Viertes Symposium Licht und Gesundheit

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Transkript:

Technische Universität Berlin Viertes Symposium Licht und Gesundheit Berlin, 26. und 27. Februar 2004

2 DGP Deutsche Gesellschaft für Photobiologie Technische Universität Berlin Viertes Symposium Licht und Gesundheit 26. und 27. Februar 2004 Eine Sondertagung der TU Berlin und der Deutschen Gesellschaft für Photobiologie Mitveranstalter: BZPH, LiTG und DAfP Herausgeber: H. Kaase und F. Serick Institut für Energie- und Automatisierungstechnik Technische Universität Berlin Einsteinufer 19, 10587 Berlin Druck: Paul Kistmacher, Berlin ISBN 3-9807635-0-1 Februar 2004

3 TAGUNGSBEIRAT Prof. Dr. Angelika Anders (Hannover) Prof. Dr. Malte Bühring (Berlin) Dr. Peter Bocionek (Stuttgart) Prof. Dr. Wolfgang Ehrenstein (Esslingen) Prof. Dr. med. Wolfgang Friesdorf (Berlin) Prof. Dr. Erhard Hölzle (Oldenburg) Prof. Dr. Dr. Jürgen Kleinschmidt (München) Dr. Rolfdieter Krause (Berlin) Dipl.-Ing. Hans-Joachim Richter (Arnsberg) FACHLICHE GESAMTLEITUNG Prof. Dr. Heinrich Kaase

4 Inhaltsverzeichnis Vorwort 6 H. Kaase, F. Serick Themenkomplex 1: Physikalisch-Technische Grundlagen Wirkung von Licht auf den Menschen unter Berücksichtigung neuer Bewertungsmaßstäbe, aus der Sicht eines Lampenherstellers 8 Werner Halbritter, Stéphan Müller, Alfred Wacker, Reinhard Weitzel, München Zum Strahlungsklima der Erde 18 Eberhard Reimer, Berlin Solarstrahlung und Tageslicht 24 S. Aydinli, H. Kaase, Berlin Zertifizierung von Solarienbetrieben in Deutschland 35 M. Steinmetz, Oberschleißheim Verfahren zur Solarienbewertung 41 Helmut Piazena, Berlin Ehrensitzung für Prof. Dr. M. Bühring und Prof. Dr. H. Meffert Kreislaufregulation und Umwelteinflüsse 72 R. Krause, Berlin Protection of human cells by carotenoids 75 Fritz Böhm, Berlin

5 Themenkomplex 2: Psychologie/Ergonomie I Management der Retinabelichtung (MRL) 77 Wolfgang Ehrenstein, Esslingen Cirkadiane Wirksamkeit der Solarstrahlung 101 Helmut Piazena, Berlin Die Messung circadianer Strahlungsgrößen 120 Dietrich Gall, Illmenau Bewertungsgrößen für Lichttherapiegeräte 139 M. Yeni, H. Kaase, Berlin Right Light for Productivity, Health and Well-being at the Workplace 150 Gerrit van den Beld, Eindhoven Themenkomplex 3: Photodermatologie Photodynamische Therapie 164 Rolf-Markus Szeimies, Sigrid Karrer, Wolfgang Bäumler, Regensburg Fluoreszenzdiagnostik von soliden Tumoren 173 Wolfgang Bäumler, Christoph Abels, Günther Ackermann, Regensburg Wirkungen der Infrarotstrahlung auf den Menschen 181 Hans Meffert, Helmut Piazena, Berlin Themenkomplex 4: Psychologie/Ergonomie II Licht am Arbeitsplatz - aktuelle Entwicklungen aus Sicht der Berufsgenossenschaften 192 Heinz R. Schmid, St. Augustin

6 Bürobeleuchtung Überlegungen zur Standortbestimmung zwischen Lichttechnik, Arbeitsmedizin und Gestaltung 194 Paul W. Schmits, Berlin Psycho physiologische Aspekte des Bühnenlichtes 204 Tadeusz Krzeszowiak, Wien Abschlussvorträge Biologic Effects of Light and Radiation: Historical and New Perspectives 218 M. F. Holick, Boston/USA Lichttherapie 224 Jürgen Zulley, Roland Popp, Regensburg Posterbeiträge: Einfache Messung der erythemwirksamen Bestrahlungsstärke für 280 λ 400 nm und für 320 < λ 400 nm 236 D. Kockott, H. Piazena, R. Sippel Herzinfarkt und Farblichtanwendung 242 Harald Brost, Johannes Tebbe Bio-Licht Gesundes Licht 248 Gerold Kurz von Schmeling Unterstützung der Pflege und Betreuung Demenzkranker durch Lichtmanagement eine Pilotstudie 1 254 Michael Brach, Oskar Dierbach, Wolfgang Ehrenstein Licht, Gesundheit und Bewusstsein 261 Maximilian Y. Schäfer

7 Vorwort Anknüpfend an die drei vorangegangenen Symposien Licht und Gesundheit befasst sich auch die vierte Auflage mit den mannigfaltigen positiven und negativen Wirkungen optischer Strahlung auf den Menschen. Als Mitveranstalter tritt erstmalig die neu gegründete Deutsche Gesellschaft für Photobiologie in Erscheinung. In diesem Konferenzband sind alle Beiträge zusammengestellt, die uns von den Verfassern bis zum endgültigen Redaktionsschluss zugesandt wurden. Sie gliedern sich in die Komplexe Physikalisch-technische Grundlagen, Psychologie/Ergonomie I und II und Photodermatologie, wofür wiederum namhafte Autoren als Hauptvortragende gewonnen werden konnten, ergänzt durch fünf Posterbeiträge. Ein hoch aktueller Schwerpunkt ist die circadiane Wirkung von natürlichem und künstlichem Licht, der inzwischen erste Erkenntnisumsetzungen insbesondere für Schichtarbeitsplätze aber auch bei Lampenherstellern zeitigt. Neben dem vom Auge wahrnehmbaren Licht spielen auch UV- und IR-Strahlung eine zentrale Rolle. Sie werden nicht nur für therapeutische Zwecke genutzt, sondern ihre ausgewogene Dosierung ist mit der Gesundheit und dem Wohlbefinden der in Gebäuden Lebenden und Tätigen ebenso verknüpft wie deren Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz. So werden neben den Gefahren zunehmend auch gesundheitsfördernde Effekte beschrieben, über die auf diesem Symposium ausführlich berichtet wird. Hervorgehoben werden sollen die beiden Vorträge, die den 65. Geburtstagen der diese Symposien prägenden Professoren Malte Bühring und Hans Meffert gewidmet sind. Außerdem ist es uns eine besondere Freude auf die Abschlussbeiträge von Prof. Michael F. Holick aus Boston und Prof. Jürgen Zulley aus Regensburg hinzuweisen. H. Kaase F. Serick

