Dürren gestern heute - morgen

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Nehmen die extremen Wetterereignisse zu?

Transkript:

Dr. Paul Becker Vizepräsident Deutscher Wetterdienst Dürren gestern heute - morgen

Dürre Was ist das? Allgemeine Definition Ein Extremereignis, bei dem durch unterdurchschnittliche Niederschläge eine klimatologische Trockenheit entstanden ist. Dürren sind in Abhängigkeit von Schwellwert und Andauer mit einer Wiederkehrzeit versehen. weit über 100 Dürredefinitionen Art Andauer Meteorologische Dürren ab 1 Monat Landwirtschaftliche Dürren ab 2 Monat oder länger Hydrologische Dürren ab 4 Monat oder länger Sozio-ökonomische Dürren ab 1 Jahr oder länger Dürren gestern heute - morgen 11.02.2016 2

Wo gibt es Dürren? Monatlicher Niederschlag - Jahresgang Monat Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie 3

Dürren hat es schon immer gegeben 1876 1878 konnten mehrjährige Dürren in Indien (Madras) und China (Mandschurei) noch jeweils weit über 1 Millionen Todesopfer fordern Geburt Jesu Christi Hungersnöte in Ägypten Dürren in Indien/China Quelle: wikipedia 0 1100 1876-1878 4

Dürren hat es schon immer gegeben Ende der 60er Jahre führten Dürre und Krieg in der Region Biafra im Norden Nigerias zu einer der schwersten Hungersnöte aller Zeiten mit über 8 Millionen betroffenen Menschen. Geburt Jesu Christi Hungersnöte in Ägypten Dürren in Indien/China Dürre/Krieg Biafra/Nigeria Quelle: DPA 0 1100 1876-1878 Ende der 1960er Jahre 5

Dürren hat es schon immer gegeben Niedrigwasser behindert Binnen- Schifffahrt in Deutschland Quelle: DPA Geburt Jesu Christi Hungersnöte in Ägypten Dürren in Indien/China Dürre/Krieg Nigeria Dürre Kalifornien Dürre São Paulo Dürre Deutschland 0 1100 1876-1878 Ende der 1960er Jahre 2011 2014 2015 6

Die Identifikation eines Dürretrends aus den Beobachtungen ist nicht einfach 2 Im Gegenzug werden aber auch Regionen im zentralen Nordamerika und Nordwest-Australien als Gebiete mit sich verringernder Dürregefahr ausgewiesen. Laut Weltklimarat (IPCC: SREX, 2012; AR5 WGI, 2013) wurde in der Vergangenheit in der Mittelmeerregion und West-Afrika ein verstärktes Auftreten von Dürren identifiziert. 1 H H 3 Beides wird mit einer sich vergrößernden Hadley- Zelle in Verbindung gebracht, wodurch sich die Trockengebiete der sub-tropischen Hochdruckgürtel nördlich und südlich des Äquators polwärts verschieben. 4 Zusätzlich wird eine stärkere saisonale Nord-Süd Auslenkung der innertropischen Konvergenzzone und damit eine erhöhte Variabilität von Monsun-Niederschlägen beobachtet. 7

Dürreindizes stellen Vergleichbarkeit her Dürreindizes bestimmen und bemessen Dürren in standardisierter Weise Der am weitesten verbreitete Index ist der Standard Precipitation Index (SPI) μ Andauern: 1, 2, 3, 6, 9, 12, 24 oder 48 Monate Zur Bemessung von Dürren mit dem SPI wird die Häufigkeitsverteilung des Niederschlages auf eine Standardnormalverteilung (unten) transformiert Häufigkeit der Schwellwert Unterschreitung σ<-1 15.87% aller Niederschläge σ<-2 2.275% aller Niederschläge σ<-3 0.135% aller Niederschläge μ μ: Erwartungswert (Median) σ: Standardabweichungen definieren Schwellwerte und ihre Unterschreitungshäufigkeiten die Wiederkehrzeiten 8

Dürrediagnose seit 1952 Basierend auf Niederschlagsdatenarchiv von knapp 100 000 Stationen aus aller Welt Durch das Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie der WMO Räumliche Auflösung 1.0 Grad (rund 100 km) Rückschauperioden von 1, 3, 6, 9, 12, 24 und 48 Monaten für die unterschiedliche Dürretypen (meteorologisch, landwirtschaftlich, hydrologisch, sozio-ökonomisch) wurden betrachtet 9

