Pfingsten (ABC): Joh 20,19-23



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Transkript:

Pfingsten (ABC): Joh 20,19-23 Ein doppeltes Pfingsten? In den Lesungen des heutigen Pfingstsonntages erfahren wir von zwei Ereignissen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, obwohl es offensichtlich um denselben Vorgang die Gabe des Heiligen Geistes an die nachösterlich versammelten Jünger geht. Der lukanische Pfingstbericht in Apg 2 spielt sozusagen auf großer Bühne : vor der versammelten Menge der Jerusalemer Juden, in aller Öffentlichkeit. Hinzu kommt, daß es Lukas wie im Falle des Paschafestes (Lk 22,7-20)! wichtig ist, daß die Geburtstunde der Kirche mit einem jüdischen Wallfahrtsfest (in diesem Falle das Wochenfest Schavuot bzw. Pfingstfest) zusammenfällt, um die Kontinuität im Heilsplan Gottes mit seinem Volk und der Kirche aus Juden und Heiden herauszustellen. Das lukanische Pfingsten entfaltet dann eine ungeheure Dynamik von Jerusalem über Judäa und Samaria bis an die Enden der Erde (Apg 1,8), das Evangelium lässt sich nicht mehr mundtot machen (Apg 4,20) und wird in der Kraft des Geistes in der ganzen Welt verkündigt (Apg 4,31). Ganz anders im vierten Evangelium: hier fallen sozusagen Ostersonntag und Pfingstfest auf dasselbe Datum! Die Gabe des Heiligen Geistes an die Jünger vollzieht sich am Abend des Ostertages (20,19). Und sie führt keineswegs dazu, daß die Jünger sich auf den Weg machen und die Welt für das Evangelium erobern. Eine Woche später (am darauffolgenden Sonntagabend) sitzen sie bereits wieder hinter verschlossenen Türen (20,26). Die beiden Pfingstberichte widersprechen sich aber nur auf den ersten Blick, und es gibt auch keinen Grund, die beiden Berichte wie dies seit den Kirchenvätern geschieht miteinander zu harmonisieren. Vielmehr fokussieren die beiden Berichte zwei verschiedene Aspekte des Pfingstgeschehens, die jedoch zusammengehören, da das Wirken des Heiligen Geistes diese beiden Aspekte umfaßt: einerseits das missionarische Zeugnis nach außen, das bereits seit den frühesten Tagen der Kirche einen universalen, grenzüberschreitenden Horizont hatte wie ja auch das hymnische Pfingstzeugnis der Apostel von allen Menschen zu verstehen war (Apg 2,1-13). Komplementär dazu weist die Gabe des Geistes aber auch nach innen, in den Bereich der liturgischen Versammlungen der Kirche hinter verschlossenen Türen (womit keine Konventikel beschrieben sind, sondern der altkirchliche Brauch angedeutet ist, die christlichen Gottesdienste zumindest in ihren zentralen Teilen für Außenstehende, d.h. Nichtgetaufte, nicht zugänglich zu machen). Die Erfahrbarkeit des Geistes in den österlich geprägten Liturgien (und v.a. den Sakramenten der Kirche) einerseits und laut Joh 20,19+26 ist die sonntägliche Versammlung der Glaubenden nur als eine Verlängerung des Oster- und Pfingstfestes legitim und die missionarische An-Feuerung durch den Geist zum Zeugnis in der Welt andererseits halten sich gegenseitig in der Balance. Die Erscheinung vor den Jüngern am Osterabend (VV 19-23) Auffällig ist zunächst die Kürze, vor allem aber die Offenheit der Szene. Mit dem Vollmachtswort 20,23 bricht sie ab, ein Ende der Erscheinung Jesu, ein Abschied oder eine weitere Reaktion der Jünger Perikopen.de 1