8 Wirkung von Licht auf den Menschen unter Berücksichtigung neuer Bewertungsmaßstäbe, aus der Sicht eines Lampenherstellers Werner Halbritter, Stéphan Müller, Alfred Wacker, Reinhard Weitzel alle OSRAM GmbH, Hellabrunner Str.1, 81543 München 1 Mensch und Strahlung Seit Beginn des neuen Jahrtausends wird die Diskussion über den Einfluss von Licht auf den Menschen verstärkt geführt. Der Mensch als Individuum rückt in den Mittelpunkt der Betrachtungen, zumal in den Industrieländern immer mehr Leistungsfähigkeit und -bereitschaft vom Einzelnen erwartet wird. Über Faktoren für den reinen Sehprozess, wie Beleuchtungsstärke, Leuchtdichte, Blendung, Farbwiedergabe ist in den letzten fünfzig Jahren intensiv geforscht, diskutiert und publiziert worden. Entsprechende Ergebnisse sind in verschiedene Normen für die Beleuchtung eingegangen. Über die konkrete Abhängigkeit von Einwirkungsdauer, Intensität und Spektrum des Lichtes auf die Physiologie und Psyche des Menschen liegen aber immer noch relativ wenig Erkenntnisse vor. Solche Untersuchungen können nur mit sehr hohem Aufwand durchgeführt werden. Nichtsdestoweniger wird in einigen jüngeren Veröffentlichungen klar gezeigt, welch mächtiges Werkzeug Licht sein kann, um das Wohlbefinden zu beeinflussen. Unser Organismus bewegt sich etwa in einem 24h Rhythmus ( Circadianer Rhythmus ) mit Aktivität am Tag und Ruhephase in der Nacht. Licht synchronisiert diesen Ablauf. Die Lichtmeldung für die Steuerung der inneren Uhr erweist sich auch beim Menschen als unabhängig von den bekannten helligkeits- und farbempfindlichen Rezeptoren (Stäbchen und Zäpfchen), mit denen die Umwelt bildhaft erfasst wird. Im Mittelpunkt stehen derzeit die Untersuchungen der von G. C. Brainard et al. [1] und K. Thapan et al. [2] beschriebenen Effekte der circadianen Photorezeptoren. Es konnte gezeigt werden, dass besonders Licht im Wellenlängenbereich von 430 nm bis 470 nm einen direkten Einfluss auf die Bildung des Müdemacher Hormons Melatonin im menschlichen Körper hat.

9 Abbildungen 1 und 2 stellen neben den genormten Hellempfindlichkeitsfunktionen V(λ) und V (λ) auch eine von Gall vorgeschlagene, circadiane Wirkungskurve c(λ) dar [3]. Abb. 1 Abb. 2 Ein nicht zum Sehvorgang benutztes Photopigment in den Ganglionzellen der Retina ist verantwortlich für die Registrierung dieses blau dominierten Spektralanteils. Wird Licht von den speziellen Photorezeptoren registriert, leiten Nervenbahnen (retinahypothalamischer Trakt RHT) entsprechende Signale zum suprachiasmatischen Nukleus, einer Nervenverdickung, die mit der Zirbeldrüse in Verbindung steht. Die Zirbeldrüse unterdrückt dann ihre Melatonin-Produktion. Ist es dagegen dunkel, läuft die Melatoninbildung auf vollen Touren und Schläfrigkeit ist die Folge. Bereits verhältnismäßig geringe Beleuchtungsstärken im ermittelten Spektralbereich scheinen zur Beeinflussung der Hormonbildung zu genügen. Trotz laufender Untersuchungen über die Wirkung von Blaulicht [4] gibt es noch keine verwertbare Dosisangabe des circadianen Blauanteils für Lampenentwicklungen. Selbst unter Einhaltung aller heutigen Normen für gute Beleuchtung können wir in einer biologischen Dunkelheit leben. Durch die Erfindung des elektrischen Lichtes wird die auf naturgegebenen Bedingungen beruhende innere Uhr des Menschen beeinflusst. In umfangreichen Studien wird derzeit untersucht wie man durch angepasste, zeitveränderliche Lichtszenarien das Wohlbefinden und die Motivation u. a. von Schichtarbeitern verbessern kann. Erste Ergebnisse zeigen eine deutliche Erhöhung der Leistungsbereitschaft, begleitet von positiven Einflüssen auf die Produktivität [5].

10 Speziell in der Autoindustrie werden solche Studien derzeit durchgeführt [6], die auch Langzeiteffekte erfassen sollen. Bereits seit langem ist vor allem die Heilwirkung des Lichtes bekannt bei Saisonal Abhängiger Depression (SAD) in der dunklen Jahreszeit, bei Hautkrankheiten (Neurodermitis, Psoriasis) und die Bedeutung für die Vitamin D Bildung. Also die direkte Einwirkung auf unsere Gesundheit. Durch die Einführung von Medikamenten, vor allem von Vitamin- und Hormonpräparaten, wurde die Lichttherapie ab den 30iger Jahren weitgehend zurückgedrängt. Durch die in der Regel auftretenden Nebenwirkungen der Arzneimittel, bzw. nur unvollständige Heilwirkung, erhielt der Einsatz von Licht in diesem wichtigen Bereich der Medizin in den letzten Jahren wieder verstärkte Aufmerksamkeit. Über die direkte biologische Wirkung hinaus gibt es sicherlich aber auch den Einfluss von Licht auf unsere Stimmung bzw. Gefühle. Die Ästhetik des Lichtes erhält einen höheren Stellenwert. Stimmungen entstehen ganz unbewusst aufgrund von Reaktionen auf unsere Umgebungsbedingungen. Von unseren Gefühlen hängt aber ganz eindeutig unsere Leistungsfähigkeit ab: Höchstleistungen erbringen wir nur wenn wir uns glücklich bzw. zufrieden fühlen, Krankfühlen lähmt uns. Stimmungen sind also ein wesentlicher Faktor für Wohlfühlen und damit für unsere Gesundheit. Das Gesundheitsbewusstsein hat in den letzten Jahren immer stärker an Bedeutung gewonnen. Wir versuchen bewusst unsere Umweltbedingungen aktiv so zu gestalten, dass wir uns wohlfühlen. Neben der Einflussnahme auf Klima und Architektur stellt die Art und Auslegung der Beleuchtung einen weiteren Regelparameter dar. Auch die Deutsche Agenda Optische Technologien für das 21. Jahrhundert [7] beschreibt die Notwendigkeit von örtlicher und zeitlicher Veränderung von Intensität und Farbe der Beleuchtung im Innenraum..., auch unter Einbeziehung des Tageslichtes.

11 Licht kann aber auch negative Einflüsse auf den Menschen haben. So besitzt Licht bevorzugt im Wellenlängenbereich von 380 bis 500 nm bei hoher Intensität die Eigenschaft photochemische Prozesse im Auge auszulösen. Die als sogenannte Blue Light Hazard bekannte Gefährdung liegt mit ihrer spektralen Bewertungsfunktion sehr dicht an der spektralen Verteilung der circadianen Wirkungsfunktion (Abb. 1 und 2). Die Strahlungsleistung und -verteilung von Lampen ist also eine wichtige zu beachtende Komponente bei der Auslegung für die Beleuchtung. Da die Blaulichtgefährdung jedoch als eine leuchtdichteabhängige Größe zu bewerten ist, tritt bei den heute üblichen Beleuchtungssituationen in der Allgemeinbeleuchtung bislang keine bekannte Gefährdung auf. Selbst natürliche Sonnenstrahlung birgt Risiken und führt bei einer erhöhten Dosis zu irreparablen Schäden. Die Geschichte des Menschen dauert bereits etwa 500.000 Jahre, von denen die überwiegende Zeit durch natürliches Licht gesteuert wurde. Sonne und Feuer waren die Referenz. Unsere künstliche, elektrische Lichtwelt, erst gute 100 Jahre alt, muss sich mehr an diesem Vorbild orientieren und verstehen lernen wie man optimale Voraussetzungen für gesundes Wohlfühlen unter den verschiedensten Randbedingungen schafft. Anpassen und Einbeziehen natürlicher Gegebenheiten ohne zu schädigen und ein angenehmes Lichtklima schaffen, das ist die Aufgabe. Lichtqualität darf sich in Zukunft nicht nur mit den Fragen nach Effizienz, Maintenance, Umweltfreundlichkeit beschäftigen, sondern muss auch Aspekte wie zeitlicher Verlauf von Farbe, individuelles Wohlfühlen, Stimmung und Komfort, sowie Gesundheit und Sicherheit berücksichtigen. Diese sozialen und gesundheitlichen Belange der Beleuchtung werden entscheidend sein für künftige Installationen. Einen umfassenden Überblick über die wissenschaftlichen Aspekte zum Thema Licht und Gesundheit gibt eine Veröffentlichung der TU Ilmenau [8]. In diesem Zusammenhang sei auch auf die erst kürzlich erschienene Studie Licht und Gesundheit für den arbeitenden Menschen der niederländischen Stiftung für Beleuchtungszwecke, NSVV, hingewiesen [9].

