Predigt für die Trinitatiszeit (22.)

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Transkript:

Predigt für die Trinitatiszeit (22.) Kanzelgruß: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Zur Predigt hören wir einen Abschnitt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper im 1. Kapitel: 3 Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke 4 was ich allezeit tue in allen meinen Gebeten für euch alle, und ich tue das Gebet mit Freuden, 5 für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute; 6 und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu. 7 Wie es denn recht und billig ist, dass ich so von euch allen denke, weil ich euch in meinem Herzen habe, die ihr alle mit mir an der Gnade teilhabt in meiner Gefangenschaft und wenn ich das Evangelium verteidige und bekräftige. 8 Denn Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt von Herzensgrund in Christus Jesus. 9 Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, 10 sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi, 11 erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes. Lasst uns beten: Herr, segne dein Wort an uns allen. 1

Liebe Gemeinde, Ein Liebesbrief ist ein Schriftstück, das an eine Person gerichtet wird, um Liebe oder Zuneigung zu dieser auszudrücken. So beginnt ein Lexikonartikel 1 zu dem Begriff Liebesbrief. Vom Liebesbrief heißt es dann in der weiteren Erläuterung unter anderem: In ihm wird der Schmerz angesichts des Nicht-Zusammen-Seins, des Nicht-Zusammen-Sein-Könnens... deutlich. Es gibt berühmte Liebesbriefe, die in literarischen Sammlungen zugänglich sind, oder verborgene, die das Geheimnis zweier Menschen bleiben. Und auch wenn heute das Briefeschreiben mit Tinte auf Papier eher selten geworden sein mag, lebt der Liebesbrief auch in der Gegenwart fort. Noch einmal das Lexikon: Moderne Formen der Liebesbriefe sind SMS, Chats und E-Mails, bei denen auch im Internet frei verfügbare Vorlagen eingesetzt werden. Auch Liebesbriefagenturen und digitale Liebesbriefgeneratoren bieten ihre Dienste an, um für Fremde Liebesprosa zu formulieren. Keine Angst, liebe Gemeinde, die Predigt gerät nicht auf Abwege. Vielmehr sind wir dicht bei den Zeilen, die wir von Paulus zur Predigt gelesen haben: Paulus hat einen Liebesbrief geschrieben! Ganz klassisch. Computer gab es noch keine und eine Agentur musste er auch nicht bemühen es sei denn, man würde den Heiligen Geist als solchen Dienstleister verstehen, dem sich auch die Briefe des Apostels verdanken. Von Zuneigung schreibt Paulus und dass es ihn schmerzt, nicht bei der zu sein, die er in seinem Herzen hat und nach der ihn verlangt. Paulus schreibt seinen Liebesbrief nicht an eine Frau. Er schreibt ihn an eine Gemeinde, die gewissermaßen seine Gemeinde ist. Denn die Gemeinde in Philippi geht auf seine Missionstätigkeit zurück und ist ihm besonders ans Herz gewachsen. Sie war die einzige, von der er materielle Unterstützung angenommen hat, soviel wir wissen. Paulus konnte dort nicht sesshaft werden. Andere Ziele warteten auf ihn, an denen er nach Gottes Willen von Jesus Christus erzählen und zum Vertrauen auf ihn einladen sollte. Das war durchaus riskant. Und nicht nur einmal brachte ihm das eine Haftstrafe ein. So auch in der Zeit, in der dieser Liebesbrief entstand. Paulus sitzt im Gefängnis. Aber in Gedanken und mehr noch im Gebet ist er seiner Gemeinde herzlich verbunden. Und so schreibt er ihr einen Liebesbrief. 2

