Das Nibelungenlied. Aus dem Mittelhochdeutschen von Karl Simrock. Anaconda

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Transkript:

nibelungenlied_0236-2_neu_01_nibelungenlied 12.12.2014 11:29 Seite 3 Das Nibelungenlied Aus dem Mittelhochdeutschen von Karl Simrock Anaconda

nibelungenlied_0236-2_neu_01_nibelungenlied 12.12.2014 11:29 Seite 4 Das Nibelungenlied entstand um 1200, die Übersetzung von Karl Simrock stammt aus dem Jahr 1827. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2015 Anaconda Verlag GmbH, Köln Alle Rechte vorbehalten. Umschlagmotiv: Vintage engraving showing Saint George slaying the Dragon, after a bas-relief on the tomb of Cardinal Georges D Amboise, istockphoto.com/duncan 1890 Umschlaggestaltung: Druckfrei. Dagmar Herrmann, Bonn Satz und Layout: GEM mbh, Ratingen Printed in Czech Republic 2015 ISBN 978-3-7306-0236-2 www.anacondaverlag.de info@anacondaverlag.de

ERSTES ABENTEUER Wie Kriemhilden träumte Viel Wunderdinge melden die Mären alter Zeit Von preiswerten Helden, von großer Kühnheit, Von Freud und Festlichkeiten, von Weinen und von Klagen, Von kühner Recken Streiten mögt ihr nun Wunder hören sagen. Es wuchs in Burgunden solch edel Mägdelein Daß in allen Landen nichts Schön res mochte sein. Kriemhild war sie geheißen und ward ein schönes Weib, Um die viel Degen mußten verlieren Leben und Leib. Die Minnigliche lieben brachte keinen Scham Um die viel Recken warben, niemand war ihr gram. Schön war ohne Maßen die edle Maid zu schau n; Der Jungfrau höf sche Sitte wär eine Zier allen Frau n. Es pflegten sie drei Könige, edel und reich, Gunther und Gernot, die Recken ohnegleich, Und Geiselher der junge, ein auserwählter Degen Sie war ihre Schwester, die Fürsten hatten sie zu pflegen. Die Herren waren milde, dazu von hohem Stamm, Unmaßen kühn von Kräften, die Recken lobesam. Nach den Burgunden war ihr Land genannt; Sie schufen starke Wunder noch seitdem in Etzels Land Zu Worms am Rheine wohnten die Herrn in in ihrer Kraft. Von ihren Landen diente viel stolze Ritterschaft Mit rühmlichen Ehren all ihres Lebens Zeit Bis jämmerlich sie starben durch zweier edeln Frauen Streit. 5

Ute hieß ihre Mutter, die reiche Königin Und Dankrat der Vater, der ihnen zum Gewinn Das Erbe ließ im Tode, vordem ein starker Mann Der auch in seiner Jugend großer Ehren viel gewann. Die drei Kön ge waren, wie ich kundgetan, Stark und hohen Mutes; ihnen waren untertan Auch die besten Recken, davon man hat gesagt, Von großer Kraft und Kühnheit, in allen Streiten unverzagt. Das war von Tronje Hagen und der Bruder sein Dankwart der schnelle, von Metz Herr Ortewein. Die beiden Markgrafen Gere und Eckewart, Volker von Alzei, an allen Kräften wohlbewahrt, Rumold der Küchenmeister, ein teuerlicher Degen, Sindold und Hunold: die Herren mußten pflegen Des Hofes und der Ehren, den Kön gen untertan. Noch hatten sie viel Recken, die ich nicht alle nennen kann. Dankwart war Marschall; so war der Neffe sein Truchseß des Königs, von Metz Herr Ortewein. Sindold war Schenke, ein weidlicher Degen, Und Kämmerer Hunold: sie konnten hoher Ehren pflegen. Von des Hofes Ehre, von ihrer weiten Kraft, Von ihrer hohen Würdigkeit und von der Ritterschaft Wie sie die Herren übten mit Freuden all ihr Leben, Davon weiß wahrlich niemand euch volle Kunde zu geben. In ihren hohen Ehren träumte Kriemhilden Sie zög einen Falken, stark-, schön- und wilden; Den griffen ihr zwei Aare, daß sie es mochte sehn: Ihr konnt auf dieser Erde größer Leid nicht geschehn. 6

Sie sagt ihrer Mutter den Traum, Frau Uten: Die wußt ihn nicht zu deuten als so der guten:»der Falke, den du ziehest, das ist ein edler Mann: Ihn wollte Gott behüten, sonst ist es bald um ihn getan.was sagt ihr mir vom Manne, vielliebe Mutter mein? Ohne Reckenminne will ich immer sein; So schön will ich verbleiben bis an meinen Tod, Daß ich von Mannesminne nie gewinnen möge NotVerred es nicht so völlig«, die Mutter sprach da so,»sollst du je auf Erden von Herzen werden froh, Das geschieht von Mannesminne: du wirst ein schönes Weib, Will Gott dir noch vergönnen eines guten Ritters Leib.Die Rede laßt bleiben, vielliebe Mutter mein. Es hat an manchen Weiben gelehrt der Augenschein, Wie Liebe mit Leide am Ende gerne lohnt; Ich will sie meiden beide, so bleib ich sicher verschont!«kriemhild in ihrem Mute hielt sich von Minne frei. So lief noch der guten manch lieber Tag vorbei, Daß sie niemand wußte, der ihr gefiel zum Mann, Bis sie doch mit Ehren einen werten Recken gewann. Das war derselbe Falke, den jener Traum ihr bot Den ihr beschied die Mutter. Ob seinem frühen Tod Den nächsten Anverwandten wie gab sie blut gen Lohn! Durch dieses einen Sterben starb noch mancher Mutter Sohn. 7

ZWEITES ABENTEUER Von Siegfrieden Da wuchs im Niederlande eines edeln Königs Kind, Siegmund hieß sein Vater, die Mutter Siegelind, In einer mächt gen Feste, weithin wohlbekannt, Unten am Rheine, Xanten war sie genannt. Ich sag euch von dem Degen, wie so schön er ward. Er war vor allen Schanden immer wohl bewahrt. Stark und hohes Namens ward bald der kühne Mann: Hei! was er großer Ehren auf dieser Erde gewann! Siegfried war er geheißen der edle Degen gut. Er erprobte viel der Recken in hochbeherztem Mut. Seine Stärke führt ihn in manches fremde Land: Hei! was er schneller Degen bei den Burgunden fand! Bevor der kühne Degen voll erwuchs zum Mann, Da hatt er solche Wunder mit seiner Hand getan, Davon man immer wieder singen mag und sagen; Wir müssen viel verschweigen von ihm in heutigen Tagen. In seinen besten Zeiten, bei seinen jungen Tagen Mochte man viel Wunder von Siegfrieden sagen, Wie Ehr an ihm erblühte und wie schon er war zu schau n: Drum dachten sein in Minne viel der weidlichen Frau n. Man erzog ihn mit dem Fleiße, wie ihm geziemend war; Was ihm Zucht und Sitte der eigne Sinn gebar. Das ward noch eine Zierde für seines Vaters Land, Daß man zu allen Dingen ihn so recht herrlich fand. 8