Weihnachten, 25.12.2015, Nydeggkirche in Bern, Predigt zu Lukas 2,14 Weihnachten universal Markus Niederhäuser Es sieht nicht gerade weihnächtlich aus an Weihnachten dieses Jahr, nicht wahr? Jedenfalls nicht so, wie wir uns Weihnachten gewöhnlich vorstellen. Weisse Weihnachten liegt sogar in den Skigebieten in weiter Ferne. Und auch weltpolitisch ist die Stimmung alles andere als weihnächtlich. Die Welt ist von Kriegen zerrissen, die Gräben zwischen Völkern vertiefen sich, Extremismus ängstigt die Menschen, Islamismus, Fundamentalismus entzweit die Religionen. Wie soll da Weihnachtsstimmung aufkommen? Vielleicht aber, liebe Gemeinde, leuchtet uns gerade im gegenwärtigen meteorologischen und weltpolitischen Klima der Kern der Weihnachtsbotschaft umso klarer hervor! Worin liegt denn der Kern der Weihnachtsbotschaft? In der Weihnachtsgeschichte nach Lukas enthüllt er sich in der Aussage der himmlischen Boten, wenn es heisst: Und auf einmal war bei dem Engel die ganze himmlische Heerschar, die lobten Gott und sprachen: Die himmlischen Boten, die zwischen Gott und uns Irdischen vermitteln, überbringen den Hirten in Bethlehem und mit ihnen der ganzen Menschheit knapp und dicht die Botschaft von Weihnachten: Himmel und Erde, Gott und Menschen werden darin miteinander verbunden. Weihnachten überbrückt die Kluft zwischen himmlischer und irdischer Sphäre es ist ein Friedensschluss zwischen Gott und Menschenwelt. In der Geburt von Jesus, dem Retter, dem Befreier wird dieser Friede hergestellt. Im Alten Testament wird der Messias als Fürst des Friedens erwartet, der den Frieden ohne Ende bringt. 1 Damit ist der Schalom des ganzen Menschen gemeint, in all seinen Bezügen: Friede mit Gott, Friede zwischen den Menschen und allen anderen Wesen und Friede mit sich selbst. Weihnachten markiert ein universales Ereignis. Uni-versal, d.h. allen zugewandt, an alle Menschen gerichtet. Was da in Bethlehem, an der Peripherie im jüdischen Volk begann, ist nicht nur für jüdische Menschen, nicht nur für die späteren Christinnen und Christen, sondern für alle Menschen geschehen. Jesus wurde für alle Menschen geboren, ohne dass sie erst Christen werden müssten. 1 Jesaja 9,5.6
2 Ehre, Erhabenheit, Herrlichkeit, Lichtglanz, wie man das griechische Wort auch übersetzen kann, kommt Gott in den Höhen zu, Gott universal. Es wird nicht spezifiziert, nicht der Gott bloss von Israel, nicht der Gott einzig der Christen, sondern Gott in den Höhen wird besungen, der Ewige, die Lebendige, Schöpfer und Erfinderin allen Lebens. Und auf Erden: heisst: nicht begrenzt auf ein Land, auf eine Nation, auf eine Region, sondern der ganze Erdkreis ist im Blick: Und auf Erden Friede den Menschen...! Und dieser Friede wird nicht eingeschränkt auf ein Volk, eine Gruppe, sondern der Friede gilt wiederum universal: den Menschen... Allen Menschen? Nun, offenbar doch nicht ganz: Friede den Menschen seines Gefallens! Die Menschen, denen der umfassende Friede zugesprochen wird, werden näher bezeichnet als diejenigen, die Gott wohlgefallen. Hat Gott nicht an allen Menschen Gefallen? Sind wir nicht alle seine Geschöpfe? Doch, aber Gott gefällt nicht alles, was wir tun. Gefallen hat Gott an Menschen, die gemäss des göttlichen Willens leben, handeln: Gut, fair, gerecht, friedvoll, uneigennützig, solidarisch. Keinen Gefallen hat Gott an Menschen, die böse, ungerecht, egoistisch, unsolidarisch, gemein, hinterlistig handeln. Das lehren uns nicht nur die Weisungen der Bibel, sondern auch die Lehren der anderen Religionen. Das Kriterium dafür, ob wir Menschen Gott gefallen, ist einzig das Verhalten, das Handeln, unser Tun und Lassen. Und immer steht der Weg der Umkehr offen, der Zugang zum Frieden. Die Botschaft von Weihnachten ist universal. Am schönsten finde ich die universale Weihnachtsbotschaft von einem muslimischen Weisen formuliert. Dschalal ad-din Muhammad Rumi. Er zählt zu den bedeutendsten persisch sprachigen Dichtern des Mittelalters und gilt als Mitbegründer der islamischen Mystik. Vor 750 Jahren gab er seiner innersten Überzeugung Ausdruck, als er schrieb: Eine Sprache, die Sprache des Herzens. 2 Lukas 2,14 do/xa eṅ ujyi stoiß qewˆ kai«eṗi«ghvß eiṙh/nh eṅ aónqrw poiß eujdoki aß.
