Zum heutigen Zeitpunkt wäre eine solche Arbeit vermutlich kaum noch möglich. Im neuen Bali ist kein Platz mehr für die Präsenz des Unerklärlichen.

Ähnliche Dokumente
Kurs Abenteuer Gebet Teil 7

Jesus, unser Herr! Seine Existenz vor der Schöpfung

Gott ist Liebe. 1. Johannes 4, 16-21

Tischler Favourites: Inselreich Indonesien

Inhalt.

APOSTOLICUM DAS GLAUBE ICH. 12teilige Gottesdienstserie zum Apostolischen Glaubensbekenntnis vom 5. Februar April 2017

Die Struktur der Offenbarung OFFENBARUNG 01 EINLEITUNG SEITE 01

Lektüren. Siegfrieds Tod. Deutsch als Fremdsprache. nach Motiven aus dem Nibelungenlied frei erzählt von Franz Specht. Leichte Literatur.

Was wir glauben. Inhaltsverzeichnis

Darstellung der Gottheit Kali

Glauben Sie an Magie?

Predigt am Text: Offenbarung 21,1-7

Die Quelle des Glaubens

PRIVATRUNDREISE JAVA UND BALI

Mt 28, 19f. [19] Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des

Hallo und herzlich willkommen an diesem Sonntag in der Jugendkirche. Ich hoffe, ihr habt mit Gott den Weg hierher gut gefunden.

Barabbas Predigt zu Karfreitag 2015 Pfarrer Tobias Wacker nach einer Vorlage von Judah Smith

Sterben der Höhepunkt des Lebens

Predigt EINLEITUNG. HP I Arten der menschlichen Liebe. Johannes 3,16. André Schneider. Stockerau NOVUM Hauptstrasse 38 A Stockerau

Schön, dass du da bist!

Märchen-Quiz mit 25 Fragen

Ganesha Mahimna Stotram Hymne an die Allmacht Ganeshas Von Pushpadanta

Margret Schuck Alle Rechte vorbehalten Copyright September Für Ralph, Lisa und Fabian Schön, dass es Euch gibt.

Vorbeter: Lasst uns beten, dass es kraft der Taufe und Firmung ein treuer Diener und Zeuge des Evangeliums werde.

HGM Hubert Grass Ministries

Das Gebet. unsere Bestimmung. Lernen aus dem Vater Unser

1. Sonntag der Fastenzeit C 14. Februar 2016

Exerzitienzentrum Freudenstadt

Christus-Rosenkranz. zum Totengedenken

Die wichtigsten Götter und Göttinnen des Hinduismus

Familienabenteuer auf Bali

Unverkäufliche Leseprobe des St. Benno-Verlages

Tod, wo ist dein Stachel? (1 Kor 15,55) Unsere Sterblichkeit und der Glaube an die Auferstehung. BnP Following

ERGÄNZENDER GRUS SCHLEIFENTEXTE

Thema: Maria Magdalena Frage an Alle: Was wisst ihr über Maria Magdalena?

Halloween. Eucharistiefeier für Schüler. Material: Begrüßung Pfarrer

Erzählen mit Sand und Licht zur Josefsgeschichte

Der Himmel, Gottes herrliche Wohnstätte

PREDIGT: Epheser Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Tod, wo ist dein Stachel? (1 Kor 15,55) Unsere Sterblichkeit und der Glaube an die Auferstehung. Impuls-Katechese, Altötting

Wow! Beine WERKE GLAUBE WENN DER GLAUBE BEINE BEKOMMT [6] C h r i s t l i c h e G e m e i n d e A c h e n b a c h

Gottesdienst 26. Juni 2016

Ich aber und meine Familie, wir wollen dem Herrn dienen. Josua 24,15

JESUS, FRIEDEFÜRST DEINES HERZENS?!

HGM Hubert Grass Ministries

Die schönsten Fürbitten zur Taufe

Da erschien ihm der Engel des HERRN in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch. Und er sah hin, und siehe, der Dornbusch brannte im Feuer, und der

Durga und Lakshmi Zwei indische Göttinnen und ihre Feste

Liturgievorschlag für den Gründonnerstag 2015

HGM Hubert Grass Ministries

Mit Jesus gestorben und auferstanden!

Das Markus-Evangelium die unsichtbare Welt

HGM Hubert Grass Ministries

Gottes Sieg über mein Fleisch bzw. Leben im Geist Röm. 8, 2-9/12

Mit diesem Vers von Matthäus 6 lade ich euch ein, der Psalm 146 zu lesen. Ein ganz besonderer Psalm. Es heisst der Halleluja-Psalm.

