenweisen Aufbau des UMTS-Netzes (Universal Mobile Telecommunication System) steht dem Mobilfunksektor voraussichtlich ein weiterer Wachstumsschub bevor. Bis Ende 2003 sollen 25 % der Bevölkerung in bundesweit 40 großen Städten versorgt werden. Bis Ende 2005 soll der Ausbau soweit voran geschritten sein, dass 50 % der Bevölkerung in ungefähr 450 Städten UMTS nutzen können. In den folgenden Abschnitten werden die GSM-Mobilfunknetze D- und E-Netz, das kommende UMTS-System, die Betriebsfunknetze sowie die Schnurlostelefone beschrieben. 3.2.1. Mobilfunk-Basisstationen Die aktuell betriebenen Mobilfunknetze GSM (Global System for Mobile Telecommunication, aufgegliedert in das D- und E-Netz) als auch der kommende Mobilfunkstandard UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) sind zelluläre Netze. Die Mobilfunksysteme bestehen aus den Handys (s. Kap.3.2.2) einerseits und aus einem Netz aus Basisstationen (Abb. 7) andererseits. Um eine flächendeckende Versorgung mit mobilen Funkanwendungen

20 3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen zu erreichen, werden die Gebiete in sogenannte Funkzellen gegliedert, die jeweils von ortsfesten Funksendeanlagen versorgt werden. Wenn beim Telefonieren mit dem Handy die Funkzelle verlassen wird, übernimmt die Basisstation der benachbarten Funkzelle das Gespräch unterbrechungsfrei (sog. Hand over ). Die einzelnen Funkzellen sind jeweils über Kabel oder Richtfunkstrecken an eine Funkvermittlungsstelle angeschlossen, die ihrerseits wiederum mit dem Festnetz verbunden ist (Abb. 8). In den GSM-Netzen ist mittlerweile eine weitgehende Flächenabdeckung erreicht, d.h. das Gebiet der Bundesrepublik ist (fast) lückenlos in Funkzellen aufgeteilt. Es gibt jedoch noch einen technischen Aspekt, der die Erreichbarkeit der Mobilfunkteilnehmer limitiert. Die Anzahl der Gespräche, die über eine Basisstation gleichzeitig geführt werden können, ist zahlenmäßig begrenzt. Wenn die mittlere Auslastung einer Basisstation eine kritische Höhe erreicht, muss die Funkzelle daher in zwei oder mehr kleinere Funkzellen aufgeteilt werden. Die Funkzellen sind also in Gebieten mit hohem Gesprächsaufkommen wie beispielsweise in den Innenstädten im Regelfall kleiner als in Bereichen mit geringer Verbindungsdichte. So haben die Funkzellen des D-Netzes im ländlichen Bereich Durchmesser von ungefähr 5 bis 20 km (Großzellen), im städtischen Bereich bis zu etwa 1 bis 2 km (Kleinzellen). Darunter gibt es noch sogenannte Mikrozellen mit Durchmessern von wenigen hundert Metern, die z.b. in Bahnhöfen oder zentralen Punkten in Innenstädten anzutreffen sind. Die Zellengrößen für das E-Netz sind um gut die Hälfte kleiner. Das kommende UMTS-Netz wird systembedingt nur noch mit Klein- und vorwiegend mit Mikrozellen arbeiten und entsprechend mehr Sendeanlagen pro versorgter Fläche benötigen. Die theoretische Übertragungskapazität eines Mobilfunkkanals ist deutlich höher als es für die Übermittlung der Sprachdaten erforderlich wäre. Daher wird im GSM-Netz ein Verfahren angewandt, dass die gleichzeitige Übertragung von bis zu 8 Gesprächen auf einem einzigen Kanal ermöglicht. Hierzu wird das Signal in acht Zeitschlitze aufgeteilt, die zeitversetzt den acht Gesprächen zugeordnet werden (Abb. 9). Die Breite eines Zeitschlitzes beträgt etwa 0.58 ms (Milllisekunden); der zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zeitschlitzen desselben Gespräches beträgt etwa 4.6 ms. Diese beiden für das GSM-Signal typischen Zeiten entsprechen Frequenzen von etwa 1736 Hz bzw. 217 Hz und gehören damit zu den niederfrequenten elektromagnetischen Feldern. Gerade dieser niederfrequente Anteil (sog. Pulsung ) wird aber in jüngerer Zeit mit möglicherweise vorhandenen gesundheitlichen Wirkungen in Verbindung gebracht.