12 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Konsequenzen, welche die jüngeren wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die Verwendung von künstlichen Lichtquellen und die aktuelle Normungssituation haben können. Dabei stellt sich auch die Frage ob überhaupt genug Ergebnisse vorliegen, um so weitreichende Entscheidungen wie die Entwicklung neuer Lampenfamilien sinnvoll treffen zu können? Was kann also ein Lampenhersteller aufbauend auf der jetzigen Situation tun, um den Weg zu einer besseren (Licht) Welt zu fördern? 2 Stand der Licht- und Beleuchtungstechnik in den Normen Die Suche nach einer den Bedürfnissen entsprechenden Beleuchtungssituation wird immer stärker in nationalen bzw. internationalen Richtlinien und Normen umgesetzt. Hierbei wird sowohl versucht, eine den Sehaufgaben entsprechende Beleuchtung zu schaffen, circadiane Effekte zu berücksichtigen und gleichzeitig auch die wirtschaftlichste und umweltfreundlichste Lösung zu finden (z.b. EN 12464 [10]). Die Entwicklung zu besserer Lichtqualität wird z.b. unterstrichen durch eine Entwicklung in Australien. Hier werden nach letztem Stand Leuchtstofflampen mit einem Farbwiedergabeindex kleiner 80 ab 2005 verboten sein. Dies ist eine Entwicklung nicht nur in Richtung verbesserter Beleuchtungslösungen für den Anwender, sondern gleichzeitig in Richtung von Lampen mit besserer Lichtstromund Farbstabilität über die Lebensdauer, sowie geringerem Energieverbrauch (energy label Gruppe A) bei vergleichbarem Beleuchtungsniveau. Gleichzeitig wird in Richtung Umweltschutz ein positiver Beitrag geleistet, da mit Dreibandenleuchtstoffen der Quecksilbergehalt der Leuchtstofflampen auf weniger als 5 mg abgesenkt werden kann. Ein wichtiger Schritt zur Erweiterung der Vorschriften für gutes Licht in Europa ist in der DIN EN 12464-1 unter Pkt. 4.6.2. die Feststellung: "Lampen mit einem Farbwiedergabe-Index kleiner als 80 sollten in Innenräumen, in denen Menschen für längere Zeit arbeiten oder sich aufhalten, nicht verwendet werden. Ausnahmen

13 davon sind möglich bei bestimmten örtlichen Gegebenheiten und/oder Tätigkeiten (z.b. in hohen Hallen), jedoch sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit an festen ständig besetzten Arbeitsplätzen und dort, wo Sicherheitsfarben fehlerfrei erkannt werden müssen, eine höhere Farbwiedergabe sichergestellt ist". Zur Überarbeitung deutscher Normen wurde ein spezieller Arbeitskreis der DIN im Fachausschuss Normen Lichttechnik, FNL 7 unter Leitung von Kaase gebildet, der sich mit den Einflüssen der o.a. circadianen Effekte beschäftigt. Die neuen Aspekte zur Bewertung der Beleuchtung erfordern nicht nur die Betrachtung nach Lichtmenge und Farbwiedergabe, sondern insbesondere auch eine Bewertung im Verhältnis zum natürlichen Licht, das sich im Laufe des Tages bezüglich Spektrum, Farbtemperatur und Beleuchtungsstärke ändert und damit die täglichen Funktionsabläufe des Menschen, wie schon seit etwa 500.000 Jahren beeinflusst. 3 Stand der Lampentechnologie Erste Untersuchungen an z. Zt. gefertigten und im Markt vorhanden Lichtquellen sollen zeigen, wie der derzeitige Stand der Lampentechnologie in Bezug auf o.a. Lichtparameter zu sehen ist. Gall [3] hat einen Vorschlag erarbeitet wie man die circadianen Lichtgrößen analog zu anderen lichttechnischen Größen, auch messtechnisch erfassen kann. Es wird ein Verhältnis aus circadian und photopisch (V(λ)) bewerteter Strahlung gebildet. Circadianer Wirkungsfaktor: 780nm eλ 380nm a = cv 780nm E E eλ 380nm c( λ) dλ V ( λ) dλ ;

14 Nach eigenen, derzeitigen Einschätzungen können unter Berücksichtigung des a cv bestimmte Situationen und Tätigkeiten in 3 Bereiche eingeteilt werden: Situation / Tätigkeit Circadianer Wirkungsfaktor Lichtfarbe Stille Stunden, Entspannen, aber auch für nicht professionelle Anwendungen im Privatbereich < 0,4 warmweiss Büro, Industrie, Straßenbeleuchtung, Geschäfte, Märkte, Märkte bei erhöhten Anforderungen 0,3 0,8 neutralweiss Für optimale Arbeitskonzentration und Wohlfühlen in Verbindung mit hohen Sehanforderungen, Therapie > 0,7 tageslichtweiss Bewertet man nun die auf dem Markt befindlichen Lichtquellen ergibt sich folgendes Bild. Anteil der Strahlungsleistung im "Sichtbaren" (380...780nm) bezogen auf die aufgenommene elektrische Leistung: 50 2000K 3000K 4000K 5000K 6000K 8000K 10000K 20000K >25000K Strahlungsausb. im sichtb. Bereich [%] 45 40 35 30 25 20 15 10 NAV F e u e r Warmweiss < 3300K LLneutralweiss LLwarmweiss HCI-WDL HQL Glühlampen Neutralweiss 3300-5300K HCI-NDL HQI-D S o n n e LL-tageslichtweiss a cv = 1 bedeutet ein ausgewogenes Verhältnis an circadian (c(λ)) bewerteter Strahlung und V(λ) bewerteter Strahlung Tageslichtweiss > 5300K > 6500K in Leuchten kombinierbare, verfügbare Lampen, mögliche Neuentwicklungen b l a u e r H i m m e l 5 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 Circadianer Wirkungsfaktor a cv : (Verhältnis aus circadian (c(λ)) bewerteter Strahlung zu V( λ) bewerteter Strahlung HCI / HQI: Metallhalogenidlampe mit Keramik- bzw. Quarzbrenner; WDL / NDL / D: warmweiss / neutralweiss / tageslichtweiss LL: Leuchtstofflampen; NAV: Natriumhochdrucklampe; HQL: Quecksilberdampf Hochdrucklampe mit Leuchtstoffaussenkolben Abb. 3 Es wird deutlich, dass mit steigender Farbtemperatur und dem damit verbundenen Blauanteil in den Lampenspektren der circadiane Wirkungsfaktor a cv ansteigt.

15 Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen circadianer Wirkung und photopischem Hellempfinden liefert dabei ein übliches Tageslichtspektrum von ca. 6000K Farbtemperatur. Warm- und neutralweisse Farbtemperaturen liefern hingegen einen Wirkungsfaktor a cv < 1. Es fällt auf, dass die heute in der Praxis üblichen, künstlichen Lichtquellen nur den Bereich bis 6500 K bedienen, ein Wirkungsfaktor a cv > 1 mit verfügbaren Lampen aber noch kaum abgedeckt ist. In der Natur sind jedoch beim blauen Himmel Farbtemperaturen von 10.000 K 20.000 K durchaus üblich. Als Ergebnis der Untersuchung ist klar zu erkennen, dass in der Vergangenheit die Lichtquellen nur bzgl. der direkt visuell wahrnehmbaren Eigenschaften entwickelt wurden. Als Lampenhersteller sind wir allerdings heute in der Lage verschiedenste Lichtspektren anzubieten, die als Referenz für weitere (Langzeit-) Studien genutzt werden können. Auch die Einbeziehung des Einflusses kurzwelliger (blauer) Strahlungsanteile stellt kein grundsätzliches Problem dar. Lampensysteme mit intelligenten, elektronischen Steuerungen bieten hier eine breite Palette an Möglichkeiten. Für die Entwicklung konkreter neuer Lichtquellen, die o.a. Effekte der Lichteinwirkung auf den Menschen berücksichtigen, sehen wir allerdings die Notwendigkeit zur Klärung so kritischer Fragen wie die anwendungsbezogene Einstellung der richtigen Intensität und des Farb-Spektrums des eingesetzten Lichtes über einen dynamischen Nutzungszeitraum. Welche Empfindungen löst man mit welchen Lichteinstrahlungen aus? Gibt es negative Nebeneffekte auf den Organismus des Menschen bei längerer Einwirkung der Strahlung (Langzeiteffekte)? Wie berücksichtige ich das Tageslicht auf geeignete Weise beim Lichtdesign. Welche Freiheiten muss ich dem Nutzer bei der Einstellung seiner Lichtumgebung geben? Hier ist noch ein weites Feld für intensive Studienarbeiten. So faszinierend Licht ist, so unverstanden sind immer noch seine Wirkungen auf den Menschen im Detail.