Weihnachten Worte oder: vom Heiland. Worte können ins Fleisch treffen. Scharf und tief. Sie können verwunden. Schwer. Je

Gemeindebrief. Gemeinde Osterburg Oktober Christ, der Erstandne, ist Sieger und lebt. Gesangbuch Nr. 63

Gottes Nähe erfahren in 31 Tagen

Wo wohnt Gott? 1. Mose 3:8

Ein Versprechen, das keinen Sinn macht

"Die Gestalt des Helden, -Joseph L.Henderson: Der moderne Mensch und die Mythen. Auszüge":

Gott ist größer als unser Herz! (Hosea 11,1: 3-4, 8ac-9; Joh 3, 13-17)

Grundkurs Mystik Mystik für Praktiker

Die Eigenschaften Gottes

Mein Kind, Vielleicht kennst du mich nicht, aber ich weiß alles über dich. Psalm 139:1 Herr, du erforschst mich und kennst mich!

Gott ist ein Pferd. Das Schicksal ist ein Pferd ohne Pferd. Wir sind Funken von der Flamme des Lichts.

Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.

LichtKind. schamanische Wegbegleitung zu Deinem Ursprung der Essenz Deiner lichtvollen Seele. Herzlich Willkommen in der Lichtkinderschule Mutter Erde

Das größte Gebot. Markus 12, sie sich miteinander befragten, und sah, dass er ihnen fein geantwortet hatte,

(Bildende) Kunst. Sachgebiete der Bildnerischen Erziehung. Bildende Kunst / Visuelle Medien / Umweltgestaltung und Alltagsästhetik

Kirche entdecken und erleben

Ostersonntag Übergang ins Leben. was antworten wir Menschen, die nach unserem Glauben, nach unserer Hoffnung

Eine Mutter hievt mit grosser Anstrengung einen Kinderwagen ins Tram.

Dreißig Verse im Neuen Testament sagen Jesus ist nicht Gott, aber ein Gesandter Gottes. Luther (1912)

KARIN SCHMID 365 IMPULSE, DIE MUT MACHEN

Neu geboren II Eine Reise durch das Johannesevangelium. BnP,

Evangelium nach Maria Magdalena

LIEBE - GEDANKEN, DIE ZUM HERZEN FÜHREN

+ die Kirche. Eine Einführung. M.E., September Alle Bilder selbst produziert oder Gemeingut/Public Domain.

des Abgrunds (Offb 9,7 11). Am Himmel tauchen jetzt zwei Zeichen auf: eine Frau, «mit der Sonne bekleidet» (Offb 12,1 6),[10] hochschwanger, die sich

Taufsprüche Seite 1 von 5

WARUM WIE WOZU WER WAS WIESO

100 Jahre Fatima. und heller als die Sonne" gewesen.

Noch Die Gute Nachricht:

Der 2. Johannes- brief

Spiritualität im Seniorenheim

Jutta Vogeler Kunstkatalog

ABRAHAM S T U F E

G:\Predigtskript\GoDi P Stenger In Jesus Christus bleiben (Taufgottesdienst).docx. Johannes 15, 1-8

Vom Verfolger Zum Prediger

Bibel für Kinder zeigt: Vom Verfolger Zum Prediger

M 1 Der Geist Gottes in der Bibel 4. Mose 11,16-17

Die Identität des Christen

FESTGOTTESDIENST IN BAJA 9. August 2015, 18 Uhr ERÖFFNUNG (VOLK VOR GOTT 144)

Predigt zu Johannes 14, 12-31

Wahrheit Truthfulness - Satya

Auf die Probe gestellt

Fürbitten I. (W. Schuhmacher) Fürbitten II

Gib mir zu trinken! (Joh 4,7)

Transkript:

Der Tod von über 200 Menschen bei mehreren Bombenanschlägen 2002 und 2005 hat das Bild der Ferieninsel Bali für immer verändert. Es hat Jahre gedauert, bis sich die touristische Infrastruktur wieder erholen konnte, und heute hat sich Bali zu einem internationalen Hotspot für Erlebnis- und Wellnessurlaub entwickelt. Der Tourist kann auf Pferden, Elefanten oder Kamelen über die Insel reiten, sich mit Düften und Ölen verwöhnen lassen und die eigene Spiritualität entdecken. Auf Bali existiert nunmehr eine Zweitidentität, eine neue Oberfläche, die die kulturelle Originalität der Insel weitgehend verdeckt. Zwar werden, wie früher, dem Besucher nach wie vor pseudosakrale Spektakel geboten, die früher allgegenwärtige Welt des Hinduglaubens hat sich jedoch in den Untergrund verzogen. Vor diesem dramatischen Bruch konnte der Fremde tatsächlich unzählige Zeugnisse balinesischer Religiosität entdecken, Darstellungen von Göttern, Geistern und Dämonen, die für das Leben der Inselbewohner von alles entscheidender Bedeutung sind. Genau in dieser Periode entstand die vorliegende Analyse der mythologischen Welt der Balinesen, eine Systematisierung ihrer unsichtbaren, und doch so überschwänglich präsentierten Geistwesen und deren Geschichten. Viele Rätsel um all die Stein- und Holzskulpturen und um die zahllosen malerischen und zeichnerischen Visualisierungen jener Kräfte, von denen sich die Leute umgeben glauben, konnten gelöst werden. Zum heutigen Zeitpunkt wäre eine solche Arbeit vermutlich kaum noch möglich. Im neuen Bali ist kein Platz mehr für die Präsenz des Unerklärlichen. Diese Analyse ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine der letzten ihrer Art, bevor die balinesischen Geheimnisse wieder hinter dem Vorhang der Diskretion verschwanden.

RANGDA & BARONG RANGDA & BARONG Durga als Hexe und die Weiße Magie Ein ständiges Wechsel- und Verwandlungsspiel ist der BARONG-Tanz, ein Muss in fast jedem Programm des Bali-Touristen. Und manchmal die einzige Gelegenheit, mit der Lebensphilosophie 1 auf dieser Insel in Berührung zu kommen. Die Botschaft lautet, beim Kampf zwischen Gut und Böse gibt es keinen Sieger. Niemals. Die Geschichte: Die Königin Kunti ist besessen, verhext von RANGDA ( Witwe ), der Inkarnation der Schwarzen Magie. Sie ist sogar bereit, ihren Stiefsohn Sahadewa, den Halbbruder von ARJUNA, den dunklen Mächten zu opfern. SIWA gibt der Handlung persönlich die Wende, indem er Sahadewa die Unverwundbarkeit verleiht. RANGDA hat so keine Gewalt mehr über Sahadewa, vielmehr noch, sie wird von diesem getötet. Getötet? Ihre Seele war die von DURGA gewesen, der gefallenen Göttin, die, nunmehr befreit, wieder in den Himmel emporsteigen kann, zu ihrem Gemahl SIWA! Und RANGDA ist niemals tot. Ihre Hexenfreundin Kalika übernimmt jetzt ihre Rolle, und - ist RANGDA, das Böse. Sahadewa verwandelt sich nun in das Gute, die Weiße Magie, in das mythische Tier BARONG 2. Es kommt zum Kampf. Doch beide sind gleich stark. Keiner kann jemals den Anderen überwinden. 1 RUWA BINEDA 2 Der Name soll eine Ableitung von Beruang (Bär) sein. Vielfach wird Banasapati Raja, eines der vier spirituellen Geschwister des Menschen, als Vorbild für BARONG genannt. Abb. 1: (Barong) Artshop, Kuta (31F-4764-14) RANGDA bedeutet Witwe, und eine solche war, zumindest in früheren Zeiten, von vorneherein verdächtig. Nach alter Tradition hätte sie sich nämlich während der Verbrennungszeremonie ihres verstorbenen Gemahls in die Flammen stürzen müssen. Abb. 2 (Rangda) T-Shirt-Motiv, Benny-Collection, Lovina Solche Witwenverbrennungen sollen auf Bali erst durch die holländischen Besatzer beendet worden sein. RANGDA, ebenso wie CALONARANG, ist eine Inkarnation der Todesgöttin DURGA, und diese wiederum ist eine Transformation von UMA, der Gemahlin von SIWA.

RANGDA & BARONG Abb. 3: (Barong) Souvenir für Touristen, im Besitz d. Autors Abb. 6: (Rangda) Pasar Seni, Sukawati 2007 (Detail) Abb. 4: (Barong) Schutzmarke für Zündhölzer 2006 Abb. 5: (Barong) Pasar Seni, Sukawati 2007 (Detail) Abb. 7: (Rangda) Slattum 1992, Backcover

TUALEN & MERDAH TUALEN & MERDAH Göttliche Diener Häufig findet man vor Hauseingängen auf Bali die Skulpturen zweier drolliger Gesellen. Nichts an ihnen ist dämonisch, sie tragen keine Waffen, ihre großen Daumen weisen vielmehr einladend zum Haus hin. Herzlich willkommen. Es sind dies die Darstellungen von TUA- LEN, dem Vater, und MERDAH, dem Sohn, beides Bedienstete der Familie von ARJUNA. Ihre starke gegenseitige Ähnlichkeit wirft die Frage auf, wer ist nun der Vater, wer der Sohn? Also, der Vater, TUALEN, das ist der mit der kleinen Nase. Die beiden Figuren genießen große Popularität bei den Balinesen. Sie tanzen durch alle Stücke des Wayang Kulit, des Schattentheaters, indem sie während der oft strengen Handlungen immer wieder ihre dem Volkshumor verbundenen Stegreif-Einlagen zum Besten geben. Auch als ARJUNAs Bruder Bima von Königin Kunti mit einer Reise ins Jenseits beauftragt wird, sind MERDAH und TUA- LEN seine tapferen Begleiter. Dort, im Kampf gegen die Gefolgschaft von YAMA, dem Herrn des Todes, liefern sie heldenhafte Schlachten und werden Zeugen, wie ihr Chef dem Todesgott an die Gurgel geht. Und nie verlieren MERDAH und TUALEN ihr verschmitztes Lächeln. Ihre, ebenfalls grotesken Gegenspieler heißen Delem und Sangut. Abb. 8: (Merdah) BDNI, Kuta (48F-4764-21) TUALEN soll aus den Worten tua (alt) und lain (anders, besonders) zusammengesetzt sein, und würde demnach der besondere Alte heißen. Und anders ist er tatsächlich. Er ist eine rein balinesische Weiterentwicklung der javanischen Schattenspielfigur Semar. Dieser ist zwar auch einer der Punakawan, der Dienergestalten, doch mythologisch gesehen ist er der älteste Sohn von Sang Hyang Tunggal, dem Einzigen Gott. Und dieser hat noch einen zweiten Sohn, nämlich Guru, und der ist niemand anderer als SIWA. Er und TUALEN sind somit Geschwister! Obwohl TUALEN auf Bali als Inbegriff der Hässlichkeit gezeichnet wird, ist er bekannt für seine feinen und höflichen Umgangsformen und für seine hochentwickelte Intelligenz. Ebenso erscheint er immer wieder als eine Art moralischer Instanz.

TUALEN & MERDAH Abb. 9: (Merdah) Bale Kambang, Klungkung (48D-KK07-01) Abb. 11: (Tualen) Jalan Arjuna, Denpasar (48F-9294-E) Abb. 10: (Merdah), Jalan Arjuna, Denpasar (48F-5054-00) Abb. 12: (Tualen) Kerta Gosa, Klungkung (48D- KK07-02)

Zum Autor Thomas Moog, geb. 1950 in Wien. Ab 1980 mehrere Studienreisen nach Südostasien. Ab 1989 zehn Jahre Aufenthalt in Indonesien. Kulturelle Forschungsarbeiten 1992-98 für das staatliche indonesische Wissenschaftsinstitut (LIPI - Lembaga Ilmu Pengetahuan Indonesia), Schwerpunkte Java, Bali, Lombok. Zurück in Österreich, Leitung zahlreicher Indonesisch- Sprachkurse. Mehrjähriger Vizepräsident der Österreichisch-Indonesischen Gesellschaft. Lektor an der Universität Wien, Institut für Kultur- und Sozialanthropologie. BALI Nahezu allen Besuchern, die ihren Fuß zum ersten Male auf den Boden der tropischen Trauminsel Bali setzen, ist wohl eines gemeinsam: Sie sind überwältigt von der Fülle und der Vielfarbigkeit einer paradiesischen Vegetation, und gleichermaßen verwirrt von der fremden Rätselhaftigkeit der unzähligen balinesischen Tempel und Tempelchen, und von dem geradezu barocken Überschwang von Dekoration und Skulpturen. Wer sind nun all diese himmlischen und dämonischen Wesen, mit denen sich der Balinese in seinem Garten Eden umgibt? Welche Geschichten verbergen sie? Der Autor hat sich auf das Abenteuer eingelassen, die Identität dieser Bildnisse zu entschlüsseln, und spannende Recherchen wie die eines Detektivs sind daraus geworden.