Rohrleitungssysteme Materialien und Schadensfälle aus der Praxis Brixen, 18. März 2016
Inhalt Werkstoffe in der Trinkwasserversorgung Werkstoffe, Eigenschaften, Vor- und Nachteile Schadensfälle aus der Praxis Entwicklung in den kommenden Jahren Zusammenfassung & Ausblick
Werkstoffe, Eigenschaften Polymere Werkstoffe (Kunststoffe) Polymere sind Chemiewerkstoffe und organische Verbindungen (Basis: Erdöl, Erdgas), welche mittels Polymerisation erzeugt werden Wiederholung identer Einheiten (Prof. Staudinger, Nobelpreis 1953) Charakterisierung durch Schmelzindex (MFR) und mittlere Molekulargewicht bzw. deren Verteilung Nachwachsende Kunststoffe (NAKUs) haben in der Baubranche keine Bedeutung
Werkstoffe, Eigenschaften
Werkstoffe, Eigenschaften
Werkstoffe, Eigenschaften Dämmstoffe, Fenster, Türen, Rohre etc.
Werkstoffe, Eigenschaften Handelsübliche Kunststoffe bestehen auf Basispolymer und Zusatzstoffen: - Farbpigmente - Füllstoffe (Ruß, Talkum etc.) - Verstärkungsstoffe (Glasfasern) - Vernetzungsmittel - Stabilisatoren gegen Hitze, UV etc. - Schlagzähmodifizierung Verarbeiter erhält fertiges Package
Werkstoffe, Eigenschaften Vorteile polymerer Werkstoffe Flexibilität Verarbeitbarkeit (1 Verarbeitungsvorgang) Beständigkeit Vielfalt der Verbindungstechnologien Gewicht bzw. geringe Dichte Nachteile polymerer Werkstoffe Spannungsrissempfindlichkeit bzw. Beständigkeit Temperaturbeständigkeit Höhere Längenausdehnung im Vergleich zu metallischen Werkstoffen
Werkstoffe, Eigenschaften Kunststoffe in der Trinkwasserversorgung Polyethylen hoher Dichte (PE 80, PE 100, PE 100-RC) Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U) Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) Basis: Polyesterharze Kunststoffe in der Trinkwasserinstallation (Hot & Cold) Polypropylen (PP) Vernetztes Polyethylen (PE-X) PE mit erhöhter Temperaturbeständigkeit (PE-RT) Kunststoff-Metallverbundrohre (PE-X/Al/PE-X bzw. PE) Poly(1-buten) (PB), Polyvinylchlorid chloriert (PVC-C)
Werkstoffe, Eigenschaften Polyethylen (PE) Vorteile: Leichte Verarbeitbarkeit, gute Schweißbarkeit Sehr gute Chemikalienbeständigkeit Gute Trinkwassertauglichkeit Nachteile: Mäßige Temperaturbeständigkeit (70 C - 90 C) Vernetzung (PE-X) oder Stabilisierung (PE-RT) Neigung zur Spannungsrisskorrosion (Punktlast etc.) Bimodalität (PE 100-RC)
Werkstoffe, Eigenschaften Vernetztes Polyethylen (PE-X) PE ist Ausgangsstoff, welcher einer Vernetzung unterzogen wird: PE-Xa peroxidisch-vernetztes PE PE-Xb silan-vernetztes PE PE-Xc strahlen-vernetztes PE PE-Xd... Azo-vernetztes PE Veränderung der Molekularstruktur durch Vernetzung bedingt höhere Einsatztemperatur Kein Thermoplast und daher z.b. nicht recyclierbar, nicht schmelzbar, aber sehr wohl schweißbar Verbindungstechnologie: Mechanische Verbindungen (und Heizwendelschweißen)
Beispiele aus der Praxis Warmwasserleitung aus PE-X Warmwasserleitung aus PE-X zeigte Brüche auf. Rohre waren in der Zwischendecke (Zirkulationsleitung) verlegt. Betriebsbedingungen (Temperatur, Druck) waren unauffällig. Deutlicher Krümmungsradius aus Verlegung. Eine Chlorierung (Chlordioxid) wurde vorgenommen. Liegt hier ein Werkstofffehler vor?
Beispiele aus der Praxis Warmwasserleitung aus PE-X Schädigung ausschließlich an Innenseite nahe Boiler und Zudosierung (OIT < 1 ). In größerer Entfernung: OIT-Werte ca. 5 min Stabilisatoren, die Kunststoff vor Oxidation schützen, waren im Rohr ursprünglich mit 0,6 mg/g vorhanden. An geschädigten Rohren waren Werte < 0,1 mg/g feststellbar. Verbrauch an Stabilisatoren ist auf das Oxidationsmittel Chlordioxid zurückzuführen. Brüche treten vorrangig im Bereich starker Krümmungsradien auf (Herstellerangaben unterschritten). Dort überlagern sich Spannungen auf Biegung und dem Innendruck.