16 4 Zusammenfassung Neue Studien im Bereich der Lichteinwirkung auf den Menschen haben viele neue Fragen aufgeworfen. Zur Beantwortung dieser Frage können wir als Lampenhersteller einen wichtigen Beitrag leisten. Bereits heute steht ein breites Sortiment an Lichtquellen und elektronischen Steuerungen auf der Grundlage hohen technologischen Know Hows zur Verfügung, die wir als Referenz für weitere gemeinsame Untersuchungen mit Wissenschaftlern aus dem Bereich der Medizin, Chronobiologie und Psychologie zur Verfügung stellen können. Es ist jetzt Aufgabe dieser Wissenschaften, die begonnenen Studien konsequent weiterzuführen und die Aufgabenstellung für die Forschung und Entwicklung neuer Lampen- und Leuchtensysteme zu formulieren. Parallel zu diesen Arbeiten wird derzeit durch die Lampenindustrie geprüft, wie durch den Einsatz modernster Lichterzeugungsmethoden wie der LED, die Generierung geeigneter, flexibler Beleuchtungsanlagen beschleunigt werden kann. Licht hat die Entwicklung des Menschen geprägt. Wir müssen die Einflussfaktoren im Detail verstehen lernen und dies in künstlichen Lichtquellen zum Wohle des Menschen nutzen. Literatur [1] Brainard, G.C. et al., Action Spectrum for melatonin regulation in humans: evidence for a novel circadian photoreceptor. Journal of Neuroscience, 15 August 2001, 21(16); 6405 6412 [2] Thapan, K. et al., An action spectrum for melatonin suppression: evidence for a novel non-rod, non-cone photoreceptor system in humans. Journal of Physiology, 2001, 535.1: 261-267 [3] Gall, D., Circadiane Lichtgrößen und deren messtechnische Erfassung, Licht 7-8, 2002, 860 871 [4] Schierz, Ch., Leben wir in der biologischen Dunkelheit?, Tagung Licht 2002, Maastricht, Tagungsband, 381 389

17 [5] Lange, H., Handbuch für Beleuchtung, SLG, LiTG, LTG, NSVV. 5. Auflage, (1999) [6] Light for Vitality, Symposium, 7.Nov. 2003 in Dresden [7] Deutsche Agenda Optische Technologien für das 21. Jahrhundert, Mai 2000, ISBN 3-00-006083-9, 43 49 [8] Fisch, Licht und Gesundheit, Das Leben mit optischer Strahlung, Literaturrecherche März 2000 [9] NSVV-Kommission Licht und Gesundheit, Licht und Gesundheit für arbeitende Menschen, Nov. 2003 [10] DIN EN 12464-1 Licht und Beleuchtung - Beleuchtung von Arbeitsstätten - Teil 1: Arbeitsstätte in Innenräumen, März 2003.

18 Zum Strahlungsklima der Erde Eberhard Reimer Institut für Meteorologie, Freie Universität Berlin Die Sonne sendet ein breites Spektrum elektromagnetischer Strahlung aus, das sich vom extremen Ultraviolett bis hin zu den Infrarotstrahlen erstreckt. Der Großteil der Energie entfällt dabei auf den sichtbaren und den infraroten Bereich. Abb. 1: Spektrale Zusammensetzung der Sonnenstrahlung Die Strahlungsenergie stellt die fundamentale Energiequelle für unser Klimasystem dar. Die Wirkung auf unser Klimageschehen und die damit verbundenen Prozesse und Wechselwirkungen sind von unmittelbarem Interesse.

19 Abb. 2: Atmosphärische Durchlässigkeit der Sonnenstrahlung Beim Transport der Strahlung durch die Atmosphäre bis zur Erdoberfläche treten Einflüsse auf, die die Strahlungsenergie in Abhängigkeit von der Wellenlänge verändern. Durch Absorbtion, Streuung und Reflexion werden komplexe Reaktionen hervorgerufen, die unser Klimasystem stark beeinflussen (Abb. 2). Neben der räumlichen Abhängigkeit, die bereits durch den Gang der Erde um die Sonne gegeben ist, ergeben sich durch die vertikale Verteilung der gasförmigen, flüssigen und festen Bestandteile der Luft sehr variable Einflüsse, die auch von den kurzfristigen Wetterbedingungen stark abhängen. In der Abb. 3 ist eine generelle Übersicht über die globale Bilanz gegeben. Dabei geht man von einem Gleichgewicht der importierten und der exportierten Energie aus. Dabei sind neben der langwelligen Ausstrahlung der Erdatmosphäre und der Oberfläche auch strahlungsmäßig aktive Substanzen, wie Ozon, Methan, Kohlendioxid, elementarer Kohlenstoff und Aerosole wichtig. Besonderen Einfluss hat die Wolkenbildung, die besonders in den unteren 10 km der Atmosphäre (Troposphäre) durch Absorbtion, Ausstrahlung und besonders auch durch Reflexion einwirken.

20 Abb. 3: Allgemeine Bilanz der Strahlungsenergie im Klimasystem Die sich daraus ergebende, räumlich unterschiedliche Energiebilanz an der Erdoberfläche führt zur typischen Wetterentwicklung, indem sich bei sehr starken horizontalen Temperaturgradienten Ausgleichsströmungen entwickeln, die wir als Tiefdruck- und Hochdruckgebiete kennen. Für die Klimaentwicklung ist jedoch die zeitliche Variation der verschiedenen treibenden Faktoren wichtig, da der oben angenommene Gleichgewichtszustand exakt nicht besteht oder sich verändert. So ist in den letzten 100 Jahren eine stark zunehmende antropogene Veränderung der Zusammensetzung der Atmosphäre zu beobachten. Unter Einbeziehung der natürlichen Variabilität des Klimageschehens besteht ein unmittelbarer Bedarf an der Abschätzung der möglichen Auswirkungen in den nächsten Jahrzehnten. Zu diesem Zwecke wird neben der Untersuchung verschiedenster Klimafaktoren auch die natürliche Variabilität der Sonnenstrahlung und der damit verbundenen