Dieser Brief voller Zuneigung steckt voller Dank: Dank für den gemeinsamen Nenner bei aller Verschiedenheit. Was die Philipper und ihn eint, sind nicht einfach Sympathie und ein gutes menschliches Miteinander, sondern die gemeinsame Teilhabe an dem, was von Gott her zu uns Menschen kommt: die gute Botschaft von Jesus Christus und die Gnade, die Gott vor Recht ergehen lässt. Die gemeinsame Ausrichtung auf diesen Gott hin, die erwartungsvolle Haltung, alles Gute von Gott zu empfangen, die sind der gemeinsame Nenner, der ganz verschiedene Menschen zu einer Gemeinschaft zusammenschließt zu einer Gemeinschaft, in der das Miteinander von dem geprägt ist, auf den hin sich der gemeinsame Nenner richtet. Auch in Philippi ist nicht alles Gold, was glänzt. Selbst in diesem so positiv gestimmten Brief lässt sich ablesen, dass Paulus auch dort Anlass zu Kritik und Ermahnung hat. So, wie es auch in den Gemeinden heute fehlsam menschelt und wir mit Einschätzungen, Beurteilungen anderer und Kritik schnell bei der Hand sind. Da gibt es Machtspiele, Besserwisserei, da werden Menschen übersehen oder belächelt oder gar ausgegrenzt. Da wird über andere geredet, wo das direkte Gespräch Brücken bauen könnte. Die Zuneigung zu den Gemeindegliedern in Philippi wird nicht mit deren persönlichen Vorzügen und ihrem idealtypischen Verhalten begründet, sondern allein in der gemeinsamen Ausrichtung auf Gott und seinen Sohn Jesus Christus. Von dem her speist sich die Zuneigung. Hier lohnt sich ein zweiter Blick auf den Wortlaut dessen, was Paulus schreibt: Mich verlangt nach euch allen von Herzensgrund in Christus Jesus, heißt es in unseren Lutherbibeln. Dabei ist der Herzensgrund nun nicht auf Paulus zu beziehen! Vielmehr geht es um das Herz Jesu Christi, um sein Innerstes, um seine Zuneigung und Liebe. Klarer wird das in der Übersetzung Ich sehne mich nach euch allen mit der herzlichen Liebe Christi Jesu. 2 Die Zuneigung zu den Gemeindegliedern in Philippi verdankt sich nicht der Menschenfreundlichkeit, die Paulus aus sich heraus hat, und nicht seiner besonderen moralischen Qualifikation. Sondern die Zuneigung speist sich aus der Liebe, mit der Christus sich den Menschen zuwendet. In der gemeinsamen 3

Ausrichtung auf ihn hin, in der erwartungsvollen Haltung, die alles von ihm erwartet, strömt uns die Liebe zu, mit der wir uns in der Gemeinde denen zuwenden, die wie wir ihr Leben auf Christus hin ausrichten, ihn den Herrn sein lassen. Liebe Gemeinde, wir werden nicht aus diesem wunderbaren Liebesbrief einen Katalog von Geboten machen. Bloß nicht! Aber zu erkennen, wem sich solche Zuneigung verdankt, worin sie ihren Grund hat, das hilft uns, die Beziehung des Apostels zu seiner Gemeinde und deren gutes Miteinander nicht zu überhöhen. Es sind nicht besondere Vorzüge, die besondere Zuneigung verdient hätten. Es ist kein menschlicher Kraftakt, der Ernst machen will mit dem Liebesgebot Gottes und tapfer gegen alle menschlichen Einreden und alles Empfinden anliebt. Weder der Briefschreiber noch die Briefleser sind Übermenschen, fehlerfrei, tadellos. Nicht ihr Vermögen, ihre Stärke sind ausschlaggebend, sondern die gemeinsame Ausrichtung auf Christus und sein herzliches Wirken, das unter uns Raum greifen will. Von dem berühmten russischen Schriftsteller (Fjodor Michailowitsch) Dostojewski ist ein Wort überliefert, das gerne in Trauansprachen verwendet wird: Einen Menschen lieben heißt, ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat. Abgewandelt könnte es heute heißen: Einen Mitchristen lieben heißt, ihn als von Christus geliebt anzusehen. Wir nehmen einander neu wahr, wenn wir uns bewusst machen, dass uns die gemeinsame Lebensausrichtung auf Christus verbindet. Indem uns das bewusst wird, sehen wir von uns ab, auch von dem, was uns am anderen stört und können dann ganz neu auf uns selbst und auf andere sehen mit der herzlichen Liebe Christi Jesu. Vordergründig nehmen wir unsere Unzulänglichkeiten wahr und Enttäuschungen. Mit der herzlichen Liebe Christi Jesu erkennen wir, dass wir geliebt sind, von Gott begleitet und mit einer Zukunft beschenkt, die ihres Gleichen sucht. Vordergründig sehen wir an anderen, was anders ist, was uns stört. Mit der herzlichen Liebe Christi erkennen wir, dass sie vor allem geliebte Gotteskinder sind, wertgeschätzt von Gott und dazu angestiftet, neue Kreatur zu sein. Mit der herzlichen Liebe Christi wird uns statt eines abfälligen Wortes eher das Gebet einkommen, das alles, was mich im Blick auf einen anderen bewegt, zuerst an Gott richtet. Mit der herzlichen Liebe Christi ist selbst das kein Kraftakt, kein gequältes Tun, sondern kann nach der Erfahrung des Paulus eine Wohltat sein: Und ich tue das Gebet mit Freuden. 4