Beispiele aus der Praxis Wasserleitung aus PE Schweißverbindung (Elektroschweißmuffe, Rohrbogen) haben sich getrennt. Betriebsbedingungen (Temperatur, Druck) waren unauffällig. Schweißindikatoren an Muffe deutlich ausgetreten. Lösen (Bruch) der Oberfläche erfolgte zu 100 % spröd und ohne Verformungen Liegt hier ein Produktfehler vor?
1732,0 Beispiele aus der Praxis Wasserleitung aus PE Austritt der Schweißindikatoren zeigt ausreichende Schmelzebildung. Wärmeeindringung in Rohr und Formstück feststellbar. Rohrbogen wurde vor der Schweißung nicht geschabt. FT-IR Analyse an Bruchflächen zeigt Silikonöl (Polydimethylsiloxane), Fettsäureester und Ethylorthosilikat 105 100 95 Fehlende Schabung hat zur Verschmutzung der Fügepartner und einer mangelhaften Verschweißung geführt. %T %T 90 85 3357,5 80 75 2853,0 70 66 105 2923,8 groß 1376,2 1186,5 1081,4 800,1 1646,1 1019,7 1737,7 1457,8 967,9 1260,3 102 100 98 96 94 klein 92 90 88 1297,1 86 1484,8 84 1393,0 82 1367,2 797,0 80 1444,7 971,6 78 2894,9 76 74 2977,4 2929,9 72 4000 3500 3000 2500 2000 1750 1500 1250 1080,1000 750 600 cm-1 Name Beschreibung 415621_gr BG Korneuburg, Oberflächenspann groß, KBr-Scheibe 415621_K BG Korneuburg, Oberflächenspann klein, KBr-Scheibe
Werkstoffe, Eigenschaften Polyvinylchlorid (PVC-U, PVC-C) Vorteile: Hohe mechanische Festigkeit, Steifheit und Härte Chemikalienbeständigkeit (polare Lösungsmittel) Schwer entflammbar, gute Licht- und Wetterbeständigkeit Kaum Neigung zur Spannungsrissbildung und klebbar Nachteile: Schlagempfindlich in der Kälte ( Schlagzähmodifizierung) Vergleichsweise schwierige Verarbeitbarkeit Niedrige Dauergebrauchstemperatur (60 90 C) ( PVC-C)
Beispiele aus der Praxis PVC-U Wasserversorgung innerhalb eines Gebäudes Rohrleitungssystem aus PVC-U (weichmacherfreies PVC) Druckversorgungsleitung (PN 16) in Keller verlegt Bogen 45 in DN/OD 150 (gefertigt aus Rohr) Bruch radial im Bereich des Bogen Wandbefestigung erfolgt durch Schellen
Beispiele aus der Praxis PVC-U Wasserversorgung innerhalb eines Gebäudes
Beispiele aus der Praxis PVC-U Wasserversorgung innerhalb eines Gebäudes Am Werkstoff PVC-U (weichmacherfreies PVC) konnte keine oxidative Schädigung (Umgebungstemperatur) festgestellt werden Bruchfläche in Lichtmikroskop liefert keine eindeutigen Hinweise. Zufällig beobachtete Fleckenbildung bei Auslagerung an Oberfläche. Was ist Grund für Bruch? Infrarotspektroskopie (FT-IR), Gaschromatographie (GC) zeigen Phthalsäureester bzw. Diisooctyladipat und Diisooctylphthtalat. Weichmacher (aus Elastomer der Schelle) erhöhen Flexibilität, senken jedoch die Festigkeit.
Werkstoffe, Eigenschaften Polypropylen (PP) Herstellung aus Propylen Copolymere (meist PE), da PP alleine zu spröde Grundsätzlich 3 Arten: Homopolymer (PP-H) Block-Copolymer (PP-B) Random-Copolymer (PP-R) Verbindungstechnologie: Schweißen und mechanische Verbindungen
Werkstoffe, Eigenschaften Kunststoff-Metallverbundrohre Aufbau der Rohre: Kunststoff Metall Kunststoff Metall: Aluminium bzw. Kunststoff: PE-HD, PE-X, PE-RT Bezeichnung z.b. PE-X/AL/PE-HD Rohr Verbinder: Mechanische Verbinder aus Kunststoff oder Metall Vorteile: Geringere Längenausdehnung Diffusionsdicht Heißwasserbeständig Längssteifigkeit
Beispiele aus der Praxis Warmwasserversorgung Kunststoff-Metallverbundrohre (PE-X/Al/PE-X) in einer im Jahr 2006 errichteten Wohnhausanlage Innenschicht der Rohre ist nach ca. 6 Jahren versprödet. Es sind Brüche und Undichtheiten ausschließlich an der Warmwasserleitung aufgetreten. Erstgutachter stellt ohne Befund fest, dass Rohre Temperatur nicht standgehalten haben, und das die Ursache für die Schäden sei. Stimmt das? War es das Rohr oder eine Übertemperatur?