3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen 21 Abb. 7: Mobilfunkbasisstationen auf Hochhäusern. (Quellen: T-Mobile, NLGA). Funk - vermittlungs - stelle Basisstation Festnetz Mikrozellen Funkzelle Abb. 8: Grundstruktur eines Mobilfunknetzes. Die einzelnen Funkzellen sind jeweils über Kabel oder Richtfunkstrecken an eine Funkvermittlungsstelle angeschlossen.

22 3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen Signal der Basisstation Zeit Signal des Handys Zeitrahmen: 4.6 ms (-> 217 Hz) Zeitschlitz: 0.58 ms (-> 1736 Hz) Zeit Abb. 9: Zeitverlauf der Felder für GSM-Basisstation und Handy (nach Fachinformation Stichwort Mobilfunk, Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, 1997). Die Kapazitäten der GSM-Netze sind durch die technisch mögliche Zahl der Nutzer und durch die maximal pro Zeiteinheit übertragbare Datenmenge begrenzt. Um diese Beschränkungen aufzuheben, wurde auf der Basis internationaler Übereinkünfte der UMTS-Standard entwickelt. Die Technologie die durch den UMTS-Standard beschrieben wird, weicht erheblich von der heute in Deutschland eingesetzten GSM-Technologie ab. Das UMTS-System verwendet eine andere Signalform, in der es feste Zeitschlitze wie im GSM-System nicht mehr gibt. Das Signal ist zwar weiterhin zeitlich strukturiert (moduliert), aber es gibt keine dominierenden Einzelfrequenzen mehr. Die bislang vorliegenden technischen Daten reichen noch nicht als Basis zur Beschreibung der Exposition in wissenschaftlichen Untersuchungen noch nicht aus. Die Antennen der Mobilfunkbasisstationen senden vertikal stark gebündelte Felder mit einem Öffnungswinkel zwischen 4 und 30 aus. Große Unterschiede zwischen den einzelnen Anlagen bestehen bezüglich der horizontalen Feldverteilung, da hier zwischen Rundstrahlantennen und Sektorantennen unterschieden werden muss. Rundstrahlantennen strahlen in alle Richtungen horizontal gleich viel Leistung ab. Solche Rundstrahlantennen werden vorwiegend im ländlichen Raum eingesetzt. Sektorantennen hingegen, die zumeist im städtischen Bereich Verwendung finden, strahlen horizontal mit einem Öffnungswinkel von 30 bis 120 ab und decken dabei ein Gebiet von der Form eines Tortenstücks ab. Basisstationen werden aus funktechnischen Gründen meist an erhöhten Stellen montiert (z.b. auf Masten oder auf Hausdächern). Um das Versorgungsgebiet optimal abdecken zu können, wird die Hauptabstrahlrichtung bzw. die Antenne um einige Grad nach unten gekippt (sog. Down-Tilt ), so dass der Hauptstrahl erst in einiger Entfernung von der Basisstation auf den Boden trifft. Hierdurch entsteht ähnlich wie beim Leuchtturm unter der Basis-

3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen 23 station am Boden eine Zone mit geringerer Feldstärke. Der Bereich mit den höchsten Immissionen einer typischen Mobilfunksendeanlage ist in Bodennähe dann erst in etwa 100 m bis 200 m Entfernung in den jeweiligen Hauptstrahlrichtungen zu finden (Umweltbehörde Hamburg, 2000). Mit weiter zunehmenden Abständen von der Basisstation nimmt die Feldstärke dann wieder ab (Abb. 10). ) ) ) ) ) 0m 50m Abb. 10: Exposition durch eine Mobilfunkbasisstation ohne Berücksichtigung von Abschirmung und Reflektion durch die Gebäude. Die dunklen eingefärbten Personen sind höher exponiert als die hell eingefärbten Personen, obwohl ihr Abstand zur Basisstation größer ist. (Nach: Schüz und Mann, 2000). Diese idealisierte Beschreibung der von Basisstationen emittierten elektromagnetischen Felder wird unter realen Verhältnissen jedoch auch durch die Bebauung, den Pflanzenbewuchs oder die Topographie beeinflusst. So können hochfrequente elektromagnetische