Noch einmal. Wir machen aus dem wunderbaren Liebesbrief keinen Katalog von Geboten. Es ist mehr der staunende Blick auf das, was Christus zu bewegen vermag an uns, in uns, mit uns. Das neu gewahr zu werden wird nicht ohne Segen bleiben. Zu dem Dank für das, für das mit der herzlichen Liebe Christi gedankt werden kann, gesellt sich die Bitte für das, was weiter bleiben und werden möge. Ihre Liebe möge reicher werden, so wünscht sich der Apostel, und meint ihre Zuneigung, wie er sie von ihnen erfährt und mit der sie sich auch untereinander freundlich gesonnen sind bei allem Menscheln, das es auch dort in Philippi gab. Diese Liebe ist da, sie muss nicht erst entstehen. Aber den Glauben und wie er sich im Leben auswirkt hat man nicht, er ist immer in lebendiger Bewegung, weil er nur im beständigen Austausch mit Gott, dem allein sich unser Glaube verdankt, lebt. Die herzliche Liebe Christi, die im Miteinander der Gemeinde Gestalt gewinnt, ist da. Sie möge reicher werden an Erkenntnis und aller Erfahrung an Wahrnehmung, Einsicht und Verständnis, wie mitgemeint ist. Liebe nimmt ihr Gegenüber wahr, schaut genau hin, fragt nach, versucht zu verstehen, schaut nach dem aus, was dem anderen gerecht wird. Liebe von solcher Art prüft, was an Zuwendung angemessen, das Beste ist, worauf es ankommt. Das bedeutet eben, Liebe deckt nicht einfach alles zu, bleibt nicht oberflächlich, sondern wendet sich dem anderen aufmerksam und aufrichtig zu und müht sich um das, was dem anderen gut tut. Und wieder: Wir werden nicht aus diesem wunderbaren Liebesbrief einen Katalog von Geboten machen. Paulus schreibt den Philippern keinen Appell in diesen Gemeindebrief: Liebt! Liebt mehr! Liebt herzlicher! Liebt besser! Sondern alles das, was er vom Reicherwerden in der Liebe schreibt, ist Gegenstand seines Gebetes. Ich bete darum, damit leitet er ein, was er vom Reicherwerden in der Liebe auf dem Herzen hat. Er sagt es Gott, weil nur von dem her mit der herzlichen Liebe Christi geliebt werden kann. Wie überhaupt unser Glaube nur aus der erwartungsvollen Beziehung zu Gott lebt. Der Glaube und die Liebe sind nicht verfügbar, wir haben sie nicht einfach. Aber wir können uns dem aussetzen, von dem allein uns zukommt, was uns Gott vertrauen und den anderen lieben lässt. Und das ist am Ende das Größte, was uns dieser Liebesbrief vor Augen, in Ohren und Herzen schreibt: die Zuversicht des Apostels, dass der in euch angefangen 5

hat das gute Werk, der wird s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu. Sich zu dem hin ausrichten, sich dessen Einfluss und Segen aussetzen, das lässt glauben und vertrauen, hoffen und lieben. Das gibt unserem Leben im Hier und Heute und im Morgen und Übermorgen und in Ewigkeit Halt und Heil, Frieden und Segen. Der in uns in unserer Taufe! angefangen hat das gute Werk, der wird s auch vollenden. Verlass dich drauf. Lasst uns beten: Herr Jesus Christus, deine Liebe macht uns reich. Lass uns reich werden an Liebe. Erhalte und stärke in uns das Vertrauen auf dich und die Zuwendung zu denen, die mit uns teilhaben am Evangelium und an der Gnade. Kanzelsegen: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Liedvorschläge vor der Predigt: Dein Wort ist unsers Herzens Trutz ELKG 207,8+9 / EG 246, 7 nach der Predigt: Jesu, der du bist alleine ELKG 215,1-3+6+8-9 / EG 252, 1-3+6+8-9 Verfasser: P. Michael Schätzel Schopenhauerstraße 7 30625 Hannover Tel. 05 11 / 55 78 08 Fax 05 11 / 55 15 88 E-Mail: Schaetzel@selk.de 1 Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/liebesbrief (Aufruf: 30. April 2013) 2 So die als besonders wörtliche Übersetzung geltende Elberfelder Bibel (Die Bibel. Aus dem Grundtext übersetzt. Revidierte Elberfelder Bibel, Wuppertal/Zürich, 1987, Neues Testament, S. 246). 6