darauf wird nicht berichtet. Auch erfahren wir nichts über die genaue Zusammensetzung der Jünger. Sind es (nur) die Elf? Gehören Frauen wie Maria Magdalena (20,17f.) dazu? Sind Joseph und Nikodemus (19,38f.) anwesend? Ebenfalls erfahren wir nichts über den Ort der Erscheinungen, nur, daß die Jünger drinnen sind. Es ist leicht zu erkennen, daß hinter der Kombination aus einer präzisen Zeitangabe (Sonntagabend) mit ganz vagen Angaben zum Ort und zum anwesenden Personenkreis die Absicht des Evangelisten steckt, in diesem Text im Unterschied zum Passionsbericht! die Allgemeinheit des Berichteten und seine alleinige Gebundenheit an den Zeitfaktor (und nicht an den Ort und die Anwesenden) hervorzuheben. Die Szene wird damit durchlässig für den sonntäglichen christlichen Gottesdienst der wiederum grundsätzlich von Ostern her (und nicht von thematischen oder aktuellen Vorgaben) seine Prägung erhalten muß. Pointiert könnte man sogar formulieren, daß der vierte Evangelist die Ostererscheinungen Jesu als frühchristlichen Gottesdienst geschildert hat. 19 Οὔσης οὖν ὀψίας τῇ ἡµέρᾳ ἐκείνῃ τῇ µιᾷ σαββάτων, καὶ τῶν θυρῶν κεκλεισµένων ὅπου ἦσαν οἱ µαθηταὶ διὰ τὸν φόβον τῶν Ἰουδαίων, ἦλθεν ὁ Ἰησοῦς καὶ ἔστη εἰς τὸ µέσον καὶ λέγει αὐτοῖς, Εἰρήνη ὑµῖν. Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede mit euch! Die eröffnende Zeitangabe datiert die Erscheinung Jesu auf den Abend des ersten Tages der Woche, also den Abend des Ostersonntags. Auffällig ist zunächst, daß die Jünger überhaupt wieder versammelt sind. Schließlich hatte Jesus bereits vor der Passion in den Abschiedsreden angekündigt, daß ihr euch zerstreuen werdet, ein jeder in das seine [= an seinen Wohnort], und ihr mich allein lassen werdet (16,32). Bei seiner Verhaftung hatte er dann die Jünger mit den Worten Laßt diese hier gehen! (18,8) weggeschickt. Daß sie am Osterabend erneut versammelt sind, ist die Folge der Osterbotschaft Maria Magdalenas, der Apostolin der Apostel (20,18). Im vierten Evangelium verdankt sich die erste österliche Versammlung der Kirche also der Botschaft einer Frau! Doch versammeln sich die Jünger hinter verschlossenen Türen aus Furcht vor den Juden (vgl. 19,38). In dieser knappen Bemerkung dürfte sich etwas vom Lebensgefühl der johanneischen Christen bewahrt haben, die sich wohl mit Ausgrenzung aus der Synagoge (9,22.34; 12,42; 16,2), Ablehnung (15,18ff.), ja sogar Verfolgung von Seiten ihrer Mitbürger (15,20; 16,2) konfrontiert gesehen haben. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß der vierte Evangelist die Ostererscheinungen Jesu so schildert, daß sie transparent für das Leben seiner Gemeinde werden. Nicht vergessen sollte man aber, daß sich wenige Jahrhunderte später die Rollen zu vertauschen begannen, und dann oft genug Juden aus Furcht vor den Christen die Türen verschlossen halten mussten. Jesus stellt sich in die Mitte und spricht den Friedensgruß. Im Unterschied zu 1,26+33 ( In eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt und der mit heiligem Geist taufen wird ) gibt sich Jesus sofort zu erkennen. Daß Jesus in der Mitte steht, wird in 20,26 wiederholt. Hier ist ein weiteres Charakteristikum christlicher Gottesdienste zu erkennen, bei denen der auferstandene Herr (und nicht eine Perikopen.de 2

moralische Botschaft, eine selbstbezogene Gruppe oder ein gesellschaftliches Thema) im Mittelpunkt stehen sollte. Der Friedensgruß erneuert das Vermächtnis aus den Abschiedsrede: Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch (14,27). Hier war der Frieden wesentlich christologisch ausformuliert, es ist der Frieden Jesu. Hinzu kommt seine dualistische Prägung:... nicht wie ihn die Welt (kosmos) euch gibt, gebe ich euch! (ebd.), die in der Osterszene durch die verschlossenen Türen symbolisiert wird. Ostern im johanneischen Sinne trennt vom Kosmos (vgl. auch 14,16f.) und führt ins Innere der Grundvollzüge der Kirche. 20 καὶ τοῦτο εἰπὼν ἔδειξεν τὰς χεῖρας καὶ τὴν πλευρὰν αὐτοῖς. ἐχάρησαν οὖν οἱ µαθηταὶ ἰδόντες τὸν κύριον. Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus identifiziert sich anhand seiner Hände und im Unterschied zu Lk 24,39f.! seiner Seite! Dies ist natürlich ein Hinweis auf den Lanzenstich direkt im Anschluß an seinen Tod (19,34). Im Unterschied zu anderen Gekreuzigten, denen die Hände durchbohrt wurden, ist Jesus (nur) durch seine durchbohrte Seite eindeutig identifizierbar. Doch steckt in diesem Hinweis noch mehr. Aus Jesu Seite waren am Karfreitag Blut und Wasser geflossen, letzteres im vierten Evangelium eindeutig Symbol für den heiligen Geist, den Jesus gibt (vgl. dazu 4,14 und 7,37-39, aber auch 3,3.5). Das Wasser des Geistes ist aber nicht ohne Jesu Blut (d.h. seinen blutigen Kreuzestod) zu haben, daher treten beide Substanzen zugleich aus dem Gekreuzigten aus. Wenn nun der Auferstandene am Osterabend betont auf seine geöffnete Seite hinweist, dann zeigt er sich den Jüngern als der gekreuzigte und auferstandene Geistspender (vgl. Joh 1,33; 3,34), der am Kreuz zur Quelle lebendigen Wassers (7,37f.) geworden ist. Die österliche Freude der Jünger ist ein wesentliches Charakteristikum der altkirchlichen Sonntagsgottesdienste: Den Sonntag überlassen wir der Fröhlichkeit, sagt bereits Tertullian (Apologeticum XVI 11: diem solis laetitiae indulgemus) und formuliert damit einen Anspruch, der uns im Hinblick auf depressive und primär didaktischen Zwecken dienende Gottesdienste oft genug nur beschämen kann. 21 εἶπεν οὖν αὐτοῖς πάλιν, Εἰρήνη ὑµῖν καθὼς ἀπέσταλκέν µε ὁ πατήρ, κἀγὼ πέµπω ὑµᾶς. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Erneut spricht Jesus den Jüngern den Frieden zu, doch leitet dieser Friedensgruß zur Sendungsformel über: Wie mich der Vater gesandt hat, sende ich euch. Auffällig ist an dem Sendungsspruch zweierlei: (1.) Die österliche Sendung der Jünger durch Jesus entspricht der Sendung Jesu durch den Vater. Die Sendung Jesu ist hier im (resultativen Tempus des) Perikopen.de 3

Perfekt formuliert (ἀπέσταλκέν), damit ist ihr in die Gegenwart hineinreichender Effekt fokussiert. (2.) Eine Zielangabe der Sendung der Jünger ( in die Welt, zu den Menschen, etc. ) fehlt. Der Ton liegt also ganz auf dem Gesandtenverhältnis der Jünger zu Jesus. Auch eine Inhaltsangabe fehlt, die Kirche hat ja nichts Neues zu sagen, sondern die Sendung ihres Herrn zu vergegenwärtigen (U. Wilckens). Der Satz formuliert damit die Grundlage der Ekklesiologie im johanneischen Sinne: durch die Sendung erhalten die Jünger ein analoges Gesandtenverhältnis zum auferstandenen Jesus wie es der vorösterliche Jesus zu seinem Vater hatte. Zwischen der Sendung Jesu durch den Vater und der Sendung der Jünger durch Jesus herrscht also ein Entsprechungsverhältnis (F. Porsch). Dieses Entsprechungsverhältnis hat wiederum zwei Konsequenzen, die auch beide im Text formuliert werden: (1.) Analog zur Sendung Jesu beginnt die Sendung der Jünger mit der Gabe des Geistes (vgl. 1,32-34 mit 20,22). Damit hat die Sendung der Jünger ihren konkreten Ort in der Taufe (s.u.). (2.) Weil es Jesus ist, der die Jünger sendet und ihnen den Geist verleiht, steht er, der Auferstandene, für die Jünger nach Ostern an der Stelle, die der Vater für ihn, den Irdischen hatte: In a word, their relationship to their sender, Jesus, is to reflect Jesus relationship with his sender, the Father. (A. Köstenberger). Damit sind sowohl die Gottesprädikation Jesu durch Thomas (20,28) als auch die anderen Aussagen hoher johanneischer Christologie in diesem österlichen Geschehen der Sendung und der Geistgabe grundgelegt: die Anbetung Jesu (vgl. 9,38), die Tatsache, daß alle den Sohn (liturgisch) ehren wie sie den Vater ehren (5,23), die an Jesus gerichteten und von ihm erfüllten Bittgebete (14,13f.) etc. 22 καὶ τοῦτο εἰπὼν ἐνεφύσησεν καὶ λέγει αὐτοῖς, Λάβετε πνεῦµα ἅγιον Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist. Die Geistübermittlung ist im Anschluß an Gen 2,7 LXX als Anhauchen formuliert (vgl. Sap 15,11; Ez 37,9f.). Damit macht der Evangelist deutlich, daß Jesus hier an