Viele Flüchtlinge, wenige Daten: die fluchtbezogene Entwicklungszusammenarbeit braucht bessere Daten Angenendt, Steffen; Kipp, David; Koch, Anne

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Transkript:

www.ssoar.info Viele Flüchtlinge, wenige Daten: die fluchtbezogene Entwicklungszusammenarbeit braucht bessere Daten Angenendt, Steffen; Kipp, David; Koch, Anne Veröffentlichungsversion / Published Version Stellungnahme / comment Zur Verfügung gestellt in Kooperation mit / provided in cooperation with: Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Angenendt, Steffen ; Kipp, David ; Koch, Anne ; Stiftung Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (Ed.): Viele Flüchtlinge, wenige Daten: die fluchtbezogene Entwicklungszusammenarbeit braucht bessere Daten. Berlin, 2016 (/2016). URN: http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-47560-2 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (Keine Weiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Terms of use: This document is made available under Deposit Licence (No Redistribution - no modifications). We grant a non-exclusive, nontransferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, noncommercial use. All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.

Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit SWP-Aktuell Viele Flüchtlinge, wenige Daten Die fluchtbezogene Entwicklungszusammenarbeit braucht bessere Daten Steffen Angenendt / David Kipp / Anne Koch Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat im Juni 2016 seinen neuen Jahresbericht über die Lage von Flüchtlingen und Vertriebenen in der Welt vorgelegt. Auch diese Ausgabe dokumentiert neue Höchststände bei Flüchtlingszahlen, sowohl in Industriestaaten als auch in Entwicklungsländern. Für Regierungen und Hilfsorganisationen bilden die UNHCR-Daten eine wichtige Entscheidungsgrundlage, um flüchtlingspolitische Herausforderungen besser zu bewältigen. Doch auch diese Datenbestände haben Lücken und Schwachstellen. Von der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) wird ein immer größerer Beitrag zur Fluchtursachenbekämpfung erwartet. Deshalb braucht sie zuverlässige und aussagekräftige Statistiken. Wirksame Hilfe in Flüchtlingskrisen setzt umfassende und verlässliche Daten voraus. Menschen auf der Flucht müssen sich als Flüchtlinge registrieren lassen können, um Zugang zu internationalem Schutz und den damit verbundenen Rechtsansprüchen und Hilfsleistungen zu erhalten. Aufnehmende Länder und Gemeinden sind auf Daten über aktuelle Fluchtsituationen angewiesen, um Versorgungsleistungen zu planen und die notwendigen administrativen, personellen und materiellen Ressourcen bereitzustellen. Auch die Glaubwürdigkeit der Spendenaufrufe internationaler Hilfsorganisationen hängt von fundierten Informationen über Fluchtsituationen ab. Aufgrund seines Mandats spielt der Hohe Flüchtlingskommissar eine Schlüsselrolle bei der Erhebung und Aufbereitung von Daten zu Fluchtbewegungen. UNHCR ist zurzeit als einzige Organisation in der Lage, eine Gesamtschau der globalen Fluchtsituation zu erstellen. Die jährliche UNHCR- Flüchtlingsstatistik bildet daher einen Hauptbezugspunkt für humanitäre und entwicklungspolitische Akteure in Fluchtsituationen, weist aber systematische Schwächen auf. Datenstand und Datenlücken Seit Anfang des Jahrzehnts hat UNHCR jährlich neue Höchststände bei der Anzahl von Menschen auf der Flucht gemeldet. Sie stieg von 42,5 Millionen im Jahr 2011 auf 65,3 Millionen im Jahr 2015. Diese Gesamtzahl umfasst vier verschiedene Personengruppen. Zu 16,1 Millionen grenzüberschreitenden Flüchtlingen Ende 2015 kamen 5,2 Millionen palästinensische Flüchtlinge (die nicht Dr. Steffen Angenendt ist Leiter der SWP-Forschungsgruppe Globale Fragen. David Kipp ist Wissenschaftler, Dr. Anne Koch Wissenschaftlerin in der SWP-Forschungsgruppe Globale Fragen. Der Text wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projekts»Fluchtbewegungen und Entwicklungszusammenarbeit Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten für deutsche und europäische Politik«verfasst. 1