GPCC-Climatology Use Case II Wie haben sich die Dürren seit 1952 entwickelt? Trend über den WZN Dürreindex identifiziert weltweit, wo die meteorologische Dürregefahr seit 1952 gestiegen und gesunken ist. Erhöhung der Dürregefahr in: Amerikas: Paz. Kanada und USA, Mittelamerika, Mexiko, Kolumbien, Brasilien, Venezuela, Peru, Chile, Europa: Gesamt südlich Pyrenäen und Alpen inklusive Mittelmeerraum, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Südpolen Afrika: Mittelmeerraum, Westafrika, (Sahel), Zentralafrika, Zimbabwe, Mozambique, Madagaskar gestiegen gesunken Asien & Australien: Indochina, Bangladesch, China, Ost- und Südaustralien Quelle: GPCC/2015/12/17 10

Dürren morgen Können Klimamodelle Dürren schon gut projizieren? CMIP5 gegenüber WZN/GPCC Vergleich Klimamodell (CMIP5) und Beobachtung (WZN) [Box 11.2, Abb.1k,o im IPCC AR5 WGI] Sommerhalbjahr April bis September Winterhalbjahr März bis Oktober Nur in den grauen Zonen werden die Beobachtungen von 1950-2010 vom Modell reproduziert zu feucht gut zu trocken Laut IPCC Sachstandsbericht (AR5 WG1, Kapitel 11, Box 11.2, Abb.1k,o) sind Klimamodelle (CMIP5 hindcasts) und Beobachtungen (WZN/GPCC) bereits in punkto Niederschlagstrends in vielen dürreanfälligen Gebieten für den Zeitraum 1950-2010 sehr uneinig. Der Weltklimarat ist entsprechend zurückhaltend mit Aussagen zur zukünftigen Dürregefahr basierend auf Modellprojektionen, auch weil die Modelle des CMIP5 Ensembles untereinander in vielen Gebieten stark voneinander abweichen. 11

GPCC-Climatology Use Case II Dürren - morgen Klimawandel Erwärmung Boden Der Einfluss des Klimawandels auf die Dürreentwicklung ist in den Niederschlagsdaten aufgrund der hohen natürlichen Variabilität bis heute statistisch schlecht nachweisbar. Jedoch hat und wird die globale Erwärmung aufgrund der erhöhten Verdunstung ihren Effekt besonders in den Regionen entfalten, wo die Bodenfeuchte bisher noch ausreichend war und somit auch zur erhöhten Verdunstung beitragen kann. Bereits ausgetrockneter Boden verdunstet aber auch bei zukünftig höheren Temperaturen nicht mehr, es sei denn, die Verdunstungsverluste werden durch tiefwurzelnden Bewuchs und/oder Bewässerungswirtschaft vom Menschen aufrecht erhalten. Dürren gestern heute - morgen 11.02.2016 12

Dürren - morgen Klimaanpassungsmaßnahmen zur Vermeidung von Verdunstungsverlusten werden eine immer größere Rolle spielen, um die Wirkungskette zwischen globaler Erwärmung und Verdunstungserhöhung zu durchbrechen. Abdeckung von Stauseen in Kalifornien Quelle: www.youtube.com/watch?v=memwjzqjwyw Dürren gestern heute - morgen 11.02.2016 13

Zusammenfassung Dürren auch katastrophale - hat es schon immer gegeben. Ihre Ursachen sind vielfältig, aber dieser Beitrag betrachtet die klimatologischen Aspekte. Es gibt systematische Beobachtungen und Diagnosen von Dürren, wie zum Beispiel die hier vorgestellte des Weltzentrums für Niederschlagsklimatologie (WZN) für die Jahre seit 1952. Am stärksten von Dürre betroffen sind Regionen mit extrem saisonal geprägtem Niederschlag (Monsun) wie der Sahel, Ostafrika, der indischen Subkontinent, der fruchtbare Halbmond des mittleren Ostens, Indochina und Südostchina aber auch der Südwesten der USA, Mexiko, Brasilien, und der Süden und Osten Australiens. Bei allen vorbenannten Regionen außer dem Sahel und dem mittleren Osten spielt auch das ENSO Phänomen eine wesentliche Rolle für das Auftreten von Dürren. Die vom WZN beobachteten Zunahmen von Dürren in den letzten 60 Jahren zeigen eine Verschärfung in den vorbenannten Dürregebieten (Trocken wird trockener) und zusätzliche Gefährdungsgebiete entstanden verbreitet in Afrika, in Brasilien, dem Mittelmeerraum, entlang der pazifischen Küsten von Nord- und Südamerika und Indonesien. Projektionen von Klimamodellen zur zukünftigen Dürregefahr sind derzeit wenig belastbar. 14

Dr. Paul Becker Vizepräsident Deutscher Wetterdienst Vielen Dank.