Felder beim Durchgang durch Materie abgeschwächt (gedämpft) und an Oberflächen reflektiert werden. Unter Berücksichtigung dieser Effekte und der oben beschriebenen Abstrahlcharakteristik wird deutlich, dass der Abstand zu einer Basisstation als alleiniges Maß für die zu erwartende Immission nicht ausreichend ist. Im Umkehrschluss muss bei der Bewertung oder Auswahl eines Standortes für eine Basisstation die konkrete örtliche Situation berücksichtigt werden. Dabei ist eine Vergrößerung des Abstandes nicht immer mit einer Verminderung der Immissionen verbunden. Für die Wahl eines geeigneten Standortes ist noch ein weiteres technisches Merkmal des Mobilfunksystems von Bedeutung. Sowohl das Handy als auch die Basisstationen reduzieren nach dem Gesprächsaufbau die Sendeleistung soweit, dass eine sichere Verbindung gerade noch möglich ist. Der Vorteil dieser Maßnahme liegt zum einen in der Verminderung von Störungen der Nachbarfunkzellen und zum anderen in der Verlängerung der Akkulaufzeit des Geräts durch den niedrigeren Stromverbrauch. Günstige Sende- und Empfangsbedingungen ziehen also niedrige Sendepegel nach sich. Im Hinblick auf die Entfernungen zwischen den Basisstationen und den Handys bedeutet dies, dass im Allgemeinen kurze

24 3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen Abstände zu niedrigen Sendeleistungen führen und daher grundsätzlich zu bevorzugen sind. Die mancherorts vorgetragene Forderung, die Basisstationen grundsätzlich nicht in Wohngebieten (und damit in der Nähe potenzieller Mobilfunk-Nutzer) aufzustellen, kann daher über die Vergrößerung der Entfernung zwischen Handy und Basisstation und der damit notwendigen höheren Sendeleistung zu höheren Immissionen im Bereich der Basisstation, zumindest aber für den Handynutzer führen. Hier ist unbedingt eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall notwendig. Unter dem Gesichtspunkt einer Minimierung der Immission beziehungsweise der Exposition führen viele kleine Funkzellen (im Vergleich zu einer entsprechend großen Funkzelle) zu einer homogeneren räumlichen Verteilung der elektromagnetischen Felder bei gleichzeitiger Reduzierung der mittleren Feldstärken. Tab. 3: Sendefrequenzen und typische Sendeleistungen der drei aktuellen Mobilfunksysteme (Quelle: BfS, Strahlenthemen Mobilfunk und Sendetürme, 2001). Sendeleistungen Mobilfunknetz Sendefrequenzen Basisstation Handy D-Netz 890 960 MHz 10 W typisch Spitzenwert: max. 2 W Mittelwert: max. 0.25 W E-Netz 1710 1880 MHz 10 W typisch Spitzenwert: max. 1 W Mittelwert: max. 0.13 W UMTS 1900 2170 MHz 10-50 W typisch Spitzenwert: max. 1 W Die Sendeleistung einer Mobilfunkbasisstation steigt an, sobald ein gewisses Gesprächsaufkommen überschritten wird, das über diese Basisstation abgewickelt wird. Die nominelle maximale Sendeleistung wird praktisch nie erreicht. Wenn die tatsächliche Immission einer Basisstation messtechnisch bestimmt werden soll, so muss einerseits über einen hinreichend langen Zeitraum gemittelt werden, andererseits muss sowohl der Tages- als auch der Wochengang des Gesprächsaufkommens bzw. der Sendeleistung in geeigneter Weise berücksichtigt werden. Alternativ zum Mittelwert kann auch der Maximalwert in einem bestimmten Zeitraum zur Beurteilung der Immission herangezogen werden. Die Umweltbehörde Hamburg hat im Herbst 2000 die hochfrequenten elektromagnetischen Immissionen in der Umgebung von Mobilfunk-Basisstationen in Hamburg durch Messungen ermitteln lassen und die Ergebnisse in einem Bericht zusammengefasst (Umweltbehörde Hamburg, 2000). Gemessen wurde tagsüber an insgesamt 33 Punkten im Hamburger Stadtgebiet, die