Beispiele aus der Praxis Warmwasserversorgung innerhalb eines Gebäudes Boiler-Temperatur hat 60 C nicht überschritten. Bewohner klagen über zu heißes Warmwasser, dass dann kühler und schließlich wieder wärmer wird. Befundaufnahme zeigt, dass Leitungssystem im Kaltwasserbereich ohne Isolierung ausgeführt ist. Warmwasserleitung (DN 16) ist isoliert (Dämmstärke 20 mm) und nicht als Zirkulationsleitung ausgeführt. Um Temperatur zu halten, wurde elektrisches Heizband (Modell HWAT-R der Fa. Raychem) in ein- und zweifacher Verlegung installiert.
Beispiele aus der Praxis
Beispiele aus der Praxis Warmwasserversorgung innerhalb eines Gebäudes Heizband HWAT-R ist für eine Wohnhausanlage überdimensioniert und für Hotels, Krankenhäuser etc. vorgesehen. Im gegenständlichen Fall wäre Heizband HWAT-M mit einer ca. 1/3 geringeren Heizleistung. Weiters wäre verpflichtend der Temperatursteller HWAT-ECO zu verwenden gewesen. Dieser wurde im Keller an den Kupferleitungen vorgesehen, nicht aber in den Wohnebenen. Die zu hohe Leistung und der permanente Betrieb der Heizbänder führt dazu, dass mehr Energie eingebracht wird, als durch die Isolierung abgeführt werden kann.
Beispiele aus der Praxis Warmwasserversorgung innerhalb eines Gebäudes
Beispiele aus der Praxis Warmwasserversorgung innerhalb eines Gebäudes
Beispiele aus der Praxis Warmwasserversorgung innerhalb eines Gebäudes Die zu hohe Leistung und der permanente Betrieb der Heizbänder führt dazu, dass mehr Energie eingebracht wird, als durch die Isolierung abgeführt werden kann. Je nach Rohrdimension (DN 16 oder DN 20), Entnahmesituation und Belegung des Heizbandes (einfach oder doppelt) stellen sich Betriebstemperaturen zwischen 73 C und 80 C) ein. Die Max. Dauerbetriebstemperatur des Rohres beträgt 70 C. Der Schaden ist auf einen Planungsmangel zurückzuführen.
Beispiele aus der Praxis Kunststoff-Metallverbundrohrleitungssystem Kunststoff-Metallverbundrohrleitungssystem zeigte Undichtheiten im Warm- und Kaltwasserbereich an mehreren Verbindungen auf. Verbindungstechnologie: Pressverbinder (mit Presshülse). Betriebsbedingungen (Temperatur, Druck) waren unauffällig. Ursache für die Undichtheiten?
Beispiele aus der Praxis Kunststoff-Metallverbundrohrleitungssystem Es war ein Mischinstallationssystem (Rohre des Herstellers A und Formstücke der Hersteller A und B) festzustellen. Undichtheiten waren ausschließlich an Verbindungen der Kombination A/B feststellbar. Presswerkzeug, das verwendet wurde, ist für System A/A und nicht A/B geeignet. Zusätzlich geometrische Inkompatibilität.
Werkstoffe, Eigenschaften Entwicklungen in den kommenden Jahren Steigende Verbreitung des Werkstoffes PE 100-RC in Rohren und Formstücken Verbesserte Stabilisierung polymerer Werkstoffe (Temperatur, Chlor, Chlordioxid ÖNORM B 5019) Kunststoff-Metallverbundrohre und höhere Vielfalt an Verbindungssystemen (Plug & Play) Höhere Festigkeiten (z.b. PP-RCT) und Reduktion der Wanddicken sowie Verbesserung der Schlagzähigkeit (trimodales PP-R) Weiters Substitution von Gusseisen, Kupfer und Stählen
Inhalt Werkstoffe in der Trinkwasserversorgung Werkstoffe, Eigenschaften, Vor- und Nachteile Schadensfälle aus der Praxis Entwicklung in den kommenden Jahren Zusammenfassung & Ausblick
Zusammenfassung & Ausblick Am Markt sind Produkte aus einer Vielzahl von bewährten Werkstoffen erhältlich. Kunststoffe haben wegen der Produkteigenschaften und der Verbindungstechnik klare Vorteile. Qualifiziertes Personal und geeignete Gerätschaften sowie Verwendung von dem System zugehörigen Presswerkzeugen tragen wesentlich zur Qualität bei. Von Mischinstallationen ist aus Gründen der Kompatibilität und der Gewährleistung eindeutig abzuraten.
Kontakt: DI Udo PAPPLER Leiter Bereich Werkstoffanwendungen am OFI Leiter der Zertifizierungsstelle OFI-CERT t: +43 1 7981601 790 udo.pappler@ofi.at