21 Prozesse an historischen Messungen und Ereignissen verfolgt. Anhand von Klimamodellen wird für vergangene Klimate, z.b. vor zwanzigtausend Jahren oder für die letzten 1000 Jahre, versucht, das Zusammenspiel des Systems Atmosphäre, Ozean, Boden zu verstehen. Hier zeigt sich durch Rekonstruktion der Planetenstellung und Sonnenaktivität, dass die Strahlungsenergie der Sonne sehr großen Veränderungen unterlag und ein entsprechend starker Einfluss auf die Eisbedeckung und die Vegetationsentwicklung bestand. Anhand zahlreicher Messungen an z.b. Pflanzenfunden und Eisbohrkernen lässt sich eine generelle, globale Klimarekonstruktion durchführen. Von besonderem Interesse ist die Abschätzung der Auswirkung des industriellen Zeitalters auf das augenblickliche Klimageschehen, also der Abschnitt der letzten 300 Jahre. Z.Zt. lassen sich verschiedene Faktoren nennen, die in den Strahlungshaushalt der letzen Jahrhunderte eingriffen: - Für die globale, positive Bilanz mit bis zu 2,5 Watt/m² in den letzten 250 Jahren werden wesentlich die Zunahmen von CO 2, Methan, troposphärischem Ozon und elementarem Kohlenstoff genannt. - Negative Beiträge zur Bilanz resultieren aus der Anreicherung von Aerosolen, Partikeln aus Waldbränden und in indirekter Form auch aus einer stärkeren Wolkenbildung, die sehr komplex von dem jeweiligen Aerosolaufkommen beeinflusst wird. Im Interesse der Forschung stehen in diesem Zusammenhang auch (als Auswirkungen der Langstreckenflüge) Stoffe die die Bildung hoher Wolken, Cirren und Kondenzstreifen beeinflussen und so durch Reflexion die Einstrahlung der Sonne reduzieren können. Die Variabilität des stratosphärischen Ozons zeigt in diesen Abschätzungen nur geringen Einfluss auf die globale Strahlungsbilanz, obwohl die UVB-Strahlung sehr stark von den beobachteten Veränderungen der winterlichen, stratosphärischen Ozonschicht abhängen.

22 Die Ultraviolette (UV) Strahlung kennzeichnet jenen Teil des elektromagnetischen Spektrums zwischen Röntgenstrahlung und sichtbarem Licht. Der UV-Bereich lässt sich je nach Wellenlänge in drei Gruppen unterteilen: UV-C von 100 nm 280 nm UV-B von 280 nm 315 nm UV-A von 315 nm 380 nm Dabei gilt, je kürzer die Wellenlänge, desto energiereicher ist die Strahlung. Abb. 4: UV-Strahlung Obwohl der im Wesentlichen stratosphärische Ozonanteil in der Atmosphäre nur sehr gering ist, typischerweise nur einige Moleküle Ozon pro 1 Million Luftmoleküle, so reicht diese Menge aus, um beinahe die gesamte UV- Strahlung (UV-C und UV-B) zu absorbieren und so das Leben auf der Erde zu schützen. - Der Ozon- und der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre bewirken, dass der UV-C Anteil der Sonnenstrahlung als ganzes absorbiert wird und nicht bis zur Erdoberfläche durchdringt. - Die UV-B Strahlung wird zu einem Großteil absorbiert, nur ein geringer Anteil von wenigen Prozent erreicht dennoch den Erdboden.

23 - UV-A wird nur geringfügig durch Ozon beeinflusst und kann beinahe ungehindert bis zum Erdboden vordringen. Der bis zum Erdboden gelangende Teil der UV-B Strahlung beeinflusst allerdings eine Reihe von troposphärischen Spurenstoffen, die im Ozonkreislauf und bei der Bildung von Aerosolen relevant sind. Dazu gehören Stickstoffdioxid, einige Kohlenstoffverbindungen und sog. Radikale. Eine Veränderung in der UV-B Strahlung durch antropogene Einflüsse ist in den letzten 50 Jahren in Europa gegeben. So wird z.b. in Europa von 1930 bis 1990 in den Sommermonaten eine Reduktion der UV-B Dosis von mindestens 2 bis 10% angenommen, die durch Verkehrs- und Industrieentwicklung hervorgerufen wurde. Durch die Verringerung des stratosphärischen Ozons in den letzten 20 Jahren wird diese Entwicklung in Europa gebietsweise umgekehrt und in einer Abschätzung in Westeuropa bald wieder den Stand von 1930 erreichen. Abschließend ist zu bemerken, dass die Auswirkung antropogener Emissionen auf die Strahlungsbilanz zu sehr differenzierten Reaktionen führt und sich der natürlichen Variabilität überlagert. Daher ist eine Abschätzung des antropogenen Einflusses auf die lokale zukünftige Klimaentwicklungen schwierig. Literatur IPCC, Climate Change 2001, The Scientific Basis Cambridge, University Press Guicherit, R. et al., 2001. Surface Ultraviolet Levels; Prediction and History from Atmospheric Trends over Europe SULPHATE. USB-2 report 00-15, Netherlands. Beer, J. et al., 2000. The role of the sun in climate forcing. Quarternary Science Reviews 19, 403-415 Bard, E., et al., 1999 Solar irradiance during the last 1200 years based on the cosmogenic nuclides. Tellus, 52B, 985-992

24 Solarstrahlung und Tageslicht S. Aydinli, H. Kaase Fachgebiet Lichttechnik, Sekr. E6 Technische Universität Berlin Einsteinufer 19, 10587 Berlin Lichttechnik@ee.tu-Berlin.de http://www.lichttechnik.tu-berlin.de 1 Einleitung Nach der Entwicklung von Leuchtstofflampen hat man in den 50er und 60er Jahren versucht, Innenräume ausschließlich mit Kunstlicht zu beleuchten. So entstanden zu dieser Zeit fensterlose Gebäude. Erst anfangs der 70er Jahre wurde ausgelöst durch die Energiekrise die Tageslichtnutzung in Gebäuden wieder entdeckt. Seit 20 Jahren ist in der Innenraumbeleuchtung ein Umdenkprozess zu beobachten: Kunstlichtbeleuchtung wird mit Tageslichtbeleuchtung kombiniert. Die Begründung liegt zum einen in energieeffizienten Aspekten (Tageslicht steht bis zu 90 % der jährlichen Arbeitzeiten zur Verfügung) zum anderen werden die Dynamik in Farbe und im Beleuchtungsniveau ausgenutzt. Ein weiterer Gesichtspunkt bezieht sich auf die photobiologische Wirkung des Tageslichtes; danach ist eine ausreichende Belichtung (Beleuchtungsstärke x Zeit) für das Wohlbefinden erforderlich. Dieser Wert wird für arbeitende Menschen in Gebäuden insbesondere in tageslichtarmen Jahreszeiten nicht ohne weiteres erreicht. Zur Behandlung von Lichtmangelkrankheiten werden Beleuchtungsstärken 2500 lx bis 10000 lx bei einer Belichtung von 5000 lxh empfohlen. Es fehlen jedoch Angaben über die Leuchtdichte [1]. Die Aufenthaltsqualität in Innenräumen wird durch die natürliche Beleuchtung beeinflußt. Eine Ausreichende Sichtverbindung nach außen sowie ein angenehmes Helligkeitsniveau am Tage werden in Verordnungen [2] vorgeschrieben bzw. in Normen [3] empfohlen.

25 Tageslicht hat allerdings auch störende Wirkungen (wie Strahlungs- und Wärmebelastung sowie Blendwirkung) zur Folge. Zur Begrenzung dieser Wirkungen wird versucht, in Normen und Richtlinien Empfehlungen für Grenzwerte festzulegen. So werden nach DIN E 5035 Teil 7 [4] durch Fenster gesehene Leuchtdichten mit L > 4000 cd/m 2 als störend empfunden. Solche Festlegungen beruhen meist auf Erfahrungswerten, die allerdings nicht genügend abgesichert sind. Für die Optimierung von Lichttherapiegeräten und Beleuchtungsanlagen ist die Kenntnis bewerteter Leuchtdichten, Beleuchtungs- und Bestrahlungsstärken sowie ein Vergleich mit natürlichem Licht bei verschiedenen Himmelszuständen im Freien und im Innenraum hilfsreich. 2 Photometrische Größen des klaren Himmels Klarer Himmel entspricht dem wolkenlosen Himmelszustand, für den die relative Leuchtdichteverteilung nach CIE [5,6] festgelegt ist. Die Beleuchtungs- und Bestrahlungsstärken in vorgegebenen Ebenen der Erdoberfläche sind von der atmosphärischen Trübung und vom Sonnenhöhenwinkel abhängig [7]. Die mittleren monatlichen Werte der atmosphärischen Trübung für Deutschland sind in [7] angegeben. In Bild 1 sind die horizontalen Beleuchtungsstärken durch direkte Sonnenstrahlung und die Beleuchtungsstärken auf einer zur Sonne gewandten vertikalen Fläche durch die Sonne für verschiedene Trübungsfaktoren T L dargestellt.