in der unmittelbaren Umgebung, d.h. nicht weiter als 200 m entfernt von Mobilfunkstandorten lagen. Diese Mobilfunkstandorte wiederum lagen vorzugsweise in typischen Wohngebieten mit mehreren Kindergärten und Schulen. Der gemessene Spektrum umfasste den gesamten Bereich der aktuell vom Mobilfunk verwendeten Frequenzen zwischen 890 und 1880 MHz (D- und E-Netz), wobei die Messergebnisse über einen Zeitraum von 6 Minuten gemittelt wurden. Aufgrund der starken räumlichen Variationen der Immissionen durch die örtlichen Gegebenheiten (s. o.) sind die Messungen an den 33 Punkten in Hamburg nicht

3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen 25 unbedingt großräumig repräsentativ. Da aber für das städtische Umfeld typische Standorte ausgewählt wurden, geben die Messergebnisse aber zumindest die Größenordnung der zu erwartenden Immissionen wieder. Die in der Hamburger Untersuchung gefundene Bandbreite der Leistungsflussdichten reicht dabei von etwa 0.01 mw/m² bis etwa 10 mw/m². Der Mittelwert liegt bei etwa 0.3 mw/m². Das Staatliche Umweltamt Kiel (2000) hat in Schleswig-Holstein ebenfalls Messungen der hochfrequenten elektromagnetischen Immissionen durchgeführt. Die Ergebnisse sind mit denen der oben genannten Hamburger Untersuchung vergleichbar. Auf ein interessantes Einzelergebnis aus dieser Studie soll hier näher eingegangen werden. Um die Immissionssituation in der Nähe von Mobilfunkbasisstationen zu untersuchen, wurden auch Messungen auf dem Dach und in der jeweils obersten Etage von zwei etwa gleich hohen Hochhäusern, die in einem Abstand von etwa 40 m stehen, durchgeführt. Auf dem Dach eines der beiden Hochhäuser sind Mobilfunksendeantennen installiert. Im Vergleich der vier Messpunkte wurden die stärksten Felder auf dem Dach des Hochhauses ohne Antenne gemessen. In der Wohnung unter dem Dach dieses Hochhauses waren die Felder auch bedingt durch die abschirmende Wirkung (Dämpfung) der Baumaterialien deutlich niedriger. Die niedrigsten Feldstärken wurden in der Wohnung gemessen, die direkt unter dem Dach lag, auf dem die Sendeantennen installiert waren. Durch die bereits oben beschriebene starke vertikale Bündelungseigenschaft der Antennen gelangen in der Regel die von der Basisstation abgestrahlten Felder nicht direkt in das darunter stehende Gebäude, sondern nur indirekt und als in seiner Stärke deutlich reduziertes Signal. Hinzu kommt auch hier wieder die Dämpfung der Felder durch die Dachkonstruktion. Es bleibt somit festzuhalten, dass oftmals in demjenigen Gebäude, auf dessen Dach die Mobilfunkantennen installiert sind, die Immissionen und damit auch die Expositionen geringer sind als in der unmittelbaren Nachbarschaft. Die (horizontal gemessene) Distanz zwischen Aufenthaltsort und Antenne ist also hier kein geeignetes Maß für die Schätzung der Exposition. Angesichts der Vielzahl von Mobilfunkbasisstationen erscheint deren Kartierung für ganz Niedersachsen wenig sinnvoll. Um aber trotzdem einen Eindruck von der Situation in den Verdichtungsgebieten zu geben, werden beispielhaft die Basisstationen von drei niedersächsischen Städten (Braunschweig, Göttingen, Delmenhorst) kartographisch dargestellt. Oben wurde bereits erwähnt, dass die maximale Anzahl von Gesprächen, die gleichzeitig über eine Basisstation geführt werden können, begrenzt ist. Daher sind die Funkzellen in Bereichen mit hohem Gesprächsaufkommen kleiner bzw. der durchschnittliche Abstand zwischen den Basisstationen kürzer. Dies trifft insbesondere für die Innenstädte und verdichteten Wohngebiete zu, während im Stadtrandbereich oder im ländlichen Gebiet größere Funkzellen anzutreffen sind. Dies ist auch auf den Mobilfunk-Standortkarten der drei genannten Städte deutlich zu erkennen (Abb. 18 Abb. 20, S. 49 51). 3.2.2. Handys Handys sind zwar keine ortsfesten Sendeanlagen im eigentlichen Sinne, andererseits sind sie aber integraler Bestandteil des Mobilfunk-Gesamtsystems. Die von Handys abgestrahlten elektromagnetischen Felder liegen im gleichen Frequenzbereich wie die Mobilfunkbasis-