unter das UNHCR-Mandat fallen), 3,2 Millionen Asylbewerber und 40,8 Millionen Binnenvertriebene. Die Qualität der Daten variiert je nach Personengruppe. Grundsätzlich ist die Datenerhebung von UNHCR auf den Bedarf an humanitärer Hilfe ausgerichtet. Daher bietet sie nicht immer eine ausreichende Basis für längerfristige entwicklungspolitische Maßnahmen. Lückenhafte Flüchtlingsstatistiken Die Genfer Flüchtlingskonvention bildet den völkerrechtlichen Rahmen, innerhalb dessen die Signatarstaaten über die Anerkennung von Flüchtlingen entscheiden. Die nationalen Verfahren und jeweiligen Kriterien weichen allerdings immer noch erheblich voneinander ab, ebenso die Definitionen und Methoden zur Erfassung fluchtbezogener Daten. In den meisten Industrie- und Schwellenländern greift UNHCR auf Angaben der für Flüchtlinge zuständigen Ministerien oder Institutionen zurück. Diese wiederum schöpfen ihrerseits aus höchst unterschiedlichen Datenquellen. Das kann beispielsweise dazu führen, dass Bestandszahlen registrierter Flüchtlinge und Asylbewerber mit Verlaufsdaten über Zu- und Abwanderungen verglichen werden. Noch größer sind die Lücken in den Flüchtlingsstatistiken der meisten Entwicklungsländer. Oft ist UNHCR auf Daten weiterer Organisationen der Vereinten Nationen (VN) angewiesen. Da jene aber mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Verfahren erhoben werden, sind sie untereinander kaum kompatibel. Überwiegend beruhen UNHCR-Statistiken jedoch auf Daten, die der Hochkommissar bei der Registrierung von Flüchtlingen erfasst. Besonders schwierig ist es, diese Informationen auf Stand zu halten. Dabei können vielfältige Verzerrungen auftreten: Zahlen können überhöht sein, wenn Betroffene länger in den Statistiken verbleiben, als ihre eigentliche Fluchtsituation anhält. Registrierungsdaten können unvollständig sein, weil Einzelnen oder einer bestimmten Gruppe die Registrierung im jeweiligen Aufnahmeland verwehrt wird. Dies betrifft zum Beispiel syrische Flüchtlinge in Libanon. Mangelhafte Daten zu Binnenvertreibung Eine systematische Schwachstelle sind die UNHCR-Angaben zu Binnenvertriebenen. Da diese keinen völkerrechtlich bindenden Schutzstatus genießen, hängt ihre Registrierung stark vom jeweiligen nationalen Kontext ab. Während etwa Kinder von Binnenvertriebenen in einigen Ländern aus der Statistik fallen, wird in anderen Ländern der Status als Binnenvertriebener an die nächste Generation»vererbt«auch wenn die Angehörigen der ursprünglichen Generation bereits lokal integriert sind oder sich dauerhaft niedergelassen haben. Insgesamt sind die Statistiken hier äußerst lückenhaft. Zudem erfasst UNHCR nur solche Binnenvertriebene, die wegen bewaffneter Konflikte, Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen geflohen sind. Im Jahr 2015 waren das 37,5 Millionen Menschen. Diese Zahl ist aber unvollständig, da sie nur diejenigen berücksichtigt, die von UNHCR Unterstützung erhalten. Umfassender sind die Angaben des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC), das von 40,8 Millionen Binnenvertriebenen aufgrund von Kriegen und gewaltsamen Auseinandersetzungen ausgeht. IDMC weist aber auch darauf hin, dass von 2008 bis 2015 schätzungsweise 203,4 Millionen Menschen innerhalb ihrer Länder vor Umweltkatastrophen geflohen sind. Diese Fluchtursache wird immer wichtiger. Die Betroffenen fallen aber nicht unter das UNHCR-Mandat und tauchen deshalb weder in Statistiken zur Binnenvertreibung noch zu grenzüberschreitenden Fluchtbewegungen auf. Zusätzlicher Datenbedarf Der Datenbedarf der fluchtbezogenen Entwicklungszusammenarbeit ist offensichtlich: 89 Prozent aller Flüchtlinge und 99 Prozent aller Binnenvertriebenen leben in Entwicklungs- und Schwellenländern. So 2

stammte 2015 die Hälfte aller Flüchtlinge aus nur drei Ländern: Syrien, Afghanistan und Somalia. In all diesen Fällen handelt es sich um langandauernde Fluchtsituationen. Die Dauer von Flüchtlingskrisen In den UNHCR-Statistiken gilt eine Fluchtsituation als langandauernd, wenn aufgrund eines Konflikts mindestens 25 000 Menschen derselben Nationalität mindestens fünf Jahre ohne Aussicht auf ein dauerhaftes Ende ihrer Fluchtsituation außerhalb des eigenen Landes leben. Im Jahr 2015 betraf das laut UNHCR 41 Prozent aller Flüchtlinge, die durchschnittliche Dauer betrug 26 Jahre. 1993 hatte dieser Wert noch bei neun Jahren gelegen. Auch wenn die Weltbank eine weitaus geringere Durchschnittsdauer von 18 Jahren ermittelt hat, lassen diese Zahlen keinen Zweifel daran, dass viele Menschen über außerordentlich lange Zeiträume im Fluchtzustand verharren müssen. Je mehr sich solche Situationen verfestigen, desto schwieriger ist es, den Übergang von Nothilfe zu entwicklungspolitischen Lösungsansätzen zu schaffen. Diese Erfahrung hat UNHCR in vielen Ländern mit großen Flüchtlingslagern machen müssen. Im Lager Dadaab in Kenia etwa sind Flüchtlinge über Generationen zur Untätigkeit gezwungen und werden dadurch in Abhängigkeit von internationaler Hilfe gehalten. Das verwehrt ihnen Lebensperspektiven und kann Konflikte im Aufnahmeland verursachen wie auch die anhaltende Diskussion um die Auflösung dieses Lagers zeigt. Sozioökonomische Situation Für den Übergang von Nothilfe zu langfristig angelegten Entwicklungsprogrammen ist zunächst entscheidend, wo sich die Flüchtlinge und Binnenvertriebenen aufhalten. Im Vergleich zu humanitärer Hilfe haben es EZ-Akteure sehr viel schwerer, die Bevölkerung in Regionen mit akuten Gewaltkonflikten zu unterstützen. Die 9,6 Millionen Binnenvertriebenen, welche derzeit in Syrien, Libyen und Jemen leben, befinden sich größtenteils nicht in Reichweite entwicklungspolitischer Akteure. Zudem bilden die verfügbaren UNHCR- Daten individuelle Bedarfe von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen nur unvollkommen ab. Das gilt vor allem für diejenigen Menschen, die sich außerhalb von Flüchtlingslagern niederlassen. Die meisten EZ- Projekte konzentrieren sich auf Flüchtlingslager, obwohl dort lediglich 6 Prozent aller Flüchtlinge und Binnenvertriebenen leben. Nur für 46 Prozent der von UNHCR betreuten Personen liegen Angaben zum Geschlecht vor, Informationen zum Alter sogar nur für 33 Prozent. Das ist problematisch, weil soziodemographische Daten für die Gestaltung von EZ-Maßnahmen äußerst wichtig sind. In Ländern wie Tschad, Kongo oder Uganda etwa, wo der Anteil der unter 18-Jährigen bei Flüchtlingen und Binnenvertrieben mit 60 Prozent besonders hoch ist, müssen Maßnahmen anders konzipiert sein als beispielsweise in Georgien, wo weniger als 25 Prozent der Binnenvertriebenen minderjährig sind. Um die Bedürfnisse der Betroffenen genauer zu erfassen, werden zusätzliche Daten benötigt. Ein Beispiel für innovative Ansätze bietet eine im Dezember 2015 erstellte Studie zur Lage syrischer Flüchtlinge in Jordanien und Libanon. Hier konnte die Weltbank ansonsten nicht zugängliche UNHCR-Daten auswerten und daraus Vorschläge ableiten, wie sich Hilfsmaßnahmen besser auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge zuschneiden lassen. Generell empfiehlt es sich, die Betroffenen selbst zu befragen, etwa in Haushaltserhebungen, und anhand der Ergebnisse langfristig wirksame Programme zu entwerfen. Wirkungen auf Aufnahmegesellschaften Nach wie vor fehlt eine globale Verantwortungsteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Die Hälfte der Flüchtlinge weltweit hat bislang in nur sieben Schwellen- und Entwicklungsländern Zuflucht gefunden. Dabei handelt es sich meist um Nachbar- 3

Stiftung Wissenschaft und Politik, 2016 Alle Rechte vorbehalten Das Aktuell gibt die Auffassung der Autorin und der Autoren wieder SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Ludwigkirchplatz 3 4 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Fax +49 30 880 07-100 www.swp-berlin.org swp@swp-berlin.org ISSN 1611-6364 staaten von Krisenländern. Die Weltbank schätzt, dass 48 Millionen Menschen in Entwicklungsländern direkt durch die Aufnahme von Flüchtlingen betroffen sind, weitere 56 Millionen durch die Zuwanderung von Binnenvertriebenen. Eine Grundregel der Entwicklungszusammenarbeit lautet, dass Hilfsmaßnahmen niemals nur einer spezifischen Bevölkerungsgruppe zugutekommen sollen, sondern immer der gesamten Bevölkerung in dem betreffenden Gebiet. Soll diese Regel auch in Fluchtsituationen angewandt werden, müssen die Folgen für die Aufnahmegesellschaften präziser ermittelt werden. Hierzu gehören negative Effekte der Fluchtzuwanderung auf Wohnungsmarkt, öffentliche Infrastruktur, Arbeitsmarkt und soziale Kohäsion. Mögliche positive Wirkungen sollten aber ebenfalls in den Blick genommen werden, etwa eine Belebung wirtschaftlicher Aktivitäten durch Flüchtlinge. Blinde Flecken in der Statistik Einige Ursachen von Flucht und Vertreibung tauchen in Flüchtlingsstatistiken bisher nicht auf. Zu nennen sind hier Kriminalität wie auch Umweltfaktoren und Vertreibungen durch Entwicklungsprojekte. In Mexiko und Zentralamerika zum Beispiel waren 2015 schätzungsweise eine Million Menschen auf der Flucht vor Drogen- und Gangkriminalität. Auch steigt die Zahl derjenigen, deren Lebensgrundlagen durch Dürreperioden oder Schlechtwetterereignisse bedroht sind und die deshalb ihre Heimat verlassen müssen. Schließlich werden laut IDMC jährlich über 15 Millionen Menschen durch Entwicklungsprojekte aus ihren Siedlungsgebieten vertrieben, etwa infolge großer Infrastrukturvorhaben in China. Handlungsmöglichkeiten Auch auf internationaler Ebene werden immer häufiger Forderungen nach besseren Daten zu Flucht und Vertreibung laut, zuletzt beim World Humanitarian Summit im Mai 2016. Die Bundesregierung unterstützt dieses Anliegen, indem sie ein neues, in Berlin angesiedeltes Datenportal (Global Migration Data Analysis Center, GMDAC) der Internationalen Organisation für Migration (IOM) fördert. Lässt sich die Tätigkeit des Portals verstetigen und arbeitet es effektiv mit ähnlichen Organisationen zusammen, kann es einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der globalen Datenlage leisten. Dabei sollten Doppelstrukturen vermieden werden. Außerdem sollten die Kapazitäten anderer datenerhebender und -auswertender Organisationen im Rahmen ihrer Mandate ausgebaut werden. Auf vier Bereiche kommt es dabei besonders an: Erstens sollten die Kompetenzen der nationalen Statistikbehörden gestärkt und die Vergleichbarkeit der Daten erhöht werden. Die VN-Statistikkommission entwickelt zurzeit ein Handbuch, das einheitliche Definitionen und Erfassungsmethoden enthält. Dieses Vorhaben sollten die Mitgliedstaaten unterstützen. Zweitens sollte die Datenerhebung in Fluchtsituationen verbessert werden, um die Qualität entwicklungspolitischer Maßnahmen zu steigern. Dafür könnten neue Methoden der Datenerhebung genutzt werden. Handys und Smartphones zum Beispiel könnten helfen, die Bedarfe von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in schwer zugänglichen Gebieten zu ermitteln. Generell müssen persönliche Daten anonymisiert werden, um einen Missbrauch zu verhindern. Drittens helfen auch aussagekräftigere Statistiken nicht weiter, wenn es an Analysekapazitäten und maßgeschneiderten Hilfsangeboten mangelt. Für beides sind neue Formen internationaler Zusammenarbeit notwendig. Wünschenswert ist vor allem eine engere Kooperation von UNHCR, IDMC, IOM und entwicklungspolitischen Akteuren wie der Weltbank. Viertens gilt es, auch von UNHCR nicht beachtete Fluchtursachen statistisch zu erfassen und in der EZ zu berücksichtigen. 4