den Jüngern einen österlichen Neuschöpfungsvorgang vollzieht (womit auch ein gewichtiger Unterschied zur Geistgabe an Jesus in 1,32-34 bezeichnet ist, denn er selbst bedarf natürlich keiner Neuschöpfung). Durch das Anhauchen mit Heiligem Geist teilt Jesus den Jüngern sein eigenes Lebensprinzip mit (vgl. 6,63: der Geist ist es, der lebendig macht; 7,37f.) und gibt ihnen damit auch Anteil am göttlichen Leben, denn zugleich gilt in der johanneischen Theologie: Gott ist Geist (4,24). Damit geht die Verheißung von 14,19 ( Ich lebe, und auch ihr werdet leben ) in Erfüllung. Zugleich ist mit dem Vorgang des Anhauchens und Einatmens die gegenseitige Immanenz des Auferstandenen und der Jünger angedeutet, die sich ebenfalls mit der österlichen Geistgabe erfüllt: Indem der Geistparaklet in euch sein wird (14,17), werden die Jünger zugleich in mir sein und ich in euch, so wie Jesus in seinem Vater ist (14,20). Schließlich ist ab dem Augenblick der Geistübergabe am Ostertag der Gottesdienst der Jünger eine Anbetung Gottes in Geist und Wahrheit (4,23f.). Perikopen.de 4

23 ἄν τινων ἀφῆτε τὰς ἁµαρτίας ἀφέωνται αὐτοῖς, ἄν τινων κρατῆτε κεκράτηνται. Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert. Mit der Geistübermittlung ergeht an die Jünger die Vollmacht, wessen Sünden auch immer zu vergeben und zu behalten. Daß hier im Unterschied zu Mt 18,18 das positive Glied ( nachlassen ) voransteht, deutet bereits darauf hin, daß hier keine innerkirchliche Situation angezielt ist. Dies wird durch den differenzierten Tempusgebrauch bestätigt, den die Einheitsübersetzung durch ihre ungenaue Übersetzung leider verwischt: Welchen ihr die Sünden erlasst, dem sind sie erlassen ist im Konjunktiv Aorist formuliert, angezielt ist also eine punktuelle Verbalhandlung. Anders der zweite Teil: Welchen ihr die Sünden festhaltet... ist im Konjunktiv Präsens formuliert, gemeint ist somit eine durative Verbalhandlung. Während also das Nachlassen der Sünden eine je und je von den Jüngern vollzogene Handlung ist, hat das Festhalten der Sünden den Charakter des Belassens, Bestätigens und Festschreibens eines bestehenden Zustandes. Wenn also ein Mensch aufgrund des Zeugnisses der Jünger zum Glauben an Jesus Christus als den Sohn Gottes (20,31) kommt, dann verläßt er den Bereich der Sünde und des Todes (8,34-36), d.h. ihm werden durch die Jünger die Sünden nachgelassen. Die Kehrseite formuliert Teil B: wo dies nicht geschieht, bleibt der Mensch definitiv im Bereich der Sünde und des Todes (3,35f.), die Jünger halten ihn in diesem Zustand fest (durch die Verweigerung der Taufe?). Der Zusammenhang mit der Geistübergabe deutet darauf hin, daß Joh 20,22f. seinen Sitz im Leben im Initiationsgottesdienst bzw. der Tauffeier der johanneischen Gemeinde hat (vgl. 3.3.5). Wer wiedergeboren wird aus Wasser und Geist (3,3), dem werden die Sünden nachgelassen (20,23), der ist vom Tod ins Leben hinübergegangen (5,25). Hans-Ulrich Weidemann Chr. Dietzfelbinger: Johanneischer Osterglaube (ThS 138), Zürich 1992. A.J. Köstenberger: The Missions of Jesus and the Disciples According to the Fourth Gospel. With Implications for the Fourth Gospel s Purpose and the Mission of the Contemporary Church, Grand Rapids etc. 1998. F. Porsch: Pneuma und Wort. Ein exegetischer Beitrag zur Pneumatologie des Johannesevangeliums (FTS 16), Frankfurt 1974. M. Theobald: Herrenworte im Johannesevangelium (HBS 34), Freiburg etc. 2002. H.-U. Weidemann: Nochmals Joh 20,23. Weitere philologische und exegetische Bemerkungen zu einer problematischen Bibelübersetzung, in: MThZ 51 (2001) 121-127. H.-U. Weidemann: Der Tod Jesu im Johannesevangelium (BZNW 122), Berlin- New York 2004, 465-486. U. Wilckens: Das Evangelium nach Johannes (NTD 4), Göttingen 1998. Perikopen.de 5