26 3 Stationäre Sendeanlagen in Niedersachsen stationen und die Struktur der verwendeten Signalformen (s. Abb. 9, S. 23) ist ähnlich. Aus diesem Grunde wurden die Handys zusätzlich als mobile Sendeanlagen in den vorliegenden Bericht aufgenommen. Die verschiedenen auf dem Markt angebotenen Handys unterscheiden sich je nach Bauart deutlich in ihrer spezifischen Absorptionsrate (SAR). Die SAR gibt an, wieviel Hochfrequenzenergie vom Körper während des Telefonierens mit dem Handy absorbiert wird. Die SAR wird in W/kg angegeben. Die aufgenommene (absorbierte) Leistung wird in Wärme umgesetzt und führt zu einer Erwärmung des örtlichen Gewebes. In der Regel wird die Hälfte der abgestrahlten Leistung im Körper absorbiert, wenn das Handy direkt an den Kopf gehalten wird. Sie darf nach den EU-Ratsempfehlungen 2 Watt pro Kilogramm (W/kg) Gewebe (gemittelt über 10 g) nicht überschreiten. Die vom Körper absorbierte Leistung hängt neben der Sendeleistung des Handys insbesondere von der Bauform der in das Handy integrierten Antenne und von der Position des Handys relativ zum Kopf ab. Dabei stehen Aspekte des Gerätedesigns in Konkurrenz zur den funktechnischen Erfordernissen. Die aktuell auf dem Markt befindlichen Handys erzeugen eine SAR im Bereich von ca. 0,2 bis 1,6 W/kg im Kopf. Beim angegebenen SAR-Wert handelt es sich um den technisch möglichen Maximalwert, der aber aufgrund der Leistungsregelung ( Power Control, s.o.) der Handys in der Regel nicht erreicht wird. Die maximale Sendeleistung für Handys ist für das D-Netz auf 1 Watt und für das E-Netz auf 2 Watt Spitzenleistung begrenzt. Da das Handy nur jeweils einen der acht möglichen Zeitschlitze verwendet (s. Abb. 9, S. 23), beträgt die zeitlich gemittelte maximale Sendeleistung der Handys nur 0.25 Watt (D-Netz) bzw. 0.125 Watt (E-Netz). Die unter realen Bedingungen von den Handys abgestrahlte Sendeleistung unterscheidet sich deutlich sowohl von Modell zu Modell als auch in Abhängigkeit von der funktechnischen Empfangssituation. Die Exposition durch Handys kann also in weiten Berechen schwanken. Trotzdem soll hier zumindest die Größenordnung der Leistungsflussdichte angegeben werden, damit zumindest ein grober Vergleich zwischen Handys, Mobilfunkbasisstationen und anderen Sendeanlagen möglich ist. Die Leistungsflussdichte eines Handys liegt in einem Abstand von 30 cm im Bereich von einigen 100 mw/m²; direkt am Kopf ist die Leistungsflussdichte entsprechend höher und erreicht die Größenordnung der Grenzwerte. Obwohl bei Einhaltung der geltenden Grenzwerte Schutz vor den bislang nachgewiesenen Wirkungen von elektromagnetischen Feldern besteht, kann der Einzelne darüber hinaus selbst zusätzliche Maßnahmen zur Verminderung der eigenen Exposition gegenüber der Strahlung der Handys ergreifen: Verwendung eines Handy-Modells mit geringer Spezifischer Absorptionsrate (SAR). Für kurze Informationen eine SMS senden, anstatt zu telefonieren. Während des Verbindungsaufbaus das Handy noch nicht ans Ohr halten. Beim Verbindungsaufbau sendet das Handy mit der vollen Leistung. Idealerweise im Freien telefonieren, nicht aus fensterlosen Räumen oder im Auto. Überall dort, wo der Empfang schlecht ist, sendet das Handy mit hoher Leistung. Solche Situa-