26 E Sv für T L = 4 T L = 5 E Sh für T L = 4 T L = 5 T L = 6 Bild 1: Horizontale (E Sh ) und vertikale (E Sv ) Sonnenbeleuchtungsstärken für verschiedene TrübungsfaktorenT L Im Bild 2 sind Werte der horizontalen Beleuchtungsstärken bei klarem Himmelszustand und Werte der Beleuchtungsstärke auf einer von der Sonne abgewandten vertikalen Fläche bei klarem Himmelszustand dargestellt. Parameter: Trübungsfaktor T. L Die CIE hat relative Leuchtdichteverteilung von 15 verschiedenen Himmelszuständen angegeben [6]. Aus diesen Werten lässt sich die absolute Leuchtdichteverteilung bei klarem Himmel und bei bekannten horizontalen Beleuchtungsstärken ermitteln. In den Bildern 3a und 3b sind die Leuchtdichteverteilungen des klaren Himmels für folgende Parameter dargestellt: Sonnenhöhe: 60 30 Trübungsfaktor: 6,4 (Juni) 4,3 (Oktober) CIE Himmel Nr.: 12 (hohe Trübung) 13 (geringe Trübung)

27 E Hh für T L = 6 T L = 5 T L = 4 E Hv für T L = 6 T L = 5 Bild 2: Horizontale E Hh und vertikale E Hv Beleuchtungsstärken durch den klaren Himmel für verschiedene Trübungsfaktoren cd/m 2 Bild 3a: Leuchtdichteverteilung des klaren Himmels. Parameter: Sonnenhöhenwinkel γ = 60 ; Trübungsfaktor T L = 6,4

28 cd/m 2 Bild 3b: Leuchtdichteverteilung des klaren Himmels. Parameter: Sonnenhöhenwinkel γ = 30 ; Trübungsfaktor T L = 4,3 Die mittlere Leuchtdichte der Sonne hängt von der Sonnenhöhe und von der atmosphärischen Trübung ab. Sie liegt bei einem Sonnenhöhenwinkel von 60 und Trübungsfaktoren T L = 3,5 bis 6 zwischen 1,5 10 9 und 1,0 10 9 cd/m 2. 3 Photometrische Größen des Himmels bei vollkommen bedecktem Himmelszustand Der vollkommen bedeckte Himmel ist im Sinne der Tageslichttechnik durch einen gleichmäßig bewölkten Himmel festgelegt. Die relative Leuchtdichteverteilung des bedeckten Himmels ist rotationssymmetrisch und wird durch die CIE beschrieben [8]. Dabei ändert sich die spektrale Verteilung der Himmelsleuchtdichte mit der Sonnenhöhe kaum: Die ähnlichste Farbtemperatur T cp liegt zwischen 6020 K und 6050 K [9]. Die horizontale und die vertikale Beleuchtungsstärke, die durch den vollständig bedeckten Himmel erzeugt wird, hängen von der Sonnehöhe ab (Bild 4). Die

29 Leuchtdichteverteilung des bedeckten Himmels ist im Bild 5 für verschiedene Sonnenhöhenwinkel des betrachteten Punktes über dem Horizont dargestellt. 25000 E h 20000 15000 E / lx 10000 5000 E v 0 0 15 30 45 60 75 90 γ in Bild 4: Horizontale (E h ) und vertikale(e v ) Beleuchtungsstärke bei vollkommen bedecktem Himmel im Freien als Funktion vom Sonnenhöhenwinkel γ 10000 Sonnenhöhe: L / cd/m2 7500 5000 2500 60 45 30 15 0 0 15 30 45 60 75 90 γ in Bild 5: Leuchtdichteverteilung des bedeckten Himmels für verschiedene Sonnenhöhenwinkel γ

30 4 Der mittlere Himmel Vollkommen bedeckte und klare Himmelszustände sind idealisierte Vorstellungen, die in der Praxis nur selten auftreten. Für langfristige Betrachtungen müssen deshalb über eine mehrjährige Zeitspanne erfasste Mittelwerte berücksichtigt werden. Diese können auf der Grundlage der örtlichen Sonnenscheinwahrscheinlichkeit SSW [10] berechnet werden. Die auftretenden Beleuchtungsstärken und Leuchtdichten sind dann u. a. von der SSW abhängig. Sie sind i. A. größer als die bei bedecktem bzw. bei klarem Himmelszustand. Bild 6 zeigt die horizontalen und vertikalen Beleuchtungsstärken als Funktion der Sonnenhöhe für drei Trübungsfaktoren (T L = 4, 5 und 6) und für SSW = 50%. In den Bildern 7 und 8 sind die Leuchtdichteverteilungen des mittleren Himmels für folgende Parameter angegeben: SSW: 50 % 50% Sonnenhöhe: 60 30 Trübungsfaktor: 6,4 (Juni) 4,3 (Oktober) CIE Himmel Nr.: 9 (teilweise bewölkter Himmel mit bedeckter Sonnenkrone) E hm T L =6 T L =5 E vm T L =6 T L =5 γ in Bild 6: Horizontale (E hm) und vertikale(e vm) Beleuchtungsstärke bei mittlerem Himmel im Freien als Funktion des Sonnenhöhenwinkels γ

31 cd/m 2 Bild 7: Leuchtdichteverteilung des teilweise bewölkten Himmels. Sonnenhöhenwinkel γ = 60 und bei SSW = 50% cd/m 2 Bild 8: Le uchtdichteverteilung des teilweise bewölkten Himmels. Sonnenhöhenwinkel γ = 30 und bei SSW = 50%

32 5 Zusammenfassung In der Tabelle 1 sind Werte der horizontalen (E h ) und vertikalen (E v ) Beleuchtungsstärke bei unterschiedlichen Himmelszuständen für zwei Sonnenhöhenwinkel γ dargestellt. In Tabelle 2 sind die entsprechenden Leuchtdichten bei drei Höhenwinkeln über dem Horizont und bei einer Azimutwinkeldifferenz zur Sonne von 180 angegeben. Tabelle 1: Horizontale und vertikale Beleuchtungsstärken bei unterschiedlichen Sonnenhöhenwinkel Sonnenhöhenwinkel 30 60 Bedeckter Himmelszustand E h / klx E v / klx Klarer Himmelszustand 11 4,3 18,5 7,3 E h / klx 15 25 E v / klx 5 6 Mittlerer Himmelszustand E h / klx E v / klx 20 34 7 10

33 Tabelle 2: Himmelsleuchtdichten bei unterschiedlichen Sonnenhöhenwinkeln und Höhenwinkeln über Horizont Sonnenhöhe 30 60 Höhenwinkel / Höhenwinkel / Bedeckter Himmelszustand 15 30 60 15 30 60 L / cd/m 2 1900 2900 4100 3200 5000 7000 Klarer Himmelszustand 2 L / cd/m 5000 3000 1800 6000 4000 3800 Mittlerer Himmelszustand L / cd/m 2 6800 5000 4000 10000 8500 7500 Bei mittlerem Himmelszustand ist die Himmelsleuchtdichte fast immer größer als 4000 cd/m 2. Aber auch bei bedecktem Himmelszustand können Himmelsleuchtdichten größer als 4000 cd/m 2 (insbesondere bei hohen Sonnenhöhen) vorkommen. Bei klarem Himmelszustand ist die Leuchtdichte gerade am Horizont fast immer größer als 4000 cd/m 2. In diesen Fällen wäre dann eine Blendschutzeinrichtung notwendig. Es ist jedoch noch zu bemerken, dass die ermittelten Beleuchtungsstärken und Leuchtdichten mittlere Werte mit einer Summenhäufigkeit von ca. 50% sind [11,12]. Höhere Werte (z. B. 1,25 und 1,5 x mittlere Werte) können mit Summenhäufigkeiten von 25% bzw. 10% auftreten. Literatur [1] Biologische Rhythmen uns Schlaf, Lichttherapie Roderer Verlag, 1999; Regensburg, ISBN 3-89783-020-5 ed. Zulley, J., Wirz-Justice, A. [2] Arbeitsstättenverordnung, ArbStättV [3] DIN 5034 Tageslicht in Innenräumen, Teil 1 Allgemeine Anforderungen, 1999