Es gibt nur eine Rasse, Sind sie nicht weihnächtlich, diese Worte, liebe Gemeinde? Weihnächtlich im Sinn der universalen Weihnachtsbotschaft: Friedensschluss zwischen Himmel und Erde, Gott und Menschenwelt? Heute, wo die Welt von Gewalt, Hass und Fanatismus entzweit wird, tut es uns gut, diese heilsamen Worte aus dem Munde gerade eines muslimischen Lehrers zu hören. Die Worte Rumis sind Balsam in unserer zerrissenen Welt. Sie verbinden Menschen, heilen Wunden, geben Orientierung, stiften Frieden. Die Fundamentalisten aller Couleur: christlich, jüdisch, islamisch, buddhistisch, hinduistisch... handeln klar gegen Gott, wenn sie die Religionen gegeneinander aufhetzen. Diese Erkenntnis bewahrt uns davor, aus einer falsch verstandenen Toleranz naiv alle Formen von Religion gut zu heissen. In der angespannten politischen Diskussion muss z.b. fair zwischen Islam und Islamismus unterschieden werden. Das ist nicht einfach. Bassam Tibi, Politologe und Islamologe, selber Muslim, fordert uns westlich-europäische Gesellschaften auf, für unsere Werte einzustehen, sie zu verteidigen. Etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Gleichstellung von Nichtmuslimen und Muslimen. Von den muslimischen Flüchtlingen, die nach Europa und in unser Land kommen, müssen wir einen eurokompatiblen Islam einfordern. Es gibt nur eine Sprache, die Sprache des Herzens. Und in einer Welt der Sprachverwirrung, in der ganze Nationen ihre Nachbarnationen aufs Mal nicht mehr verstehen, weil sie von ihren machthungrigen Führern verblendet werden, wollen wir uns an diese Worte halten. Die Sprache des Herzens verstehen wir alle, auch in der Begegnung mit Fremden, wenn wir seine/ihre Sprache nicht verstehen. Ein Lächeln, ein leerer Blick, eine Umarmung, Tränen in den Augen, ein Handzeichen. Es gibt nur eine Rasse,
In einer Welt, in der sich Menschen über andere erheben, sich überlegen vorkommen, bewahrt uns diese Weisheit vor falschen Urteilen. Viktor Frankl, der Wiener Psychiater und Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse ist für mich dabei wegweisend: Vor 70 Jahren gehörte er als Jude zu den Überlebenden von Auschwitz. Seine Eltern, seine Frau, seinen Bruder hatte er in der Schoah verloren. Aber er verzichtete darauf, die Täter zu hassen. In einer Rede zum 50. Gedenktag des Anschlusses von Österreich an Nazi-Deutschland sagte er: Es gibt nur zwei Menschenrassen die Rasse der anständigen und die Rasse der unanständigen Menschen. Die Rassentrennung verläuft quer durch alle Nationen. Zu welcher Rasse wir selbst gehören, entscheiden wir jeden Tag neu. Anständige und unanständige Menschen Viktor Frankl weigerte sich ein anderes Unterscheidungsmerkmal gelten zu lassen. Und in einer Welt, in der Gott für Machtinteressen missbraucht und vor den Karren gespannt wird, um gegen andere vorzugehen, ist auch der Schluss der Worte Rumis bedeutsam: Auch wenn Dschalal ad-din Muhammad Rumi nicht an Weihnachten dachte, als er seine Überzeugung niederschrieb, liebe Gemeinde, seine Worte bringen die universale Weihnachtsbotschaft zur Geltung: Weihnachten: die Friedensinitiative Gottes mit den Menschen. Lassen wir uns nicht auseinander dividieren: Juden, Christen, Moslems, Buddhisten, Hindus, Atheisten,... denn der muslimische Weise und grosse Liebende Rumi hat recht: Eine Sprache, die Sprache des Herzens. Es gibt nur eine Rasse, Darauf sagen wir: Amen: ja, so ist es, und das ist Weihnachten!
Musik für und Zink Lied Vom Himmel hoch da komm ich her... Gebet nach der Predigt mit tönen dazwischen Wir beten: Was für eine überfliessende Liebe hast Du uns damit bezeugt! Du - nicht in unendlicher Ferne, sondern nahe. Wie beglückend. Darum feiern wir voll Freude. Darum lassen wir uns anrühren in unserem Innersten. Gott der Liebe als Mensch unter uns angekommen, einfach, ungeschützt und bald bedroht. Wir bitten Dich für die Kinder, Frauen und Männer, die heute ungeschützt und bedroht sind: Für die Menschen in Krieg und Kälte in Syrien. Für die Menschen auf der Flucht, für die Migranten, die zu uns kommen. Sei ihnen nahe. Lass uns ihnen nahe sein. An Weihnachten bitten wir Dich für die bedrohten Christinnen und Christen im Nahen Osten. Lass sie Kraft, Hoffnung und Mut tanken. Wir bitten für alle, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Und beten für Glaubensfreiheit und gegenseitigen Respekt unter den Religionen und Konfessionen. Lass uns Dich in jedem Menschen erkennen. an Weihnachten bitten wir Dich für Familien und Alleinstehende, nah und fern. Bewege unsere Herzen und Sinne, dass sie sich öffnen für die Freude und die Nähe, die DU uns schenkst; so dass Gemeinschaft gestärkt, Liebe verschenkt und Versöhnung ermöglicht wird. Amen