34 [4] DIN 5035 Beleuchtung mit künstlichem Licht, Teil 7 Beleuchtung von Räumen mit Bildschirm-arbeitsplätzen, Entwurf, 2001 [5] CIE Publ. Nr 20, Standardization of Luminance Distribution on Clear skies, 1973 [6] CIE Standard S 011/E:2003, Spatial Distribution of Daylight CIE Standard General Sky [7] DIN 5034 Tageslicht in Innenräumen, Teil 2 Grundlagen, 1985 [8] CIE Committee E-3.2, Natural Daylight Official Recommendations Compte Rendu 13. Sitzung, Bd. 2, Paris 1955 [9] Krochmann J., Seidl M.: Quantitative Data on Daylight for Illuminating Engineering, Lighting Research and Technology, Vol. 6 No. 3 (1974) [10] DIN 4710, Statistiken meteorologischer Daten zur Berechnung des Energiebedarfs von heiz- und raumlufttechnischen Anlagen, 2002. [11] Aydinli S., Wittig W., Statistische Bewertung von Strahlungs- und Tageslichtdaten für den bedeckten Himmel, Proc. 2., VI. Lux Europa, Budapest, 1989 [12] Alonistiotis C., Aydinli S., Kaase H., Statistische Bewertung von Strahlungs- und Tageslichtdaten bei klarem und mittlerem Himmel, LICHT 94, Interlaken, 1994

35 Zertifizierung von Solarienbetrieben in Deutschland M. Steinmetz, BfS 1 Einleitung In den letzten Jahren ist in Deutschland eine zunehmende Nutzung künstlicher Strahlung zu kosmetischen Zwecken (wie z.b. Bräunung) zu beobachten. Bei einem Bestand von ca. 7.500 Solarienbetrieben setzt sich schätzungsweise im Mittel jeder Bundesbürger 2-3 mal jährlich einer Bestrahlung im Solarium aus, manche Bundesbürger sogar täglich. Infolge der damit verbundenen Zunahme der UV- Exposition der Bevölkerung wird eine Zunahme der UV-bedingten Gesundheitsschäden erwartet. Dies hat auch die Strahlenschutzkommission (SSK) in ihrer Empfehlung vom 8. Juni 2001 festgestellt [1,2]. Überdies zeigten stichprobenartige Testmessungen unterschiedlicher Institutionen wiederholt gravierende Mängel in Solarienbetrieben. Dies betraf insbesondere überhöhte und unkontrollierte Emissionen der Geräte, schlechte Hygiene, nicht ausreichend ausgebildetes Personal und fehlende Verbraucherinformationen. Ein Großteil der Geräte verfügte über Bestrahlungswerte, die weit höher sind als die der Sonne am Äquator [3]. Zur Reduzierung der gesundheitlichen Gefahren durch die Nutzung künstlicher UV- Strahlung haben das BfS [4] und andere Organisationen wie z.b. die SSK oder die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention und Deutsche Krebshilfe zahlreiche Informationskampagnen für die Verbraucherinnen und Verbraucher durchgeführt [5,6]. Die bisherigen Erfolge blieben jedoch eher bescheiden. Die Hautbräune wird nach wie vor als Zeichen für Jugendlichkeit, Sportlichkeit und Gesundheit gesehen. Einige europäische Länder wie Schweden, Norwegen, Finnland, Frankreich und Spanien verfügen bereits über gesetzliche Vorschriften im Rahmen einer Verordnung bzw. Genehmigungspflicht. Diese enthalten Begrenzungen der UV-Dosis, erlaubte Gerätetypen, teilweise auch Inspektionen mit Strafmaßnahmen bei Zuwiderhandlungen. Auf freiwilliger Basis können sich in Luxemburg Solarienbetreibe vom staatlichen Gesundheit zertifizieren lassen, in England gibt es hierfür ein self practise conduct (Selbstverpflichtung der Solarienbetreiber). In Deutschland fehlt zur Zeit die Rechtsgrundlage für gesetzliche Vorschriften.

36 Im Januar 2002 hatte das BfS einen Runden Tisch Solarien (RTS) mit Teilnehmern wissenschaftlicher und staatlicher Institutionen sowie Vertretern von Solarienbetrieben und Solarienherstellern gegründet. Der RTS hatte das Ziel, auf Basis der SSK-Empfehlung Schutz des Menschen vor den Gefahren der UV- Strahlung in Solarien einheitliche Kriterien für einen Mindeststandard zum Schutz der Kunden von Solarienbetrieben festzulegen und eine freiwillige Zertifizierung für die Betriebe anzubieten, die diesen Mindeststandard erfüllen. Im Juni 2003 wurde Einigkeit über die Kriterien und das Verfahren für die Zertifizierung der Solarien erzielt und mit der Akkreditierung begonnen. 2 Verfahren Ein Solarienbetrieb kann sich nur von einer Zertifizierungsstelle zertifizieren lassen, die vom BfS bereits akkreditiert worden ist. Das Zertifizierungsverfahren umfasst die Überprüfung des Solarienbetriebes auf Einhaltung der Zertifizierungskriterien des BfS. Alle hierfür benötigten Unterlagen sind der BfS-Heimseite www.bfs.de unter dem Stichwort Solarien zu entnehmen. Die wichtigsten Punkte sind in diesem Kapitel aufgeführt. 2.1 Akkreditierung Die wesentlichen Bedingungen für Antragsteller, die vom BfS akkreditiert werden wollen, sind: Das zertifizierende Personal muss im Bereich der Geräte- Hygiene- und Mitarbeiterausbildungsstandards sachkundig sein, d.h. selbst technisch ausgebildet sein, sich weiterbilden und im Betrieb eines Solarienbetriebes erfahren sein. Die Zertifizierung hat nach den RTS-Kriterien SSK-konformer Solarien zu erfolgen. Die Akkreditierung darf nicht missbräuchlich genutzt wie z.b. Rufschädigung, Vortäuschung, Irreführung. Einer Überprüfung der Antragsstelle durch das BfS ist zuzustimmen.

37 Nach Einreichung eines formellen Antrages (Formulare im Internet: Antrag auf Akkreditierung, Fragebogen zum Antrag, Anlage Personal und Verpflichtungserklärung) wird das Akkreditierungsverfahren eingeleitet. Die Begutachtung umfasst im wesentlichen: Sachliche Prüfung der Antragsunterlagen, die neben dem Antrag aus einem Fragebogen zur Infrastruktur, zur Dokumentation und Qualitätssicherung der Antragsstelle, sowie einer rechtsverbindlichen Verpflichtungserklärung bestehen. Gegebenenfalls erfolgt eine Begutachtung beim Antragsteller. Bei Mängeln sind kostenpflichtige Wiederholungsprüfungen möglich. Nach BfS Entscheidung erfolgt der Abschluss eines Vertrages. Die Akkreditierung erlischt nach 5 Jahren, kann jedoch erneuert werden. Während der Zeitdauer der Akkreditierung bestehen zwischen BfS und Zertifizierungsstelle im wesentlichen folgende Vereinbarungen: Änderungen bzgl. der Akkreditierungsregeln sind zeitgerecht umzusetzen. Das BfS kann die Zertifizierungsarbeiten überwachen und bei Mängeln Auflagen erteilen. Die Akkreditierung kann bei Verstößen widerrufen werden. Das BfS verpflichtet sich zur Vertraulichkeit, Beschwerden gegen Entscheidungen können schriftlich eingereicht werden. Die akkreditierten Zertifizierungsstellen sind in einer Liste auf der BfS-Heimseite www.bfs.de unter dem Stichwort Solarien aufgeführt. 2.2 RTS Zertifizierungsverfahren Das Zertifizierungsverfahren, d.h. die Prüfung eines Solarienbetriebes durch eine akkreditierte Zertifizierungsstelle umfasst im wesentlichen folgende 4 Punkte, die in dem Kriterienkatalog SSK-konformer Solarien aufgeführt sind: Definierter Gerätestandard: Konstruktion der Geräte nach DIN EN 60335-2-27 mit limitierter max. Erythem-Bestrahlungsstärke von 0,6 W/m², Notabschaltung, Dosierung in 0,2 MED -Schritten mit Zwangsabschaltung bei 3,5 MED, vernachlässigbarer Emission im UV-C, Geräteaufschriften und Betriebsbuch

38 Betriebsablauf: Einhaltung der allgemeinen Hygienerichtlinien, wie z.b. Reinigung nach jeder Gerätenutzung, Verwendung von anerkannten Desinfektionsmitteln Mitarbeiterqualifikation: Nachweis einer anerkannten Qualifikation mit Abschlusstestat, Nachweis über Fortbildungskurse innerhalb von 5 Jahren, Fähigkeit zur Hauttypbestimmung und Dosierungsplanerstellung Kundeninformation: Vorhandensein von Schutzhinweisen und Basisinformationen über z.b. biologische UV-Wirkungen, gesundheitliche UV-Risiken und Dosierungskonzepte Der Geräteprüfung kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Die Konformität mit den RTS-Kriterien wird in der Regel anhand des Betriebs- und Prüfbuches geprüft. Bei Neugeräten und Verwendung autorisierter Ersatzteile wird die Baumusterprüfung (Herstellerzertifikat) als Nachweis anerkannt, andernfalls hat der Solarienbetreiber gleichwertige Nachweise zu erbringen. Für evtl. notwendige Messungen (z.b. Neubewertung) werden im Anhang A des Zertifizierungsverfahrens ausführliche Hinweise gegeben. Vom BfS empfohlene Messinstitute, die eine solche Neubewertung vornehmen können, sind in einer Liste im Internet aufgeführt. Prüfergebnisse sind entsprechend Anhang B des Zertifizierungsverfahrens zu dokumentieren. Bei positiver Prüfung erhält der Solarienbetrieb ein Zertifikat und darf das Signum Zertifizierter Solarienbetrieb mit einer Gültigkeitsdauer von 3 Jahren führen. Das Logo hat folgende Form: Bei Nichteinhaltung des geprüften Zustandes wird die Zertifizierung widerrufen. Dem betroffenen Solarienbetrieb wird allerdings vorher Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben. Der geprüfte Zustand kann durch unangemeldete

39 Überprüfungen in zertifizierten Betrieben festgestellt werden. Solarienbetriebe haben mit der Zertifizierung der Akkreditierungs-/Zertifizierungsstelle das Recht zu solchen Überprüfungen eingeräumt. 2.3 Schulungsunterlagen In einer vom RTS verfassten UV-Fibel [7] sind die wichtigsten Grundlagen zur Schulung der im Kundenkontakt stehenden Betreiber und Mitarbeiter von Solarienbetrieben enthalten. Nach einer kurzen physikalischen Einführung über die UV-Strahlung werden die Wirkungen der UV-Strahlung auf den Menschen ausführlich dargestellt. Neben einer Beschreibung der Empfangsorgane Haut und Augen werden in diesem Kapitel die akuten und chronischen Wirkungen auf molekularer, zellulärer, lokaler und systemischer Ebene beschrieben. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der Gerätetechnik der Solarien. Neben dem Aufbau und Betrieb wird detailliert auf die Kennzeichnung und Klassifizierung der Geräte eingegangen. Weiterhin sind in einem Textabschnitt die Anforderungen zur Qualitätssicherung erläutert. Der UV-Fibel sind auch genaue Angaben zur Dosierung und Begrenzung von Hautexpositionen zu entnehmen. Neben den Ausschlusskriterien für eine Bestrahlung (z.b. Kinder, Hauttyp I, krankhafte Hautveränderungen) werden Hilfen für das Kundengespräch gegeben, das u.a. die Bestimmung des Hauttyps und die Erstellung eines individuellen Bestrahlungsplans enthält. Ausführliche Anlagen zu z.b. einer Liste phototoxischer Medikamente, Hygienebedingungen, Empfehlungen und Normen sind im Anhang zu finden. Wegen der hohen Nachfrage war die UV-Fibel schon kurz nach Erscheinen vergriffen. Über eine Neuauflage wird zur Zeit diskutiert. Die UV-Fibel kann jedoch von der Heimseite www.bfs.de heruntergeladen werden. 3 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Mit der erfolgreich abgeschlossenen Tätigkeit des RTS ist es gelungen, auf freiwilliger Basis den Nutzern von zertifizierten Solarienbetrieben zukünftig einen Mindestschutz vor zu hoher UV-Belastung zu sichern. Damit wird eine deutliche Reduzierung des gesundheitlichen Risikos für die Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht. Dieser Mindestschutz wird vor allem durch folgende Punkte erreicht:

40 Definierte Gerätestandards mit max. Bestrahlungsdosis, einheitliche Betriebsabläufe bzgl. der Hygiene, fachliche Qualifikation der Mitarbeiter und der Umfang der Kundeninformation Als Qualitätssicherungsmaßnahme kann das BfS während der Zeitdauer der Zertifizierung durch stichprobenartige Prüfungen die Einhaltung der Kriterien überwachen. Als Ausbildungsstätten sind zur Zeit die Akademie für Besonnung und die Deutsche Dermatologische Akademie anerkannt. Das BfS als Akkreditierungsstelle für die Institutionen, die Solarienbetriebe nach den Kriterien des RTS zertifizieren wollen, hat bereits mehrere Akkreditierungen ausgesprochen, einige weitere Anträge befinden sich in der Prüfungsphase. Mit einer ersten Zertifizierung wird im Februar 2004 gerechnet. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass im Sinne des Nutzers die Zertifizierung von möglichst allen Solarienbetrieben angenommen wird. Sollte sich gegen Ende des Jahres 2004 herausstellen, dass die Zertifizierung nur auf geringe Akzeptanz stößt sollte, behält sich das BfS vor, gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen. Literatur [1] SSK-Empfehlung: Schutz des Menschen vor den Gefahren der UV-Strahlung in Solarien. www.ssk.de (2001) [2] SSK-Empfehlung: Schutz des Menschen vor den Gefahren der UV-Strahlung in Solarien wissenschaftliche Begründung. www.ssk.de (2001) [3] Piazena, H.: Photobiologische Eigenschaften von Solarien in Berlin / Brandenburg, Teilprojekt des BMBF- Forschungsvorhabens 07UVB613 (2001) [4] BfS -Infoblatt: Solarienbenutzung erhöht das gesundheitliche Risiko (4/2001) [5] Breitbart, E., Christophers, E.: Change in health behaviour following a nation wide campaign on prevention and early detection of skin cancer in the Federal republic of Germany. Melanoma Research 3:12 (1993) [6] Greinert, R. et al.: Prävention von Hautkrebs Notwendigkeit, Durchführung und Erfolg. Hautarzt (2003) [7] Runder Tisch Solarien / BfS: UV-Fibel www.